Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 22. Jan. 2018 - 1 OWi 2 Ss Bs 92/17, 1 OWi 2 SsBs 92/17

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:0122.1OWI2SS.BS92.17.00
bei uns veröffentlicht am22.01.2018

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Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landstuhl vom 28. August 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den Bußgeldrichter des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf dessen rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 12. Oktober 2016 (Az.: 500.02459957.7) mit Urteil vom 28. August 2017 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h mit einer Geldbuße von 160,-- EUR belegt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung; auf die daneben erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es nicht an.

I.

2

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt der Betroffene am 9. Juli 2016 als Fahrer eines PKWs auf der BAB 6 im Bereich des Autobahnkilometers 629,3 in Fahrtrichtung Mannheim die dort mittels Verkehrszeichen angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h - nach Abzug einer Toleranz - um 44 km/h.

II.

3

Das Amtsgericht hat sich auf Grundlage des von ihm in Augenschein genommenen Messbildes, den Ausführungen eines hierzu gehörten Sachverständigen sowie der Inaugenscheinnahme einer von dem Sachverständigen gefertigten Bildtafel die Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen verschafft. Die hierzu gegebenen Ausführungen des Amtsgerichts sind indes lückenhaft und einer rechtlichen Prüfung nicht in vollem Umfang zugänglich.

1.

4

Nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hat das Amtsgericht den zur Bußgeldakte gelangten papiernen Ausdruck des Messbildes aufgrund von dessen schlechter Qualität für ungeeignet gehalten, um eine hinreichend sichere Wiedererkennung des Fahrers zu ermöglichen. Es hat deshalb die Akten zunächst gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG an die Bußgeldbehörde zu weiterer Sachaufklärung zurückverwiesen. Nach erneuter Vorlage der Bußgeldakte hat sich das Amtsgericht im Hauptverhandlungstermin vom 28. August 2017 ein mündliches Gutachten des Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten Dr. C. S. unter Verwendung einer vom Sachverständigen angefertigten Bildtafel erstatten lassen. Die Bildtafel enthielt Hochglanzabdrucke des (vergrößerten) Messbildes sowie dreier Bearbeitungsstufen dieser Aufnahme, die den Bereich des Fahrers zeigen (Vergrößerung, Heraufsetzung der Helligkeit sowie Veränderung des Kontrastes). Nach den Urteilsausführungen ermittelte der Sachverständige auf dem (bearbeiteten) Lichtbild zwanzig Merkmale, anhand derer er den im Termin anwesenden Betroffenen mit dem Messbild abgeglichen hat. Hierzu enthält das angegriffene Urteil (UA S. 4) folgende Ausführungen:

5

"Nach Durchführung des Abgleichs kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass alle Merkmale übereinstimmen, eine Identität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt und damit auch ein blutsverwandter Fahrer ausgeschlossen werden konnte. Dies liege an der hohen Anzahl von Merkmalen und der hohen Individualität der Merkmale. Der Sachverständige erläuterte das von ihm vergebene Wahrscheinlichkeitsprädikat dann anhand der einzelnen Merkmale. In der Stirnregion kann ein hohes freistehendes Schläfenbein festgestellt werden. Die Oberlidregion zeigt ebenfalls eine hohe, breite Zone. Hierauf folgt eine breite Nasenwurzel mit flachwinkligem Übergang, dichten Augenbrauen, wobei die linke ansteigt und die rechte gradlinig verläuft. Der Nasenrücken ist nicht gerade mit Tendenz nach links und leichter Asymmetrie. Die Nasenkuppe zeigt eine längliche Ausformung, was Brauen und Nase zu einem stark individuellen Erkennungsmerkmal macht. Die Nasenflügel sind an der Seite abgesetzt mit flachen Unterrand. Die Mundspalte zeigt ein deutliches Lippenrot, oben niedrig, unten stärker. Die Hautoberlippenzone weist eine längliche Rinne auf und seitliche Furchenbildung. Die Wangenbeine sind anliegend und es handelt sich bei dem Gesicht um eine längliche Schildform. Besonders markant sind die übereinstimmenden Merkmale bei den Ohren, die beide sichtbar sind. Die Stellung ist nach außen gerichtet, nicht anliegend, wobei dies links mehr als rechts ausgeprägt ist. Der Außenrand steigt an, fällt aber nicht gleich nach unten, sondern gerundet in Richtung Ohrmuschel und zeigt eine Verbreiterung in einen Darwin`schen Höcker als besondere Ohrenausprägung. Die Scheitelhelix ist ausgestellt.

