Sozialgericht Augsburg Urteil, 04. Sept. 2015 - S 2 R 931/14
Gericht
Principles
Tenor
I.
Die Klage gegen den Bescheid vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 wird abgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ob die Tätigkeit des Klägers als Softwareentwickler bei der Beigeladenen seit dem 08.01.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird.
Im Rahmen des Statusverfahrens machte der Kläger geltend, dass vom Finanzamt das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit bescheinigt wurde, ebenso von der Agentur für Arbeit. Er sei nicht eingegliedert in das Betriebsgefüge der Beigeladenen, außerdem handle es sich bei den vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln nicht um Arbeitsmittel im klassischen Sinne. Die Kontrollen der Arbeitsergebnisse seien kein Merk-mal für eine abhängige Beschäftigung, da es sich um die übliche Teilabnahme von Entwicklungsschritten handle. Außerdem müsse der Kläger auch keine Berichte für den Auftraggeber schreiben. Des Weiteren erledigte er auch Dokumentationsaufgaben in seinem eigenen Büro und sei nicht verpflichtet, sich bei der Beigeladenen an- und abzumelden bezüglich seiner Anwesenheit in den Räumen der Firma. Außerdem arbeite er nicht mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers zusammen.
Die Beigeladene machte Folgendes geltend:
Der Kläger entwickle autonom Projekte für den Auftraggeber, dabei bedürfe er auch keiner Unterstützung durch einzelne Mitarbeiter der Beigeladenen. Dass im Zusammenhang mit konkreten Projekten Besprechungen stattfinden würden, sei eine Selbstverständlichkeit und spreche nicht für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Arbeitsmittel würden in einem Windows PC, in einer speziellen Entwicklungsumgebung und in der Zurverfügungstellung von Messinstrumenten bestehen. Der Kläger setze im Übrigen als eigene Arbeitsmittel in seinem Home-Office ebenfalls ein Windows PC sowie ein Notebook ein. So weit von der Firma eine spezielle Entwicklungsumgebung bzw. Messinstrumente zur Verfügung gestellt werden, sei dies ausschließlich der Eigenart der einzelnen Entwicklungsprojekte geschuldet, bei der es der Firma teilweise auch von ihren eigenen Auftraggebern untersagt sei, Entwicklungstätigkeiten außerhalb des geschützten Bereiches der Firma vornehmen zu lassen. Vor diesem Hintergrund sei teilweise auch eine Tätigkeit des Klägers am Betriebssitz unabdingbar. Insoweit sei der Kläger jedoch autonom, ohne in den Betriebsablauf integriert zu sein, tätig. Der Kläger sei für die Beigeladene Zulieferer von Softwarekomponenten. Soweit Kontrollen stattfinden würden, sei dies nichts anderes als die Teilabnahme von Entwicklungsschritten wie bei jedem normalen Werkvertrag. Unzutreffend sei, dass der Klägern einen festen Stundenlohn erhalte. Es werde ein Stundensatz von 45 € verrechnet, sofern die Tätigkeit auf Basis des Zeitaufwandes abgerechnet werde. Ausweislich von § 3 Abs. 6 des vorgelegten Vertrages würden jedoch Aufträge auch im Rahmen von Festpreisen erfolgen, wo der Stundensatz keine Rolle spiele. Dies zeigten auch die vorgelegten Rechnungen. Außerdem seien bei Abrechnungen nach dem Zeitaufwand maximale Zeitgrenzen vereinbart, über die hinaus der Kläger keine Bezahlung beanspruchen könne.
Im Verwaltungsverfahren wurde außerdem eine Kopie der Vertraulichkeitsvereinbarung sowie der freie Mitarbeitervertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen vorgelegt.
