Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 30. März 2016 - S 4 U 4414/14

bei uns veröffentlicht am30.03.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Art und Höhe von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit.
Der am … 1952 geborene Kläger ist gelernter Koch und betrieb einen Party-Service, wofür er als Unternehmer bei der Beklagten freiwillig nach der Höchstversicherungssumme versichert war.
Im Jahr 2008 wurde bei dem Kläger ein multiples Myelom festgestellt, woraufhin er selbst bei der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) erstattete. Das Unternehmen des Klägers wurde seit Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit am 27.05.2010 von seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn fortgeführt. Aufgrund seiner Erkrankung besitzt der Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 100. Aus einem Arztbrief der Universitätsklinik … vom 17.02.2011 ging hervor, dass beim Kläger u. a. ein progredienter Hustenreiz bei der Inhalation fettiger Dämpfe vorliege. Der Kläger wies hierzu darauf hin, dass ihm ein Arbeiten in der Küche in dampfiger und dunstiger Umgebung unmöglich sei.
In der Folge zog die Beklagte verschiedene Arztbefunde und das Vorerkrankungsverzeichnis bei. Im Entlassungsbericht der Deutschen Rentenversicherung (DRV) über einen stationären Aufenthalt vom 06.07. bis zum 10.08.2010 wurden als Diagnosen ein Intrinsic Asthma bronchiale, eine beidseitige Pneumonie, ein Castleman-Krankheit und ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mitgeteilt. Der Kläger sei wegen seiner bronchialen Infektion als arbeitsunfähig entlassen worden. Aufgrund der chronischen Atemwegserkrankungen sei auf ein atemwegsschonendes Milieu zu achten, bei dem Nässe, Zugluft, extrem schwankende Temperaturen und inhalative Belastungen zu meiden seien. Zumutbar seien noch leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen.
Mit dem Einverständnis des Klägers beauftragte die Beklagte den Pneumologen Dr. ... mit einer Begutachtung. In dem Gutachten vom 08.05.2013 wurde angegeben, dass eine durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung nicht vorliege. Eine durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung könne noch nicht nachgewiesen werden. Das Auftreten der ausgeprägten Reizsymptomatik der Atemwege lasse eine Aufgabe der Berufstätigkeit mit Expositionen gegenüber Fettdämpfen erforderlich erscheinen. Da der Kläger jedoch aus existenziellen Gründen weiter berufstätig sein wolle, würde sich das konsequente Tragen einer Feinstaubmaske mit Ventil empfehlen. Aus pneumologisch-allergologischer Sicht sei ein Unterlassungszwang für die Tätigkeit in der Gastronomie anzunehmen, um die Entstehung einer berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung chemisch-irritativer Art zu vermeiden.
Am 01.07.2013 fand eine Beratung des Klägers bei der Beklagten zu den nach § 3 BKV möglichen Leistungen statt. Der Kläger teilte mit, dass eine Berufsaufgabe für ihn nicht in Betracht komme, woraufhin die Beklagte entgegnete, dass in diesem Fall Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht in Betracht kämen. Da das Vollbild einer BK Nr. 4301 nicht gegeben sei, kämen im Übrigen für den Fall der Berufsaufgabe lediglich Entschädigungsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV in Betracht. Daraufhin teilte er Kläger mit, dass er zunächst versuchen wolle, die atemwegsbelastenden Tätigkeiten weitestgehend zu reduzieren bzw. zu delegieren.
Die von der Beklagten eingeschaltete Arbeitsvermittlung ihres Dachverbands, die DGUV job, führte am 15.11.2013 eine Beratung des Klägers durch. Hierbei gab der Kläger erneut an, dass er eine Berufsaufgabe ablehne. Ein Bewerberprofil konnte nicht erstellt werden, weil die dem Kläger angebotenen Beschäftigungsalternativen nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Zum Abschluss des Gesprächs wurde vereinbart, dass der Kläger sich bei der Arbeitsvermittlung melden sollte, sofern er eine Berufsaufgabe doch noch beabsichtige.
Am 18.04.2014 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er sein Gewerbe „wunschgemäß umgemeldet“ habe. Hierzu habe man ihm in dem Gespräch schnelle und unbürokratische Hilfen zugesagt. Allerdings meldete sich der Kläger nicht mehr bei der DGUV job für das für den Fall der Arbeitsaufgabe vereinbarte Vermittlungsgespräch.
Daraufhin erfolgte am 01.07.2014 ein unangemeldeter Kontrollbesuch bei dem Kläger, der in Alltagskleidung und ohne Verschmutzungen durch eventuelle Küchenarbeiten angetroffen wurde. Zum Zeitpunkt des Besuchs arbeiteten der Sohn und die Ehefrau des Klägers in der Küche. Der Kläger teilte nunmehr mit, dass er keine Chancen auf Eingliederung im sozialversicherungspflichtigen Bereich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sehe. Das Unternehmen werde seit dem 01.03.2014 durch seinen Sohn und seine Ehefrau als GdbR weitergeführt, wobei ein Beschäftigungsverhältnis seinerseits zum Unternehmen nicht bestehe. Tätigkeiten in wirtschaftlich verwertbarem Umfang würden seinerseits nicht verrichtet.
10 
Mit Bescheid vom 10.07.2014 gewährte die Beklagte dem Kläger eine einmalige Übergangsleistung in Höhe von 41.600,- EUR. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger wegen einer Berufskrankheit (BK) seine Tätigkeit aufgegeben habe, weswegen ihm zum Ausgleich der hierdurch versursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung in der genannten Höhe nach § 3 Abs. 2 BKV gewährt werde. Bei der Art (Einmalzahlung oder laufende Zahlung) und der Höhe (Höchstbetrag = Folgerente = 2/3 der Versicherungssumme bei Unternehmen) der Übergangsleistungen bestehe ein Ermessensspielraum des Unfallversicherungsträgers. Da der Kläger als selbständiger Unternehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei und eine Rückkehr in das Erwerbsleben nicht anstrebe, werde als Übergangsleistung ein einmaliger Betrag in Höhe von 41.600,- EUR bewilligt. Hierbei handelte es sich um den Höchstbetrag von 2/3 aus der zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles geltenden satzungsmäßigen Versicherungssumme in Höhe von 62.400,- EUR, mit der der Kläger bei der Beklagten versichert gewesen war.
11 
Am 07.08.2014 legte der Klägerbevollmächtigte Widerspruch gegen die Berechnung der Übergangsleistung mit einer Einmalzahlung in Höhe von 41.600,- EUR ein. Der Kläger sei 62 Jahre alt und beabsichtige noch nicht, in Rente zu gehen. Entgegen der Begründung des Bescheides beabsichtige der Kläger auch nicht, dauerhaft aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Allerdings gestalte sich die Suche nach einer anderen leidensgerechten Tätigkeit schwierig.
12 
Mit Schreiben vom 01.09.2014 wies die Beklagte darauf hin, dass die Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV präventiven Charakter habe. Der Zweck der Leistung bestehe alleine darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst vorzubeugen und Anreize zu setzen, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen (mit Hinweis auf BSG vom 22.03.2011 - B 2 U 12/10 R -). Die Leistung diene dagegen nicht dem Ersatz eines konkreten Schadens, was sich auch daraus ergebe, dass weder das Vorliegen einer BK noch die Feststellung eines Versicherungsfalles vorausgesetzt sei. Hinsichtlich der Art der Geldleistungen als Übergangsleistung und des Zeitrahmens erfolge in § 3 Abs. 2 BKV eine abschließende Regelung. Es könne entweder eine monatlich wiederkehrende Zahlung für längstens fünf Jahre oder ein Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in Geld gewährt werden. Der präventive Zweck gelte auch für den Anspruch auf eine einmalige „Beihilfe“, denn auch sie diene alleine dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile zur Erleichterung des Übergangs in eine nicht gefährdende berufliche Tätigkeit. Die Übergangsleistung sei daher zeitnah nach Tatbestandserfüllung zu erbringen. Mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV werde auch dem Gedanken Rechnung getragen, dass bei typisierender Betrachtung nach einem Zeitraum von 5 Jahren bei beiden Arten der Übergangsleistung die Umstellung auf eine andere Tätigkeit gelungen sein werde. Im Rahmen der Ermessensausübung seien neben den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes, dem Bedarf an Weiterbildung und persönliche Gründe, die eventuell einer neuen Tätigkeit entgegenstehen, beachtet worden. Hierzu sei die Servicestelle für Arbeitsvermittlung DGUV job … eingeschaltet worden. Mit Schreiben vom 21.11.2013 sei von dort berichtet worden, dass ein Bewerberprofil nicht habe erstellt werden können, da keine ausreichenden beruflichen Perspektiven hätten entwickelt werden können. Es sei vereinbart worden, dass der Kläger erneut zur Servicestelle Kontakt aufnehme, falls er von dort Unterstützung bei der Aufnahme einer anderen Tätigkeit benötige. Bis zum 18.02.2014 habe der Kläger sich jedoch nicht mehr bei der Arbeitsvermittlung DGUV job gemeldet. Schließlich habe der Kläger auch selbst bei dem Vor-Ort-Gespräch am 26.06.2014 mitgeteilt, dass er keine Chancen einer Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sehe. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten habe die BG sich im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens für eine einmalige Übergangsleistung entschieden.
13 
Eine Rückmeldung des Klägers oder seines Bevollmächtigten auf dieses Hinweisschreiben erfolgte nicht mehr.
14 
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2014 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, wozu die Beklagte im Einzelnen ihre Erwägungen aus dem Hinweisschreiben vom 01.09.2014 wiederholte.
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Am 23.12.2014 hat der Bevollmächtigte des Klägers beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die Klage wird damit begründet, dass der Kläger entgegen den Ausführungen der Beklagten durchaus an einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt interessiert sei und noch nicht geplant habe, sich aus dem Erwerbsleben generell zurückzuziehen. Der Umstand, dass die Arbeitsvermittlung DGUV job noch kein Bewerberprofil für den Kläger habe erstellen können, könne nicht zum Nachteil des Klägers gereichen. Der Kläger habe sich bei dieser Stelle nicht mehr gemeldet, weil man ihm dort keine Perspektive habe eröffnen können. Der Kläger habe sich bei der Arbeitsagentur arbeitsuchend gemeldet und von sich aus nach einer geeigneten Arbeitsstelle Ausschau gehalten, wobei er sich darum bemühe, seine kaufmännische Bildung einzusetzen, um noch ein gewisses Einkommen zu erzielen. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da nach den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls von einem Bedürfnis für eine mehrjährige Ausgleichsleistung auszugehen sei. Erstmalig im Klageverfahren hat der Kläger dann weitere konkrete Bemühungen nach einer anderen Beschäftigung dargelegt und nachgewiesen.
16 
Der Kläger beantragt, teils sinngemäß,
17 
den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV als monatlich wiederkehrende Zahlung für den Zeitraum von längstens 5 Jahren zu gewähren, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat und die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die beantragte Leistung zu entscheiden.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass eine ordnungsgemäße Ermessensausübung vorliege. Sämtliche wesentlichen beruflichen und gesundheitlichen Umstände des Kläger seien ermittelt, mit dem Kläger besprochen und in die Abwägung miteinbezogen worden. Dabei habe sich insbesondere gezeigt, dass sowohl das Alter des Klägers als auch seine zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden eine weitere berufliche Tätigkeit kaum zuließen. Sowohl die Servicestelle DGUV job als auch die Arbeitsagentur teilten diese Auffassung. Tatsächlich habe der Kläger auch keine andere Beschäftigung gefunden. Da eine berufliche Neuorientierung oder Wiedereingliederung kaum zu bewerkstelligen sei, sei eine einmalige Übergangsleistung sinnvoller als eine gestaffelte Übergangsleistung, welche den Übergang in eine andere Arbeitsstelle erleichtern solle.
21 
Am 08.12.2015 ist im SG ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
23 
Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht und ohne Ermessensfehler eine Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV in Form eines einmaligen Betrags bewilligt und die Gewährung einer sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckenden wiederkehrenden Zahlung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV abgelehnt.
24 
Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die Unfallversicherungsträger dieser Gefahr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken; ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger gemäß Satz 2 der Vorschrift darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen.
25 
Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird nach Satz 2 dieser Vorschrift entweder
26 
1. ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder
27 
2. eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.
28 
Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind hierbei nach Satz 3 der Vorschrift nicht zu berücksichtigen.
29 
Die in § 3 Abs. 2 BKV genannten Übergangsleistungen sind keine Entschädigungsleistungen, sondern haben den Zweck, den Versicherten im Rahmen der Prävention und zur Vorbeugung weiterer Gesundheitsgefahren zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu veranlassen (BSG vom 7. September 2004 - B 2 U 27/03 R m. w. N.). Der Zweck der Übergangsleistung besteht darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen. Diese Anreizfunktion ist in erster Linie auf das subjektive Reagieren des betreffenden Versicherten ausgerichtet. Bei einer vorübergehenden Unterbrechung der gefährdenden Tätigkeit ist ein nach außen klar erkennbarer Entschluss erforderlich, wegen einer drohenden Berufskrankheit auf Dauer keine Arbeit mehr auf einem gefährdenden Arbeitsplatz zu verrichten (BSG vom 20. Februar 2001 - B 2 U 10/00 R; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. März 2015 – L 9 U 138/13 –, Rn. 35, juris). Eine nur teilweise Reduzierung der gefährdenden Tätigkeit führt nicht zu einem Ausgleichsanspruch nach § 3 Abs. 2 S. 1 BKV. Dessen präventive Zielrichtung kann nur bei einer vollständigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit erreicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2001 - B 2 U 10/00 R). Der vollständige Unterlassungszwang nach § 3 Abs. 2 S. 1 BKV ist auch verfassungsgemäß (hierzu Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 06. Dezember 2012 – L 1 U 1664/10 –, juris).
30 
Die Beklagte hat demnach einerseits zu Recht solange die Leistung nicht bewilligt, bis der Kläger eindeutig erklärt hat, seinen im Sinne von § 3 Abs. 1 BKV gefährdenden Beruf nicht mehr ausüben zu wollen (Erklärung des Klägers vom 18.04.2014), und deswegen einen Verdienstausfall zu verzeichnen hatte (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 03. Februar 2012 – L 9 U 267/08 –, juris Rn. 31).
31 
Andererseits wurde durch diese Erklärung des Klägers die letzte noch fehlende Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch des Klägers auf eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung über die Art und Höhe der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV erfüllt (BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R -, BSGE 108, 28 ff und juris Rn. 21).
32 
Die Übergangsleistung soll das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten Zeitraums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten. Der Versicherte soll innerhalb dieser Zeit - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er ggf. zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der Berufskrankheit erreicht. Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet (BSG vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R).
33 
Vorliegend stellt sich indes das Problem, dass die Vorschrift keine konkreten Vorgaben dazu macht, wann von einem Anspruch auf eine einmalige Leistung oder einem Anspruch auf eine gestaffelte Leistung über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren auszugehen ist. Aufgrund der Formulierung der Vorschrift ist hierbei davon auszugehen, dass auch insoweit eine Ermessensentscheidung der Behörde vorliegt, welche demnach insbesondere den Zweck der gesetzlichen Regelung und die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalls des Klägers zu berücksichtigen hat (vgl. BSG, Urteil vom 4.5.1999, Az. B 2 U 9/98 R; SG Ulm, Urteil vom 30. Oktober 2008 – S 10 U 455/07 –, Rn. 32, juris).
34 
Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, eine Anpassung an eine neue wirtschaftliche Situation des Betroffenen zu ermöglichen, ist ein wesentliches Kriterium für die Unterscheidung zwischen den beiden Leistungsarten, ob von einem vorübergehenden oder einem längeren Unterstützungsbedarf auszugehen ist. Der einmalige Betrag kommt danach vorrangig bei überschaubarem, also nicht lange andauerndem Minderverdienst sowie bei einmaligen Mehraufwendungen in Frage kommen (Gründung einer Existenz, Umzug, Abstandszahlung), die laufende Leistungsgewährung demgegenüber vorrangig dann, wenn die durch die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit bewirkten Nachteile von längerer Dauer sein werden (Mehrtens/Brandenburg in: Mehrtens/Brandenburg, BKV - Die Berufskrankheitenverordnung, 10/07, BKV G 3, Rn. 5.2). Da § 3 Abs. 2 BKV hierüber keine Aussage trifft, muss der mit einem einmaligen Betrag abgegoltene Minderverdienst nicht in einem Jahr anfallen, er kann sich auch aus den erwarteten wirtschaftlichen Nachteilen der nächsten Jahre ergeben (Mehrtens/Brandenburg, G § 3 RdNr. 5.2). Die maximal in einem Jahr mögliche Leistung wird jedoch durch die Höhe der Jahresvollrente begrenzt (Römer in: Hauck/Noftz, SGB, 05/13, § 3 BKV, Rn. 64 f.).
35 
In der Praxis dürfte danach häufig ein laufender Minderverdienst vorliegen, der durch monatliche Zahlungen auszugleichen ist, weil die durch den Arbeitsplatzwechsel bewirkten Nachteile von längerer Dauer sind. Erwachsen dagegen durch die Aufgabe der bisherigen Beschäftigung einmalige größere Ausgaben (z.B. Umzug, Gründung einer selbständigen Existenz), kann die Gewährung eines einmaligen Betrages zweckmäßiger sein(Nehls in: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 12/11, US 0690 S. 7; juris).
36 
Die Beklagte hat sich bei ihrer Entscheidung über die Gewährung einer Einmalzahlung im Rahmen des der gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Ermessens gehalten. Sie hat eingehend und schlüssig begründet, weswegen in ihren Bescheiden die Möglichkeit einer Einmalzahlung für einschlägig gehalten worden ist. Hierbei durfte die Beklagte sich zur Begründung auch auf ihr Hinweisschreiben vom 01.09.2014 stützen, zumal der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter auf dieses im Widerspruchsverfahren übersandte Schreiben nicht mehr geantwortet haben. Auch auf die vorherige Ankündigung einer Einmalzahlung mit Schreiben vom 30.01.2014, welche die Beklagte mit der absehbaren Berufsaufgabe und dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben begründet hatte, hat der Kläger nicht reagiert. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte damit in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise entschieden hat (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG und § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I); insbesondere ist ein Ermessensfehl- oder nichtgebrauch nicht zu erkennen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2009 – L 2 KN 155/08 U –, Rn. 21, juris).
37 
Hierbei ist zu beachten, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten mit einer von ihr vorzunehmenden Prognoseentscheidung verknüpft war, die zu berücksichtigen hatte, wie lange der Kläger voraussichtlich einen Minderverdienst erzielen werde. Diese Besonderheit führt dazu, dass der hier entscheidende Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens am 21.11.2014 (Datum des Widerspruchsbescheides) ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn. 34a; vgl. etwa BSG, Beschluss vom 17. November 2009 – B 11 AL 87/09 B –, Rn. 6, juris). Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erkennbare Umstände sein. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw. Versicherten verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (vgl. BSG SozR 4-7833 § 6 Nr. 4 RdNr. 16; BSG, Urteil vom 02. April 2014 – B 3 KS 4/13 R –, SozR 4-5425 § 3 Nr. 3, Rn. 30).
38 
Am 21.11.2014 lagen der Beklagten indes lediglich Aussagen des Klägers und der DGUV job dahingehend vor, dass für den damals 62 Jahre alten Kläger keine konkrete berufliche Perspektive bestand und dieser insbesondere auch keine weitere berufliche Tätigkeit anstrebte. Dies deckt sich mit dem Gesprächsprotokoll des Reha-Managers der Beklagten vom 26.06.2014, wonach der Kläger keine Möglichkeit einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sah.
39 
Die Beklagte musste daher bei ihrer Entscheidung am 21.11.2014 davon ausgehen, dass der Kläger nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein wird. Da der Kläger auch vorher nicht abhängig beschäftigt war, sondern in der Unternehmerversicherung war, musste die Beklagte daher von einem Einschnitt in der Biographie des Klägers mit einem erheblichen, einmaligen Umstellungsbedarf ausgehen, dem eine Einmalleistung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich gerecht werden kann.
40 
Erst zu einem späteren Zeitpunkt und insbesondere im Klageverfahren hat der Kläger dann substantiiert vorgetragen, dass er durchaus weiter nach einer Beschäftigung gesucht habe.
41 
Der pauschalen Widerspruchsbegründung des Bevollmächtigten vom 08.08.2014, wonach der Kläger noch nicht aus dem Erwerbsleben ausscheiden wolle, konnte dies nicht zuverlässig entnommen werden, weil der Kläger selbst kurz zuvor am 26.06.2014 andere Äußerungen getätigt hatte, wonach er keine konkreten Erwerbsmöglichkeiten sah und sich auch nicht hierum bemühte. Zudem hatte der Kläger in diesem Gespräch auch von einer erheblichen Verschlimmerung seiner Atemwegserkrankung berichtet, weswegen er durch vielfältige Arzt- und Krankenhaustermine zusätzlich eingebunden gewesen sei.
42 
Abgesehen davon, dass der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter sich insoweit widersprüchlich verhalten haben, sind die späteren Erkenntnisse im Hinblick auf die Beschäftigungsabsichten des Klägers nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bereits nach den obigen Ausführungen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung der Entscheidung der Beklagten irrrelevant. Der Kläger hatte schlüssig den Abschluss mit dem Erwerbsleben signalisiert, insbesondere gegenüber der DGUV job, weswegen er sich hieran festhalten lassen muss. Die Beklagte durfte daher auch davon ausgehen, dass keine Anpassung an eine neue Tätigkeit mit gestreckten Übergangsleistungen, sondern die Anpassung auf den frühzeitig eingetretenen Ruhestand mit einer Einmalzahlung zu bewerkstelligen war.
43 
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten durch die spätere Entwicklung vollumfänglich bestätigt worden ist, denn der Kläger hat keine andere Erwerbsmöglichkeit mehr gefunden.
44 
Eine Staffelung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von 67 Jahren hätte insoweit zum einen keinen Sinn ergeben, weil der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war. Zum anderen war der entscheidende Einschnitt bereits erfolgt, so dass durch die Gewährung einer Einmalzahlung hier auch die maximale Dispositionsbefugnis des Klägers zur Bewältigung des bereits eingetretenen Umbruchs gewährleistet war. Da der Kläger auch keine anderen Erwerbsquellen suchte, hätte insoweit auch die Staffelung der Leistung über mehrere Jahre nicht die mit der Staffelungsmöglichkeit bezweckte langsame Anpassung an bzw. Umstellung auf die neuen Umstände erreicht werden können.
45 
Die späteren Nachweise des Klägers dazu, dass er sich durchaus um eine weitere Beschäftigung bemüht hatte, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zwar hat das BSG darauf hingewiesen, dass die insoweit maßgeblichen Umstände des Einzelfalles dazu führen können, dass der Unfallversicherungsträger im Rahmen seiner Beobachtungspflicht die Entschädigungsleistung anzupassen oder zu ändern hat (BSG, Urteil vom 04. Dezember 2001 – B 2 U 6/01 R –, juris). Nach dem Normzweck des § 3 Abs. 2 BKV ist jedoch davon auszugehen, dass diese Beobachtungspflicht nur für den laufenden Leistungsbezug gilt und nicht dann, wenn ermessensfehlerfrei eine Einmalzahlung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV bewilligt wurde (in diesem Sinne wohl Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 21. Dezember 2000 – L 3 U 117/99 –, Rn. 18, juris).
46 
Hinsichtlich der Höhe der bewilligten Einmalzahlung sind Berechnungsfehler weder ersichtlich noch vorgetragen, weswegen insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG auf die Berechnung in den angegriffenen Bescheiden Bezug genommen wird.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

