Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 24. Apr. 2017 - 1 Ws 118/17

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2017:0424.1WS118.17.0A
bei uns veröffentlicht am24.04.2017

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Tenor

1. Der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 22. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 22. Februar 2017 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Rockenhausen hat den Beschwerdeführer am 21. Januar 2014 – rechtskräftig seit diesem Tage – wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

2

Nachdem der Verurteilte erneut straffällig geworden war und sich mittlerweile im Strafvollzug in der JVA Frankenthal (Pfalz) befand, hat die Kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) mit Beschluss vom 22. Februar 2017 die ihm gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

3

Dieser Beschluss ist dem Verurteilten am 28. Februar 2017 in der Justizvollzugsanstalt zugestellt worden. Mit Schreiben vom 8. März 2017, eingegangen bei Gericht am 13. März 2017, hat Frau K. im Auftrag (ihres) Verlobten, Herrn X das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (…) bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ eingelegt. Der Verurteilte könne weder in seiner Sprache noch in deutscher Sprache schreiben oder lesen. Er sei nicht in der Lage gewesen, mit dem ihm zugestellten Schriftstück etwas anzufangen, so dass er es ihr zugesandt habe. Für weitere Fragen könne sich das Gericht an Frau Rechtsanwältin Y wenden. Frau K. hatte dieses Schreiben unter Hinzufügung des Zusatzes „im Auftrag“ mit ihrem Namenszug unterzeichnet.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat in ihrer Zuschrift vom 12. April 2017 beantragt, die sofortige Beschwerde ebenso wie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zu verwerfen.

II.

5

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

6

1. Das Rechtsmittel ist zwar statthaft (§ 453 Abs. 2 S. 3 StPO) und zudem formgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist bereits dem Wortlaut nach im Namen des Verurteilten erhoben. Der Senat hegt an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Verlobten des Verurteilten, die auch mündlich erfolgen kann (Cirener, in: BeckOK-StPO, § 297, Rn. 8 [Stand: 1. Januar 2017]), keinen Zweifel. Diese konnte die aus ihrem Schreiben hervorgehende Sachkenntnis nur über den Verurteilten erlangt haben, so dass davon auszugehen ist, dass dieser sie beauftragt und mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet hat, seine Interessen in Bezug auf den angefochtenen Beschluss zu vertreten. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass das Rechtsmittel gegen den Willen des Verurteilten eingelegt worden wäre.

7

2. Die Beschwerde ist allerdings verfristet.

8

a. Die Wochenfrist nach § 311 Abs. 2 StPO ist nicht gewahrt.

9

b. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bereits unzulässig, da es an einer hinreichenden Begründung fehlt. Zur Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört ein Vortrag, der eigenes Verschulden ausschließt (Maul, in: KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 45, Rn. 6 m. w. N.). Von einem Analphabeten kann ebenso wie von einem sprachunkundigen Ausländer verlangt werden, dass er sich – wenn ihm ein ersichtlich amtliches Schriftstück förmlich zugestellt worden ist – darum bemüht, eine hinlängliche Kenntnis von dem Inhalt desselben zu erlangen (vgl. nur BVerfGE 42, 120 [125] = NJW 1976, 1021). Dementsprechend hätte sich die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches zu eben diesen Bemühungen verhalten müssen. Es fehlt allerdings an jeglichen Darlegungen, inwieweit der Verurteilte, der sich zum Zeitpunkt der Zustellung bereits in der Justizvollzugsanstalt befand, auf dortige Möglichkeiten zurückgegriffen hat. Zudem geht aus der Begründung nicht hervor, wann der Verurteilte den zugestellten Beschluss an seine Verlobte übersandt hat.

10

Einer schriftlichen Übersetzung des Widerrufsbeschlusses bedurfte es nicht (vgl. § 187 Abs. 2 S. 1 GVG). Denn zum einen hat sich der Verurteilte nicht auf mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache, sondern auf Analphabetismus berufen. Zum anderen ist die Vorschrift im Strafvollstreckungsverfahren nicht anwendbar (OLG Köln, NStZ 2014, 229).

III.

11

Die Kostenentscheidung folgt § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Da die Beschwerde nicht ohne den Willen des Verurteilten eingelegt wurde, hat er selbst die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (vgl. OLG Hamm, NJW 2008, 3799 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Mai 2012 – III-3 Ws 52/12, BeckRS 2012, 10839).

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 311 Sofortige Beschwerde


(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung. (3) Das Gericht ist zu einer

Strafprozeßordnung - StPO | § 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt


(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 187


(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Besc

Referenzen

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.

(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.

(1) Das Gericht zieht für den Beschuldigten oder Verurteilten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Das Gericht weist den Beschuldigten in einer ihm verständlichen Sprache darauf hin, dass er insoweit für das gesamte Strafverfahren die unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen kann.

(2) Erforderlich zur Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ist in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen. Eine auszugsweise schriftliche Übersetzung ist ausreichend, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Die schriftliche Übersetzung ist dem Beschuldigten unverzüglich zur Verfügung zu stellen. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann eine mündliche Übersetzung der Unterlagen oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts der Unterlagen treten, wenn hierdurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

(3) Der Beschuldigte kann auf eine schriftliche Übersetzung nur wirksam verzichten, wenn er zuvor über sein Recht auf eine schriftliche Übersetzung nach den Absätzen 1 und 2 und über die Folgen eines Verzichts auf eine schriftliche Übersetzung belehrt worden ist. Die Belehrung nach Satz 1 und der Verzicht des Beschuldigten sind zu dokumentieren.

(4) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die nach § 395 der Strafprozessordnung berechtigt sind, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.