Mit Bescheid vom 26.11.2013 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung darstellt und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Die Tätigkeit des Klägers bestehe darin, als Softwareentwickler entsprechende Software für die Beigeladene in deren Räumlichkeiten zu entwickeln. Der Kläger sei als Auftragnehmer in das Betriebsgefüge des Auftraggebers eingegliedert, außerdem stelle ihm der Auftraggeber Arbeitsmittel zur Verfügung und der Auftragnehmer arbeite am Betriebssitz des Auftraggebers. Es würden Besprechungen mit der Geschäftsführung und Mitarbeitern des Auftraggebers stattfinden. Außerdem erfolge eine Kontrolle der Arbeit beim Auftraggeber, auch erhalte der Kläger einen festen Stundenlohn. Für eine selbstständige Tätigkeit würde lediglich sprechen, dass der Auftragnehmer für mehrere Auftraggeber tätig sei und im eigenen Namen Werbung betreibe.
Die steuerliche Einordnung durch das Finanzamt sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht rechtsverbindlich. Dass der Kläger dokumentarische Aufgaben auch von seinem Büro aus erledige, sei dagegen irrelevant, da die Kernaufgabe seiner Tätigkeit ausschließlich in den Räumen des Auftraggebers erfolge.
Gegen den Bescheid erhoben sowohl der Kläger als auch die Beigeladene Widerspruch. Die Beigeladene verwies auf ihre bisherigen Ausführungen. Der Kläger machte geltend, dass er im Zeitraum Oktober 2011 bis März 2012 ein großes Projekt betreut habe, für dieses habe er neben dem von der Beigeladenen zur Verfügung gestellten PC ein eigenes Oszilloskop verwendet. Der Kläger sei bereits im Besitz dieses Oszilloskops gewesen und habe dieses dann für das Projekt verwenden können. Das Projekt hätte auf Werkvertragsbasis stattgefunden. Hinsichtlich der angesprochenen Kontrollen handle es sich um Teilabnahmen, die ab einer bestimmten Größe des Projekts völlig üblich seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Begründung entsprach im Wesentlichen dem Ausgangsbescheid. Im Übrigen verwies die Beklagte auf den freien Mitarbeitervertrag, nachdem eine Mitarbeit in allen Fragen der Softwareentwicklung und Realisierung erfolge. Laut dem Vertrag sei der Umfang der Mitarbeit mit der Beigeladenen abzustimmen. Die Beklagte machte daher geltend, dass kein Vertrag vorliege mit der Bezeichnung konkreter Termine und Arbeitsleistungen oder Werke. Aufgrund dessen sei der Kläger in seiner Tätigkeit nicht von vornherein dem Weisungsrecht der Beigeladenen entzogen, vielmehr seien in Bezug auf die Arbeitsleistung laufende Präzisierungen nötig. Insgesamt setze der Kläger daher vorwiegend seine eigene Arbeitskraft ein.
Hiergegen erhob der Kläger Klage. Mit Schriftsatz vom 17.12.2014 wies der Kläger darauf hin, dass auch der Arbeitgeber Klage erhoben habe zum Sozialgericht Ulm. Daher seien derzeit zwei Verfahren vor verschiedenen Sozialgerichten zur gleichen Rechtsfrage rechtshängig.
Mit Beschluss vom 20.02.2015 ordnete das Sozialgericht Augsburg zunächst das Ruhen des Verfahrens an. Mit Schreiben vom 20.03.2015 beantragte die Beigeladene das ruhende Verfahren wieder aufzunehmen. Auch der Kläger beantragte die Fortsetzung des Verfahrens. Im Verfahren vor dem Sozialgericht Ulm war am 08.04.2015 ein Gerichtsbescheid ergangen, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen worden war.
