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| Die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 3 SGG im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB als 50 bereits unzulässig (dazu 1.), im Hinblick auf die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ unbegründet (dazu 2.). Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. |
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| Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist bereits unzulässig. |
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| Eine Klage ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.09.2013 hat die Klägerin nicht binnen eines Monats und folglich verfristet Klage erhoben. |
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| Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 hat inhaltlich keine Regelung über den GdB der Klägerin getroffen. Dem Widerspruchsbescheid liegt eine Entscheidung über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches „G“ zugrunde. Folglich kann das Begehren auf Feststellung eines höheren GdB nicht mit einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 - mangels Identität des Streitgegenstands im Vorverfahren - verfolgt werden. |
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| Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 war infolge dessen als unzulässig abzuweisen. |
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| Daneben hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „G“. Der angefochtene Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches „G“. |
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| Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. |
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| Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometer, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, U.v. 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ nicht ausreichend, wenn diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann. |
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| Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S.2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung eines behinderten Menschen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - infolge einer Einschränkung des Gehvermögens - annehmen zu können. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingsstand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 33). Von all diesen Faktoren filtern die versorgungsmedizinischen Grundsätze der Anlage zu § 2 VersMedV diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze beschreiben dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ als erfüllt anzusehen sind, um die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (BSG, U.v. 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - juris). |
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| Die in Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführten Fallgruppen liegen hier nicht vor. |
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| Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschränkung des Gehvermögen gründen, da bei der Klägerin keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV). Denn nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen ist, in Übereinstimmung mit den sonstigen medizinischen Ermittlungen und Feststellungen, das Wirbelsäulenleiden lediglich mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Weitere orthopädische Leiden, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken, liegen nicht vor. Demzufolge sind bei der Klägerin auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV). |
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| Zwar kann nach Teil D Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2 VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch ist für deren Vorliegen hier nichts ersichtlich. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit ist insbesondere bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (vgl. Teil D Nr. 1a Satz 4 der Anlage zu § 2 VersMedV). Funktionsbeeinträchtigungen dieser Art liegen bei der Klägerin nach den medizinischen Feststellungen nicht vor. |
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| An hirnorganischen Anfällen mit mittlerer Anfallshäufigkeit oder häufigen hypoglykämischen Schocks bei Diabetes mellitus i.S. des Teils D Nr. 1e der Anlage zu § 2 VersMedV leidet die Klägerin ebenso wenig, wie an Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (Teil D Nr. 1f der Anlage zu § 2 VersMedV). |
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| Nach den medizinischen Ermittlungen bestehen bei der Klägerin auch keine Behinderungen, die nicht unter die in Teil D Nr. 1 der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispiele fallen, sich aber vergleichbar - auch in Kombination mit anderen Behinderungen - auf die Gehfähigkeit auswirken. |
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| Dies gilt namentlich hinsichtlich der bei der Klägerin diagnostizierte psychischen Erkrankung, bei der es sich nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. R. um die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt und der Beklagte als seelische Störung einstuft. Denn die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Gehvermögens erreicht keinen Schweregrad, der - ggf. in Kombination mit orthopädischen Beeinträchtigungen - etwa mit den in Teil D Nr. 1e und f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispielen der hirnorganischen Anfälle oder der Störung der Orientierungsfähigkeit vergleichbar wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 39). In der Auskunft des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 19.11.2013 bzw. 18.02.2014 werden Besserungen im Rahmen der depressiven Erkrankung beschrieben. Trotz bestehender psychischer sich auf die Gehfähigkeit auswirkender Beeinträchtigungen sei die Klägerin in der Lage, ihren eigenen Widerstand selbständig zu überwinden und selbständig Wegstrecken zu Fuß - etwa zu Ärzten oder Besuchen bei Bekannten - zu Fuß zurückzulegen zu können. Zwar beschreibt Dr. R. eine Verschlechterung im Februar 2014 sowie Schwankungen bezüglich der seelischen Störung, die allerdings die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ nicht begründen kann. Hindern ausschließlich Angstzustände eine Bewegung auf der Straße, so ist das Merkzeichen „G“ nicht zuzuerkennen (vgl. LSG Hamburg, U.v. 3.7.2012 - L 3 SB 6/09 - juris, Rn. 24). |
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| Vor diesem Hintergrund lässt sich zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin eine der genannten Regelbeispiele vergleichbare Beeinträchtigungen des Gehvermögens, welche die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ rechtfertigen kann, nicht feststellen. |
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