Sozialgericht Dessau-Roßlau Urteil, 13. März 2015 - S 11 AS 1337/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 30.09.2013 unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten.
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Die Klägerin zu 1) lebt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Kläger zu 2), sowie den minderjährigen Kindern, dem 2006 geborenen Kläger zu 3) und dem 2010 geborenen Kläger zu 4), in einer 120 Quadratmeter großen Wohnung in Z ... Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für diese Wohnung betragen monatlich insgesamt 655,00 Euro. Die Kosten setzen sich zusammen aus der Grundmiete in Höhe von 480,00 Euro, den Betriebskosten in Höhe von 35,00 Euro sowie den Heizkosten in Höhe von 140,00 Euro. Die Kläger beheizen ihre Wohnung mit Erdgas.
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Mit einem auf den 23.01.2013 datierten Schreiben wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass die tatsächlichen Unterkunftskosten unangemessen hoch seien. Unter Bezugnahme auf die für den Beklagten geltende Richtlinie zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Landkreis Anhalt-Bitterfeld aus April 2012 seien ab 01.08.2013 nur noch die angemessenen Kosten für Unterkunft für einen Vier-Personen-Haushalt in Höhe von 329,00 Euro sowie Heizkostenvorauszahlungen nach dem bundesweiten Heizkostenspiegel in Höhe von 122,00 Euro zu berücksichtigen.
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Der im Jahr 2012 durch die von dem Beklagten beauftragte Firma "A." erstellte Bericht über die "Mietwerterhebung zur Ermittlung von KdU-Richtwerten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld" sieht vier Wohnungsmarkttypen vor. Der Wohnort der Kläger gehört danach zum "Wohnungsmarkttyp I", zu welchem außerdem die Gemeinden A. und O. zählen.
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Mit Bescheid vom 21.03.2013 bewilligte der Beklagte den Klägern zunächst vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 30.09.2013. Der Bescheid erging vorläufig aufgrund des noch nicht endgültig feststehenden Einkommens. Bei der Anspruchsberechnung berücksichtigte der Beklagte die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.07.2013 in tatsächlicher Höhe. Für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 30.09.2013 berücksichtigte der Beklagte die monatlichen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 473,50 Euro. Dabei kürzte er die Bruttokaltmiete (Grundmiete zuzüglich der Nebenkosten) um 123,00 Euro auf 392,00 Euro. Die Aufwendungen für die Heizung erkannte der Beklagte in Höhe von monatlich 122,00 Euro an. Dies bedeutet eine Kürzung der tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 18,00 Euro.
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Den gegen die vorgenommene Kürzung der Kosten für Unterkunft und Heizung für die Monate August 2013 und September 2013 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2013 zurück. Zur Begründung führt der Beklagte aus, die Aufwendungen der Kläger für ihre Unterkunft und Heizung seien unangemessen hoch. Die Richtlinie, die die Werte für die Angemessenheit der Unterkunftskosten je nach Wohnort und Anzahl der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft festlegt, sei für den Beklagten verbindlich.
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Die Kläger haben Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben.
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Die Kläger tragen vor, ihre Unterkunftskosten seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Die Kürzung sei rechtswidrig. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten sei auf die Werte des Wohngeldgesetzes abzustellen. Das durch den Beklagten 2012 erstellte Konzept sei nicht schlüssig. Es widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bestimmung des Vergleichsraums, wenn laut Konzept Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps zusammengefasst werden, die nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse der Vergleichsraum aufgrund seiner räumlichen Nähe und seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Nach Auffassung der Kläger sei bei einer Zusammenfassung der Gemeinde Z. mit den Gemeinden A. und O. eine räumliche Nähe nicht gegeben. Insbesondere sei Z. von A. durch die Elbe getrennt. Auch könnten die im Wohnungsmarkttyp I genannten Gemeinden (Z., A., O.) nicht zusammengefasst werden, da die Mieten unterschiedlich hoch seien. Aus dem Konzept erschließe sich nicht, woraus sich ergibt, dass das Pro-Kopf-Einkommen und die Bevölkerungsentwicklung sowie der Anteil der Mehrfamilienhäuser durchschnittlich bis leicht unterdurchschnittlich ausgeprägt seien. Es seien nur Wohnungen über 30 Quadratmeter berücksichtigt – so das Konzept. Aber tatsächlich seien in Z. auch Wohnungen mit weniger als 30 Quadratmetern vorhanden. Warum diese nicht eingeschlossen seien, sei nicht ersichtlich.
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Die Kläger beantragen,
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den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2013 in der Fassung des Festsetzungsbescheides vom 08.10.2013 zu verurteilen, den Klägern für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 30.09.2013 weitere Leistungen unter Berücksichtigung der gesamten Unterkunftskosten zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und hilfsweise die Berufung zuzulassen.
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Der Beklagte hält an der Richtlinie und dem von der Firma "A." erstellten Konzept fest. Ferner trägt der Beklagte vor, als Vergleichsraum sei der gesamte Landkreis B. zugrunde zu legen. Der Landkreis A. bestehe aus zehn Gemeinden ohne Oberzentrum, aber mit zwei Mittelzentren. Es gebe mehrere Bundesstraßen. Unter anderem führe der direkte Weg der Z. Region zur Kreisstadt K. über die Bundesstraße 187a, die bei A. über die Elbe mit einer Fährverbindung passiert werden könne. Der gesamte Landkreis präsentiere sich als homogener Lebensraum. Es seien wegen der Bestimmung des Vergleichsraums die örtlichen Gegebenheiten des gesamten Kreisgebietes zu berücksichtigen.
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Mit Bescheid vom 23.09.2013 hat der Beklagte die Leistungen für den Monat September 2013 geändert und dabei die Betriebskostennachzahlung im August 2013 in Höhe von 398,11 Euro berücksichtigt. Die Bewilligung erfolgte weiterhin vorläufig. Mit Bescheid vom 08.10.2013 hat der Beklagte die Leistungen für die Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 30.09.2013 endgültig festgesetzt. Die Absenkung der Unterkunfts- und Heizkosten hat der Beklagte beibehalten.
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Das Gericht hat Beweis durch eine Zeugenvernehmung erhoben. Ein Mitarbeiter der Firma "A.", Herr K. (nachfolgend: Zeuge), hat zum Thema der Erstellung eines schlüssigen Konzepts für den Landkreis A. und dabei insbesondere zu Z., dem Wohnort der Kläger, ausgesagt. Der Zeuge hat mündlich bestätigt, was sich bereits aus der schriftlichen Stellungnahme sowie aus dem durch die Firma "A." erstellten Konzept entnehmen lässt. Unter anderem hat der Zeuge dargestellt, dass die zufällig ausgewählten Vermieter angeschrieben und gebeten wurden, anonym unter anderem folgende Daten mitzuteilen: Gemeindename, Baujahr des Gebäudes, Zahlung einer reduzierten Miete, Vermietung zu gewerblichen Zwecken, Vermietung an Angehörige, Vorhandensein eines Bades, WC innerhalb der Wohnung, Datum des Mietvertragsabschlusses, Wohnfläche, Nettokaltmiete, Betriebskosten und Heizkosten. Bei der Datenauswertung habe man dann Wohnungen mit einer Wohnungsgröße von unter 30 Quadratmetern ausgenommen, weil kleinere Wohnungen aufgrund ihrer Anzahl und ihrer in der Regel nicht langfristig angelegten Nutzungsdauer keine Relevanz haben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, den Bericht der Firma "A." über die "Mietwerterhebung zur Ermittlung von KdU-Richtwerten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld" und die überlassenen Rohdaten zur "Mietwerterhebung zur Ermittlung von KdU-Richtwerten im Landkreis Anhalt-Bitterfeld", die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Kammer hatte über den streitgegenständlichen Bescheid vom 21.03.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.05.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.08.2013 in der Fassung des Festsetzungsbescheides vom 08.10.2013 zu entscheiden. Die Bescheide vom 08.08.2013 und vom 08.10.2013 sind nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Kläger haben ihre Klage auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Dahingehend waren der Klageantrag und das von den Klägern zuvor geführte Widerspruchsverfahren auszulegen.
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Die Kläger erfüllen die Grundvoraussetzungen nach § 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu erhalten. Einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung haben die Kläger nicht.
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Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Begriff "angemessen" ist unbestimmt und bedarf der Auslegung. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Zu differenzieren ist dabei zwischen dem, was im Allgemeinen angemessen (abstrakte Angemessenheit) und was im konkreten Einzelfall zumutbar (konkrete Angemessenheit) ist.
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a) Nach der hier anzuwendenden Produkttheorie des Bundessozialgerichts ist eine Unterkunft abstrakt angemessen, solange jedenfalls das Produkt aus der Wohnfläche und dem Wohnungsstandard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (Referenzmiete) ergibt (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R). Für den Faktor der Wohnungsgröße ist für einen Vier-Personen-Haushalt – den die Kläger bilden - nach § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung Sachsen-Anhalt (WoFG) eine Wohnfläche von 80 Quadratmetern maßgeblich (vgl. Landessozialgericht - LSG - Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09.06.2012 – L 5 AS 2/09; BSG, Urteil vom 14.02.2013 – B 14 AS 61/12 R).
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Zu der Frage, wie der Leistungsträger den Faktor der Referenzmiete bestimmt, hat das Bundessozialgericht bereits im Jahr 2009 Kriterien aufgestellt. Da die Bedingungen für die Höhe der Unterkunftskosten regional unterschiedlich sind, muss die Ermittlung regional erfolgen und diese auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgen (u.a. BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R). Wegen der regionalen Unterschiede kann der Leistungsträger zwischen methodisch unterschiedlichen Ansätze wählen (qualifizierter Mietspiegel, grundsicherungsrelevanter Mietspiegel, schlüssiges Konzept, Bildung von Referenzgruppen, Festlegung einer Perzentile, Ermittlung einer Spannobergrenze bei Berücksichtigung des unteren Marktsegmentes). Die Erstellung des schlüssigen Konzepts, sei es durch Satzung, Richtlinie oder in anderer Form, obliegt den Kommunen als Leistungsträger, weil sie mit dem örtlichen Wohnungsmarkt und dessen Besonderheiten vertraut sind (vgl. Bundestagsdrucksache 17/3404 zu § 22a SGB II; BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/13 R - "München II"; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.12.2014 – L 4 AS 479/14 B ER). Das Konzept muss transparent und nachvollziehbar sein und soll hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergegeben werden und die Begrenzung der Kosten der Unterkunft auf ein angemessenes Maß von den Gerichten hinreichend nachvollzogen werden kann (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R). Bei der Erstellung sind mindestens folgende Kriterien einzuhalten: die Datenerhebung erfolgt ausschließlich in dem genau eingegrenzten und dem gesamten Vergleichsraum, die Definition des Beobachtungsgegenstandes ist nachvollziehbar, die Art und Weise der Datenerhebung ist festgelegt, die einbezogenen Daten in ihrem Umfang sind repräsentativ, die Datenerhebung ist valide, die Datenauswertung hält anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze ein und die gezogenen Schlüsse sind ausgeführt und begründet (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/13 R - "München II"; Knickrehm in Sozialrecht, Tradition und Zukunft, Deutscher Sozialgerichtstag (Hrsg.) 2013, 79 (85)).
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Der Beklagte hat ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten für die Gemeinde der Kläger vorgelegt. Die oben genannten Kriterien werden eingehalten. Die zugrunde liegenden Daten sind ausreichend transparent und prüfbar, da der Beklagte diese (anonymisiert) dem Gericht und den Klägern zur Verfügung gestellt hat. Auch hat die Firma "A." Angaben über den Beobachtungszeitraum getätigt, die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt und anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung eingehalten sowie Schlüsse aus den ausgewerteten Daten (Kappungsgrenze) gezogen und begründet.
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Der zuständige Leistungsträger, der in dem hier optierenden Model zugleich der Beklagte ist, hat den Landkreis A. als einen Vergleichsraum angesehen. Der Zeuge hat ausgesagt, dass die Firma "A." für den gesamten Landkreis als einen Vergleichsraum Daten erhoben hat. Dies lässt sich auch den beigezogenen Rohdaten entnehmen. Die Festlegung des Vergleichsraums ist zunächst eine politische Entscheidung des Leistungsträgers – hier des Landkreises A. Im Ergebnis hält es die Kammer nicht für geboten, auf einen hiervon abweichenden Vergleichsraum abzustellen (offen gelassen für den Landkreis A.: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.12.2014 - L 4 AS 479/14 B ER). Im Internet wird der Landkreis A. ("Wikipedia - Die freie Enzyklopädie" - www.wikipedia.de) wie folgt geografisch beschrieben: " Die sichelförmige Fläche des Landkreises erstreckt sich über 1453 km². Vom nördlichsten Ort N. bis zum südlichsten Ort B. liegt eine Distanz von 59 Kilometern, während der westlichste Ort K. vom östlichsten Ort S. 48 Kilometer entfernt ist. Bei A. teilt die Elbe im Biosphärenreservat Mittlere Elbe den Landkreis in eine nördliche und eine südliche Hälfte, der südöstliche Teil wird von der Mulde durchflossen ". Der Landkreis grenzt an das Oberzentrum D. Die verkehrstechnische Anbindung, orientiert an diesem Oberzentrum D., ist für die Einwohner der einzelnen Gemeinden des Landkreises A. gegeben.
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Zwar bestehen zwischen den einzelnen Gemeinden des Landkreises kleinere strukturelle Unterschiede sowie unterschiedliche historische Entwicklungen einzelner Kommunen insbesondere vor und nach der zuletzt durchgeführten Kreisgebietsreform, als auch unterschiedliche bauliche Strukturen (Städte wie Z., B. und K. einerseits sowie der weitaus ländlichere Raum andererseits, wie beispielsweise die Gemeinden O. und M.) und damit eine unterschiedlich ausgeprägte Infrastruktur. Allerdings hat das Bundessozialgericht zur Festlegung des Vergleichsraum mit dem Wort "insgesamt" klargestellt, dass durchaus Unterschiede innerhalb des Vergleichsraums möglich sind. " Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist " (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 - "München I"). Diese durch das Bundessozialgericht für Großstädte aufgestellten Kriterien – gerade in Großstädten wie München oder Berlin gibt es diese deutlichen Unterschiede in Struktur und Mietmarkt – gilt es für den ländlichen Raum zu finden. Auch hier gibt es strukturelle Unterschiede. Wenn sich der Landkreis A. an das Oberzentrum D. orientiert, kann er trotz der strukturellen Unterschiede insgesamt als homogener Lebens- und Wohnbereich eingestuft werden. Dass die räumliche Trennung zwischen den Gemeinden Z. und O. durch die Elbe gegen einen homogenen Lebensraum spreche, überzeugt die Kammer nicht. Schließlich gibt es eine Fährverbindung. Vielmehr ist auf die Ausrichtung auf das Oberzentrum D. abzustellen, welches für alle Gemeinden des Landkreises in ähnlicher Weise gut erreichbar ist. Wenn schließlich eine Großstadt wie München als gesamter Vergleichsraum betrachtet wird (zuletzt BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/13 R – "München II"), so ist es gerade im ländlichen Raum wie der Landkreis A. sinnvoll, mehrere Gemeinden zusammenzufassen (so auch SG Magdeburg, Urteil vom 20.11.2013 – S 18 AS 954/10).
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Gerade wegen der Unterschiede im Landkreis A. erscheint der Kammer der methodische Ansatz im Rahmen der Datenauswertung - Clusteranalyse / Bildung von Wohnungsmarkttypen - im Konzept des Beklagten nachvollziehbar. Die Firma "A." ermittelte nach Aussage des Zeugen zunächst die verkehrstechnische Anbindung im öffentlichen Nahverkehr an das Oberzentrum D. Nachdem diese Angebundenheit bejaht wurde, konzentrierte sich das Unternehmen auf weitere Parameter, die durchaus wohnungsmarkspezifischen Bezug haben. Diese Parameter (Indikatoren) sind: Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit, Mietenstufe, Bodenpreis und Zentralität. Im gesamten Landkreis A. wurden anhand dieser Parameter sogenannte Wohnungsmarkttypen herausgearbeitet.
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Es besteht ein Unterschied zwischen der Festlegung des Vergleichsraums und der damit verbundenen Datenerhebung einerseits und der Datenauswertung mittels einer besonderen Methode, und zwar der Clusteranalyse (Bildung von Wohnungsmarktypen), andererseits. Die Wohnungsmarkttypen bilden nicht zwingend einen Vergleichsraum. Die Clusteranalyse ist ein methodischer Ansatz, um der Anforderung des Bundessozialgerichts an einen ausreichend validen Datensatz gerecht zu werden. Gerade im ländlichen Raum, wo der Mietmarkt weniger als in Großstädten ausgeprägt ist, besteht die Notwendigkeit der Zusammenfassung einzelner Gemeinden mit denselben strukturellen Gegebenheiten. Auch die Firma "A." hält diesen Ansatz in ihrem schriftlichen Bericht fest (dort Seite 3), dass es keinen einheitlichen Wohnungsmarkt und damit unterschiedliche Mietniveaus im Kreisgebiet gibt. Es sei notwendig, vor Ermittlung der Mieten regionale bzw. strukturell homogene Untereinheiten zu bilden. Das hat die Kammer überzeugt. Dem steht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bildung des Vergleichsraums nicht entgegen, da es sich bei der Clusteranalyse bzw. Bildung von Wohnungsmarkttypen nicht um die Bildung eines eigenständigen Vergleichsraums handelt. Bei der Bildung des Vergleichsraums ist auf all diejenigen Gebiete abzustellen, die einen insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Für die Bildung des Vergleichsraums muss dabei nicht auf die kommunalrechtlichen Grenzen abgestellt werden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R - "München I"). Gibt es – insbesondere in Kleinst-Gemeinden - keinen Wohnungsmarkt, muss auf größere räumliche Bereiche abgestellt werden. Dieser ist so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7 AS 10/06 R). Die Bildung von Wohnungsmarkttypen oder eine sogenannte Clusterbildung ist dafür ein geeignetes methodisches Mittel zur Datenauswertung (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 05.02.2013 – L 7 AS 78/12; Sozialgericht - SG - Chemnitz, Urteil vom 04.04.2014 – S 22 AS 1185/13; SG Detmold, Urteil vom 28.11.2013 – S 23 AS 1295/11; SG Aachen, Urteil vom 24.02.2015 – S 20 SO 157/14; a.A. SG Magdeburg, Urteil vom 23.04.2014 – S 14 AS 4313/10). Die Kammer hatte nicht den Eindruck, dass die erhobenen Daten zur Festlegung der einzelnen Wohnungsmarkttypen führten. Vielmehr war dem Konzept nachvollziehbar zu entnehmen, dass die Daten für den gesamten Landkreis erhoben wurden und die Unterteilung in die Wohnungsmarkttypen ausschließlich anhand der oben genannten Indikatoren festgelegt wurde.
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Der Einzelfall (Verweisbarkeit innerhalb des Vergleichsraums) ist insbesondere im Rahmen der Prüfung der konkreten Angemessenheit zu beachten und das soziale Umfeld zu prüfen, welches sich sehr wohl auf eine einzelne Gemeinde, beispielsweise Z., im Landkreis A. beschränken kann. Die Kammer hatte auch nicht zu beanstanden, dass Wohnungen mit einer Wohnfläche von weniger als 30 Quadratmetern bei der Datenauswertung nicht berücksichtigt wurden, da diese Wohneinheiten eher für kurze Anmietungen genutzt werden.
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b) Die Kläger wurden mit Schreiben vom 23.01.2013 auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunfts- und Heizkosten hingewiesen (sogenannte Kostensenkungsaufforderung). Dieses Schreiben entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die mit der Kostensenkungsaufforderung verbundene Aufklärungs- und Warnfunktion (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R; BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 78/09 R) erfüllt das Schreiben des Beklagten vom 23.01.2013. Zwar sind an ein solches Schreiben keine sonstigen überhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen geknüpft. Eine Kostensenkungsaufforderung soll aber den aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Mietpreis beinhalten. Nur dann könne der Leistungsberechtigte die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem als angemessen angesehenen Mietpreis erkennen, die Folgen abschätzen und selbst entscheiden, welche Maßnahmen er zur Kostensenkung ergreifen kann (BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 78/09 R). Das Kostensenkungsschreiben des Beklagten vom 23.01.2013 benennt den als angemessen angesehenen Mietpreis und lässt erkennen, ab welchem Tag die Kosten nur noch in angemessener Höhe getragen werden.
