Sozialgericht Mainz Urteil, 26. Juni 2012 - S 16 KR 250/10

ECLI:ECLI:DE:SGMAINZ:2012:0626.S16KR250.10.0A
bei uns veröffentlicht am26.06.2012

Tenor

1. Der Bescheid vom 22.04.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 13.07.2010 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine minimalinvasive bariatrische Operation als Sachleistung zu gewähren.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klage richtet sich gegen die Ablehnung einer adipositaschirurgischen Behandlung.

2

Die am ...1968 geborene Klägerin beantragt am 16.02.2009 die Kostenübernahme für eine noch durchzuführende laproskopische Schlauchmagenbildung unter Vorlage eines Schreibens des Klinikums M der Borromärinnen vom 15.01.2009. Dort wird eine seit Kindheit bekannte Übergewichtigkeit beschrieben bei einer extremen Gewichtszunahme seit dem Beginn der 90er Jahre. Die Klägerin habe multiple Diäten durchgeführt, es trete jedoch stets der typische Jojo-Effekt mit ansteigendem Körpergewicht nach jeder Diät auf. Kuren seien Anfang der 80er Jahre erfolgt, Bewegungstherapien habe die Klägerin im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchgeführt. Vormals sportliche Betätigungen seien aufgrund der durch das Übergewicht bedingten Überbelastung des Bewegungsapparates bei bestehenden orthopädischen Beschwerden nicht mehr möglich. Sie befinde sich aufgrund der starken Belastungssituation und einer reaktiven Depression in einer Verhaltenstherapie. Eine Ernährungsberatung sei bereits durchgeführt worden, eine medikamentöse Therapie mit Reduktil sei ohne Wirkung geblieben. Die Klägerin habe angegeben, eher eine Volumenesserin zu sein. Ein Sweet-Drinking oder Sweet-Eating bestehe nicht. Komorbiditäten seien eine Hypertonie, Dyslipidämie und Fettleber sowie die orthopädischen Erkrankungen. Durch die extreme Adipositas sei die Klägerin in ihrer Lebensqualität drastisch eingeschränkt. Da die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, halte man einen chirurgischen Eingriff entsprechend den einschlägigen Leitlinien für dringend indiziert und sehr erfolgversprechend, am ehesten in der Form einer Schlauchmagenbildung. Auch eine dort durchgeführte psychologische Exploration sowie eine psychodiagnostische Untersuchung hätten keine Kontraindikation ergeben. Suchterkrankungen, schwere Depressionen, Psychosen und Essstörungen im Sinne von Bulimie und Binge Eating hätten ausgeschlossen werden können.

3

In einem Gutachten vom 17.04.2009 verneinte der MDK nach Vorlage eines Ernährungsprotokolls die Notwendigkeit des begehrten Eingriffs. Zwar bestehe bei einer aktuellen Adipositas Grad III mit einem BMI von 44,12 kg/m² die zwingende Notwendigkeit einer drastischen Gewichtsreduktion. Die bescheinigte deutliche Motivation der Klägerin hierzu müsse jedoch in Frage gestellt werden, nachdem diese geäußert habe, sie empfinde es als Qual zu hungern bzw. ihre Kalorienzufuhr zu drosseln. Da die Klägerin Volumenesserin bei fehlendem Sättigungsgefühl sei, sei eine Verhaltenstherapie gefragt, in der die Klägerin lernt, nach einer bestimmten Nahrungsmittel- bzw. Kalorienmenge nicht weiter zu essen, sondern sich zu beherrschen. Sie habe zudem wiederholt bewiesen, dass sie bei Änderung ihres Verhaltens mit reduzierter Kalorienzufuhr und gleichzeitiger Erhöhung ihres Kalorienverbrauchs durch sportliche Aktivitäten fähig ist, ihr Gewicht beträchtlich zu reduzieren. Allerdings habe sie die veränderte Lebens- und Ernährungsweise nicht über einen genügend langen Zeitraum fortgeführt, sondern sei in ihre alten Verhaltensmuster zurückverfallen. Es empfehle sich vorrangig das sogenannte konservative Basiskonzept nach den Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft mit Ernährungsberatung und Erhöhung des Bewegungsprogramms und Ernährungsverhaltenstherapie mit dem Ziel der Implementierung einer Veränderung der Lebensweise zur dauerhaften Gewichtsreduktion. Das Basiskonzept solle über einen genügend langen Zeitraum von einem, besser zwei Jahren erfolgen und professionell begleitet werden. Erst wenn dieses dokumentierte Konzept nachweislich nicht zum erhofften Erfolg führen sollte, sei ein bariatrischer Eingriff als ultima ratio erneut zu diskutieren.