 
22 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
23 
Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht und ohne Ermessensfehler eine Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV in Form eines einmaligen Betrags bewilligt und die Gewährung einer sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckenden wiederkehrenden Zahlung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV abgelehnt.
24 
Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die Unfallversicherungsträger dieser Gefahr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken; ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger gemäß Satz 2 der Vorschrift darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen.
25 
Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird nach Satz 2 dieser Vorschrift entweder
26 
1. ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder
27 
2. eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.
28 
Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind hierbei nach Satz 3 der Vorschrift nicht zu berücksichtigen.
29 
Die in § 3 Abs. 2 BKV genannten Übergangsleistungen sind keine Entschädigungsleistungen, sondern haben den Zweck, den Versicherten im Rahmen der Prävention und zur Vorbeugung weiterer Gesundheitsgefahren zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu veranlassen (BSG vom 7. September 2004 - B 2 U 27/03 R m. w. N.). Der Zweck der Übergangsleistung besteht darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen. Diese Anreizfunktion ist in erster Linie auf das subjektive Reagieren des betreffenden Versicherten ausgerichtet. Bei einer vorübergehenden Unterbrechung der gefährdenden Tätigkeit ist ein nach außen klar erkennbarer Entschluss erforderlich, wegen einer drohenden Berufskrankheit auf Dauer keine Arbeit mehr auf einem gefährdenden Arbeitsplatz zu verrichten (BSG vom 20. Februar 2001 - B 2 U 10/00 R; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. März 2015 – L 9 U 138/13 –, Rn. 35, juris). Eine nur teilweise Reduzierung der gefährdenden Tätigkeit führt nicht zu einem Ausgleichsanspruch nach § 3 Abs. 2 S. 1 BKV. Dessen präventive Zielrichtung kann nur bei einer vollständigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit erreicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2001 - B 2 U 10/00 R). Der vollständige Unterlassungszwang nach § 3 Abs. 2 S. 1 BKV ist auch verfassungsgemäß (hierzu Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 06. Dezember 2012 – L 1 U 1664/10 –, juris).
30 
Die Beklagte hat demnach einerseits zu Recht solange die Leistung nicht bewilligt, bis der Kläger eindeutig erklärt hat, seinen im Sinne von § 3 Abs. 1 BKV gefährdenden Beruf nicht mehr ausüben zu wollen (Erklärung des Klägers vom 18.04.2014), und deswegen einen Verdienstausfall zu verzeichnen hatte (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 03. Februar 2012 – L 9 U 267/08 –, juris Rn. 31).
31 
Andererseits wurde durch diese Erklärung des Klägers die letzte noch fehlende Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch des Klägers auf eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung über die Art und Höhe der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV erfüllt (BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R -, BSGE 108, 28 ff und juris Rn. 21).
32 
Die Übergangsleistung soll das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten Zeitraums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten. Der Versicherte soll innerhalb dieser Zeit - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er ggf. zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der Berufskrankheit erreicht. Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet (BSG vom 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R).
33 
Vorliegend stellt sich indes das Problem, dass die Vorschrift keine konkreten Vorgaben dazu macht, wann von einem Anspruch auf eine einmalige Leistung oder einem Anspruch auf eine gestaffelte Leistung über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren auszugehen ist. Aufgrund der Formulierung der Vorschrift ist hierbei davon auszugehen, dass auch insoweit eine Ermessensentscheidung der Behörde vorliegt, welche demnach insbesondere den Zweck der gesetzlichen Regelung und die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalls des Klägers zu berücksichtigen hat (vgl. BSG, Urteil vom 4.5.1999, Az. B 2 U 9/98 R; SG Ulm, Urteil vom 30. Oktober 2008 – S 10 U 455/07 –, Rn. 32, juris).
34 
Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, eine Anpassung an eine neue wirtschaftliche Situation des Betroffenen zu ermöglichen, ist ein wesentliches Kriterium für die Unterscheidung zwischen den beiden Leistungsarten, ob von einem vorübergehenden oder einem längeren Unterstützungsbedarf auszugehen ist. Der einmalige Betrag kommt danach vorrangig bei überschaubarem, also nicht lange andauerndem Minderverdienst sowie bei einmaligen Mehraufwendungen in Frage kommen (Gründung einer Existenz, Umzug, Abstandszahlung), die laufende Leistungsgewährung demgegenüber vorrangig dann, wenn die durch die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit bewirkten Nachteile von längerer Dauer sein werden (Mehrtens/Brandenburg in: Mehrtens/Brandenburg, BKV - Die Berufskrankheitenverordnung, 10/07, BKV G 3, Rn. 5.2). Da § 3 Abs. 2 BKV hierüber keine Aussage trifft, muss der mit einem einmaligen Betrag abgegoltene Minderverdienst nicht in einem Jahr anfallen, er kann sich auch aus den erwarteten wirtschaftlichen Nachteilen der nächsten Jahre ergeben (Mehrtens/Brandenburg, G § 3 RdNr. 5.2). Die maximal in einem Jahr mögliche Leistung wird jedoch durch die Höhe der Jahresvollrente begrenzt (Römer in: Hauck/Noftz, SGB, 05/13, § 3 BKV, Rn. 64 f.).
35 
In der Praxis dürfte danach häufig ein laufender Minderverdienst vorliegen, der durch monatliche Zahlungen auszugleichen ist, weil die durch den Arbeitsplatzwechsel bewirkten Nachteile von längerer Dauer sind. Erwachsen dagegen durch die Aufgabe der bisherigen Beschäftigung einmalige größere Ausgaben (z.B. Umzug, Gründung einer selbständigen Existenz), kann die Gewährung eines einmaligen Betrages zweckmäßiger sein(Nehls in: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 12/11, US 0690 S. 7; juris).
36 
Die Beklagte hat sich bei ihrer Entscheidung über die Gewährung einer Einmalzahlung im Rahmen des der gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Ermessens gehalten. Sie hat eingehend und schlüssig begründet, weswegen in ihren Bescheiden die Möglichkeit einer Einmalzahlung für einschlägig gehalten worden ist. Hierbei durfte die Beklagte sich zur Begründung auch auf ihr Hinweisschreiben vom 01.09.2014 stützen, zumal der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter auf dieses im Widerspruchsverfahren übersandte Schreiben nicht mehr geantwortet haben. Auch auf die vorherige Ankündigung einer Einmalzahlung mit Schreiben vom 30.01.2014, welche die Beklagte mit der absehbaren Berufsaufgabe und dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben begründet hatte, hat der Kläger nicht reagiert. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte damit in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise entschieden hat (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG und § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I); insbesondere ist ein Ermessensfehl- oder nichtgebrauch nicht zu erkennen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2009 – L 2 KN 155/08 U –, Rn. 21, juris).
37 
Hierbei ist zu beachten, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten mit einer von ihr vorzunehmenden Prognoseentscheidung verknüpft war, die zu berücksichtigen hatte, wie lange der Kläger voraussichtlich einen Minderverdienst erzielen werde. Diese Besonderheit führt dazu, dass der hier entscheidende Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens am 21.11.2014 (Datum des Widerspruchsbescheides) ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn. 34a; vgl. etwa BSG, Beschluss vom 17. November 2009 – B 11 AL 87/09 B –, Rn. 6, juris). Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erkennbare Umstände sein. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw. Versicherten verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (vgl. BSG SozR 4-7833 § 6 Nr. 4 RdNr. 16; BSG, Urteil vom 02. April 2014 – B 3 KS 4/13 R –, SozR 4-5425 § 3 Nr. 3, Rn. 30).
38 
Am 21.11.2014 lagen der Beklagten indes lediglich Aussagen des Klägers und der DGUV job dahingehend vor, dass für den damals 62 Jahre alten Kläger keine konkrete berufliche Perspektive bestand und dieser insbesondere auch keine weitere berufliche Tätigkeit anstrebte. Dies deckt sich mit dem Gesprächsprotokoll des Reha-Managers der Beklagten vom 26.06.2014, wonach der Kläger keine Möglichkeit einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sah.
39 
Die Beklagte musste daher bei ihrer Entscheidung am 21.11.2014 davon ausgehen, dass der Kläger nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein wird. Da der Kläger auch vorher nicht abhängig beschäftigt war, sondern in der Unternehmerversicherung war, musste die Beklagte daher von einem Einschnitt in der Biographie des Klägers mit einem erheblichen, einmaligen Umstellungsbedarf ausgehen, dem eine Einmalleistung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich gerecht werden kann.
40 
Erst zu einem späteren Zeitpunkt und insbesondere im Klageverfahren hat der Kläger dann substantiiert vorgetragen, dass er durchaus weiter nach einer Beschäftigung gesucht habe.
41 
Der pauschalen Widerspruchsbegründung des Bevollmächtigten vom 08.08.2014, wonach der Kläger noch nicht aus dem Erwerbsleben ausscheiden wolle, konnte dies nicht zuverlässig entnommen werden, weil der Kläger selbst kurz zuvor am 26.06.2014 andere Äußerungen getätigt hatte, wonach er keine konkreten Erwerbsmöglichkeiten sah und sich auch nicht hierum bemühte. Zudem hatte der Kläger in diesem Gespräch auch von einer erheblichen Verschlimmerung seiner Atemwegserkrankung berichtet, weswegen er durch vielfältige Arzt- und Krankenhaustermine zusätzlich eingebunden gewesen sei.
42 
Abgesehen davon, dass der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter sich insoweit widersprüchlich verhalten haben, sind die späteren Erkenntnisse im Hinblick auf die Beschäftigungsabsichten des Klägers nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bereits nach den obigen Ausführungen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung der Entscheidung der Beklagten irrrelevant. Der Kläger hatte schlüssig den Abschluss mit dem Erwerbsleben signalisiert, insbesondere gegenüber der DGUV job, weswegen er sich hieran festhalten lassen muss. Die Beklagte durfte daher auch davon ausgehen, dass keine Anpassung an eine neue Tätigkeit mit gestreckten Übergangsleistungen, sondern die Anpassung auf den frühzeitig eingetretenen Ruhestand mit einer Einmalzahlung zu bewerkstelligen war.
43 
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten durch die spätere Entwicklung vollumfänglich bestätigt worden ist, denn der Kläger hat keine andere Erwerbsmöglichkeit mehr gefunden.
44 
Eine Staffelung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von 67 Jahren hätte insoweit zum einen keinen Sinn ergeben, weil der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war. Zum anderen war der entscheidende Einschnitt bereits erfolgt, so dass durch die Gewährung einer Einmalzahlung hier auch die maximale Dispositionsbefugnis des Klägers zur Bewältigung des bereits eingetretenen Umbruchs gewährleistet war. Da der Kläger auch keine anderen Erwerbsquellen suchte, hätte insoweit auch die Staffelung der Leistung über mehrere Jahre nicht die mit der Staffelungsmöglichkeit bezweckte langsame Anpassung an bzw. Umstellung auf die neuen Umstände erreicht werden können.
45 
Die späteren Nachweise des Klägers dazu, dass er sich durchaus um eine weitere Beschäftigung bemüht hatte, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zwar hat das BSG darauf hingewiesen, dass die insoweit maßgeblichen Umstände des Einzelfalles dazu führen können, dass der Unfallversicherungsträger im Rahmen seiner Beobachtungspflicht die Entschädigungsleistung anzupassen oder zu ändern hat (BSG, Urteil vom 04. Dezember 2001 – B 2 U 6/01 R –, juris). Nach dem Normzweck des § 3 Abs. 2 BKV ist jedoch davon auszugehen, dass diese Beobachtungspflicht nur für den laufenden Leistungsbezug gilt und nicht dann, wenn ermessensfehlerfrei eine Einmalzahlung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV bewilligt wurde (in diesem Sinne wohl Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 21. Dezember 2000 – L 3 U 117/99 –, Rn. 18, juris).
46 
Hinsichtlich der Höhe der bewilligten Einmalzahlung sind Berechnungsfehler weder ersichtlich noch vorgetragen, weswegen insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG auf die Berechnung in den angegriffenen Bescheiden Bezug genommen wird.
47 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 30. März 2016 - S 4 U 4414/14 zitiert 8 §§.

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Bundessozialgericht Urteil, 02. Apr. 2014 - B 3 KS 4/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.04.2014

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2011 - B 2 U 12/10 R

bei uns veröffentlicht am 22.03.2011

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts W

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Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 13. November 2006 zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO idF ab 1.1.1993) hat, insbesondere ob ein solcher Anspruch verjährt ist.

2

Der 1965 geborene Kläger erlernte von 1985 bis 1988 den Beruf des Krankenpflegers und absolvierte von 1988 bis 1989 eine Weiterbildung zum Masseur und Bademeister. Von Oktober 1991 bis Ende 1993 war er mit Unterbrechungen als Krankenpfleger und Masseur tätig. Er gab diese Tätigkeiten wegen eines schweren nässenden Kontaktekzems Ende 1993 auf. Anschließend holte er das Abitur nach und ließ sich in den Beruf des Buchbinders umschulen (bis 1998). Auf Kosten des damaligen Arbeitsamts nahm er im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bis 2002 wiederholt an Praktika teil. Anschließend übte er verschiedene Aushilfstätigkeiten aus.

3

Mit Schreiben vom 10.7.2003 wies der Kläger die Beklagte auf berufsbedingte Erkrankungen von Haut und Wirbelsäule hin. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 5101 der (damaligen) Anlage zur BKVO (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; im Folgenden BK 5101) an (Bescheid vom 22.12.2004). Mit Verwaltungsakten im Bescheid vom 22.3.2005 stellte sie weiter fest, der Versicherungsfall sei am 1.1.1994 eingetreten, Anspruch auf Rente wegen der BK 5101 bestehe nicht. In der Begründung führte sie ua aus, eventuelle Leistungsansprüche für die Zeit vor dem 1.1.1999 seien verjährt. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30.3.2005 Widerspruch, in dessen Begründung er Ansprüche auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.6.2006 zurück, da sie zum Anspruch auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe noch keine Entscheidung getroffen habe. Diese werde gesondert ergehen.

4

Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.11.2005, Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006). Wegen des Anspruchs auf Übergangsleistung erhob der Kläger im Juli 2006 beim SG Würzburg Untätigkeitsklage (S 5 U 186/06). Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.7.2006 die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Der Anspruch sei verjährt. Es lägen keine besonderen Umstände vor, die von der Erhebung der Einrede absehen ließen. Der Zweck der Gewährung von Übergangsleistungen, nämlich der Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis, sei über neun Jahre nach Aufgabe der hautgefährdenden Tätigkeit nicht mehr zu erreichen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.9.2006).

5

Hiergegen hat der Kläger beim SG Würzburg Klage erhoben (S 5 U 261/06). Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.11.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe sich in rechtmäßiger Weise auf Verjährung berufen.

6

Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische LSG mit Urteil vom 19.1.2010 den Gerichtsbescheid des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO "dem Grunde nach zu bewilligen". Dem Kläger stehe gegen die Beklagte für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Übergangsleistung zu. Der dem Grunde nach bestehende Anspruch sei nicht vor dem 1.10.1999 gemäß § 45 Abs 1 SGB I verjährt, da er nicht fällig geworden sei. Der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO werde erst mit Bekanntgabe der Ermessensentscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung fällig. Mangels Bekanntgabe eines solchen konkretisierenden Verwaltungsakts habe die Verjährung des Anspruchs nicht begonnen. Den mit den Verjährungsvorschriften verfolgten Zwecken, wie die Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, sei keine besondere Bedeutung beizumessen.