- 30
c) Die Entscheidung des Beklagten zur konkreten Angemessenheit der Unterkunftskosten der Kläger ist ebenso nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht hält fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG, Urteil vom 10.03.2013 – B 4 AS 77/12 R). Dies dürfte auch für die ausreichend vorhandenen Daten in einem schlüssigen Konzept zutreffen. Die Wahrscheinlichkeit, Wohnungen zu den ermittelten Referenzmieten zu finden, ergibt sich aus dem festgelegten Perzentil. So bestätigt der Zeuge, dass für einen Vier-Personen-Haushalt von dem vorhandenen Angebot elf Prozent Wohnungen zu der maximalen Bruttokaltmiete in Höhe von insgesamt 392,00 Euro innerhalb des Wohnungsmarkttyps I angemietet werden können. Die Kläger selbst haben nicht nachweisen können, dass im streitgegenständlichen Zeitraum von August bis September 2013 eine Wohnung zu der Referenzmiete nicht anmietbar gewesen war. Auch haben sie keine ausreichenden Gründe benannt, warum sie nicht außerhalb ihrer Wohngemeinde Z. auf andere Gemeinden verwiesen werden zu können, sei es innerhalb des gesamten Landkreises A. oder innerhalb der Gemeinden des Wohnungsmarkttyps I. Sie haben sich nicht ausreichend um neuen (angemessenen) Wohnraum bemüht. Der Beklagte hingegen konnte aufgrund seiner Recherchen ein Wohnungsangebot im Wohnort der Kläger zur Referenzmiete im streitgegenständlichen Zeitraum vorlegen. Weshalb die Kläger diese Wohnung nicht hätten anmieten können, hat sich der Kammer nicht erschlossen.
- 31
d) Die Entscheidung des Beklagten über die Höhe der monatlich zu berücksichtigenden Heizkostenabschläge ist rechtmäßig. Die Angemessenheit der Heizkosten richtet sich nach dem jährlich veröffentlichten bundesweiten Heizkostenspiegel zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009 – 14 AS 36/08 R; BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12 R). Der für die Kläger maßgebliche bundesweite Heizkostenspiegel ist der im Jahr 2012 veröffentlichte, der die Vergleichswerte für das Abrechnungsjahr 2011 darstellt. Bei einer Gesamtwohnfläche von bis zu 250 Quadratmetern ist ein Wert von bis zu 16,90 Euro je Quadratmeter und Jahr noch angemessen. Dies entspricht einem monatlichen angemessenen Heizkostenabschlag bei einer maximal angemessenen Wohnfläche von 80 Quadratmetern in Höhe von 112,67 Euro. Der Beklagte berücksichtigte hingegen einen Heizkostenabschlag in Höhe von 122,00 Euro, womit er deutlich höhere Kosten als die angemessenen übernahm.
- 32
d) Auch im Übrigen hat der Beklagte die Bedarfs- und Leistungsanspruchsberechnung für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen.
- 34
3. Der Streit- und Beschwerdewert liegt bei 282,00 Euro (2 Monate x [123,00 Euro + 18,00 Euro]). Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Frage, ob das von dem Beklagten vorgelegte Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ein im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickeltes schlüssiges Konzept ist, hat Bedeutung für eine Vielzahl von Leistungsempfängern (sowohl nach dem Zweiten als auch nach dem Zwölfen Buch Sozialgesetzbuch) im Landkreis A. Dabei ist bislang in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob im ländlichen Raum mehrere Vergleichsräume oder innerhalb eines Vergleichsraums mehrere Gemeinden in einzelne Wohnungsmarkttypen (Clusteranalyse) zusammengefasst werden können.
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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Bei Bestimmungen der Länder über die Grenzen für Wohnungsgrößen sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
- 1.
Die Größe der zu fördernden Wohnung muss entsprechend ihrer Zweckbestimmung angemessen sein. - 2.
Besonderheiten bei Maßnahmen im Gebäudebestand und bei selbst genutztem Wohneigentum sowie besonderen persönlichen oder beruflichen Bedürfnissen von Haushaltsangehörigen und einem nach der Lebenserfahrung in absehbarer Zeit zu erwartenden zusätzlichen Raumbedarf ist Rechnung zu tragen.
(2) Bei der Berechnung der Wohnfläche ist § 19 Abs. 1 anzuwenden.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), insbesondere Leistungen für Unterkunft und Heizung für Juni 2006.
- 2
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Der im Jahr 1965 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt eine 55,86 qm große Wohnung in Bernburg (Saale). Im strittigen Zeitraum betrugen pro Monat seine Kaltmiete 285,61 Euro, seine Vorauszahlung für die Betriebskosten 37,10 Euro und für die Heizkosten einschließlich Warmwasserbereitung 54,92 Euro, insgesamt 377,63 Euro. Mit Bescheid vom 24.11.2004 bewilligte die Agentur für Arbeit Bernburg dem Kläger Leistungen für Januar bis Juni 2005 und wies darauf hin, die unangemessenen Kosten der Unterkunft würden für längstens sechs Monate übernommen. Der damalige Landkreis Bernburg, ein zugelassener kommunaler Träger und Rechtsvorgänger des jetzigen Beklagten, der ebenfalls ein zugelassener kommunaler Träger ist (im Weiteren: der Beklagte), führte mit Schreiben vom 5.1.2005 aus, die Größe der Wohnung übersteige die angemessene Wohnfläche von 50 qm, als Kaltmiete seien 4 Euro pro qm, für die Betriebs- und Heizkosten seien 2,10 Euro pro qm angemessen, insgesamt also (50 x 6,1 =) 305 Euro.
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Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2005 letztlich pro Monat eine "Kaltmiete" von 212,98 Euro und für Heiz- und Nebenkosten 92,02 Euro (Bescheid vom 8.7.2005, Änderungsbescheide vom 27.9.2005 und vom 24.11.2005) und für die Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 dieselben Beträge (Bescheid vom 27.12.2005). Die Widersprüche des Klägers wurden zurückgewiesen (für das Jahr 2005: Widerspruchsbescheid vom 7.3.2006; für das Jahr 2006: Widerspruchsbescheid vom 8.3.2006).
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Das Sozialgericht hat die Klagen verbunden und abgewiesen (Urteil vom 17.11.2008). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger ua die Nebenkostenabrechnung seines Vermieters vom 20.12.2005 für das Jahr 2004 vorgelegt, nach der er innerhalb von zwei Wochen 100,67 Euro nachzahlen musste, und das Verfahren ausdrücklich auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten unter Änderung der genannten Bescheide verurteilt, dem Kläger pro Monat für Juli bis Dezember 2005 und für Februar bis Juli 2006 jeweils weitere 52 Euro und für Januar 2006 weitere 153 Euro als Leistungen für die Unterkunft und Heizung zu zahlen und die Berufung des Klägers im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 9.5.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei Berechtigter iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Als angemessene Wohnfläche für Ein-Personen-Haushalte sei im Land Sachsen-Anhalt von 50 qm aufgrund der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt auszugehen. Ob als örtlicher Vergleichsraum auf den früheren Landkreis Bernburg abzustellen sei, insbesondere im Hinblick auf die Kreisstadt Bernburg (Saale), in der der Kläger lebe, und die kleineren kreisangehörigen Gemeinden, könne dahinstehen.
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Die Ermittlungen und Vorgaben des Beklagten für den Landkreis Bernburg, einschließlich der Stadt Bernburg (Saale), erfüllten in den strittigen Jahren 2005 und 2006 nicht die Anforderungen an ein "schlüssiges Konzept" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG): Der herangezogene Mietspiegel stamme aus dem Jahr 1999 und sei kein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d Bürgerliches Gesetzbuch, die Daten der befragten Wohnungsanbieter seien unzureichend und ein Vergleich von Werten innerhalb des Konzepts des Beklagten zeige, dass es in sich widersprüchlich sei. Die eigenen Ermittlungen des Senats beim statistischen Landesamt und dem Verband der Wohnungswirtschaft hätten nicht zu einer validen Datengrundlage geführt. Der Beklagte habe die vom Senat gestellten Fragen nicht beantworten können und sei seiner Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht nachgekommen. Aus der Erarbeitung eines schlüssigen Konzepts für das Jahr 2012 durch den Beklagten ergebe sich nichts anderes, weil dieses keine Aussagekraft für das Jahr 2005 habe, da sich der Wohnungsmarkt, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, das Vorhandensein von Arbeitsplätzen in kürzerer Zeit verändere.
- 6
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Die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft seien jedoch nicht unbegrenzt zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29) gebe es eine "Angemessenheitsgrenze nach oben", die aus den Tabellenwerten nach § 8 Wohngeldgesetz in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (WoGG aF) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % abzuleiten sei. Bernburg (Saale) gehöre zur Mietenstufe II, deren Höchstbetrag für Kaltmiete einschließlich kalter Betriebskosten belaufe sich danach für Ein-Personen-Haushalte auf 280 Euro, zuzüglich 10 % ergäben sich 308 Euro pro Monat. Die höheren Aufwendungen des Klägers seien nicht zu übernehmen, insofern sei seine Berufung zurückzuweisen.
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Die Heizkosten errechneten sich ausgehend von einer Vorauszahlung von 54,92 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung von 5,97 Euro mit 48,95 Euro pro Monat, im Juli 2006 jedoch mit 48,70 Euro aufgrund der Erhöhung der Regelleistung. Für den Januar 2006 sei als weiterer Bedarf die Nebenkostenabrechnung des Vermieters in Höhe von 100,67 Euro zu berücksichtigen. Mithin ergebe sich als monatlicher Anspruch des Klägers für Juli bis Dezember 2005 und für Februar bis Juni 2006 insgesamt 356,95 Euro, gerundet 357 Euro, für Juli 2006 356,70 Euro, gerundet 357 Euro, für Januar 2006 457,62 Euro, gerundet 458 Euro. Abzüglich der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 305 Euro verblieben die ausgeurteilten Restansprüche.
- 8
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte unter Vorlage eines "Schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Salzlandkreis" aus dem Jahr 2012 die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Das LSG habe § 22 Abs 1 SGB II verletzt, weil es zur Bestimmung der Angemessenheit auf § 8 WoGG aF zurückgegriffen habe, obwohl ein schlüssiges Konzept habe erarbeitet werden können. Es habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG verletzt, weil es weitere Ermittlungen zum schlüssigen Konzept habe anstellen, das angekündigte schlüssige Konzept des Beklagten aus dem Jahr 2012 abwarten und ggf ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Außerdem habe es die Bestimmung des örtlichen Vergleichsraums unzutreffenderweise dahingestellt sein lassen.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. Mai 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.
- 10
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 11
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Im Rahmen eines Teilvergleichs hat der Beklagte sich verpflichtet, an den Kläger wegen der Nebenkostenabrechnung dessen Vermieters weitere 100,67 Euro für Januar 2006 als Leistungen für die Unterkunft und Heizung zu zahlen, und haben sich die Beteiligten hinsichtlich weiterer Leistungen für die Unterkunft und Heizung für die Monate Juli 2005 bis Mai 2006 sowie Juli 2006 dem Ausgang des Rechtsstreits für den Monat Juni 2006 unterworfen.
Entscheidungsgründe
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Auf die Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 9.5.2012 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet, weil aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden kann, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme von weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung hat (§ 170 Abs 1, 2 SGG).
- 13
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist aufgrund des Teilvergleichs der Beteiligten im Revisionsverfahren nur noch das Begehren des allein revisionsführenden Beklagten, das Urteil des LSG, dem Kläger für Juni 2006 weitere 52 Euro als Leistungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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2. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. An der Zulässigkeit eines auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkten Rechtsmittels (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18)hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).
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3. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung sind § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1, § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die Grundvoraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 7 SGB II erfüllte der im Leistungsbezug nach dem SGB II stehende Kläger, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt.
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Zu den im Rahmen des Arbeitslosengeldes II zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon dem Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist, sie sind aber keine eigenständigen Streitgegenstände (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42
RdNr 18) .
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4. Die Leistung für die Heizung hat das LSG ausgehend von einer Vorauszahlung von 54,92 Euro abzüglich der Kosten für die Warmwasserbereitung von 5,97 Euro (vgl BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) mit 48,95 Euro pro Monat zutreffend bestimmt; von den Beteiligten sind insoweit keine Bedenken erhoben worden.
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5. Soweit das LSG hinsichtlich der Leistung für die Unterkunft auf die Tabellenwerte nach dem WoGG zurückgegriffen hat, ist das Urteil jedoch mangels ausreichender Feststellungen zum zugrunde gelegten örtlichen Vergleichsraum aufzuheben.
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Zur Bestimmung der Leistung für die Unterkunft ist zunächst der abstrakt angemessene Bedarf unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen der leistungsberechtigten Person über diesem Betrag, ist der konkret angemessene Bedarf zu prüfen, einschließlich der Zumutbarkeit einer Kostensenkung und der Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens (vgl ua BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19 ff; BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19
, RdNr 12 ff; BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 .RdNr 20 ff)
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Bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen (vgl BSG aaO). Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben für die Zeit vor dem 1.1.2009 durch die Tabellenwerte der rechten Spalte zu § 8 WoGG aF plus einem Sicherheitszuschlag von 10 % (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff mwN).
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Die angemessene Wohnfläche für den Kläger als Alleinstehenden beträgt 50 qm, wie das LSG unter Zugrundelegung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsbaus in Sachsen-Anhalt, RdErl des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23.2.1993, MBl Sachsen-Anhalt Nr 27/1993, S 1285 sowie RdErl des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10.3.1995, MBl für Sachsen-Anhalt Nr 31/1995, S 1133) zutreffend ausgeführt hat und wogegen von Seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden.
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Dem LSG kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es einerseits die Bestimmung eines örtlichen Vergleichsraums ausdrücklich dahingestellt gelassen hat sowie andererseits das Vorliegen eines "schlüssigen Konzepts" des Beklagten zur Ermittlung der Nettokaltmiete verneint und auf die Erfolglosigkeit eigener Ermittlungsversuche verwiesen hat. Denn die Entscheidung über ein schlüssiges Konzept oder den Erfolg eigener Ermittlungen setzt die Festlegung eines - örtlichen - Vergleichsraums voraus, auf den sich diese Beurteilung bezieht (ebenso BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Insofern mag zwar eine Wahlfeststellung, zB die Wohnortgemeinde, der Bezirk des Beklagten usw, zulässig sein, nicht aber, wie vorliegend, ein völliges Dahingestelltlassen (vgl zu den rechtlichen Vorgaben für die Festlegung eines Vergleichsraums BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19
, RdNr 20 ff; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 .RdNr 24; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Kommentierung Oktober 2012, K § 22 RdNr 96 ff)
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Ausgehend von der Bestimmung eines solchen örtlichen Vergleichsraums wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob sich aufgrund der ursprünglichen Ermittlungen und möglicher weiterer Angaben des Beklagten sowie dritter Stellen für die strittige Zeit Juni 2006 ein "schlüssiges Konzept" nach der Rechtsprechung des BSG (vgl insbesondere BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30)ermitteln lässt. Dabei ist zu beachten, dass es im Wesentlichen eine Aufgabe des beklagten Grundsicherungsträgers ist, für seinen Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln, und insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume keine unverhältnismäßig aufwändigen Ermittlungen durchgeführt werden müssen. Dies entbindet jedoch das LSG nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten für den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nicht entwickelt werden kann (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 mwN).
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Dass ein einfacher und mehrere Jahre zurückliegender Mietspiegel, unzureichende Datenerhebungen bei befragten Wohnungsanbietern und ein in sich widersprüchliches "Konzept" nicht ausreichen, wie vorliegend vom LSG festgestellt und keinem Beteiligten gerügt, entspricht der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17 mwN). Inwieweit das vom Beklagten im Laufe des Revisionsverfahrens vorgelegte "Schlüssige Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im Salzlandkreis" aus dem Jahr 2012 verwertbar ist oder nicht, wird das LSG ebenfalls nach Bestimmung des örtlichen Vergleichsraums zu prüfen haben, zumal der Kreis Bernburg nur ein Teil dieses neuen Kreises ist.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
(1) Die Länder können die Kreise und kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind. Eine solche Satzung bedarf der vorherigen Zustimmung der obersten Landesbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle, wenn dies durch Landesgesetz vorgesehen ist. Die Länder Berlin und Hamburg bestimmen, welche Form der Rechtsetzung an die Stelle einer nach Satz 1 vorgesehenen Satzung tritt. Das Land Bremen kann eine Bestimmung nach Satz 3 treffen.
(2) Die Länder können die Kreise und kreisfreien Städte auch ermächtigen, abweichend von § 22 Absatz 1 Satz 1 die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine monatliche Pauschale zu berücksichtigen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ausreichend freier Wohnraum verfügbar ist und dies dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entspricht. In der Satzung sind Regelungen für den Fall vorzusehen, dass die Pauschalierung im Einzelfall zu unzumutbaren Ergebnissen führt. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(3) Die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung soll die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden. Sie soll die Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigen hinsichtlich:
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die im Jahr 1979 geborene Klägerin bildete im Jahr 2009 zusammen mit ihrem im Jahr 1971 geborenen Lebensgefährten und späteren Ehemann (Eheschließung: 16.8.2011), dem Kläger zu 4., sowie ihren im Jahr 1999 (Kläger zu 2.) und im Jahr 2002 (Kläger zu 3.) geborenen Söhnen eine Bedarfsgemeinschaft.
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Die Klägerin schloss am 3.3.2009 einen Mietvertrag über die Wohnung in N., R.-B.-Straße (Blatt 1216 der VA). Es handelte sich um eine Wohnung im 2. Obergeschoss, bestehend aus 6 Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad und einem Bodenraum mit einer Wohnfläche von 99 m². Die Nettokaltmiete betrug 409,00 EUR zuzüglich einer Vorauszahlung für die Betriebskosten mit Ausnahme der Heiz- und Warmwasserkosten von monatlich 76,00 EUR. Laut der Rechnung der Firma M. vom 7.6.2009 (Blatt 1345 der VA) entrichtete die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin in der Zeit vom 1.10.2009 bis 31.3.2010 monatliche Vorauszahlungen für den Gasverbrauch in Höhe von 33,00 EUR. In der Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 zahlte die Klägerin monatlich Abfallgebühren in Höhe von 14,60 EUR. Die Klägerin bezog diese Wohnung zusammen mit den übrigen mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Mitgliedern zum 15.3.2009, ohne eine Zusicherung zur Übernahme der neuen Kosten der Unterkunft bei der Beklagten beantragt zu haben. Die Beklagte fertigte hierüber am 1.4.2009 eine Aktennotiz an (Blatt 1253 der VA), in der sie feststellte, dass der Umzug zwar erforderlich gewesen sei, die nunmehr entstehenden Kosten der Unterkunft allerdings nicht angemessen seien, so dass nur die angemessenen Kosten der Unterkunft fortan erbracht würden. Dies realisierte die Beklagte erstmals mit bestandskräftigem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 (Blatt 1281 der VA) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16.4.2009 (Blatt 1314 der VA) für den Bewilligungszeitraum 1.4.2009 bis 30.9.2009, hierin wurden der Bedarfsgemeinschaft der Kläger Kosten der Unterkunft in Höhe von 492,00 EUR bewilligt.
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Mit Bescheid vom 30.9.2009 (Blatt 1512 der VA) bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft der Kläger für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.3.2010 monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 1031,00 EUR. Sie errechnete hierbei einen Bedarf in Höhe der Ansprüche auf Regelleistung für die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 4. in Höhe von je 323,00 EUR sowie Sozialgeld für die Söhne der Klägerin, die Kläger zu 2. und 3., in Höhe von je 251,00 EUR, zusammen mithin 1148,00 EUR. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft insgesamt wiederum 492,00 EUR, und zwar Kaltmiete 320,00 EUR (tatsächlich: 409,00 EUR), Nebenkosten in Höhe von 88,00 EUR (tatsächlich: 76 EUR) und Heizkosten in Höhe von 84,00 EUR (tatsächlich: 33,00 EUR). Die in der Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 monatlich angefallenen Abfallgebühren in Höhe von 14,60 EUR erstattete sie nicht. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft für den Bewilligungszeitraum 1.10.2009 bis 31.3.2010 belief sich nach den Berechnungen der Beklagten daher auf insgesamt 1640,00 EUR monatlich. Nach den Berechnungen der Kläger belief sich ihr Bedarf wegen der tatsächlich insgesamt höheren Kosten der Unterkunft in der Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 auf monatlich 1680,60 EUR und ab 1.1.2010 bis 31.3.2010 auf 1666,00 EUR.
- 4
Dem von ihr berechneten Bedarf der Kläger zu 2. und 3. stellte die Beklagte zunächst deren eigenes (tatsächliches) Einkommen aus Kindergeld, Unterhalt und Wohngeld gegenüber. Konkret berücksichtigte sie für beide Söhne der Klägerin je 164,00 EUR Kindergeld sowie Kindesunterhalt für den Kläger zu 2. in Höhe von 30,00 EUR und für den Kläger zu 3. in Höhe von 177,00 EUR. Ferner rechnete sie das vom Kläger zu 3. bezogene Wohngeld in Höhe von 104,00 EUR an. Das den eigenen Bedarf des Klägers zu 3. in Höhe von 71 EUR übersteigende Einkommen verteilte die Beklagte (nach Abzug einer Versicherungspauschale von 30,00 EUR zu Gunsten der Klägerin als Kindergeldberechtigter) in Höhe von 41,00 EUR auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis der für diese jeweils verbliebenen Bedarfsanteile.