4

Mit Bescheid vom 22.04.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hiergegen legte die Klägerin am 28.04.2009 Widerspruch ein mit der Begründung, die Indikation für eine chirurgische Behandlung der Adipositas sei im Vorfeld von mehreren Ärzten bejaht worden. Sie sei notwendig und geeignet, um die schwere und heimtückische Erkrankung zu behandeln und in den Griff zu bekommen. Die durchzuführende Operation entspreche auch dem allgemein anerkannten Stand des medizinischen Fortschritts. Zur Stützung ihres Begehrens legte die Klägerin eine Publikation des Adipositaschirurgen Prof. Dr. W sowie eine in einem bei dem Sozialgericht (SG) Münster geführten Verfahren vorgelegte ergänzende Stellungnahme vom 16.06.2009 zu einem dort erstatten Gutachten vor, in der er unter anderem ausführt, weder die Leitlinien noch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 19.02.2003 würden die Forderung eines einheitlichen Konzepts über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erheben. Eine solche Forderung mache nach dem derzeitigen Kenntnisstand aus wissenschaftlicher Sicht keinen Sinn. Auch scheine der MDK im Bundesland Hessen umzuschwenken, was sich aus der vorgelegten Stellungnahme zu einem anderen Verfahren ergebe. Dort wird unter anderem ausgeführt, es sei eine Tatsache, dass bei Adipösen im Schweregrad 3 mit einem BMI über 40 alle Formen der konservativen Therapie langfristig betrachtet keinen oder nur einen geringen Nutzen haben, weshalb international der Trend weg von konservativen Therapien hin zur Adipositaschirurgie bestehe. Die Klägerin legte ferner ein Attest des behandelnden Orthopäden vom 31.08.2009 vor, der bei seit Jahren erfolglosen konservativen Therapien einschließlich einer Verhaltenstherapie eine Magenreduktionsplastik befürwortet, sowie eine Stellungnahme des Klinikums M der Borromäerinnen vom 03.09.2009, in der die dortigen Ärzte ihre Empfehlung des begehrten Eingriffs wiederholen. Sie weisen darauf hin, dass die individuellen Voraussetzungen stets genauestens überprüft würden und nur bei einem konsequent erfüllten Basisprogramm entsprechend der Rechtsprechung des BSG eine solche Maßnahme endgültig empfohlen werde. Alle Studien zeigten, dass nach Beendigung einer Verhaltenstherapie genauso wie nach Beendigung einer Ernährungsberatung eine erneute Gewichtszunahme bei den Patienten mit einer morbiden Adipostas erfolgt, die endlich einmal als Krankheit anzuerkennen sei, wie dies die WHO bereits tue. Vergleiche man die bisherigen Kosten, die die Klägerin durch ihre Begleiterkrankungen verursacht hat und in der Folge noch verursachen werde, mit den Kosten einer operativen Therapie, sei die Entscheidung der Beklagten völlig unverständlich.

5

In einem neuerlichen Gutachten vom 22.03.2010 bestätigte der MDK das Ergebnis der Vorbegutachtung, nachdem die Klägerin im Rahmen einer stationären orthopädischen Rehabilitation eine deutliche Gewichtsreduktion demonstriert habe. Die begehrte Schlauchmagenoperation sei als wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Operationsmethode ebenso wenig zu empfehlen wie andere Methoden der Adipositaschirurgie.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 12.08.2010 Klage beim SG Mainz erhoben.

7

Zur Stützung ihres Begehrens legt die Klägerin eine Stellungnahme des Krankenhauses S vom 19.08.2010 vor, das einen laproskopischen Eingriff eines Roux-en-Y-Magenbypass befürwortet, der den Goldstandard der US- Adipositaschirurgie darstelle. Die Adipositasanamnese der Klägerin sei mit mehr als zehn Jahren ausreichend lang, um eine operative Behandlung in Erwägung zu ziehen, nachdem konservative Behandlungen keinen Erfolg gehabt hätten. Ferner legt sie eine Stellungnahme der Diplom Oecothrophologin Dr. R vom 04.03.2011 vor, die von einer über 6,5 Monate dauernden Ernährungstherapie berichtet, die bei guter Motivation der Klägerin nicht zu der erhofften Gewichtsreduktion geführt habe. Wegen der Schwere der Adipositasproblematik sei auch eine qualifizierte konservative multimodale Therapie nicht erfolgversprechend. Die Klägerin sei auch über die erforderliche Lebens- und Ernährungsstiländerung auf Lebenszeit nach einer bariatrischen Operation aufgeklärt. Die hierbei erforderliche ernährungstherapeutische Begleitung sei durch sie sichergestellt. Die F, Fachklinik für Lymphologie, in der sich die Klägerin in stationärer Behandlung primärer adipositasaggravierter Beinlymphödeme befand, befürwortete in einer vorgelegten Stellungnahme vom 26.07.2011 eine bariatrische Operation. Der BMI habe dort 46 kg/m² betragen bei bestehenden adipositasassoziierten Erkrankungen. Die seit Kindheit immer wieder erfolgten Gewichtsreduktionsversuche zeigten eindrucksvoll, dass die konservative Therapie bei der Klägerin erschöpft ist. Auch liege derzeit kein wesentlich erhöhtes Operationsrisiko vor. Die Motivation der Klägerin sei ausreichend vorhanden, eine Essstörung könne ausgeschlossen werden.