7

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 45 Abs 1 SGB I iVm § 3 Abs 2 BKVO und §§ 40, 41 SGB I. Die beanspruchte Übergangsleistung sei verjährt. Entscheidungserheblich sei die Rechtsfrage, was im Falle des § 3 Abs 2 Satz 1 und 2 BKVO als "Anspruch auf Sozialleistungen" iS von § 45 Abs 1 SGB I zu verstehen und wann ein solcher Anspruch entstanden sei. Die Auslegung der genannten Vorschriften durch das LSG stehe nicht im Einklang mit Wortlaut, Systematik und Zweck der genannten Normen. Die Übergangsleistung selbst sei eine Pflichtleistung, die lediglich nach Höhe und Dauer begrenzt sei. Der Anspruch auf Übergangsleistung entstehe grundsätzlich, wenn der Tatbestand des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt sei. Der Anspruch ende spätestens nach fünf Jahren mit dem Tag, der dem Tag der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit entspreche. Folglich sei der Anspruch auf Übergangsleistung am 1.1.1994 entstanden und habe mit Ablauf des Fünf-JahresZeitraums am 31.12.1998 geendet. Dies werde auch bestätigt durch die Entscheidung des BSG vom 5.2.2008 (B 2 U 18/06 R), nach welcher der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO selbstständig im Rahmen der Rechtsnachfolge(§ 56 SGB I) übergehen könne. Dies setze voraus, dass ein Recht bereits vor der Konkretisierung der Leistung durch die Beklagte entstanden und fällig geworden sei. Der Zweck der Leistung, nämlich die Ermöglichung des Übergangs von der zu unterlassenden auf eine neue Tätigkeit, könne viele Jahre nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr erreicht werden.

8

Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 13. November 2006 zurückzuweisen.

9

Der vor dem LSG von einem Rentenberater vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt. Sinngemäß begehrt er, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

11

Das von der Beklagten angegriffene Urteil des Bayerischen LSG ist aufzuheben, denn das LSG hätte die Beklagte nicht verurteilen dürfen, dem Kläger für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKVO, auch nicht "dem Grunde nach", zu bewilligen. Vielmehr hätte das LSG die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückweisen müssen.

12

1. Der Kläger macht einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO geltend. Da die Beklagte einen Anspruch auf Übergangsleistung noch nicht nach § 3 Abs 2 Satz 2 BKVO konkretisiert hat, geht es ihm darum, die Beklagte zu verpflichten, ihm ein Recht auf eine Übergangsleistung zu bewilligen. Um dieses Rechtsschutzziel zu erreichen, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart (BSG vom 14.12.1978 - 1 RJ 54/78 - BSGE 47, 278, 281; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung einer solchen Klage vgl BSG vom 25.3.2003 - B 1 KR 33/01 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 1). Soweit der Kläger bisher sein Begehren mit der Anfechtungs- und Leistungsklage ("Übergangsleistung zu gewähren") verfolgt hat, ist das Verpflichtungsbegehren hiervon umfasst (vgl BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - BSGE 96, 83 = SozR 4-2600 § 166 Nr 2).

13

Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 3 Abs 2 der am 30.11.1997 außer Kraft getretenen BKVO vom 20.6.1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch Art 1 der Verordnung vom 18.12.1992 (BGBl I 2343). Denn der Kläger macht ein Recht auf Zuerkennung eines Anspruchs auf Übergangsleistung ab 1.1.1994 geltend. Dagegen findet trotz Antragstellung im Juli 2003 § 3 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) idF ab 1.12.1997 keine Anwendung. Diese Vorschrift beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs 1 und 6 und § 193 Abs 8 SGB VII. Gemäß § 212 SGB VII gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII nicht für vor dem Inkrafttreten des SGB VII (1.1.1997) eingetretene Versicherungs- und Leistungsfälle. Die aufgrund der Vorschriften des SGB VII erlassene BKV ist damit nicht auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Leistungsfälle anzuwenden. Diese Rechtsverordnung trifft - abgesehen von § 6 BKV - keine Regelungen über Leistungen für vor ihrem Inkrafttreten eingetretene berufsbedingte Erkrankungen(vgl auch BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 18).

14

Dem Kläger steht gegen die Beklagte schon kein Recht auf Bescheidung, erst recht keins auf Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung zu (§ 3 Abs 2 BKVO). Zwar hat das LSG nicht festgestellt, dass in der Person des Klägers am 1.1.1994 alle Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt waren (2.). Dies kann aber dahinstehen, denn die Beklagte war nach dem Zweck des ihr eingeräumten Ermessens nicht zu verpflichten, ein Recht auf eine Übergangsleistung für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 zu bewilligen (3.). Da ein Recht auf eine Übergangsleistung frühestens mit der Bekanntgabe der bewilligenden Ermessensentscheidung entsteht, wie das LSG richtig gesehen hat, und die Beklagte hier zu Recht keine Bewilligung ausgesprochen hatte, kam es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nicht an, ob die Beklagte den Antrag mit der Begründung ablehnen durfte, der Anspruch sei gemäß § 45 Abs 1 SGB I verjährt. Ein abstrakt denkbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Rechts oder Anspruchs auf eine Übergangsleistung aufgrund der Antragstellung im Juli 2003 für spätere Zeiträume ist nicht im Streit (4.).

15

           

2. § 3 Abs 2 BKVO in der vom 1.1.1993 bis 30.11.1997 geltenden Fassung lautete:

        

"Stellt der Versicherte die Tätigkeit ein, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, so hat ihm der Träger der Unfallversicherung zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt."

16

Erste Voraussetzung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO ist das Bestehen einer aktuellen, konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK(BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 33/08 R - Juris RdNr 11 mwN). Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger bei der Beklagten wegen einer Beschäftigung als Krankenpfleger und Masseur versichert (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII), ihm drohte im Fall der Fortsetzung der Tätigkeit das Wiederaufleben oder die Verschlimmerung der BK 5101.

17

Zweite Voraussetzung des Anspruchs ist die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit. Diese war gegeben, denn der Kläger hat die seine Haut gefährdende Tätigkeit - zuletzt als Krankenpfleger - zum 31.12.1993 auf Dauer eingestellt.

18

Dritte Voraussetzung ist das (ggf trotz Vorteilsausgleichs eingetretene) Vorliegen einer Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile. Dass die Einstellung der Tätigkeit in den Jahren 1994 bis 1998 beim Kläger zu einer Minderung des Verdienstes oder zu einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil geführt hat, hat das LSG nicht festgestellt. Diese Feststellung kann nicht darin gesehen werden, dass das LSG den Zusammenhang zwischen entweder der Minderung des Verdienstes und/oder einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil und der Aufgabe der Tätigkeit bejaht hat. Ein solcher Zusammenhang kann nicht bejaht werden, ohne dass im Einzelfall festgestellt wird, dass die Glieder der Kausalkette vorliegen, die angeblich wesentlich ursächlich miteinander verbunden sind. Dass beim Kläger durch die Ende 1993 erfolgte Einstellung der Tätigkeit wirtschaftliche Nachteile wesentlich verursacht worden sind und ggf welche, lässt sich dem Urteil des LSG aber nicht entnehmen.

19

Schließlich ist (viertens und fünftens) ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Er muss einerseits zwischen der drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung der Tätigkeit und der Minderung des Verdienstes oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen bestehen (vgl BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 21 mwN; BSGE 40, 146, 149 = SozR 5677 § 3 Nr 1 S 3 f; BSG Beschluss vom 4.10.1996 - 2 BU 186/96 - HVBG-INFO 1997, 952; Benz, BG 1988, 596 mwN).

20

Versicherte, bei denen die Gefahr iS des § 3 Abs 1 BKVO fortbesteht, die ursächlich deshalb die gefährdende Tätigkeit unterlassen und wiederum ursächlich hierdurch Minderungen des Verdienstes oder sonstige wirtschaftliche Nachteile erleiden, haben gegen den Unfallversicherungsträger nach Maßgabe dieser Vorschrift einen Anspruch auf Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Bewilligung oder Nichtgewährung eines Rechts auf Übergangsleistung ggf unter ermessensfehlerfreier Auswahlentscheidung über deren Art, Höhe und Dauer.

21

Dieses Recht des Versicherten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Trägers entsteht, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt sind(BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R - Juris RdNr 14). Der Versicherte hat mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen aber keinen Anspruch (§ 194 Abs 1 BGB; zum Begriff auch BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1 S 2)auf eine konkrete (Einzel-)Leistung, sondern nur einen Anspruch darauf, dass der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über das "Ob" und ggf die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung entscheidet.

22

3. Die Beklagte hat, wie das SG im Ergebnis richtig erkannt hat, einen solchen Anspruch zu Recht abgelehnt. Denn die mit der Erfüllung des Tatbestandes entstehende gebundene Befugnis des Unfallversicherungsträgers, über die Zuerkennung eines Rechts auf eine solche Geldleistung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist gemäß dem zukunftsgerichteten Zweck der Leistungsart (a) auf fünf Jahre seit Entstehung des Anspruchs begrenzt (b). Wenn alle fünf Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO zu einem Zeitpunkt vorliegen, kann der Träger von da ab gerechnet für höchstens fünf Jahre durch pflichtgemäße Ermessensentscheidung ein Recht/einen Anspruch auf Übergangsleistungen begründen. Er hat dabei zu berücksichtigen, ob aktuell zu diesem Entscheidungszeitpunkt die mit der Leistungsart "Übergangsleistung" intendierten Zwecke (noch) zu erreichen sind. Dies hat die Beklagte hier zutreffend verneint.

23

a) Die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO hat präventiven Charakter. Da sie zukunftsgerichtet ist, kann die Leistung nicht außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums "rückwirkend" bewilligt werden.

24

Der Zweck der Übergangsleistung ist allein Prävention und besteht darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen (vgl BSG vom 31.5.1996 - 2 RU 25/95 - BSGE 78, 261, 264 = SozR 3-5670 § 3 Nr 2). Dadurch wird die Unterlassung gefährdender Tätigkeit, auf die nach § 3 Abs 1 BKVO hinzuwirken ist, ergänzend gefördert. Denn dem Versicherten wird für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und im Wesentlichen dadurch verursachte Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs 2 BKVO vorgegebenen Umfang, ausgeglichen werden(vgl BSG Urteil vom 27.11.1986 - 5a RKnU 7/85 - SozR 5695 § 5 Nr 1 - Juris RdNr 11). Die Übergangsleistung ist als präventive Hilfe beim und zum Übergang in eine nicht gefährdende Tätigkeit ausgestaltet (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - SozR 4-5671 § 3 Nr 1 RdNr 7, 15) und verfolgt aufgrund dessen zukunftsgerichtete Ziele (BSG, aaO, RdNr 15).

25

Ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Zuerkennung eines Rechts auf eine Übergangsleistung entsteht erst, wenn der Versicherte nach der durch die (drohende) Berufskrankheit bedingten Aufgabe seiner bisherigen gefährdenden Tätigkeiten deswegen (ggf trotz eines Vorteilsausgleichs) einen geringeren oder keinen Verdienst erlangt hat. Dies liegt ua vor, wenn er wegen der gefährdenden Tätigkeiten auch seine bisherige Erwerbstätigkeit insgesamt aufgeben muss und keine anderweitige Erwerbstätigkeit und damit keinen anderweitigen Verdienst erlangt. Die Übergangsleistung soll gerade das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten Zeitraums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - Juris RdNr 13 mwN). Der Versicherte soll innerhalb dieser Zeit - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er ggf zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der BK erreicht. Gelingt ihm das nicht, vermag ihn die Übergangsleistung nach Ablauf der für diese vorgesehenen Dauer von höchstens fünf Jahren ab Tatbestandserfüllung nicht mehr davor zu bewahren, dass er auf einen wirtschaftlich niedrigeren Stand absinkt (BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr 2).

26

Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet. Gegen eine Schadensersatzfunktion spricht schon, dass § 3 Abs 2 BKVO weder das Vorliegen einer BK noch die Feststellung eines Versicherungsfalls voraussetzt und nicht den vollen und auf Dauer eintretenden Nachteil durch die erzwungene Tätigkeitseinstellung vollständig ausgleichen kann und will. Frühere insoweit anders lautende Rechtsprechung (BSG vom 25.9.1969 - 5 RKnU 2/69 - BSGE 30, 88, 89; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 9/98 R; BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R) gibt der Senat auf.

27

Der rein präventive Charakter der Leistungsart schließt es zugleich aus, dass diese der Entschädigung dienen soll (so aber BSG vom 4.7.1995 - 2 RU 1/94 - HVBG-INFO 1995, 2410 mwN). Es handelt sich nicht um soziale Entschädigung. Diese dient dem Ausgleich auch der wirtschaftlichen Auswirkungen eines erlittenen Gesundheitsschadens, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen einsteht (§ 5 SGB I). Der Gedanke der Entschädigung eines besonderen Opfers für die staatliche Gemeinschaft - wie er vom Bundesversorgungsgesetz oder Opferentschädigungsgesetz verfolgt wird - trifft auf die echte gesetzliche Unfallversicherung nicht zu (vgl auch Voelzke, jurisPK-SGB I, § 5 RdNr 4). Vielmehr ist bereits in älteren Entscheidungen des BSG zutreffend erkannt worden, dass es sich bei § 3 BKVO um eine im Recht der Sozialversicherung angesiedelte Regelung zur Prävention und Krankheitsvorsorge handelt(BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 46/92 - HVBG-INFO 1994, 496; BSGE 19, 157, 158). Ein Verständnis der Vorschrift als haftungsrechtliche Entschädigung im Sinne des sonstigen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts scheidet aus.

28

b) Der Unfallversicherungsträger darf Zahlungsansprüche auf Grundlage des § 3 Abs 2 BKVO längstens für fünf Jahre seit der Tatbestandserfüllung begründen(§ 31 SGB I).

29

§ 3 Abs 2 Satz 2 BKVO regelt abschließend, welche Arten von Geldleistung als Übergangsleistung zu erbringen sind und für welchen Zeitraum ab Tatbestandserfüllung ein solches Recht längstens zuerkannt werden darf. Es kann entweder ein Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung für längstens fünf Jahre nach der Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 1 aaO bewilligt oder aber ein Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in Geld gewährt werden. Der präventive Zweck des § 3 Abs 2 BKVO kann nur erreicht werden, wenn die Geldleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Verdienstminderung oder der wirtschaftlichen Nachteile iS des Tatbestandes erbracht wird. Die Vorschrift gibt diesen zeitlichen Rahmen ausdrücklich für das weiterreichende Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung vor. Er gilt aber auch für den bloßen Anspruch auf einmalige "Beihilfe". Denn auch sie dient allein dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile zur Erleichterung des Übergangs in eine nicht gefährdende berufliche Tätigkeit. Dies erfordert, dass auch sie zeitnah nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erbracht wird. Typischerweise ist ein einmaliger Geldbetrag alsbald zu leisten, nachdem der Versicherte den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit begonnen hat. Nach der in § 3 Abs 2 Satz 2 BKVO getroffenen Typisierung ist der Übergang in die andere berufliche Tätigkeit längstens nach fünf Jahren abgeschlossen. Nach ihren Zwecken können deshalb beide Arten von Übergangsleistung außerhalb eines angemessenen, fünf Jahre überschreitenden Zeitraums nicht erbracht werden (so auch Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anhang zu K § 9 - § 3 BKV RdNr 67).

30

Der Verordnungsgeber trägt mit § 3 Abs 2 BKVO auch dem Gedanken Rechnung, dass den Versicherten bei typisierender Betrachtung nach einem Zeitraum von fünf Jahren die Umstellung auf eine andere Tätigkeit gelungen sein wird(vgl BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr 2). Andererseits berücksichtigt die Länge des möglichen Anspruchszeitraums auch, dass der Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit in der Regel nicht unmittelbar die Aufnahme einer neuen nicht gefährdenden Tätigkeit folgen muss oder kann. Neben den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts können auch andere Umstände, wie zB ein Bedarf an Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung oder persönliche Gründe, der Aufnahme einer neuen Tätigkeit entgegenstehen (vgl Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm 5.1).

31

Auch wenn bei dem Kläger ab dem 1.1.1994 ein Minderverdienst oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteil vorgelegen hat, ist die Beklagte also aufgrund des Antrags vom Juli 2003 nicht zur rückwirkenden Bewilligung einer Übergangsleistung vom 1.1.1994 bis zum 31.12.1998 berechtigt oder verpflichtet gewesen. Die mit Präventionsleistungen zu unterstützende, bis zu fünf Jahre dauernde Phase der Umstellung auf ein neues Tätigkeitsfeld war abgeschlossen. Der Kläger konnte bei einem am 1.1.1994 beginnenden Übergang in eine andere gefährdungsfreie Tätigkeit nicht mehr präventiv mit zukunftsgerichteten Leistungen unterstützt werden.

32

Danach hat der Kläger kein Recht auf Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung durch die Beklagte für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998.

33

4. Im Rahmen dieser Revision ist dem Senat nicht zur rechtlichen Prüfung gestellt, ob ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung nach Ermessen der Beklagten über Übergangsleistungen für Zeiträume innerhalb von fünf Jahren vor oder nach dem Antrag besteht.

34

Zwar beginnt die Fünf-Jahres-Frist, anders als häufig angenommen wird, nicht zwingend am Tag nach endgültiger Einstellung der gefährdenden Tätigkeit (so aber BSG SozR 5677 § 3 7. BKVO Nr 3 S 10; Hessisches LSG vom 10.8.1983 - L-3/U-1123/82 - Breith 1984, 212; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm 5.11). Diese Auffassung übersieht, dass die "Minderung des Verdienstes" oder "sonstiger wirtschaftlicher Nachteile" ebenfalls Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs ist (zutreffend BSG vom 22.8.1975 - 5 RKnU 5/74 - BSGE 40, 146, 149). Faktisch wird in aller Regel mit der Aufgabe der Tätigkeit unmittelbar auch der wirtschaftliche Nachteil eintreten. Wenn dieser aber ausnahmsweise erst später eintritt, zB weil der Versicherte trotz der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten, die mit seiner bisherigen Arbeit verbunden waren, zunächst das gleiche Entgelt wie vor dem Auftreten der Erkrankung erzielt, ist der Tatbestand erst erfüllt, wenn auch der wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist. Entsprechend beginnt die Fünf-Jahres-Frist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Hat die Frist einmal zu laufen begonnen, läuft sie kalendermäßig ab und wird durch den zeitweisen Wegfall des Minderverdienstes oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteils nicht unterbrochen, gehemmt oder neu in Gang gesetzt (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97 - HVBG-INFO 1997, 1912). Der Senat nimmt deshalb weiter an, dass sich der Fünf-Jahres-Zeitraum weder durch nach Tatbestandserfüllung eintretende Zeiten ohne Minderverdienst noch aus anderen Umständen verlängert (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97).

35

Für die Zeit ab Juli 2003 hat der Kläger aber weder das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen behauptet, noch haben - ausgehend vom geltend gemachten Begehren - die Beklagte, das SG oder das LSG über einen solchen Anspruch entschieden. Der Senat kann daher die Frage einer Anspruchsberechtigung in anderen Zeiträumen als denjenigen, über die das LSG entscheiden hat, nicht befinden.

36

Bei Kenntniserlangung von dem möglichen Bedarf an Präventionsleistungen im Juli 2003 durfte die Beklagte die Umstellung auf eine andere nicht gefährdende Tätigkeit nicht mehr rückwirkend für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 fördern. Deshalb war auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 13. November 2006 zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO idF ab 1.1.1993) hat, insbesondere ob ein solcher Anspruch verjährt ist.

2

Der 1965 geborene Kläger erlernte von 1985 bis 1988 den Beruf des Krankenpflegers und absolvierte von 1988 bis 1989 eine Weiterbildung zum Masseur und Bademeister. Von Oktober 1991 bis Ende 1993 war er mit Unterbrechungen als Krankenpfleger und Masseur tätig. Er gab diese Tätigkeiten wegen eines schweren nässenden Kontaktekzems Ende 1993 auf. Anschließend holte er das Abitur nach und ließ sich in den Beruf des Buchbinders umschulen (bis 1998). Auf Kosten des damaligen Arbeitsamts nahm er im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bis 2002 wiederholt an Praktika teil. Anschließend übte er verschiedene Aushilfstätigkeiten aus.