- 5
Die Beklagte errechnete auf diese Weise im Bescheid vom 30.9.2009 letztlich Ansprüche der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 4. in Höhe von je 428,94 EUR sowie des Klägers zu 2. in Höhe von 173,12 EUR, zusammen mithin 1031,00 EUR. Die Beklagte versah diesen Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (Blatt 1516 der VA).
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Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Kläger legte gegen diesen Bescheid unter Bezugnahme auf die für die Klägerin zu 1. bereits vorgelegte Vollmacht mit Schreiben vom 13.10.2009 (Blatt 1537 der VA) Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben könne. Dieser sei zu Gunsten seiner Mandantin mit der Maßgabe abzuändern, dass dieser monatlich weitergehende finanzielle Mittel zu bewilligen seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Kindergeld in Höhe von 71 EUR auf die Kindesmutter angerechnet werde. Ferner seien die Einkünfte des minderjährigen Kindes M. (Kläger zu 3.) auch bei diesem sowie bei dem Lebensgefährten der Klägerin um die Anrechnung einer Pauschale für private Versicherungen in Höhe von je 30,00 EUR zu bereinigen.
- 7
Mit Bescheid vom 26.10.2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 30.9.2009 ab dem 1.11.2009 auf und bewilligte der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin, bestehend aus ihr selbst sowie den Klägern zu 2. und 4. für die Zeit vom 1.11.2009 bis 31.3.2010 Leistungen in Höhe von monatlich 1031,00 EUR (Blatt 1547 der VA). Wegen ausreichenden eigenen Einkommens sei der Sohn M. (Kläger zu 3.) nicht hilfebedürftig. Im Übrigen gleichen die Berechnungen dem vorangegangenen Bescheid. Wiederum enthält der Bescheid eine monatliche Anrechnung einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR nur zu Gunsten der Klägerin.
- 8
Mit Schreiben vom 28.12.2009 forderte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1. auf, nachzuweisen, dass für den Sohn M.D. (Kläger zu 3.) Versicherungen abgeschlossen worden seien, die bedient würden.
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Mit Bescheid vom 22.12.2009 (Blatt 1567 der VA) änderte die Beklagte die der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1. bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1.1.2010 bis 31.3.2010 insoweit ab, als nunmehr noch monatlich 991,00 EUR gewährt wurden. Die Änderung beruhte auf der Erhöhung des Kindergeldes auf 184,00 EUR je Kind ab 1.1.2010. Auch dieser Bescheid enthielt wiederum einer Rechtsbehelfsbelehrung.
- 10
Am 21.1.2010 (Blatt 1615 der VA) legte die Klägerin einen Versicherungsvertrag für eine Familienunfallversicherung unter Einbeziehung der Kinder vor, der mit einem monatlich in Höhe von 27,79 EUR zu zahlenden Versicherungsbeitrag zu bedienen war.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24.2.2010 (Blatt 1673 der VA) wies die Beklagte den Widerspruch vom 13.10.2009 gegen den Bescheid vom 30.9.2009 in Gestalt der Bescheide vom 26.10.2029 und 22.12.2009 als unbegründet zurück.
- 12
Mit ihrer am 24.3.2010 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage wendete sich zunächst allein die Klägerin zu 1. gegen diese Entscheidung und begehrte die Abänderung der Bescheide vom 30.9.2009, 26.10.2009 und 22.12.2009 und die Gewährung weitergehender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Schriftsatz vom 12.4.2013 erklärte die Klägerin, dass die Klage auch für die Kläger zu 2. bis 4. erhoben werde.
- 13
In ihre Klagebegründung führt die Klägerin aus, ihr seien auf ihren Folgeantrag hin monatlich Leistungen für Oktober 2009 in Höhe von 546 EUR bewilligt worden. Mit diesen Berechnungen könne sie sich nicht einverstanden erklären. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, weshalb lediglich bei ihr als Kindesmutter ein Betrag von 71 EUR angerechnet werde. Das zugerechnete Kindergeld müsse vielmehr auf alle volljährigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werden und um einen monatlichen Pauschalbetrag für private Versicherungen bereinigt werden. Hiernach wären bei der Klägerin lediglich 5,50 EUR an Kindergeld anzurechnen und der gleiche Betrag bei ihrem Lebensgefährten, so dass letztlich monatlich nur 11,00 EUR statt 41,00 EUR Einkommen anrechenbar wären.
- 14
Nach Hinweis des Gerichtes, dass die Anrechnung des übersteigenden Kindergeldes unter Abzug einer Versicherungspauschale beim Kindergeldberechtigten nicht zu beanstanden sei, und ein bezifferter Klageantrag zu stellen sei, bezifferte die Klägerin ihr Klagebegehren mit Schriftsatz vom 4.8.2011 auf 89,00 EUR monatlich und begründete dies erstmals mit einem Anspruch auf weitergehende Kosten der Unterkunft. Die Beklagte habe monatlich lediglich 320,00 EUR Kaltmiete bewilligt, obwohl tatsächlich 409,00 EUR zu zahlen seien.
- 15
Nach Unterbreitung eines Vergleichsvorschlages, der von den Beteiligten nicht angenommen wurde, der allerdings berücksichtigte, dass die Klage nur für die Klägerin zu 1. erhoben worden war, wurde für die Kläger der Schriftsatz vom 12.4.2013 eingereicht. Hierin trägt die Klägerin vor, sie habe im Auftrag und in Vollmacht der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen beantragt und als sogenannter Haushaltsvorstand auch bewilligt erhalten. Sie beanspruche daher mit der Klage auch die Bewilligung weitergehender Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt, also auch für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Dies sei bereits im Klageantrag und der Klagebegründung zu entnehmen, wonach gerade nicht nur weitergehende Leistungen für die Klägerin, sondern die Höhe der bewilligten Leistungen insgesamt beanstandet worden sei.
- 16
Die Kläger beantragen,
- 17
unter Abänderung der Bescheide vom 30.9.2009 in der Fassung der Bescheide vom 26.10.2009 und 22.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.2.2010 die Beklagte zu verpflichten, den Klägern für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 40,60 EUR und für die Zeit vom 1.1.2010 bis 31.3.2010 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 26,00 EUR monatlich zu gewähren.
- 18
Der Beklagte beantragt,
- 19
die Klage abzuweisen.
- 20
Die Beklagte vertritt zunächst die Auffassung, dass die Klageerweiterung um die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unzulässig ist. Einer Klageänderung widerspricht sie. Die Beklagte ist darüber hinaus der Überzeugung, dass die Klage im Übrigen unbegründet ist, weil die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin keine weitergehenden Ansprüche auf Gewährung von Kosten der Unterkunft für den Bewilligungszeitraum habe. Die Beklagte verfüge inzwischen über ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach der Bedarfsgemeinschaft sogar mehr Leistungen bewilligt worden seien als tatsächlich angemessen gewesen wären.
- 21
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 22
Die Klage ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
- 23
Die Klage der Klägerin zu 1. ist zulässig, im Übrigen ist die Klage unzulässig.
- 24
a) Gemäß § 54 Satz ein Sozialgerichtsgesetz (SGG) handelt es sich bei der Klage der Klägerin um eine Anfechtungsklage die in statthafter Weise mit einer Leistungsklage gemäß § 44 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 SGG kombiniert wurde. Auch hat die Klägerin ihre Klage form- und fristgerecht, insbesondere innerhalb eines Monats nach Zugang des angegriffenen Widerspruchsbescheids beim zuständigen Sozialgericht Magdeburg eingereicht, §§ 87, 90 und 92 SGG.
- 25
b) Soweit die Klage jedoch mit Schriftsatz vom 12.4.2013 um die weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erweitert worden ist, ist die Klage unzulässig.
- 26
Die Monatsfrist nach Zugang des angegriffenen Widerspruchsbescheids vom 24.2.2010 konnte durch Klageerweiterung im April 2013 nicht eingehalten werden. Auch wurde die ursprüngliche Klage vom 25.3.2010 allein von der Klägerin und nicht auch für die übrigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erhoben. Nur die Klägerin ist als Klägerin aufgeführt, nur die Klägerin wird im angekündigten Antrag genannt, nur für die Klägerin wurde Prozesskostenhilfe beantragt, nur für die Klägerin wurde die Klage mit Schriftsatz vom 26.11.2010 begründet.
- 27
Zudem hätte nach der ursprünglichen Begründung der Klage gar kein Interesse der Klägerin an einer Klageerhebung auch für die Kläger zu 2. bis 4. bestanden. Die Klägerin monierte in ihrer Klagebegründung zunächst ausschließlich, dass sie sich dagegen wehre, dass das den Bedarf des Klägers zu 3. übersteigende Kindergeld ausschließlich bei ihr angerechnet worden sei. Die (irrige) Annahme der Klägerin, dass die Anrechnung bisher ausschließlich bei ihr vorgenommen worden war, hätte dazu geführt, dass bei Verteilung des Einkommens auf andere Bedarfsgemeinschaftsmitglieder diesen weniger Leistungen hätten gewährt werden können als von der Klägerin angenommen. Sie hatte – jedenfalls bei Zugrundelegung ihrer ihre Klage begründenden Argumente – gar kein Interesse an einer Klageerhebung auch für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
- 28
Das Bundessozialgericht hat bereits in seinem Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R entschieden, dass nur für eine Übergangszeit bis zum 30.6.2007 Anträge im Verwaltung- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig ausgelegt werden könnten. Im Zweifel sei (bis zum Ende dieser Übergangszeit) von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen. Diese großzügige Auslegung im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips könne bezüglich einer Bedarfsgemeinschaft allerdings nur für eine Übergangszeit Anwendung finden. Das Bundessozialgericht ging in dieser Entscheidung offenbar davon aus, dass eineinhalb Jahre nach Einführung des SGB II jedem Beteiligten bekannt sein müsste, dass die Ansprüche nach dem SGB II Einzelansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind und die Bedarfsgemeinschaft als solche keine Gesamtgläubigerschaft begründet. Dies hat jedenfalls bei anwaltlicher Vertretung einer Bedarfsgemeinschaft zu gelten.
- 29
Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin auch für die übrigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder Klage erheben wollte. Die nachträgliche Klageerweiterung ist mangels Fristeinhaltung verspätet.
- 30
Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
- 31
Der angegriffene Bewilligungsbescheid vom 30.9.2009 in der Fassung der Bescheide vom 26.10.2009 und 22.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.2.2010 ist nicht zu beanstanden und verletzt die Klägerin (und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) nicht in ihren Rechten. Die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin hatte im streitigen Bewilligungszeitraum vom 1.10.2009 bis 31.3.2010 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, insbesondere keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft. Die von der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin im Bewilligungszeitraum bewohnte Wohnung verursachte unangemessene tatsächliche Kosten der Unterkunft, die die Beklagte in angemessener Höhe erstattet hat.
- 32
Die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin hat die von ihr während des Bewilligungszeitraums bewohnte Wohnung ohne Zustimmung der Beklagten und insbesondere ohne Zusicherung der Angemessenheit der Kosten im März 2009 angemietet und am 15.3.2009 bezogen, so dass der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin entsprechend der Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 SGB II nur die angemessenen Aufwendungen zu erbringen waren, ohne dass es für die Begrenzung der bewilligten Kosten der Unterkunft auf eine vorhergehende wirksame Kostensenkungsaufforderung angekommen wäre.
- 33
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach der Bestimmung des § 22 SGB II erbracht. Diese lautet, soweit vorliegend maßgeblich:
- 34
(1) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
- 35
(2) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind; der für den Ort der neuen Unterkunft örtlich zuständige kommunale Träger ist zu beteiligen.
- 36
Die Klägerin ist Berechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und war erwerbsfähig und hilfebedürftig.
- 37
Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon der Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu entnehmen ist, sie sind aber keine eigenständigen Streitgegenstände (Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.2.2013 – B 14 AS 61/12 R mwN).
- 38
Zur Bestimmung der Leistung für die Unterkunft ist zunächst der abstrakt angemessene Bedarf unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Liegen die tatsächlichen Aufwendungen der leistungsberechtigten Person über diesem Betrag, ist der konkret angemessene Bedarf zu prüfen.
- 39
Bei der Ermittlung des abstrakt angemessenen Bedarfs für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Als dann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Regelungen des Wohngeldgesetzes (BSG, Urteil vom 22.3.2012 – B 4 AS 16/11 R).
- 40
Die angemessene Wohnfläche für die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin betrug für vier Personen 80 m² (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9.5.2012 – L 5 AS 2/09, bestätigt durch BSG, Urteil vom 14.2.2013 – B 14 AS 61/12 R). Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Richtlinien zu den Wohnungsbauförderungsbestimmungen die maßgeblichen Festlegungen der im Land Sachsen-Anhalt anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau beinhalten. Danach seien Wohnflächen für einen Einpersonenhaushalt bis zu 50 m² und für einen Zweipersonenhaushalt bis zu 60 m² förderfähig. Für jede weitere zum Haushalt gehörende Person erhöhe sich die förderfähige Wohnfläche um maximal 10 m². Die tatsächlich von der Klägerin und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden weiteren drei Mitglieder bewohnte Wohnung maß im Bewilligungszeitraum 99 m² und überstieg damit die Angemessenheitsgrenze um 19 m².
- 41
Nach Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße war nunmehr der räumliche Vergleichsmaßstab zu ermitteln und zuletzt zu klären, wie viel Miete für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen anzusehen Wohnung auf dem für die SGB II-Leistungsberechtigten maßgeblichen Wohnungsmarkt während des Bewilligungszeitraums monatlich aufzuwenden waren. Dabei müssen nicht die Faktoren Wohnungsgröße und Wohnungsstandard jeweils für sich angemessen sein. Es reicht, dass das Produkt aus Wohnfläche und Wohnungsstandard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (Referenzmiete) ergibt (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9.5.2012 – L 5 AS 2/09 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R). Daher hat der Grundsicherungsträger den Quadratmeterpreis für entsprechende Wohnungen zu ermitteln. Dieser ist mit der angemessene Wohnungsgröße zu multiplizieren und so die angemessene Miete festzustellen. Den Feststellungen des Grundsicherungsträgers muss ein Konzept zu Grunde liegen, das wegen der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig sein muss. Die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" ist hinreichend nachvollziehbar zu machen (BSG, Urteile vom 9.10.2010 – B 14 AS 15/09 R und vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R).
- 42
Die Beklagte beruft sich hinsichtlich des Nachweises eines schlüssigen Konzeptes und der Angemessenheit der den Klägern im streitigen Bewilligungszeitraum tatsächlich bewilligten Kosten der Unterkunft auf das im August 2012 in ihrem Auftrag erstellte "Schlüssige Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft im S.-Landkreis". Dieses Konzept hat Richtwerte für angemessenen Wohnraum festgelegt und zwar unterteilt nach Wohnungsmarkttypen. Die Festlegung der Wohnungsmarkttypen wurde zur regionalen Differenzierung der Angemessenheitswerte gebildet. Hierbei wurden räumliche Einheiten festgelegt. Der Wohnort der Kläger zum maßgeblichen Bewilligungszeitraum war die Stadt N. und gehörte nach dem Konzept zum Wohnungsmarkt Typ II.
- 43
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die Ermittlung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft der Klägerin die in dem Konzept zum Wohnungsmarkt Typ II ermittelten Daten zu Grunde legt.
- 44
Bei der Festlegung des Vergleichsraums geht es um die Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen. Hierbei ist unschädlich, dass durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen in den von der Beklagten herangezogenen Konzept Kommunen mit vergleichbaren Strukturen zusammengefasst wurden. Zwar hat das Bundessozialgericht unter anderen im Urteil vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R ausgeführt, dass die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken seien, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Mit dieser Definition ist nicht ausgeschlossen, dass mehrere Kommunen zu einem Wohnungsmarkttyp zusammengefasst werden. Zwar handelt es sich dabei sodann um die Zusammenfassung mehrerer Vergleichsräume im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Wenn aber sogar das gesamte Stadtgebiet München als ein Vergleichsraum zur Festlegung der Angemessenheitsgrenze verstanden werden kann (so BSG, Urteil vom 10.9.2013 – B 4 AS 77/12 R), ist eine Zusammenfassung von Räumen, die gleiche Strukturen aufweisen, erst recht nicht zu beanstanden. Die von dem Konzept zur Definition der einzelnen Wohnungsmarkttypen herangezogenen Indikatoren gewährleisten eine tatsächliche Vergleichbarkeit der Strukturen der gebildeten Wohnungsmarkttypen. Jedenfalls bezogen auf den Wohnort der Kläger ist die Heranziehung des gesamten Ortes N. und dessen Eingliederung in den Wohnungsmarkt Typ II als Vergleichsraum nicht zu beanstanden.
- 45
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 10.9.2013 (aaO mwN) ausgeführt hat, ist hinsichtlich der Bestimmung der Angemessenheit auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraumes zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzeptes erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergegeben werden. Entscheidend sei, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zu Grunde liege, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.
- 46
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum ist (BSGE, Urteil vom 9.10.2013 – B 4 AS 77/12 R). Von der Schlüssigkeit eines Konzeptes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind:
- 47
die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,
- 48
es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zum Beispiel welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
- 49
Angaben über den Beobachtungszeitraum,
- 50
Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
- 51
Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten,
- 52
Validität der Datenerhebung,
- 53
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
- 54
Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannen Oberwert oder Kappungsgrenze).
- 55
Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das von der Beklagte nunmehr vorgelegte im Jahr 2012 erstellte Konzept nicht als schlüssig anzusehen wäre. Insbesondere sind für die einzelnen gebildeten Wohnungsmarkttypen zutreffende Datengrundlagen festgelegt und ausreichende Daten erhoben worden.
- 56
Auch widerspricht die Erstellung des Konzeptes im Jahr 2012 nicht der Anwendung der darin erhobenen und ausgewerteten Daten auf das hiesige Streitverhältnis, bei dem die angemessenen Wohnungskosten für den Bewilligungszeitraum 1.10.2009 bis 31.3.2011 zu beurteilen waren. Das Bundessozialgericht hatte in seiner Entscheidung vom 9.10.2013 (aaO) ausgeführt, dass es sogar unschädlich ist, wenn die Angemessenheitsgrenze im Laufe eines Gerichtsverfahrens geändert werde. Dies sei unter anderem Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. Erkennt ein Leistungsträger, dass seine bisher herangezogenen Werte der Rechtsprechung nicht genügen, muss es dem Leistungsträger möglich sein, die Datengrundlage den Anforderungen der Rechtsprechung anzupassen. Anhaltspunkte dafür, dass Kosten der Unterkunft in den Jahren 2009 und 2010 geringer gewesen wären als im Jahr 2012 sind aus der wirtschaftlichen Entwicklung Sachsen-Anhalts nicht herzuleiten. Die Heranziehung des im Jahr 2012 erstellten Konzepts zur Stützung der Auffassung des Leistungsträgers, im Jahr 2009 und 2010 tatsächlich angemessene Kosten der Unterkunft der Leistungsbewilligung zu Grunde gelegt zu haben, ist nicht zu beanstanden.
- 57
Danach ist festzustellen, dass die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin im Bewilligungszeitraum 1.10.2009 bis 31.3.2010 keine höheren Kosten der Unterkunft zu beanspruchen hatte als ihr bereits zugesprochen wurden. Nach den nach dem Konzept aus dem Jahr 2012 heranzuziehenden Daten für den Wohnungsmarkt Typ II wären Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin in Höhe von insgesamt 425,80 EUR zuzüglich der Abfallgebühren angemessen gewesen. Hinzuzurechnen sind hier die tatsächlichen Heizkosten, die die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin in Höhe von monatlich 33,00 EUR aufzubringen hatte. Für die Monate Oktober bis Dezember 2009 wären damit einschließlich Abfallgebühren 473,40 EUR angemessen gewesen und für die Monate Januar bis März 2010 458,80 EUR. Tatsächlich hat die Beklagte während des gesamten Bewilligungszeitraumes 492,00 EUR Kosten der Unterkunft erstattet. Sie hat damit der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung erbracht.
- 58
Die Klage war danach abzuweisen.
- 60
Die Berufung war nicht zuzulassen.
- 61
Insbesondere liegt keine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011.
3Der am 00.00.1968 geborene Kläger zu 1) und seine Ehefrau, die am 00.00.1967 geborene Klägerin zu 2), bezogen in Bedarfsgemeinschaft mit ihren drei Kindern, den Klägern zu 3), 4) und 5) (geboren am 00.00.1995, 0.00.1997 und 00.00.1999), und dem Sohn der Klägerin zu 2), geboren am 00.00.1993, seit 2007 laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch So-zialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Sie bewohnen ein Eigenheim in der dem Kreis Minden-Lübbecke angehörenden Stadt Q X, von dem ein Teil an die Mutter der Klägerin zu 2) vermietet ist. Der von den Klägern genutzte Teil des Hauses verfügt über eine Wohnfläche von 121,96 qm. Hierfür berücksichtigte die Beklagte nach einem im Jahr 2008 durchgeführten Kostensenkungsverfahren anstelle der zuvor gewährten tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von rund 1.200,- Euro lediglich noch solche in Höhe von 650,- Euro nebst Heizkosten in Höhe von 179,14 Euro.
