Sozialgericht Karlsruhe Beschluss, 21. Juli 2015 - S 10 P 1232/15

bei uns veröffentlicht am21.07.2015

Tenor

1. Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts C. vom 20.03.2015 - Geschäftsnummer ... - mit der Maßgabe, dass der Beklagte der Klägerin für rückständige Beiträge zur privaten Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 30.11.2014 statt eines Betrages von 77,44 EUR lediglich einen Betrag von 63,74 zu bezahlen hat, erledigt.

2. Der Beklagte trägt die Gerichtskosten des Mahnverfahrens.

3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
Auf Antrag der Klägerin - einem privaten Pflegeversicherungsunternehmen - war in entsprechender Anwendung des § 102 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Wirkung des angenommenen Anerkenntnisses durch Beschluss auszusprechen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27.11.1980, 5 RKn 11/80) und gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Beklagte - als Versicherungsnehmer der Klägerin - die Kosten des Mahnverfahrens, jedoch keine außergerichtlichen Kosten, zu erstatten hat (vgl. auch zum Erfordernis einer Kostenentscheidung bei einem Vollstreckungsbescheid Toussaint, in: Beck´scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.03.2015, § 343 ZPO, Rn. 5).
Nach Erledigung des Rechtsstreits entscheidet das Gericht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Die Entscheidung wird unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen getroffen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen, neben dem voraussichtlichen Ergebnis des Rechtsstreits aufgrund einer Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch die Frage, wer Anlass zur Klage gegeben hat. Dabei kann auch auf den tatsächlichen äußeren Verfahrensausgang abgestellt, also dem Beteiligten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, der das erledigende Ereignis herbeigeführt hat. Verzichtet also der Kläger aus freien Stücken auf die Durchführung des Rechtsstreites, spricht dies dafür, ihn mit den Kosten zu belasten. Hat der Beklagte durch Erfüllung des Klagebegehrens die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt, spricht dies hingegen dafür, ihm die Kosten aufzuerlegen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 SGG, Rn. 13b).
Nach Einlegung eines Einspruchs des Beklagten am 02.04.2015 gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.03.2015 - Geschäftsnummer … - leitete das Amtsgericht C. das Verfahren an das vorliegend erkennende Gericht mit Eingang bei diesem am 14.04.2015 weiter. Dem Begehren der Klägerin im Zusammenhang mit der Zahlung von Beiträgen zur privaten Pflegeversicherung mit einer teilweisen Erledigterklärung der Hauptforderung ihrerseits mit Schreiben vom 11.05.2015 in Höhe von 13,70 EUR ist der Beklagte insoweit nachgekommen, als er dem Gericht gegenüber am 11.06.2015 den Anspruch anerkannt hat.
Dem am 11.06.2015 beim Amtsgericht C. und von diesem nach Weiterleitung an das erkennende Gericht bei diesem am 22.06.2015 eingegangenen Beklagtenschreiben vom 09.06.2015, mit welchem der Beklagte den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vom 20.03.2015 zurückgenommen hat, kommt im Übrigen vor diesem Hintergrund keine darüber hinaus gehende Bedeutung zu und vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Zumal die Akten bereits am 14.04.2015 beim Sozialgericht eingegangen sind und gemäß § 182a Abs. 2 SGG mit dem Eingang der Akten beim Sozialgericht nach den Vorschriften des SGG zu verfahren ist. Denn dem SGG ist eine entsprechende Regelung über die Rücknahme eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht die Existenz des § 182a Abs. 1 Satz 3 SGG, wonach der Widerspruch gegen den Mahnbescheid zurückgenommen werden kann, solange die Abgabe an das Sozialgericht nicht verfügt ist, sogar gegen diese Möglichkeit. Denn zum einen hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit einer Rücknahme einer Einwendung gegen eine Entscheidung im Mahnverfahren getroffen und diese zum anderen auch noch auf den Zeitraum vor der Abgabe an das Sozialgericht beschränkt. Die Möglichkeit der Rücknahme eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid würde daher im klaren Widerspruch hierzu stehen. Mithin sollten die Sozialgerichte nach dem SGG vorgehen und nicht Aufgaben der Mahn- bzw. Zivilgerichte beispielsweise entsprechend dem § 699 Abs. 1 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) - wonach das Gericht den Vollstreckungsbescheid erlässt, an das der Rechtsstreit bereits abgegeben wurde - wahrnehmen. Letztlich steht dies auch im Einklang mit den gesetzgeberischen Erwägungen (vgl. auch BT-Drucksache 13/0609, S. 13).
In Fällen wie dem vorliegenden, in denen dem Gerichtsverfahren ein Mahnverfahren vor dem Amtsgericht vorausgegangen ist, entscheidet das Gericht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Entsprechend der Gesetzesbegründung ist diese Vorschrift jedoch dergestalt einschränkend zu verstehen, dass es in ihr nur um die Tragung der Kosten eines vorangegangenen Mahnverfahrens geht (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 12 P 2/03 R; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31.01.2008, 1 BvR 1806/02).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze entspricht es nach Auffassung der Kammer billigem Ermessen, dass der Beklagte im vorliegenden Falle die Gerichtskosten des Mahnverfahrens zu tragen hat. In Anbetracht des vom Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses hinsichtlich des klägerischerseits geltend gemachten Anspruchs erachtet die Kammer weitere Ausführungen hierzu für entbehrlich.
Gemäß § 193 Abs. 4 SGG sind jedoch die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen - zu denen auch die Klägerin als privates Pflegeversicherungsunternehmen gehört - nicht erstattungsfähig.
Dieser Beschluss ist hinsichtlich des Tenors zu 1. nach § 102 Abs. 3 Satz 2 SGG in entsprechender Anwendung unanfechtbar und ist gegen den Beschluss im Übrigen gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG die Beschwerde ausgeschlossen.