8

Auf Anforderung des Gerichts hat die Klägerin eine Auflistung der in der Vergangenheit vorgenommenen Gewichtsreduktionsbemühungen vorgelegt.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Bescheid vom 22.04.2009 in Form des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, antragsgemäß die Kosten für eine minimalinvasive operative Magenverkleinerung zur Behandlung der Adipositas zu übernehmen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie ist der Auffassung, dass die Klägerin bis zuletzt keine ausreichend dokumentierten qualifizierten Bemühung zur Gewichtsreduktion auf konservativem Wege nachgewiesen hat, was auch für die für die Dauer von sechseinhalb Monaten durchgeführte Ernährungstherapie gelte, zumal diesbezüglich keinerlei Dokumentation vorliege. Die Klägerin habe wiederholt bewiesen, ohne die begehrte Operation zu nennenswerten Gewichtsabnahmen in der Lage zu sein. Weiterhin seien die Zweifel an der notwendigen Motivation nicht ausgeräumt.

14

Auch bleibe zweifelhaft, ob sich die Klägerin überhaupt im Klaren darüber ist, dass gerade für die angestrebte Operation ein enorm hohes Maß an Disziplin und Motivation erforderlich ist. Der Vortrag, es handele sich um eine heimtückische Krankheit, sei unzutreffend. Vielmehr handele es sich lediglich um eine Fehlkalkulation von aufgenommenen und verbrauchten Kalorien. Schließlich seien auch Kontraindikationen erkennbar, soweit sich die Klägerin Ende 2006 unter anderem aufgrund einer depressiven Episode und Essattacken in stationärer Krankenhausbehandlung befand, mithin aufgrund einer psychischen Erkrankung und einer Essstörung.

15

Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. S, Arzt für Neurologie, Innere Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie, nebst ergänzender Stellungnahme. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Zu Unrecht hat die Beklagte es abgelehnt, der Klägerin den beantragten minimalinvasiven adipositaschirurgischen Eingriff zu gewähren.

17

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Starkes Übergewicht stellt eine Krankheit dar, wobei dahinstehen kann, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt, da hiermit jedenfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen einhergeht (Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 13.10.2011 - L 5 KR 12/11), das sich bei der Klägerin ausweislich der aktenkundigen medizinischen Stellungnahmen bereits manifestiert hat. Die begehrte Behandlung erweist sich auch als notwendig im vorgenannten Sinne, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (§§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V).

18

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei begehrten Behandlung um die Operation eines funktionell intakten Organs handelt zur Behandlung einer anderweitigen krankhaften Funktionsstörung, die einer speziellen Rechtfertigung bedarf, was nur dann der Fall ist, wenn sie nach Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Intervention sowie nach Abwägung der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R). Nach der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CA- ADIP) "Chirurgie der Adipositas" (Stand Juni 2010) wird für eine Indikation zur Operation generell ein Versagen einer intensiven konservativen Therapie vorausgesetzt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten sind demnach erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von sechs bis zwölf Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde. Die Leitlinie stellt zudem Kriterien zu den einzelnen Behandlungswegen auf. Die Möglichkeiten zur Ernährungstherapie ist demnach dann erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme das Therapieziel nicht erreicht wurde. Ferner wird eine erfolglose Durchführung einer Ausdauer- und/oder Kraftausdauersportart mit mindestens zwei Stunden Umfang pro Woche gefordert, falls keine Barrieren bestehen, sowie eine ambulante oder stationäre Psychotherapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie), falls eine Essstörung wie binge-eating oder night-eating oder eine Psychopathologie vorliegt. Die Behandlungen zum Lebensstil sollten dabei nach Möglichkeit in der Gruppe erfolgen, idealerweise durch Fachpersonal. Darüber hinaus sieht die aktuelle Leitlinie im Gegensatz zu früheren Versionen eine primäre Indikation vor. Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden, wobei die Indikation hierzu durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen ist.