4Am 15.07.2010 teilten die Kläger mit, dass der Sohn der Klägerin zu 2) seinen Schulabschluss gemacht habe und nunmehr zum 01.10.2010 aus der Bedarfsgemeinschaft aus-ziehe.
5Mit Schreiben vom 21.09.2010 forderte die Beklagte die Kläger daraufhin zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf. Der Mietrichtwert liege für einen Fünf-Personen-Haushalt bei 570,- Euro, die derzeit gewährten Unterkunftskosten in Höhe von 650,- Euro überschritten diesen um 80,- Euro. Eine Übernahme der unangemessenen Kosten komme in der Regel für längstens sechs Monate, also bis zum 31.03.2011 in Betracht.
6Auf ihren Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab April 2011 bewilligte die Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 21.03.2011 Leistungen für die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011. Dabei berücksichtigte sie Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 570,- Euro zuzüglich Heizkosten in Höhe von 179,17 Euro. Der Bescheid wurde bis zum Nachweis der Weiterleitung des berücksichtigten Kindergeldes an den Sohn der Klägerin zu 2) für vorläufig erklärt. Unter dem 09.05.2011, 06.06.2011, 07.07.2011, 08.07.2011 und 03.08.2011 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum betreffende endgültige Bescheide bzw. Änderungsbescheide.
7Die Kläger legten am 01.04.2011 Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.03.2011 mit der Begründung ein, sie seien im Besitz eines selbstgenutzten Wohnhauses, dessen Verkauf unwirtschaftlich sei. Die anfallenden Kosten verringerten sich nicht, nur weil ein Familienmitglied die Gemeinschaft verlasse.
8Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2011 als unbegründet zurück und führte aus, dass die Richtwerte bei Unterkunfts- und Heizkosten von Eigentümern den angemessenen Werten bei Mietwohnungen angepasst seien, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht gerechtfertigt sei. Zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft seien im Kreis Minden-Lübbecke kreiseinheitliche Richtwerte festgelegt worden, die die Kaltmiete und alle Nebenkosten (mit Ausnahme der Heizkosten) beinhalteten. Der Richtwert für einen Fünf-Personen-Haushalt betrage 570,- Euro. Seien die tatsächlichen Kosten nach Ablauf einer Übergangsfrist nicht auf einen angemessenen Umfang gesenkt worden, seien nur noch die angemessenen Kosten zu übernehmen.
9Mit der hiergegen am 08.06.2011 erhobenen Klage beziehen sich die Kläger zur Begründung auf die Rechtsprechung des BSG, wonach seitens des Grundsicherungsträgers ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft erstellt werden müsse, das hinreichende Gewähr dafür biete, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergebe. Die Beklagte berufe sich insoweit in ihrem Konzept auf eine kreisweite Erhebung der Durchschnittsmieten aus Wohngeldfällen aus dem Jahr 2010. Wie das Sozialgericht Detmold mit Urteil vom 12.03.2008 (Az. S 23 (9) AS 30/07) festgestellt habe, könne als räumlicher Vergleichsmaßstab nicht auf das gesamte Kreisgebiet des Kreises Minden-Lübbecke abgestellt werden. Die Städte und Gemeinden des Kreisgebietes seien nicht nach Lage, Größe und Struktur vergleichbar, da sich das Mietniveau äußerst unterschiedlich darstelle. Fraglich sei, ob der angelegte Mietrichtwert angemessen sei. Als Basis für die Auswertung der Mieten sei bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche auf die Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz und nicht auf die Werte der Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen abgestellt worden. Die Kläger hätten als fünfköpfige Bedarfsgemeinschaft einen Wohnfllächenbedarf von mehr als 90 qm, insoweit sei in dem Konzept lediglich auf die Mietwerterhebung des Kreises Minden-Lübbecke aus dem Jahr 2010 abgestellt worden. In dem Konzept werde klar dargestellt, dass die Angemessenheit bei einem Bedarf von Leistungsempfängern, für die kein entsprechendes Angebot habe identifiziert werden können, im Rahmen von Einzelfallprüfungen stattzufinden habe. Fraglich sei daher, inwieweit das Konzept hier Anwendung finden könne.
10Die Kläger beantragen,
11die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 21.03.2011 und 09.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2011 sowie der Bescheide vom 06.06.2011, 07.07.2011, 08.07.2011 und 03.08.2011 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich jeweils 80,00 Euro zu gewähren.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung führt sie aus, dass bei der Kostensenkungsaufforderung die entspre-chenden Verfahrenserfordernisse beachtet worden seien. Die vom Kreis Minden-Lübbecke beauftragte externe Firma habe bei der Erstellung des Konzepts umfassende Erhebungen des örtlichen Wohnungsmarktes durchgeführt und dabei mehrere Tausend Angebots- und Bestandsmieten untersucht. Infolgedessen habe der bereits vorher geltende Richtwert in Höhe von 570,- Euro validiert werden können.
15Im Laufe des Verfahrens hat der Kreis Minden-Lübbecke den von der Firma "B und L" erstellten Endbericht "Regionalisierung des Kreises Minden-Lübbecke zur Ermittlung der KdU-Kosten" (im Folgenden: Konzept) im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 16.05.2012 (Az. B 4 AS 109/11 R) überarbeiten lassen, wonach bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ab dem 01.01.2010 nicht mehr auf die Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz, sondern auf die Werte der Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen zurückzugreifen ist, so dass die Wohnflächengrenzen für streitige Zeiträume ab dem 01.01.2010 um jeweils fünf qm anzuheben sind. Auf das Konzept sowie die Überarbeitung desselben wird Bezug genommen.
16Die Kläger haben zu dem überarbeiteten Konzept angemerkt, dass sich in ihrem Fall nach Zugrundelegung einer angemessenen Wohnfläche von 110 qm eine Mietobergrenze von 580,80 Euro ergebe. Die im Rahmen der Umsetzung der Entscheidung des BSG vom 16.05.2012 erfolgte Angleichung der Quadratmeterwerte sei fehlerhaft erfolgt.
17Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass sich bei Überprüfung der Mietrichtwerte infolge der neueren Rechtsprechung des BSG für den Wohnungsmarkt 3 des Konzepts, zu dem die Stadt Porta Westfalica gehöre, bei einer Wohnungsgröße von 110 qm eine Kaltmiete von 3,85 Euro pro qm und Nebenkosten von 1,23 Euro pro qm ergeben hätten. Daraus errechne sich ein Mietrichtwert von 561,- Euro. Der Kreis Minden-Lübbecke habe aber entschieden, es bei dem vormals geltenden Wert in Höhe von 570,- Euro zu belassen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
19Entscheidungsgründe:
20Die zulässige Klage ist unbegründet.
21Die Kläger sind nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da die angefochtenen Bescheide vom 21.03.2011 und 09.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2011 sowie die Bescheide vom 06.06.2011, 07.07.2011, 08.07.2011 und 03.08.2011 rechtmäßig sind. Denn die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011 keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
22Streitgegenständlich sind nach §§ 86, 96 Abs. 1 SGG neben dem mit dem Widerspruch vom 01.04.2011 ausdrücklich angefochtenen Bescheid vom 21.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2011 auch die endgültigen Bescheide vom 09.05.2011, 06.06.2011 und 07.07.2011 sowie die Änderungsbescheide vom 08.07.2011 und 03.08.2011, da sie während des Vorverfahrens bzw. nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen sind und den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert bzw. ersetzt haben. Eines gesonderten Widerspruches bedurfte es entgegen der in den Bescheiden enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung nicht mehr. Das gilt auch für den endgültigen Bescheid vom 06.06.2011, der nach Erlass des Widerspruchsbescheides aber vor Klageerhebung ergangen ist. Wird ein neuer Verwaltungsakt nach Erlass des Widerspruchsbescheides, aber vor Klageerhebung erlassen, werden nach der Erhebung der Klage beide Verwaltungsakte Gegenstand des Rechtsstreits (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 96, Rn. 2 m.w.N.).
23Streitgegenstand sind weiterhin allein Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Kläger haben den Streitgegenstand ausdrücklich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R).
24Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
25Die Beklagte hat die den Klägern im streitgegenständlichen Zeitraum angefallenen Heizkosten in tatsächlichem Umfang i. H. v. 179,17 EUR übernommen. Sie hat insoweit berücksichtigt, dass der monatliche Abschlag von 215,- EUR nach Kopfteilen auf sechs Personen (die Kläger zu 1) bis 5) sowie die Mutter der Klägerin zu 2)) umzulegen und dann i. H. v. 5/6 zu übernehmen war.
26Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die monatlich übernommenen Bedarfe für die Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum auf 570,- Euro beschränkt hat, da die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für die Unterkunft, soweit sie die von der Beklagten festgesetzten Grenzen übersteigen, unangemessen sind.
27Die Angemessenheit der Aufwendungen für eine Wohnung bzw. ein Eigenheim ist nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen einer mehrstufigen Einzelfallprüfung zu beurteilen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" beinhaltet keinen der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum der Verwaltung, sondern unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichten Überprüfung (BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22, Rn. 72 m.w.N.). Die Einzelfallprüfung hat sich an der sogenannten Produkttheorie zu orientieren. Das "Produkt Mietpreis" setzt sich zusammen aus angemessener Wohnfläche und Wohnstandard und muss angemessen sein. Zu prüfen ist, ob die tatsächlich anfallende Miete die abstrakt angemessene Mietobergrenze in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, überschreitet. Nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren müssen je für sich angemessen sein. Entscheidend ist allein das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, dass sich im Mietzins niederschlägt (vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R, Az. B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 18.06.2008, Az. B 14/7b AS 44/06 R; Luik, a.a.O., Rn. 72). Dieselben Grundsätze gelten auch für Eigentümer. Aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) müssen Eigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Kosten der Unterkunft im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az. B 14/7b AS 34/06 R; Luik, a.a.O., § 22 Rn. 56 m.w.N.). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze werden nach der Rechtsprechung des BSG in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt, sowie in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab (Vergleichsraum) für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist (Referenzmiete), indem eine Datenerhebung und Datenauswertung durch den kommunalen Träger bzw. das Jobcenter erfolgt (sog. "schlüssiges Konzept"). Diese ersten drei Schritte bezeichnet das BSG als abstrakte Angemessenheitsprüfung. In einem vierten und letzten Schritt ist zu prüfen, ob für den Leistungsberechtigten eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung verfügbar und zugänglich ist, sog. konkrete Angemessenheitsprüfung (vgl. Luik, a.a.O., Rn. 74).
28Die Größe des von den Klägern bewohnten Teils ihres Eigenheims mit einer Wohnfläche von 121,96 qm ist als unangemessen zu beurteilen. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2005, Az. B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 109/11 R; Luik, a.a.O., Rn. 77 m.w.N.). Maßgeblich sind dabei in Nordrhein-Westfalen die Werte der Nr. 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 109/11 R). Danach beträgt die Wohnflächengrenze für Ein-Personen-Haushalte 50 qm, für jede weitere Person sind 15 qm hinzuzurechnen. Die Wohnfläche von 121,96 qm übersteigt die für den Fünf-Personen-Haushalt der Kläger angemessene Wohnflächengrenze von 110 qm um rund 10 %. Diese Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre nach den oben dargestellten Grundsätzen allerdings grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus den Unterkunftskosten je qm und der tatsächlichen Wohnfläche gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger in Höhe von rund 1.200,- Euro die Angemessenheitsobergrenze i. H. v. 561,- EUR für den maßgeblichen Vergleichsraum deutlich übersteigen.
29Bei der Bestimmung des maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums zur Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Leistungsberechtigten sind ausreichend große Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung zu definieren, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Es kann also nicht schematisch auf das Gebiet des zuständigen kommunalen Trägers oder auf den kommunalverfassungs-rechtlichen Gemeindebegriff abgestellt werden. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann. (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R; Luik, a.a.O., Rn. 81 m.w.N.).
30Den Klägern ist darin Recht zu geben, dass als räumlicher Vergleichsmaßstab nicht auf das gesamte Kreisgebiet des Kreises Minden-Lübbecke abgestellt werden kann, da die Städte und Gemeinden des Kreisgebietes insgesamt nicht nach Lage, Größe und Struktur vergleichbar sind. Gerade diesem Umstand trägt aber das von dem Kreis Minden-Lübbecke seiner Bestimmung der Mietobergrenzen zu Grunde gelegte Konzept Rechnung. Die mit dessen Erstellung beauftragte Firma hat innerhalb des Kreises Minden-Lübbecke unterschiedliche Wohnungsmarkttypen identifiziert und voneinander abgegrenzt, um den regionalen Besonderheiten des Kreisgebietes bzgl. der Mietpreisbildung gerecht zu werden. In dem Konzept wurde der Wohnungsmarkt im Kreis Minden-Lübbecke dementsprechend in drei Raumeinheiten mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten unterteilt, für diese Wohnungsmärkte wurden Vergleichsmieten ermittelt. Dies geschah mithilfe des statistischen Verfahrens der sog. Clusteranalyse, eines Analyseverfahrens, das es ermöglicht, Objekte innerhalb einer Grundgesamtheit zu identifizieren und zusammenzufassen, deren Eigenschaften oder Eigenschaftsausprägungen bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. hierzu weiter Seite 3 und 4 des Konzeptes). Die Stadt Q Xist dabei dem Wohnungsmarkttyp 3 zugeordnet, der Gemeinden mit der Wohngeldstufe I beinhaltet und durch niedrige Bodenpreise, niedriges Einkommen sowie eine niedrige Bevölkerungsdichte charakterisiert ist. Diese Verfahrensweise sowie die vorgenommene Einteilung in Wohnungsmarkttypen ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur Ermittlung des maßgeblichen örtlichen Vergleichsraums nicht zu beanstanden. Hierdurch wird gewährleistet, dass zum einen Wohnungsmärkte mit größtmöglicher Ähnlichkeit zusammengefasst und von den sich erheblich unterscheidenden Wohnungsmarkttypen abgegrenzt werden und zum anderen repräsentative Fallzahlen ausgewertet werden können. Dies führt zur Schaffung ausreichend großer Räume der Wohnbebauung, die - wenn auch nicht unmittelbar aneinander angrenzend - räumliche Nähe aufweisen und von ihrer Infrastruktur her einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Soweit es die vom BSG geforderte verkehrstechnische Verbundenheit betrifft, ist zu berücksichtigen, dass eine enge Auslegung dieser Voraussetzung in ländlichen Gebieten gerade zur - vom BSG nach den obigen Ausführungen nicht für sinnvoll erachteten - Notwendigkeit der Einzelbetrachtung vieler Gemeinden führt, was die Ermittlung repräsentativer Zahlen deutlich erschweren würde.
31Die Beklagte konnte der Bestimmung einer angemessenen Vergleichsmiete auch das im Auftrag des Kreises Minden-Lübbecke erstellte Konzept zu Grunde legen, da es den Anforderungen des BSG an ein sog. "schlüssiges Konzept" entspricht.
32Der Leistungsträger hat insoweit die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf seinem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen, so wie das etwa bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel der Fall ist. Um ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, darf die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze nicht punktuell von Fall zu Fall, sondern muss durch ein planmäßiges Vorgehen des kommunalen Trägers bzw. des Jobcenters im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich ort- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle erfolgen (BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 50/09 R m. w. N.; Luik, a.a.O., Rn. 84 f., m.w.N.). Das BSG verlangt vom kommunalen Träger, die Wirklichkeit zu erfassen und sich Kenntnis über seinen Wohnungsmarkt zu verschaffen. Das Konzept muss transparent und nachvollziehbar sein und soll hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden und die Begrenzung der Kosten der Unterkunft auf ein angemessenen Maß von den Gerichten hinreichend nachvollzogen werden kann (BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az. B 14/7b AS 44/06 R; Luik, a.a.O., Rn. 85 m.w.N.). Das BSG (vgl. nur Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R) hat für die Schlüssigkeit eines Konzepts folgende Mindestvoraussetzungen aufgestellt:
33- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine "Ghettobildung"),
34- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (z. B. welche Art von Wohnungen, gegebenenfalls Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- oder Netto-Kaltmiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße),
35- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
36- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
37- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
38- Validität der Datenerhebung,
39- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
40- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
41Das Konzept des Kreises Minden-Lübbecke genügt diesen Anforderungen und stellt nach Auffassung der Kammer ein schlüssiges Konzept im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG dar. Es folgt im Wesentlichen der Methodik, die auch für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne von § 558 d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angewandt wird, passt diese aber in nachvollziehbarer Weise den Erfordernissen der Ermittlung von Obergrenzen für die Kosten der Unterkunft im Grundsicherungsrecht an.
42Die Beklagte bzw. der Kreis Minden-Lübbecke hat hier entgegen dem Klägervortrag nicht lediglich auf eine kreisweite Erhebung der Durchschnittsmieten aus Wohngeldfällen zurückgegriffen, sondern vielmehr eine umfangreiche und repräsentative Befragung von Vermietern und Mietern im gesamten Kreisgebiet in Auftrag gegeben. Berücksichtigt wurden dabei sämtliche Mietwohnungen, also sowohl solche, die öffentlichen Mietpreisbindungen unterliegen, als auch frei finanzierte Mietwohnungen. Darüber hinaus wurden in ländlichen Bereichen auch Wohnungen in Zwei-Familien-Häusern berücksichtigt, da dort ein entsprechender Geschoss-Wohnungsbau und damit ein entsprechendes Wohnungsangebot fehlt bzw. nur in sehr geringem Umfang vorhanden ist. Nicht berücksichtigt wurden Wohnungen in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen und Wohnungen mit Freundschaftsmieten ebenso wie Apartments (möblierte Wohnungen), da bei letzteren eine Unterscheidung zwischen Netto-Kaltmiete und den Zahlungen für die Möblierung nicht möglich ist. Im Rahmen der Erhebung bzw. der Auswertung wurden weiterhin in nachvollziehbarer Weise unter Einbeziehung des im Rahmen der Produkttheorie maßgeblichen Merkmals des Wohnstandards nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt, die zumindest über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügten. Substandardwohnungen, die diesem Niveau nicht genügten, blieben unberücksichtigt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Wohnung nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 20.12.2011, Az. B 4 AS 19/11 R) zwar dann angemessen ist, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, hierbei allerdings das untere und ausdrücklich nicht das unterste Marktsegment als angemessen angesehen wird. Von der Erhebung ausgeschlossen wurden auch Wohnungen des Luxussegmentes, die explizit als solche vermarktet oder erkennbar waren. Nach Vornahme der genannten und von der Kammer für nachvollziehbar und naheliegend gehaltenen Einschränkungen verbleiben für den Mietwohnungsmarkt im gesamten Kreis Minden-Lübbecke rund 60.000 Wohnungen. Im Hinblick auf diese wurde eine umfangreiche Mieter- und Vermieter-Befragung durchgeführt. Dabei wurden Daten jeweils zum Stichtag 01.12.2009 zur Wohnungsgröße, zur Netto-Kaltmiete, zu den kalten Betriebskosten (Vorauszahlungsbetrag), zu der Frage, ob die kalten Betriebskosten auch Wasserkosten enthalten, und zu den Heiz- und Warmwasserkosten (Vorauszahlungsbetrag) erhoben. Die Datenerhebung fand in der Zeit von Mitte November 2009 bis Mitte März 2010 statt. Erhoben wurden insgesamt 9.263 Wohnungsmieten, die jedoch aufgrund unplausibler Werte etc. nicht vollständig für die Auswertung verwendet werden konnten. Tabellenrelevant waren daher insgesamt 8.747 Mieten. Die so ermittelten tabellenrelevanten Mieten wurden auf den einheitlichen Begriff der Netto-Kaltmiete pro qm umgerechnet und den jeweiligen Wohnungsmarkttypen und Wohnungsgrößenklassen zugeordnet. Vor der weiteren Aus-wertung der qm-Mieten wurde für jedes Tabellenfeld eine Extremwertkappung auf Basis eines 95 %-Konfidenzintervalls vorgenommen. Nicht berücksichtigt wurden danach Mietwerte, die sich signifikant von anderen Werten eines Tabellenfeldes unterschieden und deshalb nicht in die Auswertung einbezogen werden sollten. Diese Extremwertkappung anhand eines anerkannten statistischen Verfahrens begegnet nach Auffassung der Kammer ebenfalls keinerlei Bedenken. Nach Durchführung der Extremwertkappung standen für die Auswertung insgesamt 8.337 Mieten zur Verfügung. Sämtliche Tabellenfelder für die drei Wohnungsmarkttypen, differenziert nach Wohnungsgrößen, weisen dann mit Werten zwischen 28 und 1.860 Mieten Fallzahlen auf, die ausreichend sind, um den Anforderungen an die Fallzahlen für qualifizierte Mietspiegel zu genügen, sind also ausreichend repräsentativ. Da nicht nur Wohnungen aus dem unteren Wohnungsmarktsegment ausgewertet wurden, sondern Wohnungen des einfachen bis gehobenen Wohnungsmarktes, musste aus den erhobenen Mieten noch das untere Wohnungsmarktsegment abgeleitet werden. Für den Wohnungsmarkttyp 1, einen städtisch geprägten Wohnungsmarkttyp, wurde daher das 40 %-Perzentil, für die Wohnungsmarkttypen 2 und 3, eher ländliche Wohnungsmarkttypen, das 45 %-Perzentil ausgewiesen. Diese Werte geben an, dass 40 bis 45 % aller Mieten unterhalb dieser Grenze liegen. Das untere Wohnungsmarktsegment ist hiermit nach Auffassung der Kammer in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise umfassend erfasst.