Die Beigeladene machte geltend, dass eine Entscheidung in der Sache daher durch das Sozialgericht Ulm nicht erfolgt war. Da im Gerichtsbescheid somit keinerlei Ausführungen zu den zu entscheidenden Rechtsfragen in der Sache zu finden seien, habe der Gerichtsbescheid keinerlei Auswirkungen auf das hier vorliegende Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg. Außerdem sei der Gerichtsbescheid nicht rechtskräftig. Die Beigeladene habe Berufung hiergegen eingelegt und gleichzeitig angeregt, das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Stuttgart bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens vor dem Sozialgericht Augsburg ruhend zu stellen. Im Übrigen machte sich die Beigeladene die bereits erfolgten Ausführungen des Klägers zu eigen. Es liege keine Eingliederung des Klägers in den Betriebsablauf der Beigeladenen vor. Insgesamt würden die Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit überwiegen. Außerdem verwies die Beigeladene auf einen Betriebsprüfungsbericht der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund für den Prüfungszeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2011. In diesem seien keinerlei Feststellungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages getroffen worden. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung sei nach klägerseitiger Information auch die Tätigkeit des Klägers geprüft worden. Insoweit sei daher das Verhalten der Beklagten in sich widersprüchlich. Außerdem sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Arbeitszeit frei einteilen könnte. Zudem entwickle der Kläger auch eigene Projekte insbesondere im Bereich sogenannter mobiler Apps und im Bereich Multicopter-Steue-rung. Schließlich habe der Kläger ausweislich des vorgelegten Vertrages für die Dauer von zwölf Monaten die Sachmängelgewährleistung für von ihm entwickelte Projekte übernommen und habe bei Mängeln kostenfrei nachzuarbeiten. Dies spräche gegen eine abhängige Beschäftigung. Außerdem trage der Kläger auch jegliches Risiko bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Es bestünden keine Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsansprüche.
Die Beklagte machte demgegenüber geltend, dass ein Unternehmerrisiko nicht bestehe. Maßgeblich für die Tätigkeit sei nicht die Verfügbarkeit eines PC, sondern der Zugriff auf spezielle Datenordner. Der in dem Mitarbeitervertrag nur grob umrissene Inhalt der Tätigkeit müsste von den verantwortlichen Projektleitern bzw. der Geschäftsleitung durch Einzelanweisung ausgefüllt werden. Typisch für die Beauftragung eines Selbstständigen mit der Übernahme eines Beratungs- und Dienstleistungsauftrages wäre die detaillierte Umschreibung des Leistungsumfangs. Liege eine solche nicht vor, spreche alles dafür, dass diese weitergehenden Angaben zu den Einzelheiten des Auftrags im Rahmen von Einzelanweisungen gegeben worden seien. Der angesprochene Betriebsprüfungsbericht erfülle nicht den Charakter einer Statusfeststellung, insbesondere auch nachdem es sich bei der Betriebsprüfung um eine Stichprobenprüfung handle.
Der Kläger teilte mit, dass das Verfahren vor dem LSG in Baden-Württemberg mit Beschluss vom 19.06.2015 zum Ruhen gebracht worden sei. Außerdem wurde mitgeteilt, dass es der ursprüngliche Plan des Klägers gewesen sei, in der Eigenentwicklung tätig zu sein. Um diese Tätigkeit zu finanzieren, sollten nebenher kleinere Auftrage angenommen werden. Neben dem bereits erwähnten Oszilloskop habe der Kläger im Jahr 2012 außerdem beispielsweise ein Arbeitsmikroskop für rund 200 € erworben.
Der Kläger beantragt
unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene ab 08.01.2010 eine selbstständige Tätigkeit ist und nicht als abhängige Beschäftigung erfolgt und daher nicht der Versicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Klägers an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.
Gründe
Die zulässige insbesondere form- und fristgerechte Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 26.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage war daher abzuweisen. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene ab 08.01.2010 eine abhängige Beschäftigung darstellt und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Maßstab für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung ist das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei an Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassend dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies vor allem bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist hängt im Ergebnis davon ab, welche Merkmale im Einzelnen überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG
Vor diesem Hintergrund enthält die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene sowohl Merkmale der Selbstständigkeit als auch Merkmale der abhängigen Beschäftigung. Insoweit war eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, welche Merkmale letztlich überwiegen. Aus Sicht des Gerichts sprechen zwar einige Argumente für eine selbstständige Tätigkeit, im Rahmen der Gesamtwürdigung überwiegen jedoch etwas mehr die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.
Zunächst ist festzustellen, dass der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts B-Stadt keine Auswirkung für das vorliegende Verfahren hinsichtlich der Frage hat, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Dies ergibt sich daraus, dass sich der Gerichtsbescheid allein mit Zulässigkeitsfragen der beim Sozialgericht Ulm erfolgten Klage auseinandersetzt.