19

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe, die den aktuellen anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft darstellen, ist eine bariatrische Operation zur Überzeugung der Kammer bei der Klägerin indiziert. Hierbei stützt sich die Kammer zuvörderst auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. S. Nach dessen im Rahmen einer ambulanten Untersuchung am 02.03.2012 getroffenen Feststellungen leidet die Klägerin auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet an einem leicht- bis mittelgradigen depressiven Syndrom bei rezidivierenden depressiven Episoden, gegebenenfalls auf dem Boden einer Dysthymia, bei Hinweisen für ängstlich-abhängige Persönlichkeitszüge ohne Anhalt für eine Persönlichkeitsstörung. Ebenso sieht der Sachverständige keinen Anhalt für eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung oder für eine psychogene Essstörung. Neben einer Adipositas Grad III stellt er weitere Diagnosen auf dem internistischen und orthopädischen Fachgebiet. Er sieht ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bedingt durch die Adipositas bei bestehenden Begleiterkrankungen. Es bestehe ein konkreter Handlungsbedarf, die Klägerin erfahre erhebliche Einschränkungen ihres körperlichen und auch psychischen Empfindens. Unter Berücksichtigung der Aktenlage, der Anamnese seien konservative Behandlungsmöglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft. Er attestiert der bariatrischen Operation gute Erfolgsaussichten bei vertretbaren Risiken. Da eine gute Compliance bestehe, sei ein langfristiger Erfolg in Gestalt einer Gewichtsreduktion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Er sehe einen gewissen Teufelskreislauf bei der Klägerin. Bedingt durch die ausgeprägte Adipositas seien die Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt. Ihre Versuche, diese etwa mit der Trainingsform Zumba zu durchbrechen, würden durch die zunehmenden orthopädischen Leiden und das hinzugetretene Lip-/Lymphödem erschwert. Die bestehende depressive Symptomatik werde durch die adipositasbedingten Beschwerden mit unterhalten. Die Angaben der Klägerin zu erfolglos wahrgenommenen Diäten hätten authentisch und nachvollziehbar gewirkt. Hinsichtlich einer diätischen Therapie wirke sich jedoch das originäre psychische Befinden erschwerend aus, was nicht heiße, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, nach erfolgreicher bariatrischer Operation entsprechend notwendige Ernährungsweisen wahrzunehmen und durchzuhalten. Aufgrund der körperlichen Konstitution sei eine Bewegungstherapie nicht mehr erfolgversprechend. Einer medikamentöse Therapie stehe er selbst kritisch gegenüber, aufgrund der depressiven Stimmungslagen sei eine solche sogar kontraindiziert. Im Hinblick auf die in der Vergangenheit durchgeführten psycho- und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen, die sämtlich erfolglos verlaufen seien, sehe er diesbezüglich keine Behandlungsalternativen. Insgesamt bejaht der Sachverständige die Indikation der begehrten Behandlung.

20

Die Kammer hat keine Bedenken, ihre Entscheidung auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. S zu stützen. Das Gutachten ist in sich schlüssig und begegnet insoweit keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit die Beklagte bis zuletzt rügt, hinsichtlich der durchgeführten konservativen Behandlungen mangele es an tauglichen Nachweisen, habe der Sachverständige die Angaben der Klägerin unkritisch seiner Beurteilung zugrunde gelegt, teilt die Kammer diese Bedenken nicht. Zu den ureigenen Aufgaben eines Sachverständigen gehört es, die Angaben des Probanden kritisch zu hinterfragen, was der Sachverständige, der über langjährige Erfahrungen in der sozialmedizinischen Begutachtung verfügt, ausweislich seines Gutachtens getan hat, wenn er ausführt, die diesbezüglichen Angaben der Klägerin seien authentisch und nachvollziehbar gewesen. Im Übrigen bestehen auch nach Aktenlage keine Bedenken, dass die Klägerin auf eine langjährige "Diätkarriere" zurückblicken kann, es vorliegend mithin nicht um die vorschnelle Suche nach einem vermeintlich bequemen weg geht. Sämtliche aktenkundigen ärztlichen und therapeutischen Stellungnahmen beschreiben umfangreiche erfolglose Bemühungen zur Gewichtsreduktion und stützen insoweit die Einschätzung des Sachverständigen. So wurde bereits von Seiten des Krankenhauses S als auch des Klinikums M der Borromäerinnen die Indikation einer bariatrischen Operation bejaht, beides Häuser mit einer ausgesprochenen Expertise auf dem Gebiet der Adipositaschirurgie. Die Kammer geht daher im Einklang mit dem Sachverständigen Dr. S und den sonstigen mit dem Anliegen der Klägerin befassten Medizinern davon aus, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten effektiv erschöpft sind. Die abweichenden Voten des MDK vermögen das so gefundene Ergebnis nicht zu erschüttern. Soweit die Beklagte rügt, die von der Klägerin unternommenen Bemühungen genügten nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Hinsichtlich der qualitativen Anforderungen an eine verhaltenstherapeutische Behandlung gilt es zu beachten, dass die Leitlinie lediglich die Leitung durch Fachpersonal empfiehlt. Die Klägerin befand sich jedoch nachweislich in einer sechseinhalbmonatigen ernährungstherapeutischen Behandlung, ohne dass hierdurch ein Erfolg erzielt worden wäre. Auch soweit die Beklagte Abweichungen zu den im Rahmen der Begutachtungen durch den MDK gewonnenen Erkenntnissen rügt, da der Sachverständige eine Essstörung ausschließt, solche nach dem dortigen Leistungsausdruck tatsächlich jedoch bestanden hätten, vermag die Kammer zu keinem abweichenden Ergebnis zu gelangen. Eine solche Erkrankung, läge sie denn vor, würde entgegen der Auffassung des MDK nach den aktuellen Leitlinie gerade keine Kontraindikation darstellen. Vielmehr wird in diesem Fall zunächst eine Psychotherapie verlangt. Auch insoweit hat die Klägerin die zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Insgesamt darf nicht übersehen werden, dass es sich bei den Leitlinien um allgemeingültige Maßstäbe handelt, es aber generell und insbesondere bei einer so vielschichtigen Problematik wie der Adipositas einer Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls bedarf. Angesichts der umfassenden Bemühungen der Klägerin haben sämtliche mit der Klägerin befassten Ärzte mit Ausnahme des MDK den Schluss einer Aussichtslosigkeit weiterer konservativen Therapien gezogen.