43Schließlich wurden die Wohnungsgrößenklassen in einer Überarbeitung des Konzepts an die neuen, sich aus der zitierten Entscheidung des BSG (Az. B 4 AS 109/11 R) ergebenden Wohnflächenstufen angepasst. Dabei wurde die Einteilung der Wohnungsgrößenklassen neu vorgenommen. Dies ist nicht zu bemängeln. Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, dass der in dem ursprünglichen Konzept auf der Grundlage der früheren Einteilung der Wohnungsgrößenklassen ermittelte angemessene qm-Preis auf die nunmehr geltenden angemessenen Wohnflächen hochzurechnen sei, hält die Kammer dies für nicht sachgerecht. Vielmehr muss das vorhandene Datenmaterial neuen Wohnflächenstufen zugeordnet werden, da die durchschnittlichen Werte sonst verfälscht würden. Hierdurch ändern sich die durchschnittlichen Netto-Kaltmieten pro qm. Der für die Kläger maßgebliche Wert für Wohnungen, die größer als 95 qm sind, bzw. die sich gegenüber dem ursprünglichen Konzept ergebende Abweichung nach unten ist nicht zu beanstanden. Es erscheint der Kammer als durchaus nachvollziehbar, dass für größere Wohnungen eine geringere Nachfrage besteht, was sich in der durchschnittlich zu zahlenden Netto-Kaltmiete niederschlägt. Es spricht daher nicht gegen die Schlüssigkeit des überarbeiteten Konzepts, dass darin die Mietobergrenze durch die Überarbeitung von 564,- Euro im ursprünglichen Konzept auf 561,- Euro gesunken ist. Abgesehen davon wirkt sich die Neuberechnung im überarbeiteten Konzept im vorliegenden Fall nicht aus, da die Beklagte der Berechnung aus Bestandsschutzgesichtspunkten weiterhin die ursprünglich angenommene Mietobergrenze in Höhe von 570,- Euro zu Grunde legt.
44Den Klägern wäre es schließlich auch konkret möglich gewesen, eine bedarfsgerechte und angemessene Wohnung anzumieten.
45Für den Fall, dass die tatsächlichen Kosten der Wohnung - wie hier - die abstrakt ermittelte angemessene Referenzmiete übersteigen, ist zu prüfen, ob der Leistungsberechtigte tat-sächlich die konkrete Möglichkeit hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte (bedarfsgerechte und kostengünstigere) Wohnung auf dem Wohnungsmarkt des konkreten Vergleichsraums anmieten zu können. Besteht eine konkrete Unterkunftsalternative nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft als konkret angemessen anzusehen und daher zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7 b AS 18/06 R; Luik, a.a.O., Rn. 98 m.w.N.).
46In dem - schlüssigen - Konzept des Kreises Minden-Lübbecke wird durch die Erhebung aktueller Angebotsmieten und deren Gegenüberstellung mit den erhobenen Bestandsmieten sichergestellt, dass die ermittelten Mietpreise es Grundsicherungsempfängern erlauben, zu den angegebenen Preisen Wohnraum anmieten zu können. Die auf der Basis konkreter Bestandsmieten vorläufig definierte (abstrakte) Angemessenheit wurde auf die Verfügbarkeit eines konkreten Wohnungsangebotes im Kreis überprüft. Die Recherchen der Angebotsmieten wurden im Zeitraum Oktober 2009 bis März 2010 durchgeführt, dabei wurden verschiedene Internet-Immobilien-Suchportale sowie örtliche Tagespresse und Internetseiten der großen Wohnungsanbieter im Kreisgebiet ausgewertet. Die erfassten Mietangebote wurden auf ihre Relevanz geprüft, zusätzlich wurde bei unklaren bzw. nicht ausreichenden Informationen eine Nachfrage bei den Vermietern durchgeführt. Die erhobenen Angebotsmieten wurden den jeweiligen Wohnungsmarkttypen zugeordnet und auf den einheitlichen Begriff der Netto-Kaltmiete pro qm umgerechnet. Auch hier blieben Apartments unberücksichtigt (siehe oben). Während des Erhebungszeitraums konnten so insgesamt 1.065 Angebote ermittelt werden. Dabei ist ausweislich des Konzepts zu berücksichtigen, dass diese Zahl unter dem tatsächlichen Angebotsvolumen liegt, da nicht alle Wohnungen über diese Medien vermarktet werden. In einem weiteren Schritt wurden die Angebotsmieten mit den Neuvertragsmieten unter den Bestandsmieten (Mietvertragsabschlüsse bis neun Monate vor dem Erhebungsstichtag) abgeglichen. Dabei ergab sich, dass die Neuvertragsmieten in der überwiegenden Zahl unterhalb der Angebotsmieten liegen. Hieraus lässt sich ableiten, dass tatsächlich ein wesentlich größeres Wohnungsangebot unterhalb der Obergrenzen zur Verfügung steht, als dieses in den ermittelten Angebotsmieten zum Ausdruck kommt. Auch hier wurde eine tabellenfeldbezogene Extremwertkappung auf Basis des 95 %-Konfidenzintervalls vorgenommen. Danach standen für die eigentliche Auswertung insgesamt 1.020 Mieten zur Verfügung. Während des Untersuchungszeitraums konnte zwar nicht für alle Tabellenfelder ein entsprechendes Wohnungsmarktangebot identifiziert werden. Da die Fallzahlen zu klein waren, um ent-sprechende Mietwerte zu berechnen, wurden für diese Felder keine Werte ausgewiesen. Dementsprechend wird in dem Konzept empfohlen, die Angemessenheit in entsprechenden Fällen im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu entscheiden. Dieser mögliche Mangel des Konzepts kann hier aber nicht zu einer anderen Entscheidung führen, da dies entgegen der Auffassung der Kläger auch nach der Überarbeitung des Konzepts nicht ihren Fall betrifft. Die Datenerhebung und die Auswertung der ermittelten Werte sind für die jeweiligen Wohnungsmarkttypen getrennt erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass Mängel oder einzelne Fehler des Gutachtens, die einen Wohnungsmarkttyp betreffen, sich ohne Weiteres auf die Richtigkeit der Ermittlungen eines anderen Wohnungsmarktes auswirken (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O.). So existierten für den Wohnungsmarkttyp 3 im Hinblick auf die maßgebliche Wohnungsgrößenklasse (größer als 95 qm) insgesamt 35 Angebotsmieten zu einem durchschnittlichen qm-Preis (Netto-Kaltmiete) von 4,- Euro. Zwar weist das Konzept als durchschnittlichen Netto-Kaltmietpreis einen Betrag i. H. v. 3,85 EUR/qm aus. Unter Berücksichtigung dessen, dass nach den obigen nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen in dem Konzept die Angebotsmieten in der überwiegenden Zahl oberhalb der Neuvertragsmieten liegen, ist davon auszugehen, dass ausreichend angemessene Wohnungen für die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zur Verfügung standen. Da die Kläger entsprechende Bemühungen, eine angemessene Wohnung anzumieten bzw. ihre unangemessenen Unterkunftskosten in anderer Weise (z. B. durch eine weitere Vermietung oder eine Reduzierung ihrer Schuldzinsen) zu senken, weder vorgetragen haben noch solche sonst ersichtlich sind, ist diese Annahme im vorliegenden Verfahren nicht widerlegt worden. Besondere Umstände, aus denen es den Klägern nicht möglich gewesen wäre, eine der angebotenen Unterkünfte anzumieten, sind nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Wechsel der Unterkunft bei unangemessenen Unterkunftskosten auch dann zumutbar ist, wenn der Leistungsberechtigte in einem nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II geschützten Eigenheim wohnt. Ein Eigentümer ist ebenso wenig wie ein Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (BSG, Urteil vom 07.07.2011, Az. B 14 AS 79/10 R, m.w.N.).
47Die Kläger können einen Anspruch auf Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum schließlich auch nicht auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II stützen, da der dort regelhaft genannte Zeitraum von sechs Monaten für die Übernahme unangemessener Kosten der Unterkunft am 31.03.2011 abgelaufen ist.
48Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung die der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf solange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigtem oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
49Die Beklagte hat die Kläger mit Schreiben vom 21.09.2010 zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf ein angemessenes Maß aufgefordert und darauf hingewiesen, dass eine Übernahme des unangemessenen Teils ihrer Unterkunftskosten lediglich bis zum 31.03.2011 in Betracht komme. Anhaltspunkte dafür, dass im konkreten Fall ein längerer Zeitraum als der in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II regelhaft genannte angemessen gewesen wäre, liegen nicht vor. Abgesehen davon war es den Klägern möglich und zumutbar, ihre Unterkunftskosten durch einen Wohnungswechsel oder ggf. auf andere Weise (vgl. hierzu die obigen Ausführungen) zu senken.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
51Die Berufung war zuzulassen.
52Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
53Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 480,00 Euro und erreicht nicht die Berufungssumme. Die Berufung war aber zuzulassen, da die Frage der Schlüssigkeit der (überarbeiteten Fassung der) "Regionalisierung des Kreises Minden-Lübbecke zur Ermittlung der KdU-Kosten" im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle, auf die diese angewendet wird, grundsätzliche Bedeutung hat.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Höhe der sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft (KdU) vom 01.01. bis 31.12.2014.
3Der am 00.00.0000 geborene Kläger bewohnt seit 1989 eine ca. 55 qm große Wohnung. Seit 01.01.2012 betragen die Nettokaltmiete 314,41 Euro, die Nebenkosten 67,00 Euro, mithin die Bruttokaltmiete insgesamt 381,41 Euro; sie betrug zuvor 376,41 EUR. Der Kläger bezog bis 31.12.2011 Leistungen der Grundsicherung (GSi) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das hierfür zuständige Jobcenter hatte ihm bereits durch Schreiben vom 21.01.2005 mitgeteilt, dass die KdU den aus Sicht des Jobcenters angemessenen Umfang übersteigen und deshalb nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nur noch die angemessenen KdU berücksichtigt würden. Dem entsprechend erkannte das Jobcenter bei der Bemessung der SGB II-Leistungen nur noch die von ihm als angemessen erachteten KdU an. Durch Urteil vom 20.09.2012 (S 2 AS 387/11) verurteilte das Sozialgericht Aachen das JobCenter der Städteregion Aachen, dem Kläger bis Dezember 2011 KdU unter Zugrundlegung einer monatlichen Miete von 358,00 EUR (inklusive Nebenkosten, exklusive Heizung) zu gewähren. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Berechnung der angemessenen Miete beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept; in einem solchen Fall sei gleichwohl nicht die tatsächliche Miete zu berücksichtigen, sondern zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete auf die maßgeblichen Tabellenwerte zu § 12 WoGG zurückzugreifen; in der für die Stadt Aachen einschlägigen Mietenstufe IV ergebe sich für einen Ein-Personen-Haushalt ein Höchstbetrag von 358,00 EUR.
4Seit 01.01.2012 erhält der Kläger Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 60,36 EUR (seit Juli 2013).
5Auf Antrag des Klägers bewilligte die Beklagte diesem ab 01.01.2012 Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Beklagte legte der Bemessung der Sozialhilfe bis 31.12.2013 in Anlehnung an die sozialgerichtliche Entscheidung vom 20.09.2012 zunächst nur einen KdU-Bedarf von 358,00 EUR zugrunde. Am 26.06.2014 erklärte sich die Beklagte im Verfahren S 19 SO 22/13 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, bis 31.12.2013 einen KdU-Bedarf in Höhe der tatsächlichen Miete von 381,41 EUR anzuerkennen; sie gab diese Erklärung ab, weil bis dahin ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mieten noch nicht vorlag, sowie auf Hinweis des Gerichts auf die Entscheidung des BSG vom 12.12.2013 (B 4 AS 87/12 R), wonach zur Bestimmung der Angemessenheit der Bruttokaltmiete die Tabellenwerte nach § 12 WoGG um einen "Sicherheitszuschlag" von 10% zu erhöhen sind, woraus sich im Fall des Klägers ein Höchstwert von 393, 80 EUR errechnete.
6Für den hier streitbefangenen Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2014 bewilligte die Beklagte GSi-Leistungen zunächst wieder nur unter Zugrundlegung eines KdU-Bedarfes von 358,00 EUR, und zwar durch Bescheide vom 18.12.2013, 23.01.2014, 28.02.2014, 09.04.2014 und 23.06.2014.
7Hiergegen erhob der Kläger am 20.01., 24.01., 27.03. und 09.05.2014 Widerspruch; er meinte, es müssten die tatsächlichen KdU (381,41 EUR) berücksichtigt werden.
8Durch Widerspruchsbescheid vom 26.08.2014 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Sie erkannte als angemessene KdU eine Bruttokaltmiete von monatlich 380,50 Euro an. Zur Begründung führte sie aus, inzwischen liege für ihren Bereich ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft vor. Die dafür erforderlichen Erkenntnisse stammten aus einer Datenerhebung zum Stichtag 01.04.2013. Danach seien Unterkunftskosten für einen Ein-Personen-Haushalt bis zu einem Betrag von maximal 380,50 EUR monatlich angemessen. Dieser KdU-Bedarf sei im Fall des Klägers ab 01.01.2014 zu berücksichtigen. Die Anerkennung eines darüber hinausgehenden Bedarfs in Höhe der tatsächlichen KdU lehnte die Beklagte weiter ab und wies insoweit den Widerspruch als unbegründet zurück ...
9Mit seiner am 17.09.2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er ist der Auffassung, für den Bereich der Beklagten liege nach wie vor kein "Schlüssiges Konzept" vor, dass den Anforderungen des BSG zur Ermittlung der Angemessenheit der KdU genüge. Das BSG habe in der Vergangenheit stets betont, dass sich die Angemessenheit nach den individuellen Gegebenheiten richten müsse.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 18.12.2013, 23.01.2014, 28.02.2014, 09.04.2014 und 23.06.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2014 zu verurteilen, bei der Bemessung der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2014 einen Bedarf für Kosten der Unterkunft (Miete einschließlich Nebenkosten) in Höhe der tatsächlichen Kosten von monatlich 381,41 Euro zugrunde zu legen und ihm für diesen Zeitraum 10,92 Euro nachzuzahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält das "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft in der StädteRegion Aachen" für schlüssig und einen KdU-Bedarf des Klägers von 380,50 EUR für angemessen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
18Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe der tatsächlichen Miete einschließlich Nebenkosten (sog. Bruttokaltmiete).
19Nach § 42 Nr. 4 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft zwar in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht; übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft jedoch den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, werden sie nur so lange als Bedarf anerkannt, als es den Hilfebedürftigen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken, in der Regel für längstens sechs Monate. Anschließend ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet, es sei denn, er hat den darüber hinaus gehenden Aufwendungen vorher zugestimmt (vgl. § 42 Nr. 4 i.V.m. § 35 Abs. 2 S. 4 SGB XII). Zurecht legt die Beklagte seit dem 01.01.2014 dem KdU-Bedarf des Klägers nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten zugrunde, da diese den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen.
20Der Kläger stand vor dem Sozialhilfebezug im laufenden SGB II - Leistungsbezug. Durch das für diese Leistungen zuständige Jobcenter ist er bereits Schreiben vom 21.01.2005 auf die Unangemessenheit seiner KdU hingewiesen worden. Der Umstand des Wechsel der Leistungen vom SGB II auf das SGB XII und der dadurch erfolgte Wechsel des Leistungsträgers bedingen nicht, dass der Kläger erneut auf die Unangemessenheit seiner KdU hingewiesen werden muss und eine erneute Frist von sechs Monaten hat, in der die KDU in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen wären. Denn die Mitteilung des Jobcenters über die Unangemessenheit der KdU wirkt angesichts der Gleichartigkeit der Rechtsgrundlagen und des anzulegenden KdU-Maßstabes fort; eine erneute "Schonfrist" entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2010 – L 19 AS 377/10 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 26.02.2007 – L 20 B 1/07 SO ER).
21Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 109/11 R – m.w.N.) Zur Feststellung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraums zu zahlen ist. Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten (Nebenkosten) hinzuzurechnen (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 28/12 R – m.w.N., Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). In Anwendung der sog. Produkttheorie des Bundessozialgerichts müssen dabei nicht die einzelnen Faktoren (Wohnungsgröße, Wohnungsstandard – ausgedrückt durch den Quadratmeterpreis) je für sich betrachtet "angemessen" sein, solange jedenfalls das Produkt aus Wohnfläche (Quadratmeterzahl) und Standard (Mietpreis je Quadratmeter) eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (Referenzmiete) ergibt (st. Rspr. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – 7b AS 10/06 R; Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R).
22Als räumlichen Vergleichsmaßstab angeht sieht die Kammer das Gebiet der StädteRegion Aachen als maßgeblich an. Insbesondere handelt es sich bei diesem Vergleichsraum um einen ausreichend großen Raum vergleichbarer Wohnbebauung, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (zu dieser Voraussetzung etwa BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R).
23Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße betrug im streitgegenständlichen Zeitraum für den Ein-Personen-Haushalt des Klägers 50 qm. Zum 01.01.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW) durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 08.12.2009 das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Gleichzeitig sind mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB; MBl NRW 2010, 1) zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des WFNG-NRW erlassen worden und in Kraft getreten. Diese ersetzen die bisherigen nordrheinwestfälischen Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG). Nach Nr. 19 S. 2 der WNB treten die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nr. 8 bis 8b.3 und 22 sowie der Anlage 4 mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl. § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG – vgl. LT-Drucks 14/9394, S 96) sind ab dem 01.01.2010 daher die in Nr. 8.2 der WNB angesetzten Werte für Wohnflächen maßgeblich (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 109/11 R). Danach sind 50 qm für den Haushalt einer allein stehenden Person angemessen.
24Bei der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen; die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen. Nach diesen inhaltlichen Vorgaben soll die Festlegung der Mietobergrenze auf der Grundlage eines deren Einhaltung ermöglichenden schlüssigen Konzepts erfolgen, dessen Erstellung zuvörderst Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist (BSG, Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R; Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R). Ein schlüssiges Konzept muss dabei nach den strengen und differenzierten Anforderungen des Bundessozialgerichts folgende Voraussetzungen erfüllen: • Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, • es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, • Angaben über den Beobachtungszeitraum, • Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung, • Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), • Validität der Datenerhebung, • Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und • Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze). (vgl. zum "schlüssigen Konzept" und weiteren Ausdifferenzierungen im Einzelnen: BSG Urteil vom 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R; Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R; Urteil vom 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R; Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R; Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R; vgl. auch Berlit in: info also 2010, 196; ders., in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 54 ff.; Piepenstock, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 68 ff.; Lauterbach, in: Gagel, SGB II / SGB III, 46. Erg.-Lief. 2012, § 22 Rn. 47 ff.; kritisch Groth, SGb 2013, S. 249 ff.).
25Das von der Firma "Analyse und Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH" im Auftrag der StädteRegion Aachen erstellte "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft in der StädtRegion Aachen" (vgl. Endbericht vom 26.02.2014, einsehbar auf der Internetseite der StädteRegion Aachen "www.staedteregion-aachen.de" unter Service/Die Ämter/Amt für soziale Angelegenheiten/Service/Regelungen&Hinweise/"Schlüssiges Konzept") erfüllt nach Auffassung der Kammer die vom BSG aufgestellten hohen Anforderungen an ein schlüssiges Konzept (ebenso: SG Aachen, Urteil vom 26.06.2014 – S 2 AS 401/14, Urteil vom 26.06.2014 – S 19 SO 213/134, Urteile vom 21.10.2014 – S 11 AS 25/14 und S 11 AS 714/14, Urteil vom 04.11.2014 – S 14 AS 608/14; die Urteile der 11. und 14. Kammer sind abrufbar bei juris). Dieses Konzept ist seit längerer Zeit in der Endberichtsfassung im Internet einsehbar; der Zugang ist für jeden Nutzer einfach; die Quelle ist im Übrigen auch in den diversen dazu vorliegenden und veröffentlichen Entscheidungen des Sozialgerichts Aachen angegeben. Der Kläger hatte also ausreichend Gelegenheit, sich damit auseinanderzusetzen. Eines (weiteren) Schriftsatznachlasses bedurfte es – auch unter dem Gesichtspunkt rechtlichen Gehörs – nicht.