Auch die Prüfmitteilung der DRV Bund vom 02.08.2012 über eine durchgeführte Betriebsprüfung hat entgegen des Vortrags der Beigeladenen keine Auswirkung auf das vorliegende Verfahren. In dieser Prüfmitteilung wurde lediglich mitgeteilt, dass die stichprobenweise durchgeführte Prüfung keine Feststellungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ergab. Aus dieser Prüfmitteilung resultiert kein Vertrauensschutz, insoweit handelt es sich nicht um einen Bescheid, sondern lediglich um eine Prüfmitteilung. Nach der Rechtsprechung des BSG
Ausgangspunkt ist zunächst der Vertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen (freier Mitarbeitervertrag). Die Beteiligten wollten, wie sich aus diesem Vertrag ergibt, eine selbstständige Tätigkeit des Klägers vereinbaren. Allein dieser Wille oder die Bezeichnung des Vertrages führt jedoch nicht dazu, dass die Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist. Diese Rechtsfolge kann von den Beteiligten nicht allein durch Vereinbarung bestimmt werden (LSG Schleswig-Holstein
Eine selbstständige Tätigkeit ergibt sich auch nicht aus dem fehlenden Urlaubsanspruch bzw. dem fehlenden Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Solche Regelungen sind vielmehr dann als typisch anzusehen, wenn beide Beteiligten eine selbstständige Tätigkeit wollen. Maßgeblich ist jedoch das Gesamtbild der Arbeitsleistung und die tatsächlichen Verhältnisse. Die Überbürdung sozialversicherungsrechtlicher Risiken abweichend vom Arbeitsrecht ist nur dann ein Indiz für ein unternehmerisches Risiko und eine selbstständige Tätigkeit, wenn damit gleichzeitig größere unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten und Chancen einhergehen. Urlaubsansprüche und Lohnfortzahlungsansprüche sind Rechte, die einem Arbeitnehmer bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zustehen und nicht disponibel sind. Sie können daher nicht als Indizien für bzw. gegen eine abhängige Beschäftigung angeführt werden (LSG Hamburg
Im freien Mitarbeitervertrag wurde vereinbart, dass der Kläger in allen Fragen der Softwareentwicklung und Realisierung bei der Beigeladenen mitarbeitet. Die Mitarbeit wurde laut Vertrag in Abstimmung mit der Geschäftsleitung organisiert, der Umfang der Mitarbeit sei mit der Beigeladenen abzustimmen. Diese Regelungen sprechen für eine abhängige Beschäftigung, auch wenn in § 2 des Vertrages ausgeführt wird, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass zwischen Ihnen kein Arbeitsverhältnis entstehen soll und die freie Mitarbeit keinen Weisungen des Auftraggebers unterliegt sowie der freie Mitarbeiter in der Wahl von Ort und Zeit seiner Tätigkeit frei ist. Nach Auffassung des Gerichts ist der Vertrag hinsichtlich der Mitarbeit des Klägers so unbestimmt gehalten, dass er erst durch weitere Anweisungen Vorgaben durch die Beigeladene hinreichend konkretisiert werden musste. Die einzelnen Arbeitseinsätze waren weder nach Anzahl, Dauer und Zeitpunkt im vornherein festgesetzt. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit kommt es daher auch darauf an, ob der Vertragsgegenstand hinreichend konkretisiert und bestimmt ist. Liegt eine solche ausreichende Bestimmung nicht vor, sondern bedarf es vielmehr noch Weisungen durch den Auftraggeber, liegt eine abhängige Beschäftigung vor (LSG Baden-Württemberg
Eine selbstständige Tätigkeit folgt auch nicht daraus, dass der Kläger im fachlichen Bereich keinen Weisungen der Beigeladenen unterlegen hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach der ständigen Rechtsprechung des BSG vor allem auch bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann, wenn der Beschäftigte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG
Eine Selbstständigkeit folgt auch nicht daraus, dass der Kläger berechtigt gewesen ist, sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter zu bedienen, das heißt nicht verpflichtet war, die Tätigkeit höchstpersönlich auszuführen. Die Befugnis, Tätigkeiten zu delegieren, ist allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit. Sie enthält keine Aussage darüber, inwieweit von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird oder überhaupt tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann. Zudem gibt es auch Arbeitsverhältnisse, bei denen es nicht zwingend auf die persönliche Arbeitsleistung ankommt (LSG Baden-Württemberg