21

Die Beklagte war bei der festgestellten medizinischen Notwendigkeit antragsgemäß zu verurteilen, der Klägerin eine minimalinvasive bariatrische Operation als Sachleistung zu gewähren. Insoweit stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Entgegen der zunächst beanspruchten Schlauchmagenbildung wurde zuletzt ein laproskopischer Eingriff eines Roux-en-Y-Magenbypass befürwortet. Der Sachverständige Dr. S sah sich zu einer Aussage, welche Behandlungsmethode am ehesten geeignet ist, nicht in der Lage. Bei bestehender Indikation eines minimalinvasiven Eingriffs obliegt die schlußendliche Entscheidung über das Verfahren der Wahl dem Behandler.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Mainz Urteil, 26. Juni 2012 - S 16 KR 250/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Mainz Urteil, 26. Juni 2012 - S 16 KR 250/10

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Mainz Urteil, 26. Juni 2012 - S 16 KR 250/10 zitiert 6 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Sozialgericht Mainz Urteil, 26. Juni 2012 - S 16 KR 250/10 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Sozialgericht Mainz Urteil, 26. Juni 2012 - S 16 KR 250/10 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Okt. 2011 - L 5 KR 12/11

bei uns veröffentlicht am 13.10.2011

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.12.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheide

Referenzen

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.12.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der Krankenhausbehandlung vom 25.10.2010 bis 29.10.2010 im St. V -Krankenhaus H zur Durchführung der Magenbypassoperation in Höhe von 7.256,72 € zu erstatten.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der Kosten einer Magenbypassoperation in Höhe von 7.256,72 €.

2

Die 1960 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin wog im Mai 2007 bei einer Körpergröße von 165 cm 173 kg, der Body-Mass-Index (BMI) betrug 63,5 kg/qm. Neben der seinerzeit schon seit mehr als 20 Jahren bestehenden Adipositas leidet die Klägerin an einem Zustand nach Lungenkrebserkrankung 1997 sowie arthrotischen Beschwerden des gesamten Bewegungsapparats, einem Asthma bronchiale sowie Depressionen. Zur Gewichtsabnahme durchgeführte ambulante Therapieversuche sowie Kurmaßnahmen in den Jahren 1983, 1987 und 2003, Weight-Watchers-Diäten 1992 und 1998 sowie von März 2001 bis Juli 2003, psychologische Behandlungen 2003 bis 2004 und zuletzt die Teilnahme an einem Intensivkurs zur Ernährungsumstellung mit Betreuung (Wake up/Trennkost) blieben ohne dauerhaften Erfolg. Gestützt auf Atteste ihres Hausarztes Dr. W vom 11.05.2007, des Internisten W vom 29.01.2007, des Nervenarztes Dr. W vom 13.03.2007 und eines ärztlichen Antragsschreibens von Prof. Dr. W , Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses S und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas, vom 03.05.2007 beantragte die Klägerin im Mai 2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Krankenhausbehandlung zur laparoskopischen Magenbypassoperation. Mit dieser Operationsmethode wird das effektive Magenvolumen verkleinert und der zur vollständigen Verdauung zur Verfügung stehende Weg durch den Dünndarm verkürzt. Auf diese Weise soll die aufgenommene Nahrungsmenge verringert werden und die Fettverdauung im Dünndarm reduziert werden. Gestützt auf ein Gutachten des Dr. S vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 29.06.2007, der im Hinblick insbesondere auf die generellen Operationsrisiken und einen bisher fehlenden Wirksamkeitsnachweis bariatrischer Operationen die Maßnahme nicht befürwortete, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.07.2007 den Antrag ab.

3

Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin auf ihre zahlreichen erfolglos gebliebenen konservativen Abnehmversuche bei nach Verlust eines Lungenflügels und auf Grund des hohen Gewichts eingeschränkter körperlicher Bewegungsfähigkeit. Die Beklagte zog eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S vom 17.08.2007 bei sowie Auskünfte des Dr. W vom 28.09.2007, von Prof. Dr. W vom 08.10.2007 und des Internisten W vom 07.01.2008. Dr. W bejahte eine dringende OP-Indikation, Prof. Dr. W betonte, dass alternative Behandlungsmethoden nicht mehr Erfolg versprechend seien und trotz der Begleiterkrankungen der Klägerin, insbesondere der Oberlappenresektion der linken Lunge 1997, keine absolute Kontraindikation für die operative Maßnahme bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zwar sei die Grundvoraussetzung für eine Operation angesichts eines BMI von 63,5 gegeben, auch die Möglichkeit der lebenslangen Nachsorge werde von Prof. Dr. W bestätigt. Dieser bezeichne auch das OP-Risiko als tolerabel, allerdings sehe der MDK dies wohl anders, ohne dass aus dem Gutachten ganz klar werde, ob der MDK die Adipositas als solche oder die Begleiterkrankungen berücksichtige. Gegenindikationen seien allerdings die Depressionen, derentwegen sich die Klägerin in ärztlicher Behandlung befinde, auch seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft, weil die Klägerin bisher nicht an einem leitliniengerechten sechs- bis zwölfmonatigen strukturierten Therapieprogramm teilgenommen habe. Auch die Motivation der Klägerin sei nicht ausreichend belegt. Hiervon könne erst ausgegangen werden, wenn die konservative Therapie durchgehalten worden sei.