26Zu dem "Schlüssigen Konzept" der Städteregion Aachen hat die 14. Kammer des SG Aachen im Urteil vom 04.11.2014 (S 4 AS 608/14) u.a. ausgeführt: "Zuständig für die Entwicklung eines solchen schlüssigen Konzepts sind die Träger der Grundsicherungsleistungen. Aufgabe der Gerichte ist es, anhand der von dem Grundsicherungsträger gelieferten Daten bzw. der zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten und zur Verfügung zu stellenden Daten und Unterlagen zu verifizieren, ob die angenommene Mietobergrenze angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ist (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R, juris). Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 Hs. 2 SGG grundsätzlich gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und hat eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R, juris Rn. 27; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris Rn. 26; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R, juris Rn. 22). Zeigt sich freilich, dass sich keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum und den Vergleichsraum mehr treffen lassen, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, die allerdings durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung zzgl. eines sog. "Sicherheitszuschlages" von 10 % im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben begrenzt werden (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 73; Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R, juris Rn. 19; Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, juris Rn. 20; Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS15/09 R, juris; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS50/09 R, juris; Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3, Rn. 23). Das vorgelegte Konzept ist nach Auffassung der erkennenden Kammer schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. bereits: SG Aachen, Urteil vom 21.10.2014 - S 11 AS 25/14, juris Rn. 37 ff.; Az. S 11 AS 714/14, juris Rn. 38 ff.). Es folgt im Kern der Methodik, die auch für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne von § 558d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angewandt wird, passt diese aber in nachvollziehbarer Weise den Erfordernissen der Ermittlung von Obergrenzen für die Kosten der Unterkunft im Grundsicherungsrecht an. 1. Das Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft in der StädteRegion Aachen basiert zunächst auf einer nachvollziehbaren und nicht zu beanstandenden Differenzierung des Vergleichsraumes. Bei der Bildung des maßgeblichen Vergleichsraumes geht es darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R). Aus Sicht der Kammer entscheidende Zielsetzung ist, eine sog. "Ghettobildung" - d. h. Bildung von Stadt- oder Kreisteilen, in denen Hilfebedürftige über ein niedriges Mietniveau konzentriert werden - zu vermeiden (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R, juris, Rn. 24; Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, juris, Rn. 24; BSG, Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, juris, Rn. 22). Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabes kann es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleine Vergleichsgebiete, die kommunalrechtlich keine selbstständigen Einheiten darstellen, schlüssig oder gar geboten sein kann (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, juris, Rn. 24). Die zum kommunalen Grundsicherungsträger gehörenden Städte und Gemeinden werden durch das Konzept der Städteregion Aachen mittels einer multivarianten Clusteranalyse drei Wohnungsmarkttypen zugeordnet. In die Analyse eingestellt werden Wohnungsmarktstrukturindikatoren (Bevölkerungsentwicklung, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Einstufung zur Ermittlung der Mietobergrenze nach § 12 WoGG, Bodenpreis, Zentralität, Tourismus - zur Erläuterung der Indikatoren s. S 16, 17 des Konzeptes), die auf jeweils validen Datenquellen (s. S. 17, Tab. 1 Fn. 1-5) basieren. Die Ermittlung der jeweiligen Städte bzw. Gemeinden innerhalb der Städteregion mit vergleichbarem Wohnungsmarkt erfolgt unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung in Anwendung des Distanzmaßes der quadrierten Euklidischen Distanz, nachdem die Maßunterschiede der Indikatoren mittels einer linearen Transformation nivelliert worden sind. Dabei wird für jedes mögliche Paar aus zwei Städten/ Gemeinden der Differenzwert der Indikatoren quadriert. Im Anschluss werden diese Werte aufsummiert. Anschließend wird mittels des "Ward-Verfahrens" die Ähnlichkeit konkretisiert und strukturiert, indem schrittweise diejenigen Gebiete bzw. entstandenen Cluster fusioniert werden, deren Distanzwerte am geringsten sind. Kriterium für die sinnvolle Abgrenzung zu bildender Wohnungsmarkttypen ist dabei das Maß der Inhomogenität bei der Fusion nächstähnlicher Cluster (Anlage 2 des Konzeptes, S. 57 ff.). Ein überproportionaler Anstieg der Fehlerquadratsumme flankiert dabei inhaltliche Überlegungen bei der Bestimmung der Anzahl der Wohnungsmarkttypen. Den Wohnungsmarkttyp I bildet danach schließlich die Stadt Aachen allein. Zum II. Wohnungsmarkttyp zählen die umliegenden Städte C., Herzogenrath, Alsdorf, Würselen, Eschweiler, Stolberg sowie die Gemeinde Roetgen. Die in der Eifel gelegenen Gemeinde Simmerath und Stadt Monschau bilden den Wohnungsmarkt III (zur jeweiligen Prägung durch die maßgeblichen Indikatoren S. 18 f.). Zwar ist festzustellen, dass die Vergleichsraumbildung über Wohnungsmarktstrukturindikatoren die differenzierten Wohnungsmarktypen nicht unmittelbar über die höchstrichterlichen Kriterien räumlicher Nähe zueinander, der Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit insgesamt betrachtet homogener Lebens- und Wohnbereiche entwickelt und identifiziert (vgl. zur multivariablen Clusteranalyse mit vergleichbaren, mietpreisbildenden Faktoren entsprechend kritisch: SG Magdeburg, Urteil vom 23.04.2014 - S 14 AS 4313/10, juris, Rn. 38). Über die gewählten o.a. Indikatoren wird aber nach Auffassung der Kammer sekundär bzw. reflexiv zunächst neben dem Kriterium der Wohnbebauung auch die räumliche Nähe der zusammengefassten Gebiete, ihre jeweils homogene Infrastruktur und eine verkehrstechnische Verbundenheit gewichtend berücksichtigt (vgl.Hess LSG, Beschl. vom 06.11.2013 - L 4 SO 166/13 B ER, juris, Rn. 41; SG Detmold, Urteil vom 28.11.2013 - S 23 AS 1295/11, juris, Rn. 40; SG Chemnitz, Urteil vom 04.04.2014 - S 22 AS 1185/13, juris, Rn. 42; a. A. zur multivariablen Clusteranalyse mit vergleichbaren, mietpreisbildenden Faktoren: SG Magdeburg, Urteil vom 23.04.2014 - S 14 AS 4313/10, juris, Rn. 38). Neben dem Oberzentrum der Stadt Aachen bilden die umliegenden Städte- und Gemeinden einen weitgehend räumlich, infra- und siedlungsstrukturell homogenen Lebensraum, der ihre Zusammenfassung rechtfertigt. Lediglich die (entfernteren) Eifelkommunen Monschau und Simmerath heben sich hiervon nochmals durch eine deutlich unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte und eine überdurchschnittliche Entfernung vom nächsten Oberzentrum ab. Weiterhin anerkennt diese Vergleichsraumbildung einerseits das Recht des Leitungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld nach Auffassung der Kammer ausreichend, trägt andererseits aber auch dem Umstand Rechnung, dass in den kleineren Gemeinden (z. B. Roetgen) kein Wohnungsmarkt existiert, der eine ausreichend valide Datenbasis zur Erstellung eines gesonderten schlüssigen (Teil)konzeptes liefert (s. auch S. 61 des Konzeptes) und ist dabei besonders geeignet, einer sog. Ghettobildung vorzubeugen, weil Kommunen mit einem höheren Mietniveau (insbesondere die Stadt Aachen) nicht mit ungleich günstigeren Städten und Gemeinden zusammengefasst werden und so verhindert wird, dass ganze Gebiete der Städteregion Aachen aufgrund ihrer Miethöhe als potenzielle Wohnstandorte ausgeschlossen werden. (vgl. Hess LSG, Beschluss vom 06. November 2013 - L 4 SO 166/13 B ER -, juris, Rn. 44). Denn durch die Nivellierung in einer gemeinsamen Datenauswertung wäre zu befürchten, dass in teureren Städten keine oder kaum Wohnungen angemietet werden könnten, Hilfebedürftige insbesondere aus der Stadt Aachen in den ländlichen Bereich - vor allem die entfernteren Eifelgemeinden - gedrängt würden. Diese Verdrängung in strukturschwächere Gebiete ließe auch eine Erschwernis der Arbeitsmarktintegration der Betroffenen erwarten. Colorandi causa wäre ein künstlich geschaffener Anstieg der Mietpreise im unteren Wohnsegment der Kommunen mit niedrigerem Mietniveau zu besorgen. Weniger gewichtig ist nach Auffassung der Kammer demgegenüber der Umstand, dass ggfs. die "Absenkung" (nach Aufforderung) einer unangemessenen Miete durch einen denkbaren Umzug in einen anderen Wohnungsmarkttyp im Einzelfall eine absolute Erhöhung des Hilfeanspruches zur Folge haben könnte - ein prima facie in gewissem Spannungsverhältnis zu § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II stehendes Ergebnis, wonach bei Erhöhung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch einen nicht erforderlichen Umzug, nur der bisherige Bedarf anerkannt wird. 2. Die empirische Datenerhebung, Gegenstand der Beobachtung, (unter Angabe des Datums des Mietvertragsbeginns, des Datums der letzten Mietänderung, der Wohnungsgröße, der Netto-Kaltmiete, dem Abschlag auf kalte Betriebskosten sowie dem Abschlag auf Heiz- und Warmwasserkosten) ist bezogen auf die gebildeten Vergleichsräume (Wohnungsmarkttypen) ordnungsgemäß erfolgt. Im Rahmen einer Vermieterbefragung wurden zunächst sowohl die größeren Vermieter und Verwalter identifiziert und befragt als auch 3.500 kleinere Vermieter. Die hierüber gewonnen Daten über Bestandsmieten im Zeitraum von Februar bis September 2013 wurden durch Mietdatensätze aus dem SGB II-Datensatz des Jobcenters der Städteregion ergänzt. Dabei wurden Überschneidungen ausgeschieden. Die Firma Analyse & Konzepte erhielt so rund 35.400 zum Stichtag 01.04.2013 erhobene Mietwerte, die sowohl nach den Wohnungsmarkttypen als auch den abstrakt angemessenen Wohnraumgrößen differenziert sind. Ausgeschieden worden sind dabei Angaben zu Wohnungen unter 35 Quadratmetern um die quadratmeterspezifische Mietpreisverzerrung (Wohnkosten-Progression) für Ein-Personen-Haushalte im selben Rahmen zu halten wie bei der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen für Mehr-Personen-Haushalte (kritisch zu einer Kappung der berücksichtigten Wohnraumgröße nach unten bei gleichzeitigem Einbeziehen öffentlich geförderten Wohnraumes: LSG Nds.-HB., Urteil vom 29.04.2014 - L 7 AS 330/13, Rn. 37). Weiterhin sind Daten ohne eine Zuordnungsmöglichkeit zur Quadratmeterzahl oder zum Wohnungsmarkttyp richtigerweise ausgeschieden worden. Bereits im Rahmen der Befragung - und aufgrund mangelnder zentraler Erfassung nachvollziehbar nur dort möglich - wurden sowohl Mietverhältnisse für Wohnungen herausgefiltert, die nur bestimmten Gruppen zugänglich sind, mit Ausnahme der durch soziale Wohnraumförderung zugangsbeschränkten (zur Zulässigkeit der Einbeziehung: BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris, Rn. 22), als auch Mieten des untersten Mietsegmentes (Kriterien: eigenes Bad und Sammelheizung - vgl. dazu: BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 85/09 R, juris, Rn. 23). Der so verbliebene Datensatz von knapp 31.000 differenzierten Angaben ist um knapp 4.000 in vergleichbarer Weise ermittelter und in gleicher Weise zugeordneter Mietwerte zu Angebotsmieten (Zeitraum Januar bis Juni 2013) ergänzt worden (vgl. Anforderungen BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, juris). Bei der Recherche der Angebotsmieten wurden verschiedene Internet-Immobilien-Suchportale sowie örtliche Tagespresse und Internetseiten der großen Wohnungsanbieter im Städte-Regionsgebiet ausgewertet. Die erfassten Mietangebote wurden auf ihre Relevanz geprüft, zusätzlich wurde bei unklaren bzw. nicht ausreichenden Informationen eine Nachfrage bei den Vermietern durchgeführt. Dabei ist ausweislich des Konzepts zu berücksichtigen, dass diese Zahl der ermittelten Angebote unter dem tatsächlichen Angebotsvolumen liegt, da nicht alle Wohnungen über diese Medien vermarktet werden. Letztlich stehen so rund 170.000 zu Wohnzwecken in der Städteregion Aachen vermieteten Wohnungen (inklusive Substandard und Luxuswohnungen) rund 35.000 relevante Datensätze (exklusive Substandard und weitgehend exklusive Luxuswohnungen) gegenüber. Mit einer Datenbasis von rund 20 % des in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes ist nach Ansicht der Kammer von einer repräsentativen Datenerhebung auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/ 7b AS 44/06 R, juris Rn. 16: 10 %), ohne zu verkennen, dass es diesbezüglich an der Darlegung einer Relation des jeweiligen Bestandes zu den akquirierten Daten der in Bezug zu nehmenden Wohnungsgrößen in den gebildeten Wohnungsmarkttypen mangelt. Die Validität der erhaltenen Mietdaten ist - bezogen auf jedes Tabellenfeld aus der Schnittmenge der relevanten Wohnungsgrößen im jeweiligen Wohnungsmarkttyp - durch eine Extremwertkappung bei den Bestands- und bei den Angebotsmieten durch Begrenzung auf den Bereich der 1,96-fachen Standartabweichung (anerkannter statistischer Standard für Mietwerterhebungen - 95 %-Konfidenzintervalls) vervollständigt und auf den einheitlichen Begriff der Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter umgerechnet worden. In einem weiteren Schritt wurden die konkreten Angemessenheitsgrenzen i. S. der erweiterten Produkttheorie (vgl. u.a. SG Aachen, Urteil vom 24.09.2013 - S 14 AS 130/13, juris, Rn. 31 ff.; Urteil vom 10.06.2014 - S 14 AS 171/14) bestimmt. Um die Verfügbarkeit von Wohnungen zu den letztlich ermittelten Mietobergrenzen zu gewährleisten, ist zunächst der Anteil der Nachfrager, die auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen sind, ermittelt worden. Neben den Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II sind solche nach dem SGB XII, Wohngeldempfänger, Empfänger von Ausbildungshilfen sowie Geringverdiener ohne Leistungsbezug auf der Grundlage valider Datenquellen (im Einzelnen S. 33, Tab. 9 Fn. 1-5 des Endberichtes) - für jede Haushaltsgrößenklasse separat - berücksichtigt worden. Anschließend ist das entsprechende Nachfragevolumen dem Angebot gegenübergestellt worden. Die Abgrenzung über die Miethöhe ist dergestalt erfolgt, dass die Bestandsnettomieten aufsteigend sortiert worden sind und eine Grenze bei dem Mietwert gezogen worden ist, der einer abstrakten Versorgung der betreffenden Nachfragergruppe korrespondiert. Die quantitative Abgrenzung des Segments ist für jede Haushaltsgröße separat erfolgt. Ausgehend von dem so ermittelten Perzentil für Nachfrager günstigen Wohnraumes, ist für die wesentlichen Gruppen der Leistungsbezieher (Ein und Zwei-Personen- Bedarfsgemeinschaften) ein Abgleich mit den Angebotsmieten vorgenommen worden. Sofern danach nicht 10 bis 20 % der Angebotsmieten im jeweiligen Wohnungsmarkt nach ihrem Produktwert aus Quadratmetern und Quadratmeterpreis innerhalb des Bestandsmietenperzentils gelegen haben, wurden solange iterativ erhöhte (oder reduzierte Perzentile) geprüft, bis die Angebotsanteile ausreichend in diesem Sinne gewesen sind. Die so ermittelten Perzentile (Wohnungsmarkt I: 65 %, Wohnungsmarkt II und III: 40 %) sind auf die übrigen Haushaltsgrößen übertragen worden. Um den Anforderungen der sog. erweiterten Produkttheorie (max. angemessene Bruttokaltmiete x maximal angemessene Wohnungsgröße = Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten - vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R; SG Aachen, Urteil vom 10.06.2014 - S 14 AS 171/14) gerecht zu werden, sind im Rahmen der Erhebung die kalten Betriebskostenvorauszahlungen nach Wohnungsgrößenklassen getrennt erhoben und ist der - sich über alle Wohnungsmarkttypen und Wohnsegmente ergebende - jeweilige arithmetische Mittelwert mit jenem der Betriebskostenvorauszahlungen der Leistungsempfänger abgeglichen worden. Im Rahmen dieses Abgleiches ist der jeweils höhere Wert als maßgeblich festgelegt worden. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht hat es für sogar zulässig erachtet, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende - möglichst örtliche - Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte ohne Differenzierung nach Wohnungsgrößenklassen. Eine weitergehende Gewichtung erscheine dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar sei, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R, juris). Die "Vergröberung", die sich dadurch ergibt, dass die Durchschnittswerte aus allen empirisch zur Verfügung stehenden Mietverhältnissen herangezogen worden sind, gewährleistet bereits, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen mit entsprechenden kalten Betriebskosten vorhanden ist. Da eine entsprechend differenzierte Datenlage nicht vorliegt und eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet (vgl. S. 23 des Konzeptes), ist hinzunehmen gewesen, dass dies zu einem Wert führt, der - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz höher liegen wird als dies bei der Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. (vgl. BSG, Urteile vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R, juris, Rn. 27 und vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, juris, Rn. 31). Der folgende Abgleich mit den differenzierten Werten aus dem Bestand der Leistungsempfänger sichert nach Auffassung der Kammer darüberhinausgehend ab, die Gegebenheiten auf dem lokalen Mietwohnungsmarkt real abzubilden. Schließlich sind aus der Summe der dieserart ermittelten Nettokaltmiete je Quadratmeter und kalten Betriebskosten je Quadratmeter multipliziert mit der Obergrenze der angemessenen Wohnflächen für jede Haushaltsgröße unter Berücksichtigung des jeweiligen Wohnungstyps folgende Angemessenheitsgrenzen für Bruttokaltmieten errechnet worden: Haushaltsgröße 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen Aachen 380,50 EUR 458,25 EUR 555,20 EUR 668,80 EUR 742,50 EUR Alsdorf 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Baesweiler 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Eschweiler 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Herzogenrath 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Monschau 308,00 EUR 388,05 EUR 492,00 EUR 613,70 EUR 613,70 EUR Roetgen 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Simmerath 308,00 EUR 388,05 EUR 492,00 EUR 613,70 EUR 613,70 EUR Stolberg 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Würselen 329,00 EUR 390,00 EUR 493,60 EUR 597,55 EUR 642,40 EUR Diese Werte sind nochmals dem tatsächlichen Angebot gegenüber gestellt worden und auch in Beziehung zu den Neuvertragsmieten (= real abgeschlossene Bestandsmieten, die bis zu neun Monate vor dem Erhebungsstichtag, hier der Zeitraum vom Juli 2012 bis April 2013, abgeschlossen wurden) - welche die reale Wohnungsmarktsituation abbilden sollen - gesetzt worden. Hieraus lässt sich eine Quote der jeweils (getrennt nach Wohnungsmarkttypen und Wohnungsgrößen) anmietbaren Wohnungen von nicht unter 40 % annehmen, bei einer Nachfragergruppe für günstigen Wohnraum von durchschnittlich 24 % (vgl. Tab 9/ 17, S. 33/ 44 des Konzeptes)."
27Diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Danach sind im Falle des in Aachen wohnenden Klägers Kosten der Unterkunft in Höhe von 380,50 EUR angemessen. Die Berücksichtigung höherer als diese Kosten kann der Kläger nicht beanspruchen.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
29Die Kammer hat die an sich nicht statthafte Berufung (vgl. § 144 Abs. 1 SGG) zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand
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Streitig ist die Höhe von Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in der Zeit vom 1.7.2006 bis 31.12.2006.
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Die 1971 geborene Klägerin zu 1 sowie ihre 1990 und 1991 geborenen Söhne (Kläger zu 2 und 3) bewohnten im streitigen Zeitraum eine 94,03 m² große 3-Zimmer-Wohnung, deren Gesamtkosten 625,30 Euro betrugen. Sie setzten sich aus der Kaltmiete in Höhe von 427,50 Euro monatlich, den Nebenkosten in Höhe von 88,71 Euro monatlich, einem Betrag für Trinkwasser/Schmutzwasser in Höhe von 28,09 Euro monatlich und Abschlägen für Heizkosten in Höhe von 81 Euro monatlich zusammen.
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Die Beklagte bewilligte den seit 1.1.2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Klägern vom 1.7.2005 bis 31.12.2005 weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung ihrer Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 4.7.2005). Der Bescheid enthielt folgenden Zusatz: "Ich weise darauf hin, dass Ihre Unterkunftskosten/Heizkosten unangemessen i.S. des § 22 Abs 1 SGB II sind. Soweit die Kosten unangemessen sind, werden sie daher gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II längstens für den Zeitraum bis zum 30.06.2006 übernommen (danach nur Übernahme in angemessener Höhe). Während dieser Frist wird Ihnen Gelegenheit gegeben, die Kosten durch Wohnungswechsel etc. abzusenken." Für die Zeit vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von nur noch 502,50 Euro monatlich (Bescheid vom 6.7.2006).
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Auf den Antrag der Kläger vom 23.9.2007 auf Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 6.7.2006 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27.8.2008 für die Zeit vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ua Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 547,11 Euro monatlich und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück (Bescheid vom 6.12.2007; Widerspruchsbescheid vom 28.8.2008).