3

Mit Schreiben vom 10.7.2003 wies der Kläger die Beklagte auf berufsbedingte Erkrankungen von Haut und Wirbelsäule hin. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 5101 der (damaligen) Anlage zur BKVO (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; im Folgenden BK 5101) an (Bescheid vom 22.12.2004). Mit Verwaltungsakten im Bescheid vom 22.3.2005 stellte sie weiter fest, der Versicherungsfall sei am 1.1.1994 eingetreten, Anspruch auf Rente wegen der BK 5101 bestehe nicht. In der Begründung führte sie ua aus, eventuelle Leistungsansprüche für die Zeit vor dem 1.1.1999 seien verjährt. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30.3.2005 Widerspruch, in dessen Begründung er Ansprüche auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.6.2006 zurück, da sie zum Anspruch auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe noch keine Entscheidung getroffen habe. Diese werde gesondert ergehen.

4

Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.11.2005, Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006). Wegen des Anspruchs auf Übergangsleistung erhob der Kläger im Juli 2006 beim SG Würzburg Untätigkeitsklage (S 5 U 186/06). Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.7.2006 die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Der Anspruch sei verjährt. Es lägen keine besonderen Umstände vor, die von der Erhebung der Einrede absehen ließen. Der Zweck der Gewährung von Übergangsleistungen, nämlich der Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis, sei über neun Jahre nach Aufgabe der hautgefährdenden Tätigkeit nicht mehr zu erreichen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.9.2006).

5

Hiergegen hat der Kläger beim SG Würzburg Klage erhoben (S 5 U 261/06). Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.11.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe sich in rechtmäßiger Weise auf Verjährung berufen.

6

Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische LSG mit Urteil vom 19.1.2010 den Gerichtsbescheid des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO "dem Grunde nach zu bewilligen". Dem Kläger stehe gegen die Beklagte für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Übergangsleistung zu. Der dem Grunde nach bestehende Anspruch sei nicht vor dem 1.10.1999 gemäß § 45 Abs 1 SGB I verjährt, da er nicht fällig geworden sei. Der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO werde erst mit Bekanntgabe der Ermessensentscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung fällig. Mangels Bekanntgabe eines solchen konkretisierenden Verwaltungsakts habe die Verjährung des Anspruchs nicht begonnen. Den mit den Verjährungsvorschriften verfolgten Zwecken, wie die Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, sei keine besondere Bedeutung beizumessen.

7

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 45 Abs 1 SGB I iVm § 3 Abs 2 BKVO und §§ 40, 41 SGB I. Die beanspruchte Übergangsleistung sei verjährt. Entscheidungserheblich sei die Rechtsfrage, was im Falle des § 3 Abs 2 Satz 1 und 2 BKVO als "Anspruch auf Sozialleistungen" iS von § 45 Abs 1 SGB I zu verstehen und wann ein solcher Anspruch entstanden sei. Die Auslegung der genannten Vorschriften durch das LSG stehe nicht im Einklang mit Wortlaut, Systematik und Zweck der genannten Normen. Die Übergangsleistung selbst sei eine Pflichtleistung, die lediglich nach Höhe und Dauer begrenzt sei. Der Anspruch auf Übergangsleistung entstehe grundsätzlich, wenn der Tatbestand des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt sei. Der Anspruch ende spätestens nach fünf Jahren mit dem Tag, der dem Tag der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit entspreche. Folglich sei der Anspruch auf Übergangsleistung am 1.1.1994 entstanden und habe mit Ablauf des Fünf-JahresZeitraums am 31.12.1998 geendet. Dies werde auch bestätigt durch die Entscheidung des BSG vom 5.2.2008 (B 2 U 18/06 R), nach welcher der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO selbstständig im Rahmen der Rechtsnachfolge(§ 56 SGB I) übergehen könne. Dies setze voraus, dass ein Recht bereits vor der Konkretisierung der Leistung durch die Beklagte entstanden und fällig geworden sei. Der Zweck der Leistung, nämlich die Ermöglichung des Übergangs von der zu unterlassenden auf eine neue Tätigkeit, könne viele Jahre nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr erreicht werden.

8

Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 13. November 2006 zurückzuweisen.

9

Der vor dem LSG von einem Rentenberater vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt. Sinngemäß begehrt er, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

11

Das von der Beklagten angegriffene Urteil des Bayerischen LSG ist aufzuheben, denn das LSG hätte die Beklagte nicht verurteilen dürfen, dem Kläger für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKVO, auch nicht "dem Grunde nach", zu bewilligen. Vielmehr hätte das LSG die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückweisen müssen.

12

1. Der Kläger macht einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO geltend. Da die Beklagte einen Anspruch auf Übergangsleistung noch nicht nach § 3 Abs 2 Satz 2 BKVO konkretisiert hat, geht es ihm darum, die Beklagte zu verpflichten, ihm ein Recht auf eine Übergangsleistung zu bewilligen. Um dieses Rechtsschutzziel zu erreichen, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart (BSG vom 14.12.1978 - 1 RJ 54/78 - BSGE 47, 278, 281; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung einer solchen Klage vgl BSG vom 25.3.2003 - B 1 KR 33/01 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 1). Soweit der Kläger bisher sein Begehren mit der Anfechtungs- und Leistungsklage ("Übergangsleistung zu gewähren") verfolgt hat, ist das Verpflichtungsbegehren hiervon umfasst (vgl BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - BSGE 96, 83 = SozR 4-2600 § 166 Nr 2).

13

Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 3 Abs 2 der am 30.11.1997 außer Kraft getretenen BKVO vom 20.6.1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch Art 1 der Verordnung vom 18.12.1992 (BGBl I 2343). Denn der Kläger macht ein Recht auf Zuerkennung eines Anspruchs auf Übergangsleistung ab 1.1.1994 geltend. Dagegen findet trotz Antragstellung im Juli 2003 § 3 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) idF ab 1.12.1997 keine Anwendung. Diese Vorschrift beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs 1 und 6 und § 193 Abs 8 SGB VII. Gemäß § 212 SGB VII gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII nicht für vor dem Inkrafttreten des SGB VII (1.1.1997) eingetretene Versicherungs- und Leistungsfälle. Die aufgrund der Vorschriften des SGB VII erlassene BKV ist damit nicht auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Leistungsfälle anzuwenden. Diese Rechtsverordnung trifft - abgesehen von § 6 BKV - keine Regelungen über Leistungen für vor ihrem Inkrafttreten eingetretene berufsbedingte Erkrankungen(vgl auch BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 18).

14

Dem Kläger steht gegen die Beklagte schon kein Recht auf Bescheidung, erst recht keins auf Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung zu (§ 3 Abs 2 BKVO). Zwar hat das LSG nicht festgestellt, dass in der Person des Klägers am 1.1.1994 alle Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt waren (2.). Dies kann aber dahinstehen, denn die Beklagte war nach dem Zweck des ihr eingeräumten Ermessens nicht zu verpflichten, ein Recht auf eine Übergangsleistung für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 zu bewilligen (3.). Da ein Recht auf eine Übergangsleistung frühestens mit der Bekanntgabe der bewilligenden Ermessensentscheidung entsteht, wie das LSG richtig gesehen hat, und die Beklagte hier zu Recht keine Bewilligung ausgesprochen hatte, kam es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nicht an, ob die Beklagte den Antrag mit der Begründung ablehnen durfte, der Anspruch sei gemäß § 45 Abs 1 SGB I verjährt. Ein abstrakt denkbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Rechts oder Anspruchs auf eine Übergangsleistung aufgrund der Antragstellung im Juli 2003 für spätere Zeiträume ist nicht im Streit (4.).

15

           

2. § 3 Abs 2 BKVO in der vom 1.1.1993 bis 30.11.1997 geltenden Fassung lautete:

        

"Stellt der Versicherte die Tätigkeit ein, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, so hat ihm der Träger der Unfallversicherung zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt."

16

Erste Voraussetzung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO ist das Bestehen einer aktuellen, konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK(BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 33/08 R - Juris RdNr 11 mwN). Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger bei der Beklagten wegen einer Beschäftigung als Krankenpfleger und Masseur versichert (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII), ihm drohte im Fall der Fortsetzung der Tätigkeit das Wiederaufleben oder die Verschlimmerung der BK 5101.

17

Zweite Voraussetzung des Anspruchs ist die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit. Diese war gegeben, denn der Kläger hat die seine Haut gefährdende Tätigkeit - zuletzt als Krankenpfleger - zum 31.12.1993 auf Dauer eingestellt.

18

Dritte Voraussetzung ist das (ggf trotz Vorteilsausgleichs eingetretene) Vorliegen einer Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile. Dass die Einstellung der Tätigkeit in den Jahren 1994 bis 1998 beim Kläger zu einer Minderung des Verdienstes oder zu einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil geführt hat, hat das LSG nicht festgestellt. Diese Feststellung kann nicht darin gesehen werden, dass das LSG den Zusammenhang zwischen entweder der Minderung des Verdienstes und/oder einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil und der Aufgabe der Tätigkeit bejaht hat. Ein solcher Zusammenhang kann nicht bejaht werden, ohne dass im Einzelfall festgestellt wird, dass die Glieder der Kausalkette vorliegen, die angeblich wesentlich ursächlich miteinander verbunden sind. Dass beim Kläger durch die Ende 1993 erfolgte Einstellung der Tätigkeit wirtschaftliche Nachteile wesentlich verursacht worden sind und ggf welche, lässt sich dem Urteil des LSG aber nicht entnehmen.

19

Schließlich ist (viertens und fünftens) ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Er muss einerseits zwischen der drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung der Tätigkeit und der Minderung des Verdienstes oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen bestehen (vgl BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 21 mwN; BSGE 40, 146, 149 = SozR 5677 § 3 Nr 1 S 3 f; BSG Beschluss vom 4.10.1996 - 2 BU 186/96 - HVBG-INFO 1997, 952; Benz, BG 1988, 596 mwN).

20

Versicherte, bei denen die Gefahr iS des § 3 Abs 1 BKVO fortbesteht, die ursächlich deshalb die gefährdende Tätigkeit unterlassen und wiederum ursächlich hierdurch Minderungen des Verdienstes oder sonstige wirtschaftliche Nachteile erleiden, haben gegen den Unfallversicherungsträger nach Maßgabe dieser Vorschrift einen Anspruch auf Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Bewilligung oder Nichtgewährung eines Rechts auf Übergangsleistung ggf unter ermessensfehlerfreier Auswahlentscheidung über deren Art, Höhe und Dauer.

21

Dieses Recht des Versicherten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Trägers entsteht, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt sind(BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R - Juris RdNr 14). Der Versicherte hat mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen aber keinen Anspruch (§ 194 Abs 1 BGB; zum Begriff auch BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1 S 2)auf eine konkrete (Einzel-)Leistung, sondern nur einen Anspruch darauf, dass der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über das "Ob" und ggf die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung entscheidet.

22

3. Die Beklagte hat, wie das SG im Ergebnis richtig erkannt hat, einen solchen Anspruch zu Recht abgelehnt. Denn die mit der Erfüllung des Tatbestandes entstehende gebundene Befugnis des Unfallversicherungsträgers, über die Zuerkennung eines Rechts auf eine solche Geldleistung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist gemäß dem zukunftsgerichteten Zweck der Leistungsart (a) auf fünf Jahre seit Entstehung des Anspruchs begrenzt (b). Wenn alle fünf Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO zu einem Zeitpunkt vorliegen, kann der Träger von da ab gerechnet für höchstens fünf Jahre durch pflichtgemäße Ermessensentscheidung ein Recht/einen Anspruch auf Übergangsleistungen begründen. Er hat dabei zu berücksichtigen, ob aktuell zu diesem Entscheidungszeitpunkt die mit der Leistungsart "Übergangsleistung" intendierten Zwecke (noch) zu erreichen sind. Dies hat die Beklagte hier zutreffend verneint.

23

a) Die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO hat präventiven Charakter. Da sie zukunftsgerichtet ist, kann die Leistung nicht außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums "rückwirkend" bewilligt werden.

24

Der Zweck der Übergangsleistung ist allein Prävention und besteht darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen (vgl BSG vom 31.5.1996 - 2 RU 25/95 - BSGE 78, 261, 264 = SozR 3-5670 § 3 Nr 2). Dadurch wird die Unterlassung gefährdender Tätigkeit, auf die nach § 3 Abs 1 BKVO hinzuwirken ist, ergänzend gefördert. Denn dem Versicherten wird für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und im Wesentlichen dadurch verursachte Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs 2 BKVO vorgegebenen Umfang, ausgeglichen werden(vgl BSG Urteil vom 27.11.1986 - 5a RKnU 7/85 - SozR 5695 § 5 Nr 1 - Juris RdNr 11). Die Übergangsleistung ist als präventive Hilfe beim und zum Übergang in eine nicht gefährdende Tätigkeit ausgestaltet (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - SozR 4-5671 § 3 Nr 1 RdNr 7, 15) und verfolgt aufgrund dessen zukunftsgerichtete Ziele (BSG, aaO, RdNr 15).

25

Ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Zuerkennung eines Rechts auf eine Übergangsleistung entsteht erst, wenn der Versicherte nach der durch die (drohende) Berufskrankheit bedingten Aufgabe seiner bisherigen gefährdenden Tätigkeiten deswegen (ggf trotz eines Vorteilsausgleichs) einen geringeren oder keinen Verdienst erlangt hat. Dies liegt ua vor, wenn er wegen der gefährdenden Tätigkeiten auch seine bisherige Erwerbstätigkeit insgesamt aufgeben muss und keine anderweitige Erwerbstätigkeit und damit keinen anderweitigen Verdienst erlangt. Die Übergangsleistung soll gerade das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten Zeitraums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - Juris RdNr 13 mwN). Der Versicherte soll innerhalb dieser Zeit - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er ggf zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der BK erreicht. Gelingt ihm das nicht, vermag ihn die Übergangsleistung nach Ablauf der für diese vorgesehenen Dauer von höchstens fünf Jahren ab Tatbestandserfüllung nicht mehr davor zu bewahren, dass er auf einen wirtschaftlich niedrigeren Stand absinkt (BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr 2).

26

Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet. Gegen eine Schadensersatzfunktion spricht schon, dass § 3 Abs 2 BKVO weder das Vorliegen einer BK noch die Feststellung eines Versicherungsfalls voraussetzt und nicht den vollen und auf Dauer eintretenden Nachteil durch die erzwungene Tätigkeitseinstellung vollständig ausgleichen kann und will. Frühere insoweit anders lautende Rechtsprechung (BSG vom 25.9.1969 - 5 RKnU 2/69 - BSGE 30, 88, 89; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 9/98 R; BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R) gibt der Senat auf.

27

Der rein präventive Charakter der Leistungsart schließt es zugleich aus, dass diese der Entschädigung dienen soll (so aber BSG vom 4.7.1995 - 2 RU 1/94 - HVBG-INFO 1995, 2410 mwN). Es handelt sich nicht um soziale Entschädigung. Diese dient dem Ausgleich auch der wirtschaftlichen Auswirkungen eines erlittenen Gesundheitsschadens, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen einsteht (§ 5 SGB I). Der Gedanke der Entschädigung eines besonderen Opfers für die staatliche Gemeinschaft - wie er vom Bundesversorgungsgesetz oder Opferentschädigungsgesetz verfolgt wird - trifft auf die echte gesetzliche Unfallversicherung nicht zu (vgl auch Voelzke, jurisPK-SGB I, § 5 RdNr 4). Vielmehr ist bereits in älteren Entscheidungen des BSG zutreffend erkannt worden, dass es sich bei § 3 BKVO um eine im Recht der Sozialversicherung angesiedelte Regelung zur Prävention und Krankheitsvorsorge handelt(BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 46/92 - HVBG-INFO 1994, 496; BSGE 19, 157, 158). Ein Verständnis der Vorschrift als haftungsrechtliche Entschädigung im Sinne des sonstigen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts scheidet aus.

28

b) Der Unfallversicherungsträger darf Zahlungsansprüche auf Grundlage des § 3 Abs 2 BKVO längstens für fünf Jahre seit der Tatbestandserfüllung begründen(§ 31 SGB I).

29

§ 3 Abs 2 Satz 2 BKVO regelt abschließend, welche Arten von Geldleistung als Übergangsleistung zu erbringen sind und für welchen Zeitraum ab Tatbestandserfüllung ein solches Recht längstens zuerkannt werden darf. Es kann entweder ein Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung für längstens fünf Jahre nach der Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 1 aaO bewilligt oder aber ein Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in Geld gewährt werden. Der präventive Zweck des § 3 Abs 2 BKVO kann nur erreicht werden, wenn die Geldleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Verdienstminderung oder der wirtschaftlichen Nachteile iS des Tatbestandes erbracht wird. Die Vorschrift gibt diesen zeitlichen Rahmen ausdrücklich für das weiterreichende Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung vor. Er gilt aber auch für den bloßen Anspruch auf einmalige "Beihilfe". Denn auch sie dient allein dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile zur Erleichterung des Übergangs in eine nicht gefährdende berufliche Tätigkeit. Dies erfordert, dass auch sie zeitnah nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erbracht wird. Typischerweise ist ein einmaliger Geldbetrag alsbald zu leisten, nachdem der Versicherte den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit begonnen hat. Nach der in § 3 Abs 2 Satz 2 BKVO getroffenen Typisierung ist der Übergang in die andere berufliche Tätigkeit längstens nach fünf Jahren abgeschlossen. Nach ihren Zwecken können deshalb beide Arten von Übergangsleistung außerhalb eines angemessenen, fünf Jahre überschreitenden Zeitraums nicht erbracht werden (so auch Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anhang zu K § 9 - § 3 BKV RdNr 67).

30

Der Verordnungsgeber trägt mit § 3 Abs 2 BKVO auch dem Gedanken Rechnung, dass den Versicherten bei typisierender Betrachtung nach einem Zeitraum von fünf Jahren die Umstellung auf eine andere Tätigkeit gelungen sein wird(vgl BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr 2). Andererseits berücksichtigt die Länge des möglichen Anspruchszeitraums auch, dass der Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit in der Regel nicht unmittelbar die Aufnahme einer neuen nicht gefährdenden Tätigkeit folgen muss oder kann. Neben den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts können auch andere Umstände, wie zB ein Bedarf an Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung oder persönliche Gründe, der Aufnahme einer neuen Tätigkeit entgegenstehen (vgl Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm 5.1).

31

Auch wenn bei dem Kläger ab dem 1.1.1994 ein Minderverdienst oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteil vorgelegen hat, ist die Beklagte also aufgrund des Antrags vom Juli 2003 nicht zur rückwirkenden Bewilligung einer Übergangsleistung vom 1.1.1994 bis zum 31.12.1998 berechtigt oder verpflichtet gewesen. Die mit Präventionsleistungen zu unterstützende, bis zu fünf Jahre dauernde Phase der Umstellung auf ein neues Tätigkeitsfeld war abgeschlossen. Der Kläger konnte bei einem am 1.1.1994 beginnenden Übergang in eine andere gefährdungsfreie Tätigkeit nicht mehr präventiv mit zukunftsgerichteten Leistungen unterstützt werden.

32

Danach hat der Kläger kein Recht auf Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung durch die Beklagte für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998.

33

4. Im Rahmen dieser Revision ist dem Senat nicht zur rechtlichen Prüfung gestellt, ob ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung nach Ermessen der Beklagten über Übergangsleistungen für Zeiträume innerhalb von fünf Jahren vor oder nach dem Antrag besteht.

34

Zwar beginnt die Fünf-Jahres-Frist, anders als häufig angenommen wird, nicht zwingend am Tag nach endgültiger Einstellung der gefährdenden Tätigkeit (so aber BSG SozR 5677 § 3 7. BKVO Nr 3 S 10; Hessisches LSG vom 10.8.1983 - L-3/U-1123/82 - Breith 1984, 212; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm 5.11). Diese Auffassung übersieht, dass die "Minderung des Verdienstes" oder "sonstiger wirtschaftlicher Nachteile" ebenfalls Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs ist (zutreffend BSG vom 22.8.1975 - 5 RKnU 5/74 - BSGE 40, 146, 149). Faktisch wird in aller Regel mit der Aufgabe der Tätigkeit unmittelbar auch der wirtschaftliche Nachteil eintreten. Wenn dieser aber ausnahmsweise erst später eintritt, zB weil der Versicherte trotz der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten, die mit seiner bisherigen Arbeit verbunden waren, zunächst das gleiche Entgelt wie vor dem Auftreten der Erkrankung erzielt, ist der Tatbestand erst erfüllt, wenn auch der wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist. Entsprechend beginnt die Fünf-Jahres-Frist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Hat die Frist einmal zu laufen begonnen, läuft sie kalendermäßig ab und wird durch den zeitweisen Wegfall des Minderverdienstes oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteils nicht unterbrochen, gehemmt oder neu in Gang gesetzt (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97 - HVBG-INFO 1997, 1912). Der Senat nimmt deshalb weiter an, dass sich der Fünf-Jahres-Zeitraum weder durch nach Tatbestandserfüllung eintretende Zeiten ohne Minderverdienst noch aus anderen Umständen verlängert (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97).