6

Das Gericht hat das Gutachten anhand der markanten Kriterien nachvollziehen und mit dem Betroffenen direkt abgleichen können. (..) Die Kombination von Wiedererkennungsähnlichkeit dank eigener Anschauung des Gerichts und sachverständigerweise festgestellter, auch nachvollziehbarer Identität des Betroffenen mit dem abgelichteten Fahrer haben das Gericht sodann zu der Überzeugung geführt, dass dem Betroffenen der Verkehrsverstoß als Fahrer vorzuwerfen ist."

2.

7

Diese Ausführungen erfüllen nicht in vollem Umfang die Anforderungen, die an die Urteilsgründe in Fällen der Identifizierung anhand eines Lichtbildes zu stellen sind.

8

Die Identifizierung eines Betroffenen als Täter im Bußgeldverfahren erfordert vom Bußgeldrichter in einem ersten Schritt die Prüfung, ob das bei der Akte befindliche Messbild - ggfs. nach Bearbeitung - überhaupt für eine Identifizierung geeignet ist. Notwendig dafür ist, dass aus dem Foto hinreichend viele individuelle körperliche Merkmale extrahierbar sind. Diese Merkmale sind dann in einem zweiten Schritt zu erfassen und mit der Vergleichsperson in Abgleich zu bringen (Gübner in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 2510). Liegt die Bedeutung der für maßgeblich gehaltenen morphologischen Merkmale nicht auf der Hand und bedient sich der Tatrichter (deshalb) eines Sachverständigen, so sind dessen Ausführungen unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wenigstens insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist. Im Einzelnen gilt:

9

a) Bei der Beurteilung, ob das Messbild Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers sein kann, sind der - grundsätzlich freien - Beweiswürdigung des Tatrichters Grenzen gesetzt. Ein sehr unscharfes Foto oder eine Aufnahme, auf dem das Gesicht des Fahrers nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, ist für eine Identifizierung durch bloßen Vergleich mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen nach den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens regelmäßig allenfalls eingeschränkt geeignet. Je nach Qualität und Inhalt des Bildes können sich ein Vergleich mit dem persönlich anwesenden Betroffenen und der Schluss auf seine Täterschaft in einem solchen Fall sogar von vornherein als schlechterdings unmöglich und willkürlich erweisen (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005 - 1 StR 91/04, NZV 2006, 160, 161). Sieht der Tatrichter den Betroffenen in einem solchen Fall gleichwohl allein aufgrund des durchgeführten Vergleichs mit einem qualitativ mangelhaften Messbild als überführt an, so leidet das Urteil an einem Rechtsfehler, der im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Sachrüge beanstandet werden kann. Die Wertung und Würdigung, ob das Lichtbild eine geeignete Grundlage für die Überzeugungsbildung darstellen kann, ist - wenn auch beschränkt auf den Maßstab, den die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und die Erfahrungssätze des täglichen Lebens vorgeben - vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar. Die Urteilsgründe müssen daher so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto hinreichende individualisierende Merkmale des Fahrers wiedergibt, die eine Identifizierung ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er - wie hier - in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verweist. Aufgrund wirksamer Verweisung wird das zu Vergleichszwecken herangezogene Lichtbild dann zum Bestandteil der Urteilsgründe. Dem Rechtsmittelgericht wird hierdurch eine Würdigung und Beurteilung der Tauglichkeit des Lichtbilds aus eigener Anschauung eröffnet (Senat, Beschluss vom 26.06.2000 - 1 Ss 137/00, juris Rn. 7). Ist das bei der Akte befindliche Messbild als Grundlage für einen Vergleich mit dem Betroffenen uneingeschränkt geeignet, obliegt dieser grundsätzlich allein dem Tatrichter. Eine Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht insoweit grundsätzlich versagt. Die Rechtsbeschwerde kann daher mit der schlichten Behauptung nicht durchdringen, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch. Das folgt auch daraus, dass eine solche Prüfung eine Inaugenscheinnahme des Betroffenen voraussetzte, also ohne eine - unzulässige - (teilweise) Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich wäre.