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Das SG Braunschweig hat den Bescheid der Beklagten vom 6.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.8.2008 aufgehoben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 6.7.2006 und 27.8.2008 verurteilt, "den Klägern zu 1 bis 3 - jeweils für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006 - Kosten der Unterkunft und Heizung von weiteren 156,38 Euro zu zahlen" (Urteil vom 9.9.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Beklagte habe bei Erlass des Bescheids vom 6.7.2006 das Recht unrichtig angewandt, weil die Kläger Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung hätten. Zwar sei die von den Klägern bewohnte Wohnung zu groß; sie entspreche jedoch dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, der sich in der Wohnungsmiete niederschlage. Da für den Kreis Gifhorn keine Mietspiegel, Mietdatenbanken oder ein schlüssiges Konzept der Beklagten zu den örtlichen Wohnraummieten vorlägen, sei auf die rechte Spalte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen. Es sei der für einen Vier-Personen-Haushalt geltende Höchstbetrag der Wohngeldtabelle (505 Euro einschließlich Nebenkosten ohne Heizung) zu berücksichtigen, weil sich andernfalls die Privilegierung von Alleinerziehenden nach den Wohnraumförderbestimmungen finanziell nicht auswirke. Dieser Tabellenwert sei um 10 vH zu erhöhen, sodass Unterkunftskosten (ohne Heizung) in Höhe von 555,50 Euro angemessen seien. Die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger seien daher in voller Höhe zu übernehmen. Auch die Heizkosten in Höhe von 81 Euro monatlich seien angemessen, weil diese unter 1 Euro je (angemessenem) Quadratmeter lägen.
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Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 44 SGB X. Dessen Anwendung auf die Kosten für Unterkunft und Heizung sei nicht möglich. Das sozialhilferechtliche Prinzip der Gegenwärtigkeit (keine Sozialhilfe für die Vergangenheit) sei auf das Gebiet des SGB II zu übertragen, soweit keine pauschalierten Leistungen, sondern tatsächliche Aufwendungen - hier Kosten der Unterkunft und Heizung - bewilligt würden. Insofern hänge die Bewilligung vom Vorliegen einer gegenwärtigen Notlage ab. Eine nachträgliche Bewilligung von Leistungen für die Vergangenheit sei ausgeschlossen. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche sei der absolute und uneingeschränkte Rückgriff auf die Wohnraumförderbestimmungen des Landes Niedersachsen zu weitgehend. Auch sei bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche auf die Personenzahl, nicht jedoch ohne weitere Begründung allein auf die Situation als Alleinerziehende abzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des SG Braunschweig vom 9.9.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
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die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Sprungrevision (§ 161 SGG)der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zu zahlen. Die Kürzung der Kosten für Unterkunft und Heizung war rechtswidrig, weil die Kläger aufgrund des Inhalts der Kostensenkungsaufforderung in dem Bescheid vom 4.7.2005 in dem hier streitigen Zeitraum keine Kostensenkungsobliegenheit iS des § 22 Abs 1 SGB II traf. Neben der anfänglichen Rechtswidrigkeit liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 44 SGB X für die Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsbescheide und Nachzahlung der gekürzten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung vor.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 6.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.8.2008 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Korrektur der den Zeitraum vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 betreffenden bestandskräftigen Bescheide abgelehnt hat. Streitig sind allein Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II, weil die Kläger ihr Klagebegehren zulässigerweise auf diese Leistungen beschränkt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).
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Der Anspruch der Kläger auf (teilweise) Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 6.7.2006 und 27.8.2008 ergibt sich aus § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 SGB X. § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs 4 Satz 1 SGB X).
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Die Bewilligungsbescheide vom 6.7.2006 und 27.8.2008 waren anfänglich, dh nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage (vgl BSG Urteil vom 1.12.1999 - B 5 RJ 20/98 R - BSGE 85, 151, 153 = SozR 3-2600 § 300 Nr 15), rechtswidrig iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil die Kläger in dem Zeitraum vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe von 625,30 Euro und nicht nur in reduzierter Höhe von 547,11 Euro hatten. Nach den Feststellungen des SG waren sie (weiterhin) Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet hatten (Abs 1 Satz 1 Nr 1), erwerbsfähig (Abs 1 Satz 1 Nr 2) und in dem streitigen Zeitraum auch durchgehend hilfebedürftig (Abs 1 Satz 1 Nr 3) waren.
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Zwar ist der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich nur verpflichtet, die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Es kann hier jedoch dahingestellt bleiben, ob das SG die Höhe der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zutreffend ermittelt hat, weil die Absenkung dieser Leistungen von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen auf die nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten voraussetzt, dass den Hilfebedürftigen eine Kostensenkungsobliegenheit trifft (vgl Urteil des Senats vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) bzw - ab 1.8.2006 - § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Subjektiv möglich im Sinne dieser Regelung sind einem Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen jedoch nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, derartige Maßnahmen zu ergreifen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Aufgrund des unklaren Inhalts des Zusatzes zur Kostensenkung in dem Bescheid vom 4.7.2005 ist dies vorliegend nicht der Fall.
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Der in dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 4.7.2005 enthaltene Zusatz vermittelte die erforderliche Kenntnis von Kostensenkungsmaßnahmen nicht, weil er keine Angaben der Beklagten zu dem von ihr als angemessen erachteten Mietpreis enthielt. Zwar normiert § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF bzw § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II keine umfassenden Beratungs- und Aufklärungspflichten der Beklagten über die Obliegenheiten des Leistungsempfängers bei der Suche nach einer anderen, angemessenen Unterkunft und stellt auch keine sonstigen überhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an diese Erklärung des SGB II-Trägers. Die Aufklärungs- und Warnfunktion einer Kostensenkungsaufforderung (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 29) erfordert aber, dass der aus Sicht des Grundsicherungsträgers angemessene Mietpreis angegeben wird, weil dies nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; vgl auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 RdNr 40; vgl auch BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, zu widersprüchlichen Angaben der Beklagten zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten). Nur wenn der Hilfebedürftige die Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten der Unterkunft und den Angaben des Grundsicherungsträgers zu dem von ihm als angemessen angesehenen Mietpreis kennt - dies ist zugleich der rechtfertigende Grund für eine Kostensenkungsaufforderung mit ggf weitreichenden Folgen bis zum Verlust der bisherigen Wohnung als Lebensmittelpunkt - kann der Hilfebedürftige entscheiden, welche Maßnahmen einer Kostensenkung er ergreifen kann bzw will (vgl zu den verschiedenen Kostensenkungsmaßnahmen BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 RdNr 30). Da es sich bei der von der Rechtsprechung näher konkretisierten Kostensenkungsaufforderung wegen ihres engen Zusammenhangs mit dem Leistungsrecht der Unterkunfts- und Heizungskosten nach dem SGB II um eine Regelung des materiellen Rechts handelt, kann von vornherein kein im Rahmen des § 44 SGB X nur eingeschränkt korrigierbarer Verfahrensfehler vorliegen(vgl hierzu Steinwedel in Kasseler Komm, § 44 SGB X RdNr 31 ff, Stand Mai 2006; BSG Urteil vom 28.5.1997 - 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr 21 S 45).
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Auch die weiteren Voraussetzungen für den sich aus § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs 1 und 4 SGB X ergebenden Anspruch der Kläger auf Rücknahme der teilweise rechtswidrigen Bewilligungsbescheide, auf Neubescheidung nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie auf Nachzahlung der anfänglich zu gewährenden höheren Leistungen nach § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X liegen vor. Den Klägern sind iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X wegen der rechtswidrigen Kürzung der Kosten für Unterkunft und Heizung Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Hinsichtlich der Miet- und Heizkosten bestand in dem streitigen Zeitraum vom 1.7.2006 bis 31.12.2006 bei fortbestehender Hilfebedürftigkeit der Kläger ein tatsächlicher ungedeckter Bedarf in der vom LSG festgestellten (§ 163 SGG) mietvertraglich vereinbarten Höhe.
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Die in § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 1 SGB III für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit gesetzlich normierten Ausnahmen liegen nicht vor. Hiernach ist für Fallgestaltungen, in denen der Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsakts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, bestimmt, dass dieser Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des BVerfG oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen ist. Die für eine zeitlich eingeschränkte Rücknahme nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 1 SGB III allein in Betracht kommende zweite Alternative scheitert schon daran, dass eine einheitliche Praxis der Leistungsträger des SGB II bezogen auf den notwendigen Inhalt von Kostensenkungsaufforderungen nicht existiert(vgl zB zu Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit: BSG Urteil vom 29.6.2000 - B 11 AL 99/99 R - SozR 3-4100 § 152 Nr 10 S 36 f; siehe hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 57).
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Auch soweit § 44 Abs 4 SGB X die Rücknahme und Nachzahlung von Sozialleistungen neben der zeitlichen Begrenzung auf einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme durch das jeweilige materielle Sozialleistungsrecht ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches") beschränkt, ergeben sich bei den hier als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung keine § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 SGB X verdrängenden Besonderheiten des SGB II(§ 37 Satz 1 Halbs 1 SGB I), aus denen sich - auch ohne ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers - ableiten lässt, dass die Rücknahme- und Nachzahlungsansprüche nach § 44 SGB X für die erfassten Sachverhalte (teilweise) eigenständig und abweichend festgelegt werden sollten(vgl zur Sozialhilfe: BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; siehe auch BSG Urteil vom 31.1.2002 - B 13 RJ 23/01 R - BSGE 89, 151, 154 = SozR 3-1300 § 44 Nr 34 S 73 f). Vielmehr folgt aus der Ausgestaltung des § 40 SGB II, dass der Gesetzgeber des SGB II den Berechtigten grundsätzlich auch im SGB II so stellen wollte, als hätte die Verwaltung von vornherein richtig entschieden. Dem Hilfebedürftigen sollen diejenigen Leistungen zukommen, die ihm nach materiellem Recht zugestanden hätten (sog Restitutionsgedanke vgl zB BSG Urteil vom 1.12.1999 - B 5 RJ 20/98 R - BSGE 85, 151, 159 = SozR 3-2600 § 300 Nr 15; BSG Urteil vom 4.2.1998 - B 9 V 16/96 R - BSG SozR 3-1300 § 44 SGB X Nr 24 S 57).
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Zwar sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich von einer aktuellen, nicht anderweitig zu beseitigenden Hilfebedürftigkeit (§ 3 Abs 3 Satz 1 SGB II, § 9 SGB II) abhängig. Anders als die Leistungen nach dem Zwölften Buch werden sie aber nur auf Antrag (§ 37 SGB II) erbracht. Die Bewilligung der Kosten für Unterkunft und Heizung für einen Zeitraum von regelmäßig sechs Monaten (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) verdeutlicht, dass nicht nur hinsichtlich der pauschalierten Regelleistung, sondern auch bezogen auf die Kosten für Unterkunft und Heizung eine Bedarfsdeckung nicht nur wegen eines gegenwärtigen, sondern auch wegen eines prognostischen zukünftigen Hilfebedarfs im Wege der Bewilligung einer Dauerleistung stattfindet und insofern bereits normativ eine Einschränkung von dem in der Vergangenheit für die Sozialhilfe vertretenen Konzept einer "Nothilfe" vorliegt (vgl auch Waschull in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB X, 2. Aufl 2007, § 44 RdNr 3c). Vor diesem Hintergrund lässt § 40 Abs 1 SGB II mit seinem ausdrücklichen Verweis auf die Anwendbarkeit der Vorschriften des Zehnten Buchs (Satz 1) und seiner abschließenden Bezugnahme nicht auf sozialhilferechtliche Grundsätze, sondern auf die in § 330 SGB III für das Arbeitsförderungsrecht geltenden Besonderheiten für die Aufhebung von Verwaltungsakten(vgl auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 5) weitere, gesetzlich nicht normierte Einschränkungen für eine Rücknahme anfänglich rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 44 SGB X im vorliegenden Zusammenhang der als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht zu.
Tenor
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Die Revision des Beklagten wird als unzulässig verworfen.
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Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 geändert.
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Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. August 2010 monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro zu zahlen.
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Wegen der Ansprüche auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2010 wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Juni 2010 bis November 2010 streitig.
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Die 1970 geborene, erwerbsfähige und alleinstehende Klägerin bezog im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnte seit 2004 in H eine Mietwohnung mit einer Wohnfläche von 48 qm in einem 1900 errichteten Haus mit einer Gesamtwohnfläche von etwa 300 qm, die mit einem Gasetagenheizofen beheizt wurde. Die Zubereitung des Warmwassers erfolgte nicht über diese Heizung. Sie zahlte an die Vermieterin eine Bruttokaltmiete in Höhe von 203,64 Euro monatlich und an das Energieversorgungsunternehmen eine Vorauszahlung für die Belieferung mit Gas in Höhe von 127 Euro monatlich (insgesamt 330,64 Euro monatlich), die das beklagte Jobcenter als Leistungen für Unterkunft und Heizung zunächst vollständig bewilligte.
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Mit Schreiben vom 29.1.2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Prüfung der Heizkosten habe ergeben, dass diese mit einem Jahresverbrauch in Höhe von 399,7 kWh pro qm unangemessen hoch seien, und wies sie darauf hin, dass - sollte sie sich nicht bemühen, die Heizkosten zu senken - ab dem 1.6.2009 nur noch die als angemessenen angesehenen Kosten für einen jährlichen Verbrauch von 148 kWh pro qm übernommen werden würden. Tatsächlich senkte er die Leistungen nach Juni 2009 zunächst nicht ab.
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Im Anschluss an die Vorlage der Jahresabrechnung 2009, aus der sich ein nur wenig niedrigerer Verbrauch (etwa 395 kWh pro qm und Jahr) ergab, teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 17.2.2010 mit, die Kosten seien nach wie vor unangemessen hoch, worauf sie - die Klägerin - bereits mit Schreiben vom 29.1.2009 hingewiesen worden sei. Zur Prüfung, ob die Heizkosten - wie von ihr vorgetragen - baubedingt so hoch seien, werde der Bedarfsermittlungsdienst die Wohnung in Augenschein nehmen. Bei dieser Besichtigung im März 2010 stellte der Bedarfsermittlungsdienst des Beklagten fest, es handele sich um eine unterkellerte Wohnung im Erdgeschoss, die Außenwände seien nicht gedämmt und die Fenster nur teilweise isolierverglast.
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Für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 30.11.2010 bewilligte der Beklagte neben der Regelleistung Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 252,18 Euro monatlich, nämlich neben der Bruttokaltmiete in Höhe von 203,64 Euro lediglich noch 48,54 Euro für Heizkosten (Bescheid vom 21.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.5.2010).
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Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben, wonach in der innegehabten Wohnung nach dem "Bundesweiten Heizspiegel" ein jährlicher Wärmeverbrauch von 10 032 kWh und nach der Richtlinie 2067 des Vereins Deutscher Ingenieure ein jährlicher Wärmeverbrauch von 12 921 kWh zu erwarten sei. Das SG hat daraufhin den Beklagten verurteilt, "der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2010 Leistungen für Heizkosten in der Zeit vom 1.6.2010 bis zum 30.11.2010 in Höhe von monatlich 67,93 Euro unter Beachtung der bereits hierfür bewilligten Leistungen zu gewähren" (Urteil vom 13.10.2011). Es sei von einem angemessenen jährlichen Verbrauch von 10 032 kWh im Jahr (= 209 kWh im Jahr je qm) auszugehen, sodass sich unter Orientierung an den Preisen des bisherigen Energieversorgungsunternehmens der tenorierte Betrag (<209 kWh/12 Monate x 6,62 Cent/kWh> / 100 x 48 qm zuzüglich 12,59 Euro Grundkosten pro Monat) ergebe.
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Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, "dass der Beklagte verurteilt wird, (…) Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 271,57 Euro zu bewilligen" (Urteil vom 14.5.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Soweit das SG lediglich über die Höhe der Heizkosten entschieden habe, sei dies unzulässig und der Tenor entsprechend zu ändern gewesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu als das SG zugesprochen habe. Ihr Anspruch belaufe sich auf monatlich 203,64 Euro Kosten der Unterkunft und 67,50 Euro Heizkosten. Aufgrund des Verbots der reformatio in peius verbleibe es aber - ausgehend von dem vom SG errechneten Heizkostenbetrag in Höhe von monatlich 67,93 Euro - bei zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 271,57 Euro. Wegen der Bestimmung der angemessenen Heizkosten sei mangels kommunalem Heizspiegel der "Bundesweite Heizspiegel" heranzuziehen und zwar aus Gründen der Rechtssicherheit der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlichte Heizspiegel 2010. Etwaige Nachforderungen bei zu niedrig bemessenen Werten des bisherigen Heizspiegels könne der Leistungsberechtigte bei dem Leistungsträger gesondert geltend machen. Weil die Wohnung der Klägerin mit einer Etagenheizung beheizt werde, sei es gerechtfertigt, den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen. Daher ergäben sich monatlich angemessene Heizkosten in Höhe von 67,50 Euro (= 50 qm vervielfältigt mit 16,20 Euro/qm geteilt durch 12 Monate). Die von der Klägerin begehrte Übernahme der tatsächlichen - unangemessen hohen - Heizkostenvorauszahlungen scheide demgegenüber aus. Eine Übernahme komme insbesondere nicht aufgrund des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II in Betracht, weil der Beklagte die Klägerin wirksam zur Senkung der Heizkosten aufgefordert habe.
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Hiergegen haben die Klägerin und der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.
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Die Klägerin rügt die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und macht geltend, unter Zugrundelegung des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens sei ein Wärmeverbrauch von 13 000 kWh je Jahr angemessen und der Berechnung zugrunde zu legen. Im Übrigen habe das LSG zu Unrecht den Heizspiegel 2010 herangezogen. Es hätte vielmehr den Heizspiegel 2011, der die Werte des Abrechnungsjahres 2010 enthalte, zugrunde legen müssen, der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits bekannt gewesen sei.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 59,07 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu zahlen sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Mai 2012 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. Oktober 2011 abzuändern, soweit er verurteilt wurde, der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung monatlich von 271,57 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 zu bewilligen, und die Klage auch insofern abzuweisen
sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Er rügt ebenfalls die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und macht geltend, das LSG habe bei der Berechnung zu Unrecht eine Wohnfläche von 50 qm und nicht die tatsächliche Wohnfläche zugrunde gelegt. Richtigerweise ergäben sich Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe von 268,44 Euro (203,64 Euro Bruttokaltmiete und 64,80 Euro Heizkosten). Er - der Beklagte - sei durch das Urteil des LSG auch beschwert, weil die Leistungsverpflichtung durch das zweitinstanzliche Urteil zu seinen Lasten erweitert worden sei.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 169 Sozialgerichtsgesetz
) . Für die Zeit ab dem 1.9.2010 ist die zulässige Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Es fehlen ausreichende Feststellungen um beurteilen zu können, ob der Klägerin angesichts der offensichtlich überhöhten Energiekosten die Kostensenkung insbesondere durch einen Umzug in eine insgesamt kostengünstigere Wohnung möglich und zuzumuten war. Für den vorangehenden Zeitraum vom 1.6.2010 bis 31.8.2010 besteht ein Anspruch auf weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro monatlich schon deshalb, weil der Beklagte nach Aufforderung zur Kostensenkung mit Schreiben vom 17.2.2010 jedenfalls vor dem 1.9.2010 zur entsprechenden Absenkung der Leistungen nicht berechtigt war. Insoweit kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).
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1. Die Revision des Beklagten ist unzulässig. Die aufgrund der Zulassung durch das LSG statthafte Revision kann wie jedes Rechtsmittel zulässig nur in dem Umfang eingelegt werden, in dem der jeweilige Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung beschwert ist. Maßgebend für die Beschwer ist der Inhalt der Entscheidung, soweit er der Rechtskraft fähig ist, also der Tenor, zu dessen Auslegung die Entscheidungsgründe heranzuziehen sind (vgl BSGE 43, 1, 3 = SozR 1500 § 131 Nr 4).
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An einer solchen Beschwer durch das Urteil des LSG fehlt es hier für den Beklagten. Das LSG hat den Tenor des SG zwar geändert und den Beklagten zu einer einheitlichen Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung verurteilt, weil es sich nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (
vgl nur Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f) bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung um einen einheitlichen Streitgegenstand handele. Eine Erweiterung der Leistungsverpflichtung gegenüber der Entscheidung des SG durch das Urteil des LSG liegt in der Korrektur des Tenors aber nicht. Da bereits das SG zu Leistungen verurteilt hat, die insgesamt 19,39 Euro monatlich höher sind als die von dem Beklagten ursprünglich bewilligten, hat das LSG den der Rechtskraft fähigen Inhalt der Entscheidung nicht zu dessen Lasten erweitert. Soweit der Beklagte schließlich mit seiner Revision einwendet, dass der Klägerin lediglich ein geringerer Gesamtbetrag zustünde, ist das Urteil des SG insoweit bereits in Rechtskraft erwachsen und bindet die Beteiligten (vgl § 141 Abs 1 Nr 1 SGG). Der Beklagte hat trotz des teilweisen Unterliegens vor dem SG nicht selbst Berufung eingelegt, sondern lediglich beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
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2. Die zulässige Revision der Klägerin hat den Bescheid des Beklagten vom 21.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2010 zum Gegenstand, mit dem der Beklagte der Klägerin im streitigen Zeitraum ua Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von lediglich monatlich 252,18 Euro (203,64 Euro Bruttokaltmiete und 48,54 Euro Heizkosten) bewilligt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) und macht höhere Leistungen geltend. Sie hat den Streitgegenstand dabei zulässigerweise auf die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Nachdem der Beklagte das Urteil des SG nicht mit der Berufung angegriffen hat, sind nur noch die über 271,57 Euro (monatlich) hinausgehenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 59,07 Euro im Streit.