35

Für die Zeit ab Juli 2003 hat der Kläger aber weder das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen behauptet, noch haben - ausgehend vom geltend gemachten Begehren - die Beklagte, das SG oder das LSG über einen solchen Anspruch entschieden. Der Senat kann daher die Frage einer Anspruchsberechtigung in anderen Zeiträumen als denjenigen, über die das LSG entscheiden hat, nicht befinden.

36

Bei Kenntniserlangung von dem möglichen Bedarf an Präventionsleistungen im Juli 2003 durfte die Beklagte die Umstellung auf eine andere nicht gefährdende Tätigkeit nicht mehr rückwirkend für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 fördern. Deshalb war auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Versicherungsfreiheit der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab 1.4.2007 festgestellt hat.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist seit 1986 als Malerin, Zeichnerin und Graphikerin selbstständig tätig und nach dem KSVG versichert. Aus ihren Einkommensteuerbescheiden ergaben sich für das Jahr 2002 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1713 Euro und für die Jahre 2003 bis 2005 lediglich negative Einkünfte (für 2003 -5485 Euro, für 2004 -6464 Euro und für 2005 -3635 Euro). Im Dezember 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, den Bescheid vom 23.5.1986 über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG aufzuheben und Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG festzustellen, da Tatsachen, die eine Steigerung des Einkommens bis über die sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze erwarten lassen könnten, nach den Werten der Vorjahre nicht ersichtlich seien.

3

Darauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 24.12.2006 mit, die geringen Einnahmen in den Jahren 2004/2005 seien durch die mit einem Atelierumzug verbundenen Kosten und die Neupositionierung in anderem Umfeld verursacht. 2006 habe sich ihre Einkommenslage verbessert. Sie sei als qualifizierte und professionelle Künstlerin bekannt und habe 2005 mit erheblichem Aufwand eine Produzentengalerie aufgebaut, die ihr gleichzeitig als Schauraum diene. Mit Schreiben vom 30.1.2007 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, ihre aktuelle Einkommenssituation durch die Vorlage aller Einnahmebelege (Rechnungen und Kontoauszüge) aus dem Jahr 2006 darzustellen. Nachdem keine weiteren Unterlagen eingegangen waren, stellte die Beklagte Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 fest (Bescheid vom 20.3.2007). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos, nachdem sie ua eine ebenfalls mit negativen Einkünften (-2498,74 Euro) abschließende Gewinnermittlung für das Jahr 2006 vorgelegt hatte (Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007).

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die Klägerin Rechnungen aus dem ersten Halbjahr 2007 über insgesamt 3600 Euro sowie das Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin vorgelegt, wonach die Einnahmen im ersten Halbjahr 2007 bei 5100 Euro liegen sollten und für das zweite Halbjahr Einnahmen in Höhe 6000 Euro prognostiziert wurden. Abzüglich der zu erwartenden Ausgaben über 6600 Euro ergebe sich für 2007 ein Betriebsergebnis in Höhe von 4500 Euro - mit steigender Tendenz für die Jahre 2008 und 2009. Die späteren Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 bestätigten jeweils Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze (5074 und 8429 Euro). Für das Jahr 2009 weist der Einkommensteuerbescheid allerdings wieder einen Verlust (-5565 Euro) aus.

5

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 22.9.2010 und des LSG vom 19.6.2013): Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als Grundlage ihrer Einkommensprognose für die Zeit ab 1.4.2007 ausschließlich die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 herangezogen habe, da die Klägerin die Gelegenheit zur Vorlage weiterer Einkommensbelege aus dem Jahr 2006 nicht wahrgenommen habe. Die im Juli 2007 vorgelegten Rechnungsbelege für das erste Halbjahr 2007 führten - bezogen auf das gesamte Jahr 2007 - lediglich zu einem geschätzten Gewinn von 3000 Euro und könnten zudem frühestens ab 1.8.2007 berücksichtigt werden. Die erst im Klageverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen ließen ebenfalls keine positive Prognose zu und könnten zudem nicht Grundlage einer Einkommensschätzung für das Kalenderjahr 2007 sein. Die Gründe für den Einkommensrückgang seien nach dem Gesetz unbeachtlich. Die Versicherungsfreiheit bestehe bis heute fort.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung der verfahrensrechtlichen Grundsätze, die bei einer Schätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit zu berücksichtigen seien (§§ 3, 8, 12, 13 KSVG). Insbesondere habe das LSG bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und unberücksichtigt gelassen, dass alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides bekannten und ermittelbaren Umstände der Schätzung zugrunde zu legen seien. Die Einkommensprognose sei in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen. Schließlich habe das Berufungsgericht der Feststellung der Versicherungsfreiheit rechtsfehlerhaft eine Dauerwirkung zugemessen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.6.2013 und des SG Berlin vom 22.9.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 20.3.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2007 aufzuheben.

8

Die Beklagte hält die Urteile für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zulässig. Die Beklagte hat mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 (Bescheid vom 20.3.2007, Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007) ihren Bescheid vom 23.5.1986 aufgehoben, mit dem sie die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung festgestellt hatte. Die Klägerin kann daher ihr Anliegen der Sicherung einer ununterbrochenen Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung (KSV) durch eine schlichte Aufhebung des angefochtenen Bescheides erreichen. Einer zusätzlichen Feststellung der Versicherungspflicht über den 31.3.2007 hinaus bedarf es dafür nicht.

11

2. Der Gegenstand der Anfechtungsklage ist auf die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Versicherungsfreiheit ab 1.4.2007 sowie die darin gleichzeitig liegende Aufhebung des Verwaltungsaktes über die Feststellung der Versicherungspflicht (Bescheid vom 23.5.1986) beschränkt. Entscheidend dafür ist grundsätzlich nur die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt seines Erlasses (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 33 mwN). Denn ein Verwaltungsakt, der Versicherungsfreiheit feststellt, hat keine Dauerwirkung. Anders als bei der Feststellung der Versicherungspflicht nach §§ 1 und 8 KSVG wird bei der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG gerade kein fortdauerndes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten festgestellt. Vergleichbar einer ablehnenden Entscheidung über einen Leistungsantrag entfaltet eine negative Feststellung über ein Versicherungsverhältnis über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus grundsätzlich keine rechtliche Wirkung (vgl hierzu Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 63 ff mwN). Daher ist die Frage, wie lange eine rechtmäßig festgestellte Versicherungsfreiheit fortbesteht, entgegen der Auffassung des LSG, nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin kann jederzeit einen neuen Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht stellen, über den zunächst durch Verwaltungsakt und möglicherweise anschließendem Widerspruchs- und Klageverfahren als eigenständiger Streitgegenstand zu entscheiden ist. Ein solcher Antrag kann unter Umständen auch konkludent, zB durch die Vorlage neuer Einkommensbelege gestellt werden. Die Prüfung, ob die Klägerin zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Pflichtmitgliedschaft in der KSV gestellt hat, gehört daher nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern ist Aufgabe der Beklagten. Sollte dies der Fall und der Antrag auch begründet sein, hätte die Beklagte zugleich zu prüfen, ob die Versicherungspflicht nach dem KSVG mit dem Umzug der Klägerin ins Ausland wieder entfallen sein könnte. Gegebenenfalls wäre der Bescheid über die erneute Feststellung der Versicherungspflicht entsprechend zu befristen.

12

3. Die Klage musste auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfolglos bleiben, weil die Beklagte ihre im Jahre 1986 getroffene Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung nach § 8 Abs 2 S 2 KSVG(idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze <2. KSVG-ÄndG> vom 13.6.2001, BGBl I 1027) iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.1.2001, BGBl I 130) wegen Änderung der Verhältnisse rechtmäßig aufgehoben hat.

13

Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Infolge der Eigenart der künstlerischen und publizistischen Tätigkeit findet § 48 SGB X nach § 8 Abs 2 KSVG nur eine modifizierte Anwendung, denn nur in den in § 8 Abs 2 S 1 KSVG aufgeführten Fällen lässt sich genau feststellen, wann eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. In den übrigen Fällen (§ 8 Abs 2 S 2 KSVG) ist daher der Bescheid über die Versicherungspflicht bei Änderung der Verhältnisse nur mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die Künstlersozialkasse (KSK) von der Änderung Kenntnis erhält, es sei denn, der Versicherte hat vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht (vgl dazu Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 8 RdNr 8). Soweit mit der Aufhebung in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird, ist diesem nach § 24 Abs 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

14

a) Der angefochtene Verwaltungsakt ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2006 zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheides über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG und der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört.

15

b) Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG festgestellt hatte(im Bescheid vom 23.5.1986), entfaltet eine Dauerwirkung, da er ein zeitlich nicht befristetes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten begründet, das sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft (vgl dazu Schütze, aaO, § 45 RdNr 63 ff).

16

c) In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände so erheblich verändert haben, dass sie rechtlich anders zu bewerten sind und daher der Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des geänderten Sachverhalts so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl zB BSGE 59, 111 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 74, 131 = SozR 3-5870 § 2 Nr 25; BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; BSGE 81, 134 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2; BSG SozR 1300 § 48 Nr 22, 44).

17

Bei Erlass des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht im Mai 1986 galt die Klägerin zunächst noch als Berufsanfängerin, für die nach § 3 Abs 2 KSVG(in der bis zum 31.12.1988 gültigen Fassung durch Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung - Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG - vom 22.12.1981, BGBl I 1497) Versicherungspflicht bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit unabhängig vom Erreichen eines Mindesteinkommens bestand.

18

Entscheidungserheblich sind nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X nur die bei Erlass des Ausgangsbescheides vorliegenden Umstände. Lediglich diese bilden die Vergleichsgrundlage für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die zum Erlass des Aufhebungsbescheides geführt hat (vgl Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl 2011, § 48 RdNr 27 ff, mwN). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum bereits seit langer Zeit abgelaufen war und die Beklagte möglicherweise schon viel früher einen Aufhebungsbescheid mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit hätte erlassen können.

19

Der Ausgangsbescheid mit der Feststellung der Versicherungspflicht war nach § 39 Abs 2 SGB X bis zum 31.3.2007 wirksam, da er bis dahin nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich aber die entscheidungserheblichen Umstände wesentlich geändert; denn ein die Versicherungspflicht feststellender Verwaltungsakt hätte jedenfalls ab 1.4.2007 nicht mehr erlassen werden dürfen, weil die Klägerin zu dieser Zeit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG(idF 2. KSVG-ÄndG vom 13.6.2001, BGBl I 1027) versicherungsfrei war.

20

aa) Gemäß § 3 Abs 1 S 1 KSVG ist nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wer in dem Kalenderjahr aus selbstständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das 3900 Euro nicht übersteigt. Abweichend davon bleibt nach § 3 Abs 3 KSVG(idF des 2. KSVG-ÄndG) die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die dort genannte Grenze nicht übersteigt.

21

Arbeitseinkommen ist nach der Legaldefinition in § 15 Abs 1 SGB IV(in der insoweit bis heute unveränderten Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durch Bekanntmachung vom 23.1.2006, BGBl I 86) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Aufgrund der Anknüpfung des maßgeblichen Arbeitseinkommens an das Einkommensteuerrecht könnte es für den Künstler überlegenswert sein, gegenüber dem Finanzamt in Wahrnehmung seiner steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Werbungskosten nur in begrenztem Umfang geltend zu machen, wenn dadurch ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestarbeitseinkommensgrenze des § 3 Abs 1 S 1 KSVG verbleibt. Die Abwägung, aus diesem Grund einen steuerrechtlichen Nachteil in Kauf nehmen zu wollen, ist Sache des Künstlers. Insoweit obliegen weder der Beklagten noch den Sozialgerichten Hinweis- oder Beratungspflichten; denn es handelt sich um eine ausschließlich steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeit. Weitergehende sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen nicht; die anzustellende Prognose hat sich ausschließlich an den objektiven Gegebenheiten zu orientieren.

22

Versicherte und Zuschussberechtigte haben nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG(idF durch Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242) der KSK bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen, das sie aus der Tätigkeit als selbstständige Künstler und Publizisten erzielen, bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift schätzt die KSK die Höhe des Arbeitseinkommens, wenn der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht erstattet oder die Meldung mit den Verhältnissen unvereinbar ist, die dem Versicherten als Grundlage für seine Meldung bekannt waren.

23

Ausgangspunkt der nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG anzustellenden Prognose für das voraussichtlich zu erzielende Arbeitseinkommen sind danach zunächst die Angaben des Versicherten nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG. Erst wenn seine Meldung mit den ihr zugrundeliegenden Verhältnissen unvereinbar ist, nimmt die KSK selbst die für die weiteren Entscheidungen maßgebliche Einschätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens vor.

24

bb) Sachgerechte Prognosen beruhen in der Regel auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Daher wird nach der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN) in anderen Zusammenhängen, in denen prognostische Beurteilungen über Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen anzustellen sind, auf die Verhältnisse in der Vergangenheit Bezug genommen. Insbesondere bei schwankendem Arbeitsentgelt sei der zu erwartende Verdienst unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte zu schätzen (BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO). Entsprechendes gilt bei selbstständig Tätigen, deren Arbeitseinkommen fast immer schwankt (BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41). Dabei wird nach ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung des regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommens iS des § 205 Abs 1 S 1 Halbs 1 RVO sowie iS des § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V für die auf das Jahr bezogene Prognose von dem bekannten letzten Jahreseinkommen ausgegangen(vgl BSG SozR 2200 § 205 Nr 41; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6; für Einkünfte aus Kapitalvermögen: BSG SozR 2200 § 205 Nr 52).

25

Der Gesetzgeber ist auch in Bezug auf die Einkommensprognose nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG davon ausgegangen, dass Rückschlüsse für das voraussichtliche Einkommen insbesondere aus dem in der Vergangenheit erzielten Einkommen zu ziehen sind. Dies ergibt sich aus verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes: Nach der Regelung des § 3 Abs 3 KSVG bleibt die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nach § 3 Abs 1 KSVG nicht übersteigt. Die Regelung soll einen allzu häufigen und kurzzeitigen Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden. Sie bietet aber zugleich Anhaltspunkte dafür, dass das in der Vergangenheit erzielte Einkommen für die Einkommensprognose nicht unberücksichtigt bleiben kann. Insbesondere wenn sich das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit in den letzten Jahren dicht an der Mindestgrenze des § 3 Abs 1 KSVG bewegte, kann es für eine sachgerechte Prognose erforderlich sein, das Einkommen der letzten sechs Kalenderjahre zu ermitteln und bei der Prognose zu berücksichtigen. Durch die recht langen Zeiträume wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass Künstler möglicherweise längere Zeiträume für die Fertigstellung und/oder den Verkauf eines Werkes benötigen, dann aber unter Umständen höhere Gewinne erzielen können. Für den Nachweis der Angaben zur Höhe des Arbeitseinkommens kann die KSK die Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbesondere von Einkommensteuerbescheiden oder Gewinn- und Verlustrechnungen, verlangen (§ 13 S 3 KSVG). Diese Unterlagen beziehen sich regelmäßig auf bereits vergangene Zeiträume. Es macht aber nur dann einen Sinn, der KSK das Recht zur Anforderung von Unterlagen aus der Vergangenheit einzuräumen, wenn sie diese für die Einkommensprognose benötigt, die auch zur Ermittlung der Beitragshöhe erforderlich ist. Schließlich zeigt auch die Regelung des § 12 Abs 1 S 3 KSVG, dass sich die Einkommensprognose insbesondere am Einkommen der letzten Jahre orientiert. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, deren voraussichtliches Arbeitseinkommen in dem in § 3 Abs 2 KSVG genannten Zeitraum (regelmäßig drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit, verlängert um Zeiten nach Satz 2) mindestens einmal die in § 3 Abs 1 KSVG genannte Grenze nicht überschritten hat, der ersten Meldung nach Ablauf dieses Zeitraums vorhandene Unterlagen über ihr voraussichtliches Arbeitseinkommen beizufügen.

26

Insgesamt haben für eine vorausschauende Betrachtung regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung als die weiter zurückliegende Vergangenheit, und Einkommensentwicklungen ist angemessen Rechnung zu tragen.

27

cc) Eine von den Verhältnissen der Vergangenheit abweichende Einschätzung ist aber geboten, wenn Verhältnisse dargelegt werden, die das Erzielen hiervon abweichender Einkünfte nahelegen. Dabei sind grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen haben. Hierbei wird von der Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage gefordert, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN). Lediglich vage Verdienstaussichten ohne jegliche Verbindlichkeit können - wenn sich in den vergangenen Jahren keine gewinnbringenden Verdienste realisieren ließen - nur dann bei einer Prognose positiv berücksichtigt werden, wenn objektive Umstände solche Verdienstaussichten hinreichend wahrscheinlich machen. Dabei ist zu berücksichtigen, wie häufig und mit welcher Differenz die Mindestgrenze in den letzten Jahren verfehlt wurde und welche Veränderungen der Verhältnisse bessere Verdienstaussichten nahelegen. Denn erforderlich ist, dass die Möglichkeit von Verdiensten oberhalb der Mindestgrenze näher liegt als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze.

28

dd) Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Nach § 12 Abs 3 S 1 KSVG sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Ermittlung des voraussichtlichen Jahreseinkommens maßgebend waren, auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Monats an zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der KSK eingeht. Dies gilt entsprechend, wenn das Jahresarbeitseinkommen geschätzt worden ist (§ 12 Abs 3 S 2 KSVG). Neue Unterlagen, die eine treffsicherere Prognose erlauben oder zeigen, dass das prognostizierte Einkommen tatsächlich nicht erzielt wurde, können daher nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden.

29

Für - richtige - Prognosen gilt ohnehin grundsätzlich, dass sie für die Vergangenheit auch dann maßgebend bleiben, wenn sie sich im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend erweisen. Solche Umstände können die versicherungsrechtliche Stellung dann nicht in die Vergangenheit hinein verändern. Stimmt die - richtige - Prognose mit dem späteren Verlauf nicht überein, so kann das jedoch Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung sein (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6).

30

Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erkennbare Umstände sein. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw Versicherten verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (vgl BSG SozR 4-7833 § 6 Nr 4 RdNr 16).

31

Allerdings ist die Prognoseentscheidung der Sozialverwaltung bezüglich des voraussichtlichen Arbeitseinkommens gerichtlich voll überprüfbar. Der Sozialverwaltung steht dabei kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu (vgl hierzu zB Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 39 RdNr 34). Die Gerichte haben insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt sind (vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3a).

32

ee) Nach diesen Grundsätzen war die Einschätzung der Klägerin, sie werde im Jahre 2007 ein Arbeitseinkommen von mehr als 3900 Euro erzielen, mit den Verhältnissen unvereinbar, die ihr als Grundlage für ihre Meldung bekannt waren, und die Beklagte durfte deshalb das voraussichtliche Arbeitseinkommen unterhalb des Mindesteinkommens von 3900 Euro einschätzen.

33

(1) Die Versicherungspflicht konnte nicht nach § 3 Abs 3 KSVG bestehen bleiben, weil das Arbeitseinkommen der Klägerin schon in den letzten fünf Kalenderjahren (2002 bis 2006) die Mindesteinkommensgrenze nicht mehr erreicht hatte.