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Karlsruhe Beschluss, 21. Juli 2015 - S 10 P 1232/15 zitiert 9 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 172


(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. (2) Pro

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 102


(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. (2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 184


(1) Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 genannten Personen gehören, haben für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen. Soweit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 343 Entscheidung nach Einspruch


Insoweit die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, dass diese Entscheidung aufrechtzuerhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung ni

Zivilprozessordnung - ZPO | § 699 Vollstreckungsbescheid


(1) Auf der Grundlage des Mahnbescheids erlässt das Gericht auf Antrag einen Vollstreckungsbescheid, wenn der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat. Der Antrag kann nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden; er hat die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 182a


(1) Beitragsansprüche von Unternehmen der privaten Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch können nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung im Mahnverfahren vor dem Amtsgericht geltend gemacht werden. In dem Antrag auf Erlaß des M

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Insoweit die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, dass diese Entscheidung aufrechtzuerhalten sei. Insoweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, wird das Versäumnisurteil in dem neuen Urteil aufgehoben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Beitragsansprüche von Unternehmen der privaten Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch können nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung im Mahnverfahren vor dem Amtsgericht geltend gemacht werden. In dem Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids können mit dem Beitragsanspruch Ansprüche anderer Art nicht verbunden werden. Der Widerspruch gegen den Mahnbescheid kann zurückgenommen werden, solange die Abgabe an das Sozialgericht nicht verfügt ist.

(2) Mit Eingang der Akten beim Sozialgericht ist nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu verfahren. Für die Entscheidung des Sozialgerichts über den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid gelten § 700 Abs. 1 und § 343 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(1) Auf der Grundlage des Mahnbescheids erlässt das Gericht auf Antrag einen Vollstreckungsbescheid, wenn der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat. Der Antrag kann nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden; er hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen auf den Mahnbescheid geleistet worden sind. Ist der Rechtsstreit bereits an ein anderes Gericht abgegeben, so erlässt dieses den Vollstreckungsbescheid.

(2) Soweit das Mahnverfahren nicht maschinell bearbeitet wird, kann der Vollstreckungsbescheid auf den Mahnbescheid gesetzt werden.

(3) In den Vollstreckungsbescheid sind die bisher entstandenen Kosten des Verfahrens aufzunehmen. Der Antragsteller braucht die Kosten nur zu berechnen, wenn das Mahnverfahren nicht maschinell bearbeitet wird; im Übrigen genügen die zur maschinellen Berechnung erforderlichen Angaben.

(4) Der Vollstreckungsbescheid wird dem Antragsgegner von Amts wegen zugestellt, wenn nicht der Antragsteller die Übermittlung an sich zur Zustellung im Parteibetrieb beantragt hat. In diesen Fällen wird der Vollstreckungsbescheid dem Antragsteller zur Zustellung übermittelt; die Geschäftsstelle des Gerichts vermittelt diese Zustellung nicht. Bewilligt das mit dem Mahnverfahren befasste Gericht die öffentliche Zustellung, so wird diese nach § 186 Absatz 2 Satz 1 bis 3 bei dem Gericht vorgenommen, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Absatz 1 Nummer 1 bezeichnet worden ist.

(5) Die Belehrung gemäß § 232 ist dem Antragsgegner zusammen mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids schriftlich mitzuteilen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 genannten Personen gehören, haben für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Die Gebühr entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen. Soweit wegen derselben Streitsache ein Mahnverfahren (§ 182a) vorausgegangen ist, wird die Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids nach dem Gerichtskostengesetz angerechnet.

(2) Die Höhe der Gebühr wird für das Verfahren

vor den Sozialgerichten auf150 Euro,
vor den Landessozialgerichten auf225 Euro,
vor dem Bundessozialgericht auf300 Euro

festgesetzt.

(3) § 2 des Gerichtskostengesetzes gilt entsprechend.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.