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3. Die Klägerin, die nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im streitigen Zeitraum zum leistungsberechtigten Personenkreis iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554) gehört, hat nach § 19 Satz 1 SGB II(in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706) iVm § 22 Abs 1 SGB II(in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917) Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).Die auch für Heizkosten vorgesehene Prüfung ihrer Angemessenheit hat nach Wortlaut und Systematik der Norm, wie der Senat bereits im Einzelnen dargelegt hat(stRspr seit BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23), grundsätzlich getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also konkret möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit). Wegen der Aufwendungen der Unterkunft sind vorliegend alle berücksichtigungsfähigen Kosten der Klägerin, nämlich die Miete einschließlich der kalten Betriebskosten als "tatsächliche Aufwendungen" vom Beklagten in voller Höhe von 203,64 Euro erbracht worden. Anhaltspunkte dafür, dass diese unangemessen hoch wären, ergeben sich nicht.
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b) Auch der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung besteht grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).
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aa) Als berücksichtigungsfähige Kosten insoweit macht die Klägerin die monatlichen Abschlagszahlungen gegenüber ihrem Energieversorgungsunternehmen in Höhe von 127 Euro geltend. Weitere berücksichtigungsfähige Bedarfe sind nicht ersichtlich. Im streitigen Zeitraum gehörten entsprechend den normativen Vorgaben in § 20 Abs 1, § 22 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) die Kosten für die Erzeugung von Warmwasser nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.
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bb) Eine getrennte Prüfung der Angemessenheit von Aufwendungen für Heizung von denen der Unterkunft folgt neben den dargelegten rechtlichen Überlegungen zumindest derzeit aus praktischen Gründen, die einer einheitlichen Beurteilung der Angemessenheit von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und also der Bildung einer abstrakten Gesamtangemessenheitsgrenze entgegenstehen. Ein abstrakt angemessener Heizkostenpreis pro Quadratmeter für eine "einfache" Wohnung (gestaffelt nach abstrakt angemessenen Wohnungsgrößen) im unteren Segment des Wohnungsmarktes müsste ausgehend von einem als angemessen anzusehenden Heizverhalten des Einzelnen noch klimatische Bedingungen, wechselnde Energiepreise, die "typischen" Energieträger, vor allem aber den im entsprechenden Mietsegment "typischen" Gebäudestandard und den technischen Stand einer als "typisch" anzusehenden Heizungsanlage erfassen. Entsprechend differenzierte Daten, die einen solchen Rückschluss auf einen abstrakt angemessenen, dh für alle Wohnungen im Vergleichsraum geltenden Heizkostenwert zuließen, liegen für den maßgeblichen Wohnungsmarkt am Wohnort der Klägerin nicht vor, wie sich aus den Feststellungen des LSG und dem Vorbringen des Beklagten ergibt.Der Rückgriff auf einen weniger ausdifferenzierten Wert als Quadratmeterhöchstgrenze, wie ihn der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden mit den Kosten für einen Energieverbrauch von 148 kWh pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche beschrieben hat, würde eine unzulässige Pauschalierung von Heizkosten bedeuten (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 19; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - Juris RdNr 19). Solche Schätzungen eines pauschalen Wertes "ins Blaue hinein" ohne gesicherte empirische Grundlage sind bei Bestimmung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht zulässig (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 RdNr 171); dies gilt für Regelbedarfe und Bedarfe für Unterkunft und Heizung gleichermaßen.
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cc) Da gleichwohl auch hinsichtlich der Aufwendungen für Heizung unangemessen hohe Kosten vom Träger der Grundsicherung nicht gezahlt werden müssen, eine abstrakte Festlegung dieser "angemessenen Aufwendungen" aber nicht möglich erscheint, hat eine Prüfung der Heizkosten auf ihre Angemessenheit hin allein orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalles zu erfolgen. Der Senat hat dabei ausgeführt, dass regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen ist, wenn bestimmte, von den Vorinstanzen in Bezug genommenen Grenzwerte überschritten werden, die der Senat den von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegeln" bzw dem "Bundesweiten Heizspiegel" entnimmt ( BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 21). Dem hat sich der 4. Senat angeschlossen (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - Juris RdNr 19). Trotz der Kritik insbesondere der Herausgeber des Heizspiegels an der von der Rechtsprechung aus diesen Werten abgeleiteten Funktion für das SGB II (vgl die Stellungnahme der co2online gGmbH vom 12.10.2012 unter http://www.heizspiegel.de/heizspiegelkampagne/hartz-iv/index.html), hält der Senat an dieser Rechtsprechung fest. Solange der jeweils örtlich zuständige Träger der Grundsicherung keine im dargestellten Sinne differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt hat, die zuverlässige Schlüsse auf einen Wert für grundsicherungsrechtlich angemessene Heizkosten in seinem Zuständigkeitsbereich zulassen, ist die Heranziehung eines Grenzwertes aus Gründen der Praktikabilität geboten; dementsprechend ist die Rechtsprechung des BSG in der Folge vom Gesetzgeber nicht korrigiert worden. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der hohe Grenzwert der energiepolitischen Zielsetzung eines Heizspiegels zuwiderläuft. Solche Zielsetzungen sind im Anwendungsbereich des SGB II aber nach den gesetzgeberischen Vorgaben unbeachtlich.
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Dem Grenzwert aus einem (bundesweiten oder kommunalen) Heizkostenspiegel kommt aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze zu mit der Folge, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur diese übernommen werden müssten. Auch diesem Wert liegt nämlich keine Auswertung von Daten zugrunde, die den Schluss zuließe, es handele sich insoweit um angemessene Kosten. Soweit der Senat (Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 22) formuliert hat, der Grundsicherungsempfänger könne "im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) geltend machen", folgt hieraus nichts anderes. Wie sich bereits aus dieser Entscheidung des Senats ergibt, markiert der Grenzwert nicht angemessene Heizkosten, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist; das Überschreiten des Grenzwertes kann lediglich als Indiz für die fehlende Angemessenheit angesehen werden ("im Regelfall"). Dies hat im Streitfall zur Folge, dass es dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger obliegt vorzutragen, warum seine Aufwendungen gleichwohl als angemessen anzusehen sind (aaO RdNr 23). Insofern führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast.
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Gegen die Heranziehung des Heizspiegels zur Bestimmung des Grenzwertes kann vorliegend nicht eingewandt werden, dass Wohnungen, die nicht durch eine zentrale Heizungsanlage, sondern durch Heizöfen beheizt werden, vom Heizspiegel nicht erfasst werden (so aber Cottmann/Hillebrand, info also 2011, 28). Mit dem Grenzwert soll nur ermittelt werden, ob von einem Heizkostenverbrauch ausgegangen werden muss, der vom Verbraucher üblicherweise als überhöht angesehen wird (vgl bereits BSG aaO RdNr 23). Dabei können als "Standardverhältnisse" durchaus die Werte für die drei am weitesten verbreiteten Energieträger bei einer zentralen Beheizung herangezogen werden.
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dd) Im vorliegenden Fall ist der maßgebliche Grenzwert überschritten. Dieser Grenzwert errechnet sich - wie der Senat bereits entschieden hat - aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche (dagegen nicht aus der Wohnfläche der konkret innegehabten Wohnung, vgl im Einzelnen BSG aaO RdNr 20) und - weil vorliegend ein kommunaler Heizspiegel nicht existiert - den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für Erdgas des "Bundesweiten Heizspiegels", der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (hier der Heizspiegel 2010). Da eine Absenkung auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen kann und sich die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ohnehin nicht aus dem Heizspiegel (im Sinne eines abstrakt angemessenen Quadratmeterhöchstwerts) ergeben, kommt den Werten des Heizkostenspiegels aus späteren Jahren keine Bedeutung zu. Ohne dass dies vorliegend abschließend entschieden werden muss, neigt der Senat wie das LSG dazu, bei Wohnungen, die mit einer Etagenheizung beheizt werden, zugunsten der Hilfebedürftigen den Wert für eine Gebäudefläche von 100 bis 250 qm zugrunde zu legen, weil diese den Verbrauchswerten einer Einzelheizanlage am nächsten kommen. Schließlich liegt nahe, für Energieträger, die im Heizspiegel nicht gesondert aufgeführt sind (Strom, Holz, Solarenergie oä), den jeweils kostenaufwändigsten Energieträger des Heizspiegels vergleichend zugrunde zu legen. Auch dies ist abschließend aber nicht zu entscheiden. Der Grenzwert bei der Beheizung einer Wohnung mit Gas (215 kWh pro qm x 50 = 10750 kWh) ist vorliegend - bei einem Gesamtverbrauch der Klägerin von nahezu 19 000 kWh pro Jahr und Kosten von etwa 1500 Euro im Jahr - in jedem Fall überschritten.
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ee) Das Überschreiten des Grenzwertes hat zunächst zur Folge, dass die Klägerin die Gründe dafür vorbringen muss, dass ihre Aufwendungen im Einzelfall gleichwohl als angemessen anzusehen sind. Personenbedingte Gründe (zB Bettlägerigkeit eines Angehörigen der Haushaltsgemeinschaft, Zugehörigkeit kleiner Kinder zur Bedarfsgemeinschaft oä), die die Rechtsprechung bislang in erster Linie als erheblich angesehen hat (BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23 RdNr 25; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 28), sind vorliegend nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.
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Der ungünstige energetische Standard einer Wohnung, den die Klägerin geltend macht und den die innegehabte Wohnung hier nach den Feststellungen des Gutachters (auch) ausweist, ist für sich genommen kein Grund im Einzelfall, der den Träger der Grundsicherung zur dauerhaften Übernahme von hohen Heizkosten als "angemessene" Aufwendungen verpflichtet. Soweit der Senat ein "unwirtschaftliches Heizverhalten" als Anknüpfungspunkt für eine Pflicht zur Kostensenkung angesehen hat, ist dies nicht dahin zu verstehen, dass nur "unvernünftiges", objektiv nicht begründbares Verhalten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers eine Pflicht zur Kostensenkung nach sich zieht. Auch unangemessen hohe (und damit unwirtschaftliche) Kosten, die der hilfebedürftige Leistungsempfänger nicht beeinflussen kann, berechtigten den Träger der Grundsicherung im Grundsatz nicht anders als bei überhöhten Unterkunftskosten Kostensenkungsmaßnahmen einzufordern.
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c) Stellen sich die tatsächlich wegen der Heizung anfallenden Aufwendungen damit auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Klägerin im Einzelfall als unangemessen hoch dar, ist in einem abschließenden Schritt zu prüfen, ob daraus eine Pflicht zur Senkung der Kosten folgt (vgl zur Kostensenkungsobliegenheit grundlegend BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 29 und im Anschluss etwa Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 14/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 28; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 14; BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 78/09 R - BSGE 106, 155 = SozR 4-4200 § 22 Nr 36, RdNr 14). Dies ergibt sich - auch wegen der bis zum 31.12.2010 nicht ausdrücklich genannten Aufwendungen für die Heizung (vgl Urteil des Senats vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 = Juris RdNr 22 und BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18) - aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, wonach die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen sind, wie es ihm nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
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aa) Wenn in einem Abrechnungszeitraum trotz eines vorangegangenen Hinweises (hier vom 29.1.2009) eine maßgebliche Kostensenkung durch Energieeinsparung nicht erzielt wird, kommt bei unangemessen hohen Aufwendungen für Heizung - wie bei überhöhten Kosten der Unterkunft auch - vor allem der in § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich genannte Wohnungswechsel als Maßnahme zur Kostensenkung in Betracht. Denn eine Kostensenkung durch Energieeinsparung ist dann entweder vom hilfebedürftigen Leistungsberechtigten nicht ernsthaft gewollt (und kann aber vom Träger der Grundsicherung nicht im Einzelfall "kontrolliert" und durchgesetzt werden) oder ist in der Wohnung aufgrund gebäude- und/oder wohnungsspezifischer Faktoren objektiv nicht zu erreichen oder macht Investitionen vor allem des Vermieters notwendig, die der hilfebedürftige Leistungsberechtigte als Mieter nicht erzwingen kann (und die überdies zu einer Erhöhung der Miete führen können).
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Der Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme wegen überhöhter Heizkosten ist aber nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Nur ein Wohnungswechsel, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist das von dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger geforderte "wirtschaftliche Verhalten". Ein Wohnungswechsel, der zwar zu niedrigeren Heizkosten, nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des hilfebedürftigen Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges. Stehen auf dem in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarkt keine Wohnungen zur Verfügung, in denen von dem Träger der Grundsicherung insgesamt niedrigere Kosten aufzubringen sind, bleibt es der Entscheidung des Einzelnen überlassen, ob er weiterhin in einer Wohnung, die entsprechende Nachteile eines ungünstigen energetischen Standards mit sich bringt, aus anderen Gründen (etwa wegen ihrer Lage oder ihres Zuschnitts) verbleiben will. Ein ungünstiger energetischer Standard der Wohnung bleibt insofern bei Prüfung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht unbeachtlich.
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In diesem Ergebnis sieht sich der Senat durch die Neuregelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II zum 1.1.2011 (mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011
) bestätigt. Danach muss eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren andere Beispielsfälle zur Diskussion standen (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98), bestätigt Satz 4 in der neuen Fassung die Möglichkeit eines zusammenfassenden Wirtschaftlichkeitsvergleichs hinsichtlich der gesamten Bruttowarmkosten (so auch Berlit in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 92; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2012, § 22 RdNr 166), ohne dass über die Einzelheiten der Regelung, die vorliegend unmittelbar noch nicht zur Anwendung kommt, zu entscheiden wäre.
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Im vorliegenden Fall wird das LSG nach Zurückverweisung also zu prüfen haben, welche Vergleichskosten für Unterkunft und Heizung sich auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ergeben, die der Beklagte nach einem Wohnungswechsel als angemessen zu zahlen hätte. Neben dem (gerichtlich voll zu überprüfenden) Wert, der sich für die Kosten der Unterkunft einer alleinstehenden Person als abstrakt angemessen ergibt, kann wegen der Kosten der Heizung im Ausgangspunkt auf die vom Beklagten in seiner Verwaltungspraxis als angemessen angesehenen (durchschnittlichen) Heizkosten zurückgegriffen werden. Jedenfalls vorliegend erscheinen diese mit rund 1 Euro pro qm und Monat insbesondere im Vergleich mit Durchschnittskosten aus den Betriebskostenübersichten des Deutschen Mieterbundes (0,84 Euro Kosten für Heizung
im Bundesdurchschnitt für das der streitigen Kostensenkung vorangegangene Abrechnungsjahr 2009) nicht unrealistisch niedrig. Die Werte des Heizspiegels, die nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt widerspiegeln, sind bei dieser Prüfung nicht heranzuziehen.
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Ergibt sich - was vorliegend angesichts der recht geringen Bruttokaltmiete möglich ist -, dass die tatsächlichen Gesamtaufwendungen der Klägerin diese Vergleichskosten nicht übersteigen, sind der Klägerin Kostensenkungsmaßnahmen iS des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht zumutbar. Die tatsächlich anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind dann weiterhin zu übernehmen. Übersteigen die tatsächlichen Gesamtkosten die genannten Vergleichswerte für Unterkunft und Heizung, ist eine Kostensenkung durch Wohnungswechsel im Grundsatz abzuverlangen, wenn im maßgeblichen Vergleichsraum Wohnungen zu diesem Gesamtpreis zur Verfügung stehen, wofür der Beklagte die materielle Beweislast trägt. Bei zutreffender Ermittlung eines abstrakt angemessenen Wertes für die Unterkunftskosten kann zwar davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu dieser abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete im örtlichen Vergleichsraum gibt (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46). Solange aber ein Umzug wegen der Höhe der Kosten der Heizung notwendig wird und die vom Beklagten als angemessen angesehenen Heizkosten (mangels entsprechend differenzierter Datenerhebung) einen abstrakt angemessenen Wert nicht wiedergeben, kann diese Vermutung nicht gelten. Es bleibt (ähnlich wie dies § 22a SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung vorgibt) dem kommunalen Träger überlassen, eine Datenermittlung zur Bestimmung eines differenzierten abstrakt angemessenen Wertes der Heizkosten im in Bezug zu nehmenden Wohnsegment durchzuführen oder entsprechende Wohnungen nachzuweisen.
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bb) Für die Zeit bis zum 31.8.2010 besteht ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (mithin in Höhe von weiteren 59,07 Euro monatlich), sodass die Revision der Klägerin insoweit in der Sache erfolgreich war. Erst mit dem 1.9.2010 war das einer Kostensenkung durch den Träger der Grundsicherung vorausgehende Kostensenkungsverfahren abgeschlossen; während der sechs vorangegangenen Monate war der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, die Kosten entsprechend den Vorgaben im Schreiben vom 29.1.2009 und vom 17.2.2010 zu senken. In dieser Zeit waren die tatsächlichen Kosten zu zahlen; erst danach kann der Beklagte - das Vorliegen der übrigen, oben dargelegten Voraussetzungen unterstellt - die Kosten rechtmäßig auf die angemessene Höhe senken.
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Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, aus dem nach der Rechtsprechung beider Senate (über den Wortlaut hinaus) neben der Obliegenheit zur Kostensenkung auch folgt, dass die Absenkung auf die nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Kosten ein Kostensenkungsverfahren voraussetzt, das den Hilfebedürftigen in die Lage versetzt, diesen Kostensenkungsobliegenheiten - regelmäßig innerhalb von sechs Monaten - nachzukommen(vgl insbesondere zur Kostensenkungsaufforderung wegen der Aufwendungen für Heizung BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - FEVS 60, 490 - Juris RdNr 22 und BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18 mwN ).
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Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen genügte die am 29.1.2009 ausgesprochene Aufforderung zur Senkung der Kosten für die vorliegend streitige Absenkung ab dem 1.6.2010 nicht. Dies liegt schon deshalb nahe, weil eine Kostensenkung vorrangig durch Energieeinsparungen bei jährlicher Abrechnung der entsprechenden Kosten durch ein Energieversorgungsunternehmen nicht innerhalb von sechs Monaten realisierbar ist und es angezeigt erscheinen könnte, wegen der Kostensenkung durch Einsparung von Energie (die wegen der Regelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF
§ 22 abs 3 sgb ii> jedenfalls dem Träger der Grundsicherung zugutekommt) regelmäßig einen längeren Zeitraum zur Änderung des Verbrauchsverhaltens zuzubilligen. Eine abschließende Entscheidung braucht hierüber aber nicht zu erfolgen, denn jedenfalls hat der Beklagte die zum 1.6.2009 angekündigte Absenkung von Kosten der Heizung nicht durchgeführt. Da auf die erste Kostensenkungsaufforderung hin über längere Zeit hinweg gleichwohl die Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind, durfte allein auf Grundlage dieser Kostensenkungsaufforderung eine Absenkung nicht mehr erfolgen (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 219/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 57 RdNr 21).
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Erst mit der Kostensenkungsaufforderung vom 17.2.2010 ist damit das für den vorliegend streitigen Zeitraum maßgebliche Kostensenkungsverfahren eingeleitet worden. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte inhaltlich auf die Anforderungen zur Kostensenkung im Schreiben vom 29.1.2009 Bezug genommen hat und das Schreiben vom 17.2.2010 weitergehende Hinweise nicht enthält. Es brauchten die weiteren Möglichkeiten zur Kostensenkung - insbesondere auch eine ggf bestehende Verpflichtung zum Wohnungswechsel - nicht im Einzelnen aufgezeigt werden. Der Klägerin war zuzumuten, die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage der bis dahin erteilten Hinweise zu treffen und verbliebende Zweifel durch entsprechende Rückfragen zu klären (vgl bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 15).
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Die Kostensenkungsaufforderung vom 17.2.2010 setzte damit eine Frist zur Senkung von Kosten innerhalb der folgenden sechs Monate in Gang. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, weshalb die mit der erneuten Kostensenkungsaufforderung ausgelöste Frist vorliegend nur verkürzt gelten sollte. Da eine Kostensenkung durch Energieeinsparung sich entgegen den Erwartungen des Beklagten nicht hatte realisieren lassen, musste der Klägerin - wollte sie einer Absenkung von Leistungen entgehen - andere Möglichkeiten der Kosteneinsparung prüfen. Insbesondere ein von ihr ggf zu erwartender Wohnungswechsel bedarf aber eines erneuten zeitlichen Vorlaufs, für den sechs Monate ohne Weiteres notwendig erscheinen.
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4. Das LSG wird abschließend ggf über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.