34

(2) Das Arbeitseinkommen der Klägerin aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit verfehlte in den letzten fünf Jahren vor Feststellung der Versicherungsfreiheit die Mindesteinkommensgrenze des § 3 Abs 1 KSVG deutlich, ohne dass eine positive Einkommensentwicklung erkennbar gewesen wäre. Die Klägerin konnte lediglich im Jahr 2002 positive Einkünfte in Höhe von 1713 Euro erzielen; für die Jahre 2003 bis 2005 weisen die Einkommensteuerbescheide durchgängig negatives Arbeitseinkommen aus, und auch aus der Gewinnermittlung für 2006 ergab sich ein negatives Einkommen. Vor diesem Hintergrund waren Ermittlungen für weiter zurückliegende Zeiträume nicht mehr erforderlich. Wegen der deutlichen Verfehlung der Mindestgrenze konnten weiter zurückliegende Zeiträume für die Prognose außer Betracht bleiben, da den unmittelbar zurückliegenden fünf Jahren für die vorausschauende Betrachtung eine größere Bedeutung zukommen als der weiter zurückliegenden Vergangenheit. Umstände, nach denen bei dieser Sachlage Einkommensmöglichkeiten ab 1.4.2007 oberhalb der Mindestgrenze näher lagen als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze, waren zur Zeit der Verwaltungsentscheidung nicht ersichtlich.

35

(3) Bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin von (nur) einem Atelierumzug 2004/2005 berichtet und auf die damit verbundenen Kosten sowie die Neupositionierung auf dem Markt hingewiesen. Besondere Kosten in den Jahren 2004/2005, bei deren Wegfall das Erreichen oder Überschreiten der Mindesteinkommensgrenze nahe läge, lassen sich den Einkommensteuerbescheiden nicht entnehmen, denn die Klägerin hat in den Jahren 2003 und 2006 Verluste in ähnlicher Höhe erzielt wie 2004/2005.

36

(4) Die Klägerin hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen die mit dem Atelierumzug verbundene Neupositionierung ab 1.4.2007 ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestgrenze nahe legen könnte. Es kann offenbleiben, ob das im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorgelegte Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin der Beklagten noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides zugegangen ist, da selbst unter dessen Berücksichtigung eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze nicht gerechtfertigt war. Das Unternehmenskonzept trägt eine solche Prognose nicht, da die dort zugrunde gelegten Einnahmen für das erste Halbjahr 2007 in Höhe von 5100 Euro im Widerspruch zu den für diesen Zeitraum zeitgleich vorgelegten Rechnungen über lediglich 3600 Euro stehen. Denn es ist nicht ersichtlich, worauf - neben Einnahmen aus Verkäufen - eine Einkommenserwartung noch basieren könnte. Werden der Prognose für das erste Halbjahr 2007 lediglich Einnahmen in Höhe der vorgelegten Rechnungen zugrunde gelegt, wird die Mindesteinkommensgrenze im Jahr 2007 nicht erreicht, auch wenn für das zweite Halbjahr die von der Diplombetriebswirtin prognostizierten Zahlen übernommen werden. Denn unter Berücksichtigung der prognostizierten Ausgaben in Höhe von 6600 Euro war im Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen für 2007 lediglich ein Einkommen von etwa 3000 Euro zu erwarten (Einnahmen 1. Halbjahr: 3600 Euro plus Einnahmen 2. Halbjahr: 6000 Euro minus Ausgaben: 6600 Euro). Insoweit sind die Feststellungen des LSG im Revisionsverfahren unangegriffen geblieben und daher bindend. Eine Änderung der Vermarktungs- und Verkaufsstrategie durch einen Atelierumzug und ein neues Vermarktungskonzept führen nicht zu einer Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze, wenn unter Berücksichtigung des dazu erstellten Unternehmenskonzeptes und der nach der Umstellung tatsächlich erzielten Einnahmen Verdienste oberhalb der Mindestgrenze nicht zu erwarten sind.

37

(5) Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KS 2/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen), dass eine Einkommensprognose über der Geringfügigkeitsgrenze nicht allein auf den Bekanntheitsgrad eines Künstlers oder die Anerkennung seiner Werke in Fachkreisen gestützt werden kann, wenn in den letzten Jahren trotz des Bekanntheitsgrades und der fachlichen Anerkennung lediglich Verluste erzielt wurden und eine positive Einkommensentwicklung nicht erkennbar ist. Denn Bekanntheit und Anerkennung durch Andere stellen regelmäßig keine plötzlichen Ereignisse dar, sondern gehen regelmäßig mit einer entsprechenden Entwicklung einher. Das Einkommen der Klägerin aus den letzten Jahren lässt aber keine Entwicklung in der Weise erkennen, dass bei weiterem stetigem Verlauf voraussichtlich ein Einkommen oberhalb der Mindestgrenze zu erwarten wäre.

38

(6) Dass sich die Prognose nicht verwirklicht hat, weil im später erstellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 tatsächlich Einkünfte oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze ausgewiesen sind, ändert am Ergebnis nichts, denn die - richtige - Prognose bleibt für die Vergangenheit maßgebend. Die versicherungsrechtliche Stellung wird dadurch nicht in die Vergangenheit hinein verändert. Die Beklagte wird jedoch - wie bereits ausgeführt - zu prüfen haben, ob und ggf ab wann aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007 Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung für eine erneute Feststellung der Versicherungspflicht in der KSV bestand.

39

d) Die Aufhebung des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht mit Wirkung ab 1.4.2007 war rechtmäßig. Der Bescheid vom 23.5.1986 war nach § 48 SGB X iVm § 8 Abs 2 KSVG mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die KSK von der Änderung Kenntnis erhält; denn ein Fall des § 8 Abs 2 S 1 KSVG liegt nicht vor. Nach der Anhörung der Klägerin musste die Beklagte, als ihre weitere Nachfrage vom 30.1.2007 nach Belegen zur aktuellen Einkommenssituation bis zum Erlass des Aufhebungsbescheides am 20.3.2007 unbeantwortet blieb, davon ausgehen, dass Belege, die eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze für das Kalenderjahr 2007 rechtfertigen könnten, nicht beigebracht werden, und hatte damit seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse.

40

4. Diese Auslegung der §§ 3, 8 und 12 KSVG verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Von Verfassungs wegen ist insbesondere eine andere Auslegung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit bei mehrfacher Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 3900 Euro nicht geboten. Wie alle Grundrechte begründet auch die nach Art 5 Abs 3 GG geschützte Kunstfreiheit zunächst und vor allem ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe in den jeweiligen Schutzbereich. Konkrete Pflichten des Staates, Kunst oder Künstler zu fördern, ergeben sich daraus nicht. Zwar enthält das Grundrecht auch eine wertentscheidende Grundsatznorm, weil sich aus ihm die Staatszielbestimmung eines Kulturstaates ergibt, mit der Aufgabe, ein freiheitliches Kunst- und Wissenschaftsleben zu erhalten und zu fördern. Dabei verbleibt dem Gesetzgeber aber insbesondere im Hinblick auf Förderpflichten bzw sozialversicherungsrechtliche Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum. Soweit der Gesetzgeber eine Förderung vornimmt, steht das Verfahren und die Gleichbehandlung der Betroffenen nach Art 3 Abs 1 GG im Vordergrund (vgl hierzu zB BVerfGE 36, 321, 331 ff; Wittreck in: Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Kunst) RdNr 4, 33, 69 ff mwN; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 5 RdNr 105 ff, 110a f mwN). Gleiches gilt für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Künstler. Die Versicherungsfreiheit der Klägerin ist nicht an den Kunstbegriff oder eine bestimmte Form der Kunst geknüpft. § 3 Abs 1 S 1 KSVG bindet die Sozialversicherung nach dem KSVG vielmehr an ein mit der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit zu erzielendes Mindesteinkommen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 9/26, S 18, betreffend das KSVG in der ursprünglichen Fassung vom 27.7.1981, BGBl I 705) ist die Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG an die allgemeinen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts angelehnt, nach denen geringfügige Beschäftigung prinzipiell versicherungsfrei ist, und trägt der Besonderheit Rechnung, dass Einkommen aus selbstständiger künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit außerordentlichen Schwankungen unterliegen können. Die Geringfügigkeitsgrenze wird deshalb nicht - wie sonst üblich - auf einen Monat, sondern auf ein Jahr bezogen. Zudem gelten Ausnahmen für Berufsanfänger (§ 3 Abs 2 KSVG) und solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nicht übersteigt (§ 3 Abs 3 KSVG). Eine darüber hinausgehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung geringfügiger Beschäftigung oder Tätigkeit im künstlerischen/publizistischen Bereich ist verfassungsrechtlich gerade im Hinblick auf eine Gleichbehandlung mit anderen geringfügig Tätigen nicht geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass insbesondere der volle Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung bei einem nach geringfügigem Einkommen bemessenen Beitrag eine erhebliche Anforderung an die Solidargemeinschaft darstellt.

41

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 13. November 2006 zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO idF ab 1.1.1993) hat, insbesondere ob ein solcher Anspruch verjährt ist.

2

Der 1965 geborene Kläger erlernte von 1985 bis 1988 den Beruf des Krankenpflegers und absolvierte von 1988 bis 1989 eine Weiterbildung zum Masseur und Bademeister. Von Oktober 1991 bis Ende 1993 war er mit Unterbrechungen als Krankenpfleger und Masseur tätig. Er gab diese Tätigkeiten wegen eines schweren nässenden Kontaktekzems Ende 1993 auf. Anschließend holte er das Abitur nach und ließ sich in den Beruf des Buchbinders umschulen (bis 1998). Auf Kosten des damaligen Arbeitsamts nahm er im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bis 2002 wiederholt an Praktika teil. Anschließend übte er verschiedene Aushilfstätigkeiten aus.

3

Mit Schreiben vom 10.7.2003 wies der Kläger die Beklagte auf berufsbedingte Erkrankungen von Haut und Wirbelsäule hin. Die Beklagte erkannte eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 5101 der (damaligen) Anlage zur BKVO (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; im Folgenden BK 5101) an (Bescheid vom 22.12.2004). Mit Verwaltungsakten im Bescheid vom 22.3.2005 stellte sie weiter fest, der Versicherungsfall sei am 1.1.1994 eingetreten, Anspruch auf Rente wegen der BK 5101 bestehe nicht. In der Begründung führte sie ua aus, eventuelle Leistungsansprüche für die Zeit vor dem 1.1.1999 seien verjährt. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30.3.2005 Widerspruch, in dessen Begründung er Ansprüche auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geltend machte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.6.2006 zurück, da sie zum Anspruch auf Übergangsleistung und auf Leistungen zur Teilhabe noch keine Entscheidung getroffen habe. Diese werde gesondert ergehen.

4

Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.11.2005, Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006). Wegen des Anspruchs auf Übergangsleistung erhob der Kläger im Juli 2006 beim SG Würzburg Untätigkeitsklage (S 5 U 186/06). Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.7.2006 die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Der Anspruch sei verjährt. Es lägen keine besonderen Umstände vor, die von der Erhebung der Einrede absehen ließen. Der Zweck der Gewährung von Übergangsleistungen, nämlich der Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis, sei über neun Jahre nach Aufgabe der hautgefährdenden Tätigkeit nicht mehr zu erreichen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6.9.2006).

5

Hiergegen hat der Kläger beim SG Würzburg Klage erhoben (S 5 U 261/06). Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.11.2006 abgewiesen. Die Beklagte habe sich in rechtmäßiger Weise auf Verjährung berufen.

6

Auf die Berufung des Klägers hat das Bayerische LSG mit Urteil vom 19.1.2010 den Gerichtsbescheid des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO "dem Grunde nach zu bewilligen". Dem Kläger stehe gegen die Beklagte für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Übergangsleistung zu. Der dem Grunde nach bestehende Anspruch sei nicht vor dem 1.10.1999 gemäß § 45 Abs 1 SGB I verjährt, da er nicht fällig geworden sei. Der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO werde erst mit Bekanntgabe der Ermessensentscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung fällig. Mangels Bekanntgabe eines solchen konkretisierenden Verwaltungsakts habe die Verjährung des Anspruchs nicht begonnen. Den mit den Verjährungsvorschriften verfolgten Zwecken, wie die Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit, sei keine besondere Bedeutung beizumessen.

7

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 45 Abs 1 SGB I iVm § 3 Abs 2 BKVO und §§ 40, 41 SGB I. Die beanspruchte Übergangsleistung sei verjährt. Entscheidungserheblich sei die Rechtsfrage, was im Falle des § 3 Abs 2 Satz 1 und 2 BKVO als "Anspruch auf Sozialleistungen" iS von § 45 Abs 1 SGB I zu verstehen und wann ein solcher Anspruch entstanden sei. Die Auslegung der genannten Vorschriften durch das LSG stehe nicht im Einklang mit Wortlaut, Systematik und Zweck der genannten Normen. Die Übergangsleistung selbst sei eine Pflichtleistung, die lediglich nach Höhe und Dauer begrenzt sei. Der Anspruch auf Übergangsleistung entstehe grundsätzlich, wenn der Tatbestand des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt sei. Der Anspruch ende spätestens nach fünf Jahren mit dem Tag, der dem Tag der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit entspreche. Folglich sei der Anspruch auf Übergangsleistung am 1.1.1994 entstanden und habe mit Ablauf des Fünf-JahresZeitraums am 31.12.1998 geendet. Dies werde auch bestätigt durch die Entscheidung des BSG vom 5.2.2008 (B 2 U 18/06 R), nach welcher der Anspruch nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO selbstständig im Rahmen der Rechtsnachfolge(§ 56 SGB I) übergehen könne. Dies setze voraus, dass ein Recht bereits vor der Konkretisierung der Leistung durch die Beklagte entstanden und fällig geworden sei. Der Zweck der Leistung, nämlich die Ermöglichung des Übergangs von der zu unterlassenden auf eine neue Tätigkeit, könne viele Jahre nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr erreicht werden.

8

Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 13. November 2006 zurückzuweisen.

9

Der vor dem LSG von einem Rentenberater vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt. Sinngemäß begehrt er, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

11

Das von der Beklagten angegriffene Urteil des Bayerischen LSG ist aufzuheben, denn das LSG hätte die Beklagte nicht verurteilen dürfen, dem Kläger für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKVO, auch nicht "dem Grunde nach", zu bewilligen. Vielmehr hätte das LSG die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückweisen müssen.

12

1. Der Kläger macht einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO geltend. Da die Beklagte einen Anspruch auf Übergangsleistung noch nicht nach § 3 Abs 2 Satz 2 BKVO konkretisiert hat, geht es ihm darum, die Beklagte zu verpflichten, ihm ein Recht auf eine Übergangsleistung zu bewilligen. Um dieses Rechtsschutzziel zu erreichen, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart (BSG vom 14.12.1978 - 1 RJ 54/78 - BSGE 47, 278, 281; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung einer solchen Klage vgl BSG vom 25.3.2003 - B 1 KR 33/01 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 1). Soweit der Kläger bisher sein Begehren mit der Anfechtungs- und Leistungsklage ("Übergangsleistung zu gewähren") verfolgt hat, ist das Verpflichtungsbegehren hiervon umfasst (vgl BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - BSGE 96, 83 = SozR 4-2600 § 166 Nr 2).

13

Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 3 Abs 2 der am 30.11.1997 außer Kraft getretenen BKVO vom 20.6.1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch Art 1 der Verordnung vom 18.12.1992 (BGBl I 2343). Denn der Kläger macht ein Recht auf Zuerkennung eines Anspruchs auf Übergangsleistung ab 1.1.1994 geltend. Dagegen findet trotz Antragstellung im Juli 2003 § 3 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) idF ab 1.12.1997 keine Anwendung. Diese Vorschrift beruht auf der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs 1 und 6 und § 193 Abs 8 SGB VII. Gemäß § 212 SGB VII gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII nicht für vor dem Inkrafttreten des SGB VII (1.1.1997) eingetretene Versicherungs- und Leistungsfälle. Die aufgrund der Vorschriften des SGB VII erlassene BKV ist damit nicht auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Leistungsfälle anzuwenden. Diese Rechtsverordnung trifft - abgesehen von § 6 BKV - keine Regelungen über Leistungen für vor ihrem Inkrafttreten eingetretene berufsbedingte Erkrankungen(vgl auch BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 18).

14

Dem Kläger steht gegen die Beklagte schon kein Recht auf Bescheidung, erst recht keins auf Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung zu (§ 3 Abs 2 BKVO). Zwar hat das LSG nicht festgestellt, dass in der Person des Klägers am 1.1.1994 alle Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt waren (2.). Dies kann aber dahinstehen, denn die Beklagte war nach dem Zweck des ihr eingeräumten Ermessens nicht zu verpflichten, ein Recht auf eine Übergangsleistung für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 zu bewilligen (3.). Da ein Recht auf eine Übergangsleistung frühestens mit der Bekanntgabe der bewilligenden Ermessensentscheidung entsteht, wie das LSG richtig gesehen hat, und die Beklagte hier zu Recht keine Bewilligung ausgesprochen hatte, kam es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nicht an, ob die Beklagte den Antrag mit der Begründung ablehnen durfte, der Anspruch sei gemäß § 45 Abs 1 SGB I verjährt. Ein abstrakt denkbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Rechts oder Anspruchs auf eine Übergangsleistung aufgrund der Antragstellung im Juli 2003 für spätere Zeiträume ist nicht im Streit (4.).

15

           

2. § 3 Abs 2 BKVO in der vom 1.1.1993 bis 30.11.1997 geltenden Fassung lautete:

        

"Stellt der Versicherte die Tätigkeit ein, weil die Gefahr für ihn nicht zu beseitigen ist, so hat ihm der Träger der Unfallversicherung zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt."

16

Erste Voraussetzung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO ist das Bestehen einer aktuellen, konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK(BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 33/08 R - Juris RdNr 11 mwN). Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger bei der Beklagten wegen einer Beschäftigung als Krankenpfleger und Masseur versichert (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII), ihm drohte im Fall der Fortsetzung der Tätigkeit das Wiederaufleben oder die Verschlimmerung der BK 5101.

17

Zweite Voraussetzung des Anspruchs ist die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit. Diese war gegeben, denn der Kläger hat die seine Haut gefährdende Tätigkeit - zuletzt als Krankenpfleger - zum 31.12.1993 auf Dauer eingestellt.

18

Dritte Voraussetzung ist das (ggf trotz Vorteilsausgleichs eingetretene) Vorliegen einer Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile. Dass die Einstellung der Tätigkeit in den Jahren 1994 bis 1998 beim Kläger zu einer Minderung des Verdienstes oder zu einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil geführt hat, hat das LSG nicht festgestellt. Diese Feststellung kann nicht darin gesehen werden, dass das LSG den Zusammenhang zwischen entweder der Minderung des Verdienstes und/oder einem sonstigen wirtschaftlichen Nachteil und der Aufgabe der Tätigkeit bejaht hat. Ein solcher Zusammenhang kann nicht bejaht werden, ohne dass im Einzelfall festgestellt wird, dass die Glieder der Kausalkette vorliegen, die angeblich wesentlich ursächlich miteinander verbunden sind. Dass beim Kläger durch die Ende 1993 erfolgte Einstellung der Tätigkeit wirtschaftliche Nachteile wesentlich verursacht worden sind und ggf welche, lässt sich dem Urteil des LSG aber nicht entnehmen.

19

Schließlich ist (viertens und fünftens) ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Er muss einerseits zwischen der drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung der Tätigkeit und der Minderung des Verdienstes oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen bestehen (vgl BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 10/00 R - SozR 3-5670 § 3 Nr 5 - Juris RdNr 21 mwN; BSGE 40, 146, 149 = SozR 5677 § 3 Nr 1 S 3 f; BSG Beschluss vom 4.10.1996 - 2 BU 186/96 - HVBG-INFO 1997, 952; Benz, BG 1988, 596 mwN).

