Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 04. Feb. 2015 - S 17 SB 592/14

bei uns veröffentlicht am04.02.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - erhebliche Gehbehinderung -) i.S. des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) streitig.
Bei der am … 1964 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt Karlsruhe (LRA) zuletzt seit dem 14.05.2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt (Bescheid vom 15.09.2008). Dem zugrunde lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B..
Am 18.12.2012 stellte die Klägerin beim LRA einen Antrag auf Neufeststellung.
Mit Bescheid vom 28.02.2013 stellte das LRA einen GdB von 50 seit 18.12.2012 unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
seelische Störung, Kopfschmerzsyndrom
Teil-GdB 30
Bronchialasthma
Teil-GdB 20
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,
        
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden,
        
Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten
Teil-GdB 30
Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks
Teil-GdB 10.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.03.2013 Widerspruch ein und stellte zugleich den Antrag, ihr den Nachteilsausgleich „G“ zuzuerkennen. Hierzu holte das LRA einen Befundbericht des Orthopäden Dr. B. sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin/Internisten Dr. A. ein. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 29.06.2013 lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des gesundheitlichen Merkzeichens „G“ ab (Bescheid vom 14.08.2013).
Gegen die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ legte die Klägerin am 12.09.2013 Widerspruch ein. Eine Lungenentzündung sowie ein Magengeschwür seien nicht berücksichtigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2013 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.02.2013 auf Feststellung eines höheren GdB zurück. Der festgestellte GdB von 50 entspreche den in den beigezogenen Befunden dargestellten Organ- und Funktionsstörungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.08.2013 auf Zuerkennung des Merkzeichens „G“, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K., zurück.
10 
Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
11 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
12 
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2013 zu verpflichten, bei ihr einen höheren Grad der Behinderung als 50 festzustellen, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 zu verurteilen, ihr ab dem 23.03.2013 den Nachteilsausgleich „G“ zuzuerkennen.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Mit Schreiben vom 14.11.2014 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
16 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 3 SGG im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB als 50 bereits unzulässig (dazu 1.), im Hinblick auf die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ unbegründet (dazu 2.). Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
1.
18 
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist bereits unzulässig.
a)
19 
Eine Klage ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.09.2013 hat die Klägerin nicht binnen eines Monats und folglich verfristet Klage erhoben.
b)
20 
Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 hat inhaltlich keine Regelung über den GdB der Klägerin getroffen. Dem Widerspruchsbescheid liegt eine Entscheidung über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches „G“ zugrunde. Folglich kann das Begehren auf Feststellung eines höheren GdB nicht mit einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 - mangels Identität des Streitgegenstands im Vorverfahren - verfolgt werden.
21 
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 war infolge dessen als unzulässig abzuweisen.
2.
22 
Daneben hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „G“. Der angefochtene Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches „G“.
23 
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
24 
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometer, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, U.v. 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ nicht ausreichend, wenn diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann.
25 
Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S.2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung eines behinderten Menschen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - infolge einer Einschränkung des Gehvermögens - annehmen zu können. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingsstand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 33). Von all diesen Faktoren filtern die versorgungsmedizinischen Grundsätze der Anlage zu § 2 VersMedV diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze beschreiben dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ als erfüllt anzusehen sind, um die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (BSG, U.v. 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - juris).
26 
Die in Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführten Fallgruppen liegen hier nicht vor.
a)
27 
Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschränkung des Gehvermögen gründen, da bei der Klägerin keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV). Denn nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen ist, in Übereinstimmung mit den sonstigen medizinischen Ermittlungen und Feststellungen, das Wirbelsäulenleiden lediglich mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Weitere orthopädische Leiden, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken, liegen nicht vor. Demzufolge sind bei der Klägerin auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV).
b)
28 
Zwar kann nach Teil D Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2 VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch ist für deren Vorliegen hier nichts ersichtlich. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit ist insbesondere bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (vgl. Teil D Nr. 1a Satz 4 der Anlage zu § 2 VersMedV). Funktionsbeeinträchtigungen dieser Art liegen bei der Klägerin nach den medizinischen Feststellungen nicht vor.
c)
29 
An hirnorganischen Anfällen mit mittlerer Anfallshäufigkeit oder häufigen hypoglykämischen Schocks bei Diabetes mellitus i.S. des Teils D Nr. 1e der Anlage zu § 2 VersMedV leidet die Klägerin ebenso wenig, wie an Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (Teil D Nr. 1f der Anlage zu § 2 VersMedV).
d)
30 
Nach den medizinischen Ermittlungen bestehen bei der Klägerin auch keine Behinderungen, die nicht unter die in Teil D Nr. 1 der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispiele fallen, sich aber vergleichbar - auch in Kombination mit anderen Behinderungen - auf die Gehfähigkeit auswirken.
31 
Dies gilt namentlich hinsichtlich der bei der Klägerin diagnostizierte psychischen Erkrankung, bei der es sich nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. R. um die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt und der Beklagte als seelische Störung einstuft. Denn die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Gehvermögens erreicht keinen Schweregrad, der - ggf. in Kombination mit orthopädischen Beeinträchtigungen - etwa mit den in Teil D Nr. 1e und f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispielen der hirnorganischen Anfälle oder der Störung der Orientierungsfähigkeit vergleichbar wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 39). In der Auskunft des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 19.11.2013 bzw. 18.02.2014 werden Besserungen im Rahmen der depressiven Erkrankung beschrieben. Trotz bestehender psychischer sich auf die Gehfähigkeit auswirkender Beeinträchtigungen sei die Klägerin in der Lage, ihren eigenen Widerstand selbständig zu überwinden und selbständig Wegstrecken zu Fuß - etwa zu Ärzten oder Besuchen bei Bekannten - zu Fuß zurückzulegen zu können. Zwar beschreibt Dr. R. eine Verschlechterung im Februar 2014 sowie Schwankungen bezüglich der seelischen Störung, die allerdings die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ nicht begründen kann. Hindern ausschließlich Angstzustände eine Bewegung auf der Straße, so ist das Merkzeichen „G“ nicht zuzuerkennen (vgl. LSG Hamburg, U.v. 3.7.2012 - L 3 SB 6/09 - juris, Rn. 24).
32 
Vor diesem Hintergrund lässt sich zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin eine der genannten Regelbeispiele vergleichbare Beeinträchtigungen des Gehvermögens, welche die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ rechtfertigen kann, nicht feststellen.
3.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe

 
17 
Die kombiniere Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 und 3 SGG im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB als 50 bereits unzulässig (dazu 1.), im Hinblick auf die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ unbegründet (dazu 2.). Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
1.
18 
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist bereits unzulässig.
a)
19 
Eine Klage ist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG). Mit der am 20.02.2014 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.09.2013 hat die Klägerin nicht binnen eines Monats und folglich verfristet Klage erhoben.
b)
20 
Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 hat inhaltlich keine Regelung über den GdB der Klägerin getroffen. Dem Widerspruchsbescheid liegt eine Entscheidung über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches „G“ zugrunde. Folglich kann das Begehren auf Feststellung eines höheren GdB nicht mit einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.01.2014 - mangels Identität des Streitgegenstands im Vorverfahren - verfolgt werden.
21 
Die Klage auf Feststellung eines höheren GdB als 50 war infolge dessen als unzulässig abzuweisen.
2.
22 
Daneben hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „G“. Der angefochtene Bescheid vom 14.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches „G“.
23 
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
24 
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometer, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG, U.v. 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ nicht ausreichend, wenn diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann.
25 
Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S.2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um eine erhebliche Beeinträchtigung eines behinderten Menschen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr - infolge einer Einschränkung des Gehvermögens - annehmen zu können. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingsstand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 33). Von all diesen Faktoren filtern die versorgungsmedizinischen Grundsätze der Anlage zu § 2 VersMedV diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze beschreiben dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ als erfüllt anzusehen sind, um die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (BSG, U.v. 13.8.1997 - 9 RVs 1/96 - juris).
26 
Die in Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 VersMedV aufgeführten Fallgruppen liegen hier nicht vor.
a)
27 
Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschränkung des Gehvermögen gründen, da bei der Klägerin keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV). Denn nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen ist, in Übereinstimmung mit den sonstigen medizinischen Ermittlungen und Feststellungen, das Wirbelsäulenleiden lediglich mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Weitere orthopädische Leiden, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken, liegen nicht vor. Demzufolge sind bei der Klägerin auch keine Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2 VersMedV).
b)
28 
Zwar kann nach Teil D Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2 VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch ist für deren Vorliegen hier nichts ersichtlich. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit ist insbesondere bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (vgl. Teil D Nr. 1a Satz 4 der Anlage zu § 2 VersMedV). Funktionsbeeinträchtigungen dieser Art liegen bei der Klägerin nach den medizinischen Feststellungen nicht vor.
c)
29 
An hirnorganischen Anfällen mit mittlerer Anfallshäufigkeit oder häufigen hypoglykämischen Schocks bei Diabetes mellitus i.S. des Teils D Nr. 1e der Anlage zu § 2 VersMedV leidet die Klägerin ebenso wenig, wie an Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (Teil D Nr. 1f der Anlage zu § 2 VersMedV).
d)
30 
Nach den medizinischen Ermittlungen bestehen bei der Klägerin auch keine Behinderungen, die nicht unter die in Teil D Nr. 1 der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispiele fallen, sich aber vergleichbar - auch in Kombination mit anderen Behinderungen - auf die Gehfähigkeit auswirken.
31 
Dies gilt namentlich hinsichtlich der bei der Klägerin diagnostizierte psychischen Erkrankung, bei der es sich nach Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. R. um die Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt und der Beklagte als seelische Störung einstuft. Denn die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Gehvermögens erreicht keinen Schweregrad, der - ggf. in Kombination mit orthopädischen Beeinträchtigungen - etwa mit den in Teil D Nr. 1e und f der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Regelbeispielen der hirnorganischen Anfälle oder der Störung der Orientierungsfähigkeit vergleichbar wäre (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 27.2.2014 - L 13 SB 58/12 - juris, Rn. 39). In der Auskunft des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 19.11.2013 bzw. 18.02.2014 werden Besserungen im Rahmen der depressiven Erkrankung beschrieben. Trotz bestehender psychischer sich auf die Gehfähigkeit auswirkender Beeinträchtigungen sei die Klägerin in der Lage, ihren eigenen Widerstand selbständig zu überwinden und selbständig Wegstrecken zu Fuß - etwa zu Ärzten oder Besuchen bei Bekannten - zu Fuß zurückzulegen zu können. Zwar beschreibt Dr. R. eine Verschlechterung im Februar 2014 sowie Schwankungen bezüglich der seelischen Störung, die allerdings die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ nicht begründen kann. Hindern ausschließlich Angstzustände eine Bewegung auf der Straße, so ist das Merkzeichen „G“ nicht zuzuerkennen (vgl. LSG Hamburg, U.v. 3.7.2012 - L 3 SB 6/09 - juris, Rn. 24).
32 
Vor diesem Hintergrund lässt sich zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin eine der genannten Regelbeispiele vergleichbare Beeinträchtigungen des Gehvermögens, welche die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ rechtfertigen kann, nicht feststellen.
3.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 04. Feb. 2015 - S 17 SB 592/14

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Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 04. Feb. 2015 - S 17 SB 592/14 zitiert 13 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 4 Leistungen zur Teilhabe


(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,2. Einschr

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 146 Periodizität und Berichtszeitraum


Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Referenzen

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.