10

aa) Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind bei einem uneingeschränkt zur Identifizierung geeigneten Foto in den Urteilsgründen auch keine darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers erforderlich. In diesem Fall bedarf es weder einer Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden. Solche Ausführungen wären überflüssig und ohne Wert: Die Überprüfung, ob der Betroffene mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre ihm zudem unmöglich. Als Grundlage für die Überprüfung der generellen Ergiebigkeit des Fotos könnten Beschreibungen der Abbildung dem Rechtsmittelgericht keine besseren Erkenntnisse vermitteln, als sie ihm aufgrund der - durch die Bezugnahme ermöglichten - eigenen Anschauung zur Verfügung stehen (Gübner aaO., Rn 2535 mwN.). Handelt es sich um ein Foto aus einer Verkehrsüberwachung, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtszüge hinreichend wiedergibt, wird im Regelfall in Fällen verfahrensordnungsgemäß erfolgter Verweisung in den Urteilsgründen die Mitteilung ausreichen, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Lichtbild um ein - nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes - Radarfoto (Foto einer Rotlichtüberwachungsanlage usw.) handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt. Weitere Angaben sind, um den Verständniszusammenhang zu wahren, nicht erforderlich.

11

bb) Ist das Foto demgegenüber - etwa aufgrund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts (z.B. Verdeckung von Teilen des Gesichts) - zur Identifizierung eines Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter auch in Fällen eines wirksam erfolgten Einbezugs nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.1995, 4 StR 170/95, juris Rn. 19 = BGHSt 41, 376, 384). Dabei sind umso höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 09.08.2011 - (2 B) 53 Ss-OWi 186/11 (89/11), juris Rn. 9). Die auf dem Foto trotz der vorhandenen qualitativen Mängel nach Auffassung des Tatrichters noch hinreichend erkennbaren charakteristischen Merkmale sind zu benennen und zu beschreiben (Senat, Beschluss vom 26.06.2000 - 1 Ss 137/00, juris Rn. 9). Die Zahl der morphologischen Merkmale, auf die der Tatrichter seine Überzeugung stützt, kann dabei umso kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher wiederzuerkennen. Dagegen muss die Beschreibung umso mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls mitzuteilen. Im Übrigen ist allerdings zu bemerken, dass in solchen Fallkonstellationen die sonstige Beweissituation nicht außer Betracht bleiben darf. Bestreitet der Betroffene mit näheren Ausführungen, der Fahrer gewesen zu sein, und benennt er etwa andere Personen, die als Fahrer in Betracht kommen, so kann eine eingehendere Darstellung der Beweiswürdigung - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer erweiterten Beweisaufnahme - geboten sein. Umgekehrt kann eine Gesamtwürdigung aller Umstände - der sich aus dem Foto ergebenden Anhaltspunkte sowie weiterer Indizien - etwa der Haltereigenschaft, der Fahrtstrecke oder -zeit - auch dann zur Überführung des Betroffenen ausreichen, wenn der Vergleich des Fotos mit dem Betroffenen für sich allein diesen Schluss noch nicht rechtfertigen kann.