20

Versicherte, bei denen die Gefahr iS des § 3 Abs 1 BKVO fortbesteht, die ursächlich deshalb die gefährdende Tätigkeit unterlassen und wiederum ursächlich hierdurch Minderungen des Verdienstes oder sonstige wirtschaftliche Nachteile erleiden, haben gegen den Unfallversicherungsträger nach Maßgabe dieser Vorschrift einen Anspruch auf Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Bewilligung oder Nichtgewährung eines Rechts auf Übergangsleistung ggf unter ermessensfehlerfreier Auswahlentscheidung über deren Art, Höhe und Dauer.

21

Dieses Recht des Versicherten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Trägers entsteht, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erfüllt sind(BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R - Juris RdNr 14). Der Versicherte hat mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen aber keinen Anspruch (§ 194 Abs 1 BGB; zum Begriff auch BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1 S 2)auf eine konkrete (Einzel-)Leistung, sondern nur einen Anspruch darauf, dass der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über das "Ob" und ggf die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung entscheidet.

22

3. Die Beklagte hat, wie das SG im Ergebnis richtig erkannt hat, einen solchen Anspruch zu Recht abgelehnt. Denn die mit der Erfüllung des Tatbestandes entstehende gebundene Befugnis des Unfallversicherungsträgers, über die Zuerkennung eines Rechts auf eine solche Geldleistung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist gemäß dem zukunftsgerichteten Zweck der Leistungsart (a) auf fünf Jahre seit Entstehung des Anspruchs begrenzt (b). Wenn alle fünf Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO zu einem Zeitpunkt vorliegen, kann der Träger von da ab gerechnet für höchstens fünf Jahre durch pflichtgemäße Ermessensentscheidung ein Recht/einen Anspruch auf Übergangsleistungen begründen. Er hat dabei zu berücksichtigen, ob aktuell zu diesem Entscheidungszeitpunkt die mit der Leistungsart "Übergangsleistung" intendierten Zwecke (noch) zu erreichen sind. Dies hat die Beklagte hier zutreffend verneint.

23

a) Die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO hat präventiven Charakter. Da sie zukunftsgerichtet ist, kann die Leistung nicht außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums "rückwirkend" bewilligt werden.

24

Der Zweck der Übergangsleistung ist allein Prävention und besteht darin, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen (vgl BSG vom 31.5.1996 - 2 RU 25/95 - BSGE 78, 261, 264 = SozR 3-5670 § 3 Nr 2). Dadurch wird die Unterlassung gefährdender Tätigkeit, auf die nach § 3 Abs 1 BKVO hinzuwirken ist, ergänzend gefördert. Denn dem Versicherten wird für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und im Wesentlichen dadurch verursachte Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs 2 BKVO vorgegebenen Umfang, ausgeglichen werden(vgl BSG Urteil vom 27.11.1986 - 5a RKnU 7/85 - SozR 5695 § 5 Nr 1 - Juris RdNr 11). Die Übergangsleistung ist als präventive Hilfe beim und zum Übergang in eine nicht gefährdende Tätigkeit ausgestaltet (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - SozR 4-5671 § 3 Nr 1 RdNr 7, 15) und verfolgt aufgrund dessen zukunftsgerichtete Ziele (BSG, aaO, RdNr 15).

25

Ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Zuerkennung eines Rechts auf eine Übergangsleistung entsteht erst, wenn der Versicherte nach der durch die (drohende) Berufskrankheit bedingten Aufgabe seiner bisherigen gefährdenden Tätigkeiten deswegen (ggf trotz eines Vorteilsausgleichs) einen geringeren oder keinen Verdienst erlangt hat. Dies liegt ua vor, wenn er wegen der gefährdenden Tätigkeiten auch seine bisherige Erwerbstätigkeit insgesamt aufgeben muss und keine anderweitige Erwerbstätigkeit und damit keinen anderweitigen Verdienst erlangt. Die Übergangsleistung soll gerade das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten Zeitraums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten (vgl BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - Juris RdNr 13 mwN). Der Versicherte soll innerhalb dieser Zeit - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er ggf zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der BK erreicht. Gelingt ihm das nicht, vermag ihn die Übergangsleistung nach Ablauf der für diese vorgesehenen Dauer von höchstens fünf Jahren ab Tatbestandserfüllung nicht mehr davor zu bewahren, dass er auf einen wirtschaftlich niedrigeren Stand absinkt (BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr 2).

26

Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet. Gegen eine Schadensersatzfunktion spricht schon, dass § 3 Abs 2 BKVO weder das Vorliegen einer BK noch die Feststellung eines Versicherungsfalls voraussetzt und nicht den vollen und auf Dauer eintretenden Nachteil durch die erzwungene Tätigkeitseinstellung vollständig ausgleichen kann und will. Frühere insoweit anders lautende Rechtsprechung (BSG vom 25.9.1969 - 5 RKnU 2/69 - BSGE 30, 88, 89; BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 9/98 R; BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 6/01 R) gibt der Senat auf.

27

Der rein präventive Charakter der Leistungsart schließt es zugleich aus, dass diese der Entschädigung dienen soll (so aber BSG vom 4.7.1995 - 2 RU 1/94 - HVBG-INFO 1995, 2410 mwN). Es handelt sich nicht um soziale Entschädigung. Diese dient dem Ausgleich auch der wirtschaftlichen Auswirkungen eines erlittenen Gesundheitsschadens, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen einsteht (§ 5 SGB I). Der Gedanke der Entschädigung eines besonderen Opfers für die staatliche Gemeinschaft - wie er vom Bundesversorgungsgesetz oder Opferentschädigungsgesetz verfolgt wird - trifft auf die echte gesetzliche Unfallversicherung nicht zu (vgl auch Voelzke, jurisPK-SGB I, § 5 RdNr 4). Vielmehr ist bereits in älteren Entscheidungen des BSG zutreffend erkannt worden, dass es sich bei § 3 BKVO um eine im Recht der Sozialversicherung angesiedelte Regelung zur Prävention und Krankheitsvorsorge handelt(BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 46/92 - HVBG-INFO 1994, 496; BSGE 19, 157, 158). Ein Verständnis der Vorschrift als haftungsrechtliche Entschädigung im Sinne des sonstigen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts scheidet aus.

28

b) Der Unfallversicherungsträger darf Zahlungsansprüche auf Grundlage des § 3 Abs 2 BKVO längstens für fünf Jahre seit der Tatbestandserfüllung begründen(§ 31 SGB I).

29

§ 3 Abs 2 Satz 2 BKVO regelt abschließend, welche Arten von Geldleistung als Übergangsleistung zu erbringen sind und für welchen Zeitraum ab Tatbestandserfüllung ein solches Recht längstens zuerkannt werden darf. Es kann entweder ein Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung für längstens fünf Jahre nach der Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 1 aaO bewilligt oder aber ein Anspruch auf eine einmalige Unterstützung in Geld gewährt werden. Der präventive Zweck des § 3 Abs 2 BKVO kann nur erreicht werden, wenn die Geldleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Verdienstminderung oder der wirtschaftlichen Nachteile iS des Tatbestandes erbracht wird. Die Vorschrift gibt diesen zeitlichen Rahmen ausdrücklich für das weiterreichende Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung vor. Er gilt aber auch für den bloßen Anspruch auf einmalige "Beihilfe". Denn auch sie dient allein dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile zur Erleichterung des Übergangs in eine nicht gefährdende berufliche Tätigkeit. Dies erfordert, dass auch sie zeitnah nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO erbracht wird. Typischerweise ist ein einmaliger Geldbetrag alsbald zu leisten, nachdem der Versicherte den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit begonnen hat. Nach der in § 3 Abs 2 Satz 2 BKVO getroffenen Typisierung ist der Übergang in die andere berufliche Tätigkeit längstens nach fünf Jahren abgeschlossen. Nach ihren Zwecken können deshalb beide Arten von Übergangsleistung außerhalb eines angemessenen, fünf Jahre überschreitenden Zeitraums nicht erbracht werden (so auch Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anhang zu K § 9 - § 3 BKV RdNr 67).

30

Der Verordnungsgeber trägt mit § 3 Abs 2 BKVO auch dem Gedanken Rechnung, dass den Versicherten bei typisierender Betrachtung nach einem Zeitraum von fünf Jahren die Umstellung auf eine andere Tätigkeit gelungen sein wird(vgl BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr 2). Andererseits berücksichtigt die Länge des möglichen Anspruchszeitraums auch, dass der Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit in der Regel nicht unmittelbar die Aufnahme einer neuen nicht gefährdenden Tätigkeit folgen muss oder kann. Neben den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts können auch andere Umstände, wie zB ein Bedarf an Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung oder persönliche Gründe, der Aufnahme einer neuen Tätigkeit entgegenstehen (vgl Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm 5.1).

31

Auch wenn bei dem Kläger ab dem 1.1.1994 ein Minderverdienst oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteil vorgelegen hat, ist die Beklagte also aufgrund des Antrags vom Juli 2003 nicht zur rückwirkenden Bewilligung einer Übergangsleistung vom 1.1.1994 bis zum 31.12.1998 berechtigt oder verpflichtet gewesen. Die mit Präventionsleistungen zu unterstützende, bis zu fünf Jahre dauernde Phase der Umstellung auf ein neues Tätigkeitsfeld war abgeschlossen. Der Kläger konnte bei einem am 1.1.1994 beginnenden Übergang in eine andere gefährdungsfreie Tätigkeit nicht mehr präventiv mit zukunftsgerichteten Leistungen unterstützt werden.

32

Danach hat der Kläger kein Recht auf Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung durch die Beklagte für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998.

33

4. Im Rahmen dieser Revision ist dem Senat nicht zur rechtlichen Prüfung gestellt, ob ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung nach Ermessen der Beklagten über Übergangsleistungen für Zeiträume innerhalb von fünf Jahren vor oder nach dem Antrag besteht.

34

Zwar beginnt die Fünf-Jahres-Frist, anders als häufig angenommen wird, nicht zwingend am Tag nach endgültiger Einstellung der gefährdenden Tätigkeit (so aber BSG SozR 5677 § 3 7. BKVO Nr 3 S 10; Hessisches LSG vom 10.8.1983 - L-3/U-1123/82 - Breith 1984, 212; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm 5.11). Diese Auffassung übersieht, dass die "Minderung des Verdienstes" oder "sonstiger wirtschaftlicher Nachteile" ebenfalls Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs ist (zutreffend BSG vom 22.8.1975 - 5 RKnU 5/74 - BSGE 40, 146, 149). Faktisch wird in aller Regel mit der Aufgabe der Tätigkeit unmittelbar auch der wirtschaftliche Nachteil eintreten. Wenn dieser aber ausnahmsweise erst später eintritt, zB weil der Versicherte trotz der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeiten, die mit seiner bisherigen Arbeit verbunden waren, zunächst das gleiche Entgelt wie vor dem Auftreten der Erkrankung erzielt, ist der Tatbestand erst erfüllt, wenn auch der wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist. Entsprechend beginnt die Fünf-Jahres-Frist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Hat die Frist einmal zu laufen begonnen, läuft sie kalendermäßig ab und wird durch den zeitweisen Wegfall des Minderverdienstes oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteils nicht unterbrochen, gehemmt oder neu in Gang gesetzt (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97 - HVBG-INFO 1997, 1912). Der Senat nimmt deshalb weiter an, dass sich der Fünf-Jahres-Zeitraum weder durch nach Tatbestandserfüllung eintretende Zeiten ohne Minderverdienst noch aus anderen Umständen verlängert (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97).

35

Für die Zeit ab Juli 2003 hat der Kläger aber weder das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen behauptet, noch haben - ausgehend vom geltend gemachten Begehren - die Beklagte, das SG oder das LSG über einen solchen Anspruch entschieden. Der Senat kann daher die Frage einer Anspruchsberechtigung in anderen Zeiträumen als denjenigen, über die das LSG entscheiden hat, nicht befinden.

36

Bei Kenntniserlangung von dem möglichen Bedarf an Präventionsleistungen im Juli 2003 durfte die Beklagte die Umstellung auf eine andere nicht gefährdende Tätigkeit nicht mehr rückwirkend für die Zeit vom 1.1.1994 bis 31.12.1998 fördern. Deshalb war auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Versicherungsfreiheit der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab 1.4.2007 festgestellt hat.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist seit 1986 als Malerin, Zeichnerin und Graphikerin selbstständig tätig und nach dem KSVG versichert. Aus ihren Einkommensteuerbescheiden ergaben sich für das Jahr 2002 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1713 Euro und für die Jahre 2003 bis 2005 lediglich negative Einkünfte (für 2003 -5485 Euro, für 2004 -6464 Euro und für 2005 -3635 Euro). Im Dezember 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, den Bescheid vom 23.5.1986 über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG aufzuheben und Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG festzustellen, da Tatsachen, die eine Steigerung des Einkommens bis über die sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze erwarten lassen könnten, nach den Werten der Vorjahre nicht ersichtlich seien.

3

Darauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 24.12.2006 mit, die geringen Einnahmen in den Jahren 2004/2005 seien durch die mit einem Atelierumzug verbundenen Kosten und die Neupositionierung in anderem Umfeld verursacht. 2006 habe sich ihre Einkommenslage verbessert. Sie sei als qualifizierte und professionelle Künstlerin bekannt und habe 2005 mit erheblichem Aufwand eine Produzentengalerie aufgebaut, die ihr gleichzeitig als Schauraum diene. Mit Schreiben vom 30.1.2007 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, ihre aktuelle Einkommenssituation durch die Vorlage aller Einnahmebelege (Rechnungen und Kontoauszüge) aus dem Jahr 2006 darzustellen. Nachdem keine weiteren Unterlagen eingegangen waren, stellte die Beklagte Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 fest (Bescheid vom 20.3.2007). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos, nachdem sie ua eine ebenfalls mit negativen Einkünften (-2498,74 Euro) abschließende Gewinnermittlung für das Jahr 2006 vorgelegt hatte (Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007).

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die Klägerin Rechnungen aus dem ersten Halbjahr 2007 über insgesamt 3600 Euro sowie das Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin vorgelegt, wonach die Einnahmen im ersten Halbjahr 2007 bei 5100 Euro liegen sollten und für das zweite Halbjahr Einnahmen in Höhe 6000 Euro prognostiziert wurden. Abzüglich der zu erwartenden Ausgaben über 6600 Euro ergebe sich für 2007 ein Betriebsergebnis in Höhe von 4500 Euro - mit steigender Tendenz für die Jahre 2008 und 2009. Die späteren Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 bestätigten jeweils Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze (5074 und 8429 Euro). Für das Jahr 2009 weist der Einkommensteuerbescheid allerdings wieder einen Verlust (-5565 Euro) aus.

5

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 22.9.2010 und des LSG vom 19.6.2013): Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als Grundlage ihrer Einkommensprognose für die Zeit ab 1.4.2007 ausschließlich die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 herangezogen habe, da die Klägerin die Gelegenheit zur Vorlage weiterer Einkommensbelege aus dem Jahr 2006 nicht wahrgenommen habe. Die im Juli 2007 vorgelegten Rechnungsbelege für das erste Halbjahr 2007 führten - bezogen auf das gesamte Jahr 2007 - lediglich zu einem geschätzten Gewinn von 3000 Euro und könnten zudem frühestens ab 1.8.2007 berücksichtigt werden. Die erst im Klageverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen ließen ebenfalls keine positive Prognose zu und könnten zudem nicht Grundlage einer Einkommensschätzung für das Kalenderjahr 2007 sein. Die Gründe für den Einkommensrückgang seien nach dem Gesetz unbeachtlich. Die Versicherungsfreiheit bestehe bis heute fort.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung der verfahrensrechtlichen Grundsätze, die bei einer Schätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit zu berücksichtigen seien (§§ 3, 8, 12, 13 KSVG). Insbesondere habe das LSG bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und unberücksichtigt gelassen, dass alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides bekannten und ermittelbaren Umstände der Schätzung zugrunde zu legen seien. Die Einkommensprognose sei in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen. Schließlich habe das Berufungsgericht der Feststellung der Versicherungsfreiheit rechtsfehlerhaft eine Dauerwirkung zugemessen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.6.2013 und des SG Berlin vom 22.9.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 20.3.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2007 aufzuheben.

8

Die Beklagte hält die Urteile für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zulässig. Die Beklagte hat mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 (Bescheid vom 20.3.2007, Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007) ihren Bescheid vom 23.5.1986 aufgehoben, mit dem sie die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung festgestellt hatte. Die Klägerin kann daher ihr Anliegen der Sicherung einer ununterbrochenen Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung (KSV) durch eine schlichte Aufhebung des angefochtenen Bescheides erreichen. Einer zusätzlichen Feststellung der Versicherungspflicht über den 31.3.2007 hinaus bedarf es dafür nicht.

11

2. Der Gegenstand der Anfechtungsklage ist auf die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Versicherungsfreiheit ab 1.4.2007 sowie die darin gleichzeitig liegende Aufhebung des Verwaltungsaktes über die Feststellung der Versicherungspflicht (Bescheid vom 23.5.1986) beschränkt. Entscheidend dafür ist grundsätzlich nur die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt seines Erlasses (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 33 mwN). Denn ein Verwaltungsakt, der Versicherungsfreiheit feststellt, hat keine Dauerwirkung. Anders als bei der Feststellung der Versicherungspflicht nach §§ 1 und 8 KSVG wird bei der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG gerade kein fortdauerndes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten festgestellt. Vergleichbar einer ablehnenden Entscheidung über einen Leistungsantrag entfaltet eine negative Feststellung über ein Versicherungsverhältnis über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus grundsätzlich keine rechtliche Wirkung (vgl hierzu Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 63 ff mwN). Daher ist die Frage, wie lange eine rechtmäßig festgestellte Versicherungsfreiheit fortbesteht, entgegen der Auffassung des LSG, nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin kann jederzeit einen neuen Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht stellen, über den zunächst durch Verwaltungsakt und möglicherweise anschließendem Widerspruchs- und Klageverfahren als eigenständiger Streitgegenstand zu entscheiden ist. Ein solcher Antrag kann unter Umständen auch konkludent, zB durch die Vorlage neuer Einkommensbelege gestellt werden. Die Prüfung, ob die Klägerin zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Pflichtmitgliedschaft in der KSV gestellt hat, gehört daher nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern ist Aufgabe der Beklagten. Sollte dies der Fall und der Antrag auch begründet sein, hätte die Beklagte zugleich zu prüfen, ob die Versicherungspflicht nach dem KSVG mit dem Umzug der Klägerin ins Ausland wieder entfallen sein könnte. Gegebenenfalls wäre der Bescheid über die erneute Feststellung der Versicherungspflicht entsprechend zu befristen.

12

3. Die Klage musste auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfolglos bleiben, weil die Beklagte ihre im Jahre 1986 getroffene Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung nach § 8 Abs 2 S 2 KSVG(idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze <2. KSVG-ÄndG> vom 13.6.2001, BGBl I 1027) iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.1.2001, BGBl I 130) wegen Änderung der Verhältnisse rechtmäßig aufgehoben hat.

13

Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Infolge der Eigenart der künstlerischen und publizistischen Tätigkeit findet § 48 SGB X nach § 8 Abs 2 KSVG nur eine modifizierte Anwendung, denn nur in den in § 8 Abs 2 S 1 KSVG aufgeführten Fällen lässt sich genau feststellen, wann eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. In den übrigen Fällen (§ 8 Abs 2 S 2 KSVG) ist daher der Bescheid über die Versicherungspflicht bei Änderung der Verhältnisse nur mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die Künstlersozialkasse (KSK) von der Änderung Kenntnis erhält, es sei denn, der Versicherte hat vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht (vgl dazu Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 8 RdNr 8). Soweit mit der Aufhebung in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird, ist diesem nach § 24 Abs 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

14

a) Der angefochtene Verwaltungsakt ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2006 zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheides über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG und der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört.

15

b) Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG festgestellt hatte(im Bescheid vom 23.5.1986), entfaltet eine Dauerwirkung, da er ein zeitlich nicht befristetes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten begründet, das sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft (vgl dazu Schütze, aaO, § 45 RdNr 63 ff).