4

Am 22.07.2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben. Das SG hat von Dr. W einen Befundbericht vom 24.09.2008 eingeholt, wonach bei der Klägerin sei Mitte 2002 die Entwicklung eines zunehmenden psychophysischen Erschöpfungszustands mit depressiver Verstimmung eingetreten sei. Die Klägerin hat Atteste des Dr. W vom 14.11.2008 und 09.12.2008 vorgelegt; in letztgenannter Bescheinigung hat dieser ausgeführt, seines Wissens habe die Klägerin bisher nicht an einem ärztlich geleiteten Adipositas-Programm teilgenommen. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein internistisches Gutachten von Dr. K vom 25.05.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin sei aktuell im Mai 2009 im Rahmen einer stationären Untersuchung mittels Linksherzkatheter eine koronare Herzerkrankung ausgeschlossen worden, es habe sich jedoch die Diagnose einer Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Funktionsstörung ergeben. Das extreme Übergewicht erhöhe das Risiko einer rezidivierenden kardialen Dekompensation. Eine entsprechende operative Intervention sei zur Reduzierung des kardialen Risikos dringend indiziert. Weiter abklärungsbedürftig sei der Verdacht auf ein Rezidiv der Neoplasie, eine laborchemisch ausgeprägte entzündliche Konstellation sei mit der Diagnose einer Pneumonie vereinbar. Erstmals sei nunmehr die Diagnose eines Typ II Diabetes mellitus zu stellen. Die Klägerin leide ferner infolge des Übergewichts an seit längerem zunehmenden Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie beider Kniegelenke. Der einzig sinnvolle Therapieansatz sei für die Klägerin eine Gewichtsreduktion um etwa 80 kg, welche nur durch eine entsprechende operative Intervention mit Reduzierung der Magengröße zu erreichen sei. Die Beklagte hat eingewandt, den Gutachten des Dr. K könne sie die Prognose von mit Sicherheit eintretenden schweren Schäden bei Abwarten einer Therapiedauer von 6 bis 12 Monaten für eine leitlinienkonforme konventionelle Therapie nicht entnehmen. Die Klägerin hat nachfolgend den Arztbrief von Dr. V , Chefarzt des Bereiches Allgemein- und Viszeralchirurgie der chirurgischen Abteilung des St. V -Krankenhaus H vom 01.09.2010 vorgelegt. Danach lag bei einer ärztlichen Untersuchung der Klägerin am 31.08.2010 bei einer Körpergröße von 166 cm ein aktuelles Gewicht von 177 kg vor, entsprechend einem BMI von 56 (richtig: 64,2) kg/qm vor. Es bestehe eine klare Indikation zur operativen Behandlung des krankhaften Übergewichtes, Daten aus der Weltliteratur, die Erfolge konservativer Behandlungen bei einem solchen BMI zeigten, seien nicht bekannt. Zuvor müssten eine intensive kardiologische Untersuchung, eine Lungenfunktionsprüfung sowie ein Komplettlabor durchgeführt werden. Über die Notwendigkeit der begleitenden Nachsorge durch die operierende Klinik sei die Klägerin informiert. Die Klägerin hat im Rahmen einer stationären Behandlung im St. V -Krankenhaus H vom 25.10.2010 bis 29.10.2010 den Eingriff durchführen lassen und hierfür gemäß DRG-Abrechnung der Klinik vom 02.11.2010 7.256,72 € selbst bezahlt. Laut Attest des Dr. W vom 08.12.2010 hat sie bisher 25 kg an Gewicht verloren. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts hat sie erklärt, seit der Operation habe sie ihr Hungergefühl im Griff, insgesamt habe sich ihre Situation verbessert, so dass sie schon wieder spazieren gehen könne. Ab Januar 2011 beabsichtige sie die Aufnahme von Reha-Sport.

5

Durch Urteil vom 15.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die engen Voraussetzungen für eine Einstandspflicht der Beklagten hinsichtlich der Kosten für eine mittelbare Behandlung des krankhaften Übergewichts der Klägerin durch einen operativen Eingriff am gesunden Magen lägen nicht vor. Nach der evidenzbasierten Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas", Version 2007, solle eine chirurgische Therapie der Adipositas nur erfolgen, wenn zuvor eine wenigstens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattgefunden habe. Diesen Anforderungen würden die zahlreichen von der Klägerin bis zur Operation durchgeführten Maßnahmen jedoch nicht gerecht. Hieran ändere auch das Ergebnis des auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens des Dr. K nichts.

6

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 08.01.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.01.2011 Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass anderen Betroffenen auch ohne Durchführung eines entsprechenden langfristigen Therapieprogramms die Operationskosten erstattet worden seien.