Auch aus der Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, folgt nicht, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, kann zwar ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sein, weil der Betroffene damit den Umfang seiner Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen kann. Es sind jedoch auch im Rahmen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen Vertragsgestaltung nicht unüblich, die es zu großen Teilen dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehnt. Entscheidend kommt es darauf an ob der Betroffene, sobald er das Angebot annimmt, die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb ausübt. Allein wegen einer grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit ist kein selbstständiges Tätigwerden anzunehmen (LSG Baden-Würt-temberg
Eine selbstständige Tätigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Vorliegen einer Gewerbeanmeldung. Eine Gewerbeanmeldung ist kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, weil ein solcher Gewerbeschein ohne nähere Prüfung ausgestellt wird (§ 7 SGB IV Rn. 78 Kasseler-Kommentar). Hierbei erfolgt daher keine sozialversicherungsrechtliche Prüfung, daher ist eine Gewerbeanmeldung kein Beleg für eine selbstständige Tätigkeit.
Eine selbstständige Tätigkeit folgt auch nicht daraus, dass die Einkünfte des Klägers vom Finanzamt als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit qualifiziert werden. Insoweit besteht keine Bindungswirkung für die Beklagte (LSG Hamburg
Weiter kommt es für die Abgrenzung von einer selbstständigen Tätigkeit zu einer abhängigen Beschäftigung auch darauf an ob ein unternehmerisches Risiko vorliegt, d. h. ob eigenes Kapital und eigene finanzielle Mittel zur Erzielung eines im Zeitpunkt des Einsatzes ungewissen Unternehmensgewinns eingesetzt werden. Maßgeblich ist hierbei ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Geld zu erhalten (LSG Nordrhein-Westfalen
Vorliegend ist kein maßgebliches Unternehmerrisiko zu erkennen. Der Kläger beschäftigt kein eigenes Personal. Er hat zwar nach eigenen Angaben ein Oszilloskop und ein Arbeitsmikroskop als eigener Arbeitsmittel verwendet. Ein wesentliches unternehmerisches Risiko ist hierbei jedoch nicht erkennbar, da für die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen vor allem die spezielle Entwicklungsumgebung, d. h. Elektronik und insbesondere teure Messinstrumente erforderlich waren, und diese Arbeitsmittel nur bei der Beigeladenen vorhanden waren. Der Kläger verfügte über diese nicht in seinem Büro. Außerdem war es der Beigeladenen nach ihrem Vortrag teilweise auch von ihren eigenen Auftraggebern untersagt, Entwicklungstätigkeiten außerhalb des geschützten Bereichs der Beigeladenen vornehmen zu lassen. Aus diesem Grund war zumindest teilweise auch eine Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen unabdingbar.
Ein maßgebliches Unternehmerrisiko liegt nicht bereits darin, dass die Gefahr besteht, keinen Auftrag mehr zu erhalten. Es ist das Risiko jedes unständig Beschäftigten nach Ablauf des vereinbarten Arbeitseinsatzes wieder ohne Arbeit zu sein. Das Risiko, im Fall von Krankheit oder sonstigen Hinderungsgründen kein Entgelt zu erhalten, ist ebenfalls nicht entscheidend. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft spricht nur dann für eine Selbstständigkeit, wenn ihr gleichzeitig größere Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten gegenüberstehen.
Hinsichtlich der Vergütung ist feststellen, dass eine erfolgsabhängige Vergütung zunächst für eine selbstständige Tätigkeit spricht, da es sich um keine feste gleich bleibende Vergütung handelt, die ohne Rücksicht auf den Erfolg gezahlt wird. In einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis sind ausschließlich ergebnisorientierte Vergütungsbestandteile unüblich.