16

c) In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände so erheblich verändert haben, dass sie rechtlich anders zu bewerten sind und daher der Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des geänderten Sachverhalts so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl zB BSGE 59, 111 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 74, 131 = SozR 3-5870 § 2 Nr 25; BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; BSGE 81, 134 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2; BSG SozR 1300 § 48 Nr 22, 44).

17

Bei Erlass des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht im Mai 1986 galt die Klägerin zunächst noch als Berufsanfängerin, für die nach § 3 Abs 2 KSVG(in der bis zum 31.12.1988 gültigen Fassung durch Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung - Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG - vom 22.12.1981, BGBl I 1497) Versicherungspflicht bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit unabhängig vom Erreichen eines Mindesteinkommens bestand.

18

Entscheidungserheblich sind nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X nur die bei Erlass des Ausgangsbescheides vorliegenden Umstände. Lediglich diese bilden die Vergleichsgrundlage für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die zum Erlass des Aufhebungsbescheides geführt hat (vgl Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl 2011, § 48 RdNr 27 ff, mwN). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum bereits seit langer Zeit abgelaufen war und die Beklagte möglicherweise schon viel früher einen Aufhebungsbescheid mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit hätte erlassen können.

19

Der Ausgangsbescheid mit der Feststellung der Versicherungspflicht war nach § 39 Abs 2 SGB X bis zum 31.3.2007 wirksam, da er bis dahin nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich aber die entscheidungserheblichen Umstände wesentlich geändert; denn ein die Versicherungspflicht feststellender Verwaltungsakt hätte jedenfalls ab 1.4.2007 nicht mehr erlassen werden dürfen, weil die Klägerin zu dieser Zeit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG(idF 2. KSVG-ÄndG vom 13.6.2001, BGBl I 1027) versicherungsfrei war.

20

aa) Gemäß § 3 Abs 1 S 1 KSVG ist nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wer in dem Kalenderjahr aus selbstständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das 3900 Euro nicht übersteigt. Abweichend davon bleibt nach § 3 Abs 3 KSVG(idF des 2. KSVG-ÄndG) die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die dort genannte Grenze nicht übersteigt.

21

Arbeitseinkommen ist nach der Legaldefinition in § 15 Abs 1 SGB IV(in der insoweit bis heute unveränderten Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durch Bekanntmachung vom 23.1.2006, BGBl I 86) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Aufgrund der Anknüpfung des maßgeblichen Arbeitseinkommens an das Einkommensteuerrecht könnte es für den Künstler überlegenswert sein, gegenüber dem Finanzamt in Wahrnehmung seiner steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Werbungskosten nur in begrenztem Umfang geltend zu machen, wenn dadurch ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestarbeitseinkommensgrenze des § 3 Abs 1 S 1 KSVG verbleibt. Die Abwägung, aus diesem Grund einen steuerrechtlichen Nachteil in Kauf nehmen zu wollen, ist Sache des Künstlers. Insoweit obliegen weder der Beklagten noch den Sozialgerichten Hinweis- oder Beratungspflichten; denn es handelt sich um eine ausschließlich steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeit. Weitergehende sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen nicht; die anzustellende Prognose hat sich ausschließlich an den objektiven Gegebenheiten zu orientieren.

22

Versicherte und Zuschussberechtigte haben nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG(idF durch Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242) der KSK bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen, das sie aus der Tätigkeit als selbstständige Künstler und Publizisten erzielen, bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift schätzt die KSK die Höhe des Arbeitseinkommens, wenn der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht erstattet oder die Meldung mit den Verhältnissen unvereinbar ist, die dem Versicherten als Grundlage für seine Meldung bekannt waren.

23

Ausgangspunkt der nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG anzustellenden Prognose für das voraussichtlich zu erzielende Arbeitseinkommen sind danach zunächst die Angaben des Versicherten nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG. Erst wenn seine Meldung mit den ihr zugrundeliegenden Verhältnissen unvereinbar ist, nimmt die KSK selbst die für die weiteren Entscheidungen maßgebliche Einschätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens vor.

24

bb) Sachgerechte Prognosen beruhen in der Regel auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Daher wird nach der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN) in anderen Zusammenhängen, in denen prognostische Beurteilungen über Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen anzustellen sind, auf die Verhältnisse in der Vergangenheit Bezug genommen. Insbesondere bei schwankendem Arbeitsentgelt sei der zu erwartende Verdienst unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte zu schätzen (BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO). Entsprechendes gilt bei selbstständig Tätigen, deren Arbeitseinkommen fast immer schwankt (BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41). Dabei wird nach ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung des regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommens iS des § 205 Abs 1 S 1 Halbs 1 RVO sowie iS des § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V für die auf das Jahr bezogene Prognose von dem bekannten letzten Jahreseinkommen ausgegangen(vgl BSG SozR 2200 § 205 Nr 41; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6; für Einkünfte aus Kapitalvermögen: BSG SozR 2200 § 205 Nr 52).

25

Der Gesetzgeber ist auch in Bezug auf die Einkommensprognose nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG davon ausgegangen, dass Rückschlüsse für das voraussichtliche Einkommen insbesondere aus dem in der Vergangenheit erzielten Einkommen zu ziehen sind. Dies ergibt sich aus verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes: Nach der Regelung des § 3 Abs 3 KSVG bleibt die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nach § 3 Abs 1 KSVG nicht übersteigt. Die Regelung soll einen allzu häufigen und kurzzeitigen Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden. Sie bietet aber zugleich Anhaltspunkte dafür, dass das in der Vergangenheit erzielte Einkommen für die Einkommensprognose nicht unberücksichtigt bleiben kann. Insbesondere wenn sich das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit in den letzten Jahren dicht an der Mindestgrenze des § 3 Abs 1 KSVG bewegte, kann es für eine sachgerechte Prognose erforderlich sein, das Einkommen der letzten sechs Kalenderjahre zu ermitteln und bei der Prognose zu berücksichtigen. Durch die recht langen Zeiträume wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass Künstler möglicherweise längere Zeiträume für die Fertigstellung und/oder den Verkauf eines Werkes benötigen, dann aber unter Umständen höhere Gewinne erzielen können. Für den Nachweis der Angaben zur Höhe des Arbeitseinkommens kann die KSK die Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbesondere von Einkommensteuerbescheiden oder Gewinn- und Verlustrechnungen, verlangen (§ 13 S 3 KSVG). Diese Unterlagen beziehen sich regelmäßig auf bereits vergangene Zeiträume. Es macht aber nur dann einen Sinn, der KSK das Recht zur Anforderung von Unterlagen aus der Vergangenheit einzuräumen, wenn sie diese für die Einkommensprognose benötigt, die auch zur Ermittlung der Beitragshöhe erforderlich ist. Schließlich zeigt auch die Regelung des § 12 Abs 1 S 3 KSVG, dass sich die Einkommensprognose insbesondere am Einkommen der letzten Jahre orientiert. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, deren voraussichtliches Arbeitseinkommen in dem in § 3 Abs 2 KSVG genannten Zeitraum (regelmäßig drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit, verlängert um Zeiten nach Satz 2) mindestens einmal die in § 3 Abs 1 KSVG genannte Grenze nicht überschritten hat, der ersten Meldung nach Ablauf dieses Zeitraums vorhandene Unterlagen über ihr voraussichtliches Arbeitseinkommen beizufügen.

26

Insgesamt haben für eine vorausschauende Betrachtung regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung als die weiter zurückliegende Vergangenheit, und Einkommensentwicklungen ist angemessen Rechnung zu tragen.

27

cc) Eine von den Verhältnissen der Vergangenheit abweichende Einschätzung ist aber geboten, wenn Verhältnisse dargelegt werden, die das Erzielen hiervon abweichender Einkünfte nahelegen. Dabei sind grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen haben. Hierbei wird von der Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage gefordert, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN). Lediglich vage Verdienstaussichten ohne jegliche Verbindlichkeit können - wenn sich in den vergangenen Jahren keine gewinnbringenden Verdienste realisieren ließen - nur dann bei einer Prognose positiv berücksichtigt werden, wenn objektive Umstände solche Verdienstaussichten hinreichend wahrscheinlich machen. Dabei ist zu berücksichtigen, wie häufig und mit welcher Differenz die Mindestgrenze in den letzten Jahren verfehlt wurde und welche Veränderungen der Verhältnisse bessere Verdienstaussichten nahelegen. Denn erforderlich ist, dass die Möglichkeit von Verdiensten oberhalb der Mindestgrenze näher liegt als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze.

28

dd) Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Nach § 12 Abs 3 S 1 KSVG sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Ermittlung des voraussichtlichen Jahreseinkommens maßgebend waren, auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Monats an zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der KSK eingeht. Dies gilt entsprechend, wenn das Jahresarbeitseinkommen geschätzt worden ist (§ 12 Abs 3 S 2 KSVG). Neue Unterlagen, die eine treffsicherere Prognose erlauben oder zeigen, dass das prognostizierte Einkommen tatsächlich nicht erzielt wurde, können daher nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden.

29

Für - richtige - Prognosen gilt ohnehin grundsätzlich, dass sie für die Vergangenheit auch dann maßgebend bleiben, wenn sie sich im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend erweisen. Solche Umstände können die versicherungsrechtliche Stellung dann nicht in die Vergangenheit hinein verändern. Stimmt die - richtige - Prognose mit dem späteren Verlauf nicht überein, so kann das jedoch Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung sein (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6).

30

Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erkennbare Umstände sein. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw Versicherten verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (vgl BSG SozR 4-7833 § 6 Nr 4 RdNr 16).

31

Allerdings ist die Prognoseentscheidung der Sozialverwaltung bezüglich des voraussichtlichen Arbeitseinkommens gerichtlich voll überprüfbar. Der Sozialverwaltung steht dabei kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu (vgl hierzu zB Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 39 RdNr 34). Die Gerichte haben insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt sind (vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3a).

32

ee) Nach diesen Grundsätzen war die Einschätzung der Klägerin, sie werde im Jahre 2007 ein Arbeitseinkommen von mehr als 3900 Euro erzielen, mit den Verhältnissen unvereinbar, die ihr als Grundlage für ihre Meldung bekannt waren, und die Beklagte durfte deshalb das voraussichtliche Arbeitseinkommen unterhalb des Mindesteinkommens von 3900 Euro einschätzen.

33

(1) Die Versicherungspflicht konnte nicht nach § 3 Abs 3 KSVG bestehen bleiben, weil das Arbeitseinkommen der Klägerin schon in den letzten fünf Kalenderjahren (2002 bis 2006) die Mindesteinkommensgrenze nicht mehr erreicht hatte.

34

(2) Das Arbeitseinkommen der Klägerin aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit verfehlte in den letzten fünf Jahren vor Feststellung der Versicherungsfreiheit die Mindesteinkommensgrenze des § 3 Abs 1 KSVG deutlich, ohne dass eine positive Einkommensentwicklung erkennbar gewesen wäre. Die Klägerin konnte lediglich im Jahr 2002 positive Einkünfte in Höhe von 1713 Euro erzielen; für die Jahre 2003 bis 2005 weisen die Einkommensteuerbescheide durchgängig negatives Arbeitseinkommen aus, und auch aus der Gewinnermittlung für 2006 ergab sich ein negatives Einkommen. Vor diesem Hintergrund waren Ermittlungen für weiter zurückliegende Zeiträume nicht mehr erforderlich. Wegen der deutlichen Verfehlung der Mindestgrenze konnten weiter zurückliegende Zeiträume für die Prognose außer Betracht bleiben, da den unmittelbar zurückliegenden fünf Jahren für die vorausschauende Betrachtung eine größere Bedeutung zukommen als der weiter zurückliegenden Vergangenheit. Umstände, nach denen bei dieser Sachlage Einkommensmöglichkeiten ab 1.4.2007 oberhalb der Mindestgrenze näher lagen als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze, waren zur Zeit der Verwaltungsentscheidung nicht ersichtlich.

35

(3) Bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin von (nur) einem Atelierumzug 2004/2005 berichtet und auf die damit verbundenen Kosten sowie die Neupositionierung auf dem Markt hingewiesen. Besondere Kosten in den Jahren 2004/2005, bei deren Wegfall das Erreichen oder Überschreiten der Mindesteinkommensgrenze nahe läge, lassen sich den Einkommensteuerbescheiden nicht entnehmen, denn die Klägerin hat in den Jahren 2003 und 2006 Verluste in ähnlicher Höhe erzielt wie 2004/2005.

36

(4) Die Klägerin hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen die mit dem Atelierumzug verbundene Neupositionierung ab 1.4.2007 ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestgrenze nahe legen könnte. Es kann offenbleiben, ob das im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorgelegte Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin der Beklagten noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides zugegangen ist, da selbst unter dessen Berücksichtigung eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze nicht gerechtfertigt war. Das Unternehmenskonzept trägt eine solche Prognose nicht, da die dort zugrunde gelegten Einnahmen für das erste Halbjahr 2007 in Höhe von 5100 Euro im Widerspruch zu den für diesen Zeitraum zeitgleich vorgelegten Rechnungen über lediglich 3600 Euro stehen. Denn es ist nicht ersichtlich, worauf - neben Einnahmen aus Verkäufen - eine Einkommenserwartung noch basieren könnte. Werden der Prognose für das erste Halbjahr 2007 lediglich Einnahmen in Höhe der vorgelegten Rechnungen zugrunde gelegt, wird die Mindesteinkommensgrenze im Jahr 2007 nicht erreicht, auch wenn für das zweite Halbjahr die von der Diplombetriebswirtin prognostizierten Zahlen übernommen werden. Denn unter Berücksichtigung der prognostizierten Ausgaben in Höhe von 6600 Euro war im Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen für 2007 lediglich ein Einkommen von etwa 3000 Euro zu erwarten (Einnahmen 1. Halbjahr: 3600 Euro plus Einnahmen 2. Halbjahr: 6000 Euro minus Ausgaben: 6600 Euro). Insoweit sind die Feststellungen des LSG im Revisionsverfahren unangegriffen geblieben und daher bindend. Eine Änderung der Vermarktungs- und Verkaufsstrategie durch einen Atelierumzug und ein neues Vermarktungskonzept führen nicht zu einer Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze, wenn unter Berücksichtigung des dazu erstellten Unternehmenskonzeptes und der nach der Umstellung tatsächlich erzielten Einnahmen Verdienste oberhalb der Mindestgrenze nicht zu erwarten sind.

37

(5) Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KS 2/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen), dass eine Einkommensprognose über der Geringfügigkeitsgrenze nicht allein auf den Bekanntheitsgrad eines Künstlers oder die Anerkennung seiner Werke in Fachkreisen gestützt werden kann, wenn in den letzten Jahren trotz des Bekanntheitsgrades und der fachlichen Anerkennung lediglich Verluste erzielt wurden und eine positive Einkommensentwicklung nicht erkennbar ist. Denn Bekanntheit und Anerkennung durch Andere stellen regelmäßig keine plötzlichen Ereignisse dar, sondern gehen regelmäßig mit einer entsprechenden Entwicklung einher. Das Einkommen der Klägerin aus den letzten Jahren lässt aber keine Entwicklung in der Weise erkennen, dass bei weiterem stetigem Verlauf voraussichtlich ein Einkommen oberhalb der Mindestgrenze zu erwarten wäre.

38

(6) Dass sich die Prognose nicht verwirklicht hat, weil im später erstellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 tatsächlich Einkünfte oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze ausgewiesen sind, ändert am Ergebnis nichts, denn die - richtige - Prognose bleibt für die Vergangenheit maßgebend. Die versicherungsrechtliche Stellung wird dadurch nicht in die Vergangenheit hinein verändert. Die Beklagte wird jedoch - wie bereits ausgeführt - zu prüfen haben, ob und ggf ab wann aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007 Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung für eine erneute Feststellung der Versicherungspflicht in der KSV bestand.

39

d) Die Aufhebung des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht mit Wirkung ab 1.4.2007 war rechtmäßig. Der Bescheid vom 23.5.1986 war nach § 48 SGB X iVm § 8 Abs 2 KSVG mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die KSK von der Änderung Kenntnis erhält; denn ein Fall des § 8 Abs 2 S 1 KSVG liegt nicht vor. Nach der Anhörung der Klägerin musste die Beklagte, als ihre weitere Nachfrage vom 30.1.2007 nach Belegen zur aktuellen Einkommenssituation bis zum Erlass des Aufhebungsbescheides am 20.3.2007 unbeantwortet blieb, davon ausgehen, dass Belege, die eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze für das Kalenderjahr 2007 rechtfertigen könnten, nicht beigebracht werden, und hatte damit seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse.

40

4. Diese Auslegung der §§ 3, 8 und 12 KSVG verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Von Verfassungs wegen ist insbesondere eine andere Auslegung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit bei mehrfacher Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 3900 Euro nicht geboten. Wie alle Grundrechte begründet auch die nach Art 5 Abs 3 GG geschützte Kunstfreiheit zunächst und vor allem ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe in den jeweiligen Schutzbereich. Konkrete Pflichten des Staates, Kunst oder Künstler zu fördern, ergeben sich daraus nicht. Zwar enthält das Grundrecht auch eine wertentscheidende Grundsatznorm, weil sich aus ihm die Staatszielbestimmung eines Kulturstaates ergibt, mit der Aufgabe, ein freiheitliches Kunst- und Wissenschaftsleben zu erhalten und zu fördern. Dabei verbleibt dem Gesetzgeber aber insbesondere im Hinblick auf Förderpflichten bzw sozialversicherungsrechtliche Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum. Soweit der Gesetzgeber eine Förderung vornimmt, steht das Verfahren und die Gleichbehandlung der Betroffenen nach Art 3 Abs 1 GG im Vordergrund (vgl hierzu zB BVerfGE 36, 321, 331 ff; Wittreck in: Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Kunst) RdNr 4, 33, 69 ff mwN; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 5 RdNr 105 ff, 110a f mwN). Gleiches gilt für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Künstler. Die Versicherungsfreiheit der Klägerin ist nicht an den Kunstbegriff oder eine bestimmte Form der Kunst geknüpft. § 3 Abs 1 S 1 KSVG bindet die Sozialversicherung nach dem KSVG vielmehr an ein mit der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit zu erzielendes Mindesteinkommen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 9/26, S 18, betreffend das KSVG in der ursprünglichen Fassung vom 27.7.1981, BGBl I 705) ist die Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG an die allgemeinen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts angelehnt, nach denen geringfügige Beschäftigung prinzipiell versicherungsfrei ist, und trägt der Besonderheit Rechnung, dass Einkommen aus selbstständiger künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit außerordentlichen Schwankungen unterliegen können. Die Geringfügigkeitsgrenze wird deshalb nicht - wie sonst üblich - auf einen Monat, sondern auf ein Jahr bezogen. Zudem gelten Ausnahmen für Berufsanfänger (§ 3 Abs 2 KSVG) und solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nicht übersteigt (§ 3 Abs 3 KSVG). Eine darüber hinausgehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung geringfügiger Beschäftigung oder Tätigkeit im künstlerischen/publizistischen Bereich ist verfassungsrechtlich gerade im Hinblick auf eine Gleichbehandlung mit anderen geringfügig Tätigen nicht geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass insbesondere der volle Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung bei einem nach geringfügigem Einkommen bemessenen Beitrag eine erhebliche Anforderung an die Solidargemeinschaft darstellt.

41

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die Vermittlung der folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse:

1.
Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2.
Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3.
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4.
Umweltschutz,
5.
Kontrollieren, Warten und Pflegen der Fahrzeuge,
6.
Vorbereiten und Durchführen der Beförderung,
7.
Verkehrssicherheit, Führen von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen,
8.
Rechtsvorschriften im Straßenverkehr,
9.
Kundenorientiertes Verhalten,
10.
Verhalten nach Unfällen und Zwischenfällen,
11.
Betriebliche Planung und Logistik,
12.
Beförderungsbezogene Kostenrechnung und Vertragsabwicklung,
13.
Qualitätssichernde Maßnahmen.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.