7

Die Klägerin beantragt,

8

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.12.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der im Oktober 2010 durchgeführten Magenbypassoperation in Höhe von 7.256,72 € zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen,

11

hilfsweise,

12

die Revision zuzulassen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

14

Auf Veranlassung des Senats unter Hinweis auf die überarbeiteten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CA-ADIP) "Chirurgie der Adipositas" (Stand April 2010, zitiert nach www.uni-duesseldorf.de/AWMF/II/088-001.htm) hat die Beklagte ein MDK-Gutachten von Dr. L /Arzt S vom 03.06.2011 vorgelegt, die betonen, bereits nach dem aktuellen Begutachtungsleitfaden des MDK sei bei Vorliegen eines BMI größer/= 60 kg/qm von einer ausnahmsweisen Indikation der chirurgischen Maßnahme auszugehen, weil nach der aktuell verfügbaren Literatur eine relevante Gewichtsbeeinflussung auch unter multimodaler Therapie nicht zu erwarten sei. In dieser Konstellation sei nur sicherzustellen, dass keine Kontraindikation oder keine vorrangig zu behandelnden Grunderkrankungen vorliegen und dass eine ernährungsmedizinische Betreuung als Vorbereitung auf die postoperative Phase stattgefunden habe. Im Nachhinein entspreche die von Dr. V im Oktober 2010 durchgeführte Magenbypassoperation sowohl den aktualisierten Leitlinien als auch der bereits vor der Operation eingeführten neuen Begutachtungsrichtlinie des MDK. Befunde, die vor der Operation als Kontraindikationen zu werten gewesen bzw. einer entsprechenden näheren Abklärung bedurft hätten, seien damals falsch eingeschätzt worden. Das St. V -Krankenhaus gehöre allerdings nicht zu den 12 bislang zertifizierten Kompetenz- und Referenzzentren für Adipositas und metabolische Chirurgie, wobei aus MDK-Sicht nur in diesen eine entsprechende Operation erfolgen sollte.

15

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, der revidierten Beurteilung des MDK könne sie nicht folgen, sie sei ausschließlich auf Grund generalisierender Erwägungen erfolgt und könne keine Betrachtung im Einzelfall ersetzen, wie das LSG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 20.06.2011 (L 5 KLAR 297/09) ausgeführt habe. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin selbst von früheren erheblichen Gewichtsabnahmen von 20 bis 50 kg auf Grund unstrukturierter Eigenbemühungen berichtet habe. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Indikationsstellung entsprechend der aktuellen Leitlinie durch einen in der Adipositas-Therapie qualifizierten Arzt erfolgt sei, da weder Dr. W (Attest vom 20.01.2008), Dr. W (Atteste vom 11.05.2007 und 14.11.2008) noch Dr. K (Gutachten vom 25.05.2009) ersichtlich über eine solche Qualifizierung verfügten. Die Klägerin stimmt der Beurteilung des MDK im Gutachten vom 03.06.2011 ausdrücklich zu.

16

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

17

Die nach §§ 143 4, 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Magenbypassoperation.

18

Die Klage ist zulässig. Die Umstellung des Klageantrags von der ursprünglich geforderten Sachleistung auf Kostenerstattung ist nach Durchführung der Magenbypassoperation sachgerecht und nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht als Klageänderung zu werten.

19

Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sind, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin erfüllt. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Starkes Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI größer/= 30) stellt eine Krankheit dar. Dabei kann dahinstehen, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Jedenfalls besteht bei einem solchen Übergewicht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen, dass eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich macht (BSG 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R, SozR 4 - 2500 § 137 c Nr. 1).

20

Eine mittelbare Krankenbehandlung durch chirurgische Operation eines funktionell intakten Organs zur Behandlung einer anderweitigen krankhaften Funktionsstörung bedarf jedoch einer speziellen Rechtfertigung. Die bei der Klägerin durchgeführte Magenbypassoperation stellt eine solche mittelbare Krankenbehandlung dar. Denn Ursache für das Übergewicht der Klägerin ist deren krankhaftes Essverhalten. Der chirurgische Eingriff am funktionell intakten Magen soll lediglich mittelbar dieses krankhafte Essverhalten beeinflussen. Eine solche mittelbare Krankenbehandlung ist nur dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V), wenn sie nach Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Intervention sowie nach Abwägung der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt ist (BSG, a.a.O.).

21

Nach diesen Maßstäben kommt eine chirurgische Behandlung der extremen Adipositas zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur in Betracht, wenn nach dem zum maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Operation aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan gegeben waren. Die chirurgische Adipositastherapie kommt grundsätzlich nur als ultima ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen (BMI ≥ 40 oder ≥ 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung; BSG, a.a.O.; BSG 16.012.2008 - B 1 KR 2/08 R Rn. 23, SozR 4 - 2500 § 13 Nr. 20). Nach der einschlägigen überarbeiteten Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CA-ADIP) "Chirurgie der Adipositas" (Stand April 2010, Seite 13), die den zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation im Oktober 2010 aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wiedergibt, ist eine Operation am Magen nur indiziert, wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Das ist der Fall, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von mindestens sechs Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde. Die Möglichkeiten zur Ernährungstherapie sind erst dann erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z.B. Formula-Diät, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht wurde. Zusätzlich ist, soweit keine Barrieren bestehen, mindestens zwei Stunden wöchentlich eine Ausdauer- und/oder Kraftausdauersportart sowie eine ambulante oder stationäre Psychotherapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie) durchzuführen. Diese Voraussetzungen waren zwar bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Operation nicht in vollem Umfang erfüllt, wie das SG im Einzelnen ausgeführt hat. Gleichwohl war jedoch im vorliegenden Ausnahmefall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Sachverhalts eine Magenbypassoperation als ultima ratio gerechtfertigt.

