Sozialgericht Magdeburg Urteil, 17. März 2015 - S 21 AS 3987/11
Gericht
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 verurteilt, an die Klägerin weitere 290,00 EUR für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes zu zahlen.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf weitere Leistungen für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes in Höhe von 290,00 EUR hat.
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Die Klägerin stand im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten. Unter dem 8. April 2011 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten neben der Schwangerschaftsbekleidung auch eine Babyausstattung und Möbel im Rahmen der Erstausstattung für die Wohnung. Für die Schwangerschaftsbekleidung bewilligte der Beklagte einen Betrag in Höhe von 120,00 EUR. Mit Schreiben vom 12. Juli 2011 erinnerte die Klägerin den Beklagten an die Bescheidung ihres Antrages bezüglich der Säuglingsausstattung. Hierbei reichte die Klägerin u.a. ein Schreiben der Bundesstiftung "Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens" vom 19. Mai 2011 ein, aus welchem sich ergibt, dass die Klägerin von der Bundesstiftung für die Erstausstattung des Kindes einen Betrag in Höhe von 160,00 EUR, für die Wohnung und Einrichtung einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR sowie sonstige Hilfen in Höhe von 130,00 EUR erhalten hat. Das Schreiben enthielt weiter den Hinweis, dass die Mittel, die von der Bundesstiftung gewährt werden, nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden dürfen.
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Mit Bescheid vom 15. August 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 80,00 EUR für die Erstausstattung bei Geburt.
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Den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2011 zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass von der Bundesstiftung für die Erstausstattung des Kindes (160,00 EUR) und sonstige Hilfen (130,00 EUR) 290,00 EUR aufgebracht worden seien. Unter Berücksichtigung des Höchstbetrages nach der Richtlinie des Landkreises H. zur Gewährung von Einmalhilfen von 370,00 EUR verblieben nur noch 80,00 EUR als Beihilfe bei Geburt eines Kindes. Eine Doppelgewährung sei nicht zulässig.
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Dagegen hat die Klägerin am 24. November 2011 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vertiefend und unter Hinweis auf das Urteil vom LSG Schleswig-Holstein vom 13. Juni 2013, L 13 AS 52/11, vorgetragen, dass die aus Stiftungsmitteln gewährten Leistungen zweckbestimmt und auf Leistungen des Beklagten nicht anrechenbar seien.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 zu verurteilen, für weitere 290,00 EUR für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf den angefochtenen Bescheid und vor allem darauf, dass eine Doppelgewährung nicht zulässig sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
- 12
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Gewährung weiterer 290,00 EUR für die Erstausstattung bei Geburt ihres Kindes.
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Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011. Darin heißt es, dass Leistungen für die Erstausstattung bei Geburt nicht von der Regelleistung umfasst sind. Sie werden gesondert erbracht (Satz 2). Nach Satz 5 dieser Vorschrift können die Leistungen auch in Form von Pauschalbeträgen erbracht werden. Dass der Anspruch als Pauschalbetrag in Höhe von insgesamt 370,00 EUR besteht (vgl. Richtlinie des Landkreises H. zur Gewährung von Einmalhilfen), wird durch den Beklagten im angefochtenen Bescheid bestätigt.
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Der Beklagte geht jedoch zu Unrecht davon aus, dass der Anspruch in Höhe von 290,00 EUR durch Leistungen der Mutter-Kind-Stifung bereits gedeckt gewesen sei und somit nur noch 80,00 EUR zu gewähren seien.
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Denn die aus Stiftungsmitteln gewährten Leistungen sollen der werdenden Mutter zusätzlich, das heißt über den Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II hinaus, zu Verfügung stehen (vgl. dazu VG Braunschweig, Urteil vom 9. November 1989 – 4 A 4120/89; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 13. Juni 2013 – L 13 AS 52/11 -). Das bedeutet, dass Zuwendungen der Mutter-Kind-Stifung bei der Gewährung für die Erstausstattung bei Geburt eines Kindes nach dem SGB II außer Betracht bleiben.
- 16
Leistungen der Stiftung sind "ergänzende Hilfen" (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 MuKStiftG), die der schwangeren Frau in einer Notlage die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichtern sollen. Nach § 5 Abs. 2 MuKStiftG sollen die Stiftungsmittel werdenden Müttern neben dem Rechtsanspruch nach dem SGB II zur Verfügung stehen. Die Anrechnung von Stiftungsmitteln – wie vom Beklagten vorgenommen – liefe dem Stiftungszweck zuwider.
- 17
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer auf die Begründung des LSG aaO, der sie sich nach eigener Prüfung voll inhaltlich anschließt.
- 19
Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rd.-Nr. 28). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da bislang nur vereinzelte Entscheidungen, bislang nicht höchstrichterlich, zu der abstrakten Rechtsfrage, ob die Gewährung der Bundesstiftung "Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens" auf die Erstausstattung bei Geburt nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 SGB II angerechnet werden darf ergangen sind und die Klärung dieser Frage angesichts der Vielzahl davon betroffener Fälle im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.
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(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.
(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.
(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für
- 1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, - 2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie - 3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.
(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.
(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.
(1) Zweck der Stiftung ist es, Mittel für ergänzende Hilfen zur Verfügung zu stellen, die werdenden Müttern, die sich wegen einer Notlage an eine Schwangerschaftsberatungsstelle wenden, gewährt oder für die Zeit nach der Geburt zugesagt werden, um ihnen die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern.
(2) Auf Leistungen auf Grund dieses Gesetzes besteht kein Rechtsanspruch.
(1) Leistungen, die dem in § 2 Abs. 1 genannten Personenkreis aus Mitteln der Stiftung im Rahmen des Stiftungszweckes gewährt werden, sind nicht pfändbar. Das gleiche gilt für Leistungen, die aus Mitteln anderer Stiftungen des öffentlichen Rechts oder aus Mitteln von Stiftungen, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet wurden, zur Erreichung des in § 2 Abs. 1 genannten Zwecks gewährt werden. Wird eine Geldleistung auf das Konto der werdenden Mutter bei einem Geldinstitut überwiesen, gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Pfändungsschutzkonto.
(2) Leistungen der in Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 genannten Art bleiben als Einkommen unberücksichtigt, wenn bei Sozialleistungen auf Grund von Rechtsvorschriften die Gewährung oder die Höhe dieser Leistungen von anderem Einkommen abhängig ist.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.
(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Bürgergeld bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.
(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für
- 1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, - 2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie - 3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.
(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.
(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.
(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.