12

cc) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Tatrichter - wie hier - ein anthropologisches Identitätsgutachten eingeholt und verwertet hat (Gübner aaO., Rn. 1774 und 2543 mwN.). Misst das Tatgericht einem solchen Sachverständigengutachten Beweisbedeutsamkeit bei, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch gerade in Bußgeldsachen nur gedrängt) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wenigstens insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08, juris Rn. 10; Beschluss vom 29.12.2016 - 3 Ss OWi 1566/16, juris Rn. 7). Der Umfang der Darlegungspflicht hängt dabei von der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, der der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt, ab (BGH, Urteil vom 27.10.1999 - 3 StR 241/99, NStZ 2000, 106). Weil es sich bei einem anthropologischen Identitätsgutachten nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode handelt (vgl. Rösin/Quarch/Danner, Zur Wahrscheinlichkeitsaussage im morphologischen Identitätsgutachten, NStZ 2012, 548), bei der sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann (BGH, Beschluss vom 19.08.1993 - 4 StR 627/92, NStZ 1993, 592; Urteil vom 15.02.2005 - 1 StR 91/04, NStZ 2005, 458; KG, Beschluss vom 10.08.2017 - 3 Ws (B) 202/17, VRS 132, 58, 59), muss den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen sowie der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung zu entnehmen sein. Dies erfordert insbesondere eine Benennung der vom Sachverständigen aus dem Messbild herausgearbeiteten morphologischen Merkmale. Sind diese Merkmale der bei der Bußgeldakte befindlichen Aufnahme nicht ohne weiteres zu entnehmen, ist zur Verständlichkeit des Gutachtens zudem in den Urteilsgründen die Methodik nachvollziehbar zu machen, mit der der Sachverständige gleichwohl die von ihm zugrunde gelegten Merkmale extrahiert und mit dem Betroffenen abgeglichen hat (OLG Celle, Beschluss vom 06.11.2012 - 311 SsBs 136/12, NZV 2013, 47, 48). Fehlt es an entsprechenden Ausführungen, kann dies die Besorgnis begründen, dass für maßgeblich gehaltene Merkmale nicht an dem Lichtbild und dem darauf abgebildeten Fahrer ausgerichtet worden sind, sondern anhand der Physionomie des Betroffenen ermittelt wurden. Ein solches Vorgehen wäre fehlerhaft. Denn es beinhaltet die Gefahr, dass das Tatgericht von ihm für maßgeblich gehaltenen Merkmale des in Augenschein genommenen Betroffenen in die vorhandene Aufnahme "hineininterpretiert", obgleich diese wegen ihrer schlechten Qualität auch anderen Deutungen zugänglich ist. Neben der Mitteilung der anhand des Lichtbilds ermittelten Kriterien ist anzugeben, in welchem Maße der Sachverständige diesbezügliche Übereinstimmungen mit dem Betroffenen festgestellt hat. Ferner sind Angaben erforderlich, welche Aussagekraft er diesen einzelnen Merkmalen jeweils zugemessen und mit welchem Gewicht er sie jeweils in seine Gesamtbewertung eingestellt hat (BGH, Urteil vom 20.03.1991 - 2 StR 610/90, NStZ 1991, 596, 597; OLG Bamberg, Beschluss vom 29.12.2016 - 3 Ss OWi 1566/16, juris Rn. 7). Dies erfordert regelmäßig eine Gewichtung der herangezogenen einzelnen Merkmalsausprägungen in Bezug auf ihre Häufigkeit in der jeweiligen ethnischen Gruppe (Gübner aaO. Rn. 2545), die sinnvollerweise durch eine Einteilung in Wichtungsklassen transparent zu machen ist. Konkreter Angaben zum statistischen Verbreitungsgrad einzelner Merkmale in der Gesamtbevölkerung bedarf es dagegen allenfalls dann, wenn der Sachverständige seine Bewertung auf eine Wahrscheinlichkeitsberechnung gestützt hat (Thüringer OLG, Beschluss vom 20.10.2011 - 1 Ss Bs 31/11 (109), juris Rn. 16 [unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Gutachten zum Stand der anthropologischen Wissenschaft bei Aufgabe früherer Rechtsprechung]; OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.03.2007 - Ss (OWi) 4/07, NStZ 2008, 652; OLG Bamberg, Beschluss vom 06.04.2010 - 3 Ss OWi 378/10, zfs 2010, 469; Beschluss vom 29.12.2016 - 3 Ss OWi 1566/16, juris Rn. 7 [jew. zur Wahrscheinlichkeitsberechnung]; OLG Celle, Beschluss vom 06.11.2012 - 311 SsBs 136/12, NZV 2013, 47, 48; KG Berlin, Beschluss vom 10.08.2017 - 3 Ws (B) 202/17, VRS 132, 58, 60; vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 27.10.1999 - 3 StR 241/99, NJW 2000, 1350, 1351; Gabriel/Huckenbeck/Kürpiers, Über die Fragwürdigkeit der Berechnung einer Identitätswahrscheinlichkeit in anthropologischen Gutachten, NZV 2014, 346). In den übrigen Fällen unterliegen die Beurteilung der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Merkmalsausprägungen und damit die Einschätzung der Wichtigkeit der Merkmalsausprägung der Schätzung eines erfahrenen, morphologisch geschulten Sachverständigen (BGH, Urteil vom 15.02.2005 - 1 StR 91/04, NStZ 2005, 458, 549; Thüringer OLG aaO. Rn. 17 f.). Auch diese Einschätzung ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung ihrer Schlüssigkeit zu ermöglichen, in den Urteilsgründen wiederzugeben um erkennbar zu machen, inwieweit die Häufigkeit des einzelnen Merkmals in der Bevölkerung zutreffend wiedergespiegelt werden kann oder ob es sich nur um mehr oder weniger genaue Anhaltswerte handelt. (OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.03.2007 - Ss (OWi) 4/07, NStZ 2008, 652, 653).