Vorliegend erfolgte die Vergütung unterschiedlich. Soweit eine Vergütung nach Stunden erfolgte, spricht dies für eine abhängige Beschäftigung. Soweit auch nach dem freien Mitarbeitervertrag teilweise eine Festpreisvergütung vereinbart war, spricht dies dagegen für eine selbstständige Tätigkeit. Im Rahmen der Gesamtabwägung führt dies allein jedoch nicht zum Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.
Nach Auffassung des Gerichts ist jedoch maßgeblich, dass eine Eingliederung des Klägers in organisatorisch funktionellem Sinne bei der Beigeladenen vorlag. Er war zwar nicht im engeren Sinne in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert, als dass er ständig auf Arbeitsplätzen im räumlichen Bereich der Beigeladenen tätig war. Er war jedoch insoweit in die Betriebsstruktur der Beigeladenen eingegliedert als er, wie sich aus dem Vertrag ergibt, in allen Fragen der Softwareentwicklung und Realisierung mitarbeitete und die Mitarbeit in Abstimmung mit der Geschäftsleitung organisiert wurde bzw. der Umfang der Mitarbeit mit der Beigeladenen abzustimmen war. Insoweit lag nach Auffassung des Gerichts eine organisatorisch funktionale Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beigeladenen vor.
Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Kläger teilweise auch von seinem eigenen Büro aus tätig wurde. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass allgemein aufgrund der technischen Möglichkeiten eine zunehmende zeitliche und örtliche Unabhängigkeit des Arbeitsleistenden vom Betrieb im Sinne einer räumlich festgelegten Organisationseinheit besteht. Aufgrund dieser Möglichkeiten kann allgemein Arbeit zu jeder Zeit und an jedem Ort ausgeführt werden, entscheidend kommt es daher nicht auf den örtlichen Arbeitsplatz an, sondern auf eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation im organisatorisch funktionierenden Sinne (Juris Praxis Kommentar § 7 SGB IV Rn. 105, 108). Diese Eingliederung war hier vorliegend gegeben. Diese Eingliederung ergibt sich nach Auffassung des Gerichts auch daraus, dass der Kläger für seine Tätigkeit die spezielle Entwicklungsumgebung und Messinstrumente benötigte, die nur bei der Beigeladenen vorhanden waren und nachdem es auch der Beigeladenen von ihren eigenen Auftraggebern teilweise untersagt war, Entwicklungstätigkeiten außerhalb dieses geschützten Bereichs vornehmen zu lassen. Nach Auffassung des Gerichts setzte der Kläger daher im Wesentlichen nur seine eigene Arbeitskraft ein, ohne dass ein maßgebliches unternehmerisches Risiko bestand.
Auch wenn keine festen Arbeitszeiten vereinbart waren, spricht die tatsächliche Durchführung für eine abhängige Beschäftigung und eine Eingliederung zumindest in organisatorisch funktionellem Sinne. Zwar konnte der Kläger entscheiden, ob er überhaupt für die Beigeladene tätig wird. Nach der Bereiterklärung war er jedoch organisatorisch funktional in den Betrieb eingegliedert. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass auch ein unständig Beschäftigter, der auf Grundlage einzelner Arbeitsverträge tätig wird, für die Zeiten dieser befristeten Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis steht, in dem er Weisungen unterworfen ist (LSG Hessen
Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch, dass der Kläger bei eigenem Ausfall wegen Krankheit oder anderer Umstände sich weder um eine Ersatzkraft bemühen noch die Kosten für eine Ersatzkraft tragen musste.
Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch, dass laut der vorliegenden Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für alle entstandenen Entwicklungen beim Auftraggeber liegen, sofern keine abweichende Regelung getroffen wird (LSG Rheinland-Pfalz
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht zwar, dass der Kläger eigene Werbung betreibt und auch für andere Auftraggeber tätig wird. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung war dies jedoch nicht entscheidend, so dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung insgesamt überwogen.
Nach alledem war die Klage unbegründet und somit abzuweisen.
Folglich sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Annotations
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.