22

Die überarbeiteten Leitlinien (a.a.O., Seite 13) sehen nunmehr ausdrücklich eine ausnahmsweise primäre Operationsindikation vor. Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden. Bei der Klägerin, die zum Operationszeitpunkt nach dem Bericht des Dr. V vom 01.09.2010 bei einer Körpergröße von 166 cm 177 kg wog, was einem BMI von 64,2 kg/qm entspricht, war eine konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg. Nicht nur Dr. V hat betont, dass ihm bei einem solchen BMI - wobei er fälschlich von einem Wert von nur 56 kg/qm ausgegangen ist - Erfolge konservativer Behandlungen aus der Weltliteratur nicht bekannt sind. Auch die Ärzte im MDK Dr. L /S haben im Gutachten vom 03.06.2011 hervorgehoben, dass nach der aktuell verfügbaren Literatur eine relevante Gewichtsbeeinflussung auch unter multimodaler Therapie bei Vorliegen eines BMI größer/= 60 kg/qm nicht zu erwarten sei, so dass der aktuelle Begutachtungsleitfaden des MDK bei einem solchen Ausmaß der Adipositas ausnahmsweise eine primäre Indikation für eine chirurgische Adipositastherapie vorsieht. Der Magenbypass stellt dann auch nach dem Ergebnis der zuletzt gehörten MDK-Gutachter ein anerkanntes Verfahren dar. Eine Ernährungsberatung war bei der Klägerin erfolgt, "psychiatrische Bedenken" haben die Gutachter des MDK ebenfalls verneint und die zunächst als Kontraindikationen gesehenen Befunde haben sich im Nachhinein als falsch eingeschätzt herausgestellt. Die Operation ist in einem zugelassenen Krankenhaus im Bereich Allgemein- und Viszeralchirurgie erfolgt. Dass dieses nach dem MDK-Gutachten von Dr. L /Arzt S nicht zu den 12 bislang zertifizierten Kompetenz- und Referenz-Zentren für Adipositas- und metabolische Chirurgie gehört, schließt die Einstandspflicht der Beklagten nicht aus; zudem hat die Beklagte in Kenntnis der beabsichtigten Operation in ihrem im Klageverfahren eingereichten Schriftsatz vom 20.09.2010 diesbezügliche Bedenken an den von der Klägerin ausgewählten Leistungserbringern nicht geäußert.

23

Die von der Beklagten geäußerten Bedenken an der zuletzt vom MDK abgegebenen Beurteilung vermag der Senat nicht zu teilen. Der MDK bejaht im Gutachten vom 03.06.2011 die primäre Operationsindikation nicht ausschließlich auf Grund generalisierter Erwägungen, sondern berücksichtigt das konkret bei der Klägerin gegebene Ausmaß der Adipositas sowie die bei ihr vorliegenden Begleiterkrankungen bei seiner Einschätzung. Bei der Klägerin bestand zum Operationszeitpunkt insbesondere ein Zustand nach Verlust eines Lungenflügels, ein psychophysischer Erschöpfungszustand (Bericht des Dr. W vom 24.09.2008) sowie die von Dr. K im Gutachten vom 24.05.2009 festgestellte Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Funktionsstörung, durch das extreme Übergewicht ein erhöhtes Risiko einer rezidivierenden kardialen Dekompensation, ein Diabetes mellitus Typ II sowie Lendenwirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden. Der Hinweis auf das Urteil des LSG Stuttgart vom 20.06.2001 (L 5 KR 297/09) führt nicht weiter. Nach den Feststellungen des LSG Stuttgart war im von diesem Gericht entschiedenen Fall eine Versicherte mit einem BMI von 43,1 betroffen, mithin mit einem wesentlich geringer ausgeprägten Ausmaß der Adipositas als im Fall der Klägerin. Die vom LSG Stuttgart im Urteil vom 20.06.2011 (a.a.O.) erfolgte Verneinung einer primären OP-Indikation lässt sich mithin auf die Konstellation der Klägerin gerade nicht übertragen. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben vorliegend an der Indikationsstellung nicht nur die behandelnden (Haus-)Ärzte der Klägerin mitgewirkt, sondern bereits im ärztlichen Antragsschreiben vom 03.05.2007 mit Prof. Dr. W , dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas, ein in der Adipositastherapie besonders qualifizierter Arzt.

24

Liegen die Voraussetzungen der Umwandlung des Sachleistungs- in einen Kostenerstattungsanspruch vor, erstreckt sich dieser grundsätzlich auf die Erstattung der dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten (Noftz, in: Hauck/Noftz SGB V, K § 13 Rn. 57).

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

26

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.