13

Eine besonders kritische und in den Urteilsgründen auch nachvollziehbar gemachte Würdigung der Einschätzung des Sachverständigen durch den Tatrichter ist in diesem Zusammenhang insbesondere dann veranlasst, wenn - wie hier, vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 02.10.2007 - 19 U 8/07, juris sowie https://www.merkur.de/bayern/...html und https://www.waz.de/staedte/bochum/...html - belastbare Hinweise darauf vorliegen, dass sich gutachterliche Äußerungen des gewählten Sachverständigen in früheren Verfahren als nicht nachvollziehbar oder gar unrichtig erwiesen haben (OLG Braunschweig aaO. zum Sachverständigen "Dr. CS"). Es kann sich aus diesem Grund auch die Heranziehung eines weiteren Sachverständigen anbieten.

14

b) Die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angegriffenen Urteil werden diesen Anforderungen nicht uneingeschränkt gerecht.

15

aa) Den Urteilsgründen ist - wenn auch in sehr knapper Form - zwar die Gewichtung zu entnehmen, die der Sachverständige den von ihm im Rahmen der Vergleichsbeurteilung herangezogenen Merkmalen beigemessen hat. Danach waren sämtliche der auf "dem Lichtbild" ermittelten 20 Merkmale von "hoher Individualität", wobei Auffälligkeiten im Bereich der Brauen und der Nase diesen zu einem "stark individuellen Erkennungsmerkmal" machten.

16

bb) Die Urteilsgründe verhalten sich aber nicht zu der Frage, wieso und anhand welcher Methodik dem Sachverständigen - und ihm folgend dem Amtsgericht - auf der Grundlage des vorhandenen Messbildes eine hinreichend sichere Ermittlung der beschriebenen individuellen Merkmale möglich gewesen war. Das Urteil erweist sich in diesem Punkt daher als nicht nachvollziehbar und somit rechtsfehlerhaft.

17

(a) Der Tatrichter hat hier zwar in hinreichend deutlicher Weise (vgl. zu den Anforderungen an die Bezugnahme: BGH, Urteil vom 28.01.2016 - 3 StR 425/15, NStZ-RR 2016, 178; OLG Bamberg, Beschluss vom 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16, juris Rn. 6 f) von der Möglichkeit einer Verweisung auf das Messbild sowie auf dessen Bearbeitungsstufen in der vom Sachverständigen vorgelegten Bildtafel nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Gebrauch gemacht. Einer näheren textlichen Beschreibung der Abbildungen bedurfte es nach den vorbeschriebenen Grundsätzen daher im rechtlichen Ausgangspunkt nicht, weil dem Senat damit die Bilder selbst als Anschauungsobjekt zur Verfügung stehen.

18

(b) Nicht entbehrlich waren aber Ausführungen dazu, weshalb das Messbild bzw. dessen Bearbeitungsstufen dem Amtsgericht eine Identifizierung erlaubten, obgleich sie - wie der Senat aufgrund der in verfahrensordnungsgemäßer Weise erfolgten Verweisung selbst beurteilen kann - von nur geringer Qualität sind. Die nur als Kopie zur Akte gelangte Abbildung ist stark überbelichtet, der den Fahrer betreffende Bereich der Aufnahme weist einen nur geringen Kontrast- und Auflösungsgrad auf. Diese qualitativen Mängel der ursprünglichen Aufnahme sind durch die vom Sachverständigen veranlassten Bearbeitungen nur zum Teil behoben. Der Auflösungsgrad der Aufnahme ist durch die im Rahmen der Bearbeitung erfolgte Vergrößerung eher noch schlechter geworden. Insbesondere die Bereiche des Halses, des Kinns und der Augenpartie sind von einem hohen Grad an Bildrauschen geprägt; Einzelheiten sind nur schemenhaft erkennbar. Dem Lichtbild bzw. dessen Bearbeitungsstufen lassen sich die vom Amtsgericht für maßgeblich gehaltenen morphologischen Eigenschaften bzgl. des darauf abgebildeten Fahrers damit nur ansatzweise entnehmen. Allenfalls die Ausführungen des Amtsgerichts zu der Form des Kopfes der abgelichteten Person sowie den beschriebenen Merkmalen der Ohren sind für den Senat noch ohne weiteres nachvollziehbar. Mangels entsprechender Ausführungen im Urteil kann der Senat hingegen nicht nachvollziehen, auf welche Weise der sachverständig beratene Bußgeldrichter trotz der minderen Qualität der Aufnahme im Übrigen zu hinreichend sicheren Feststellungen gekommen ist, namentlich betreffend der - von ihm als stark individualisierend gewichteten - Merkmalen der Brauen- und Nasenregion des abgelichteten Fahrers.

19

Dieser Darstellungsmangel erfordert die Aufhebung des Urteils insgesamt.

III.

20

Die Sache gibt Anlass zu dem Hinweis, dass auch außerhalb des Messbildes liegende Indizien, die für die Fahrereigenschaft des Betroffenen sprechen, im Rahmen der auf einer Gesamtwürdigung gestützten Überzeugungsbildung herangezogen werden können. Hierbei können insbesondere die Person des Halters und dessen Beziehung zum Betroffenen Relevanz entfalten, wenn sich daraus Rückschlüsse ergeben, dass der Betroffene Zugriff auf den verfahrensgegenständlichen PKW hatte.

21

Der Senat hatte keinen Anlass, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Sache an eine andere Abteilung oder ein anderes Amtsgericht zu verweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

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(2) Ist der Einspruch zulässig, so prüft die Verwaltungsbehörde, ob sie den Bußgeldbescheid aufrechterhält oder zurücknimmt. Zu diesem Zweck kann sie

1.
weitere Ermittlungen anordnen oder selbst vornehmen,
2.
von Behörden und sonstigen Stellen die Abgabe von Erklärungen über dienstliche Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77a Abs. 2) verlangen.
Die Verwaltungsbehörde kann auch dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er im weiteren Verfahren zu seiner Entlastung vorbringen will; dabei ist er darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.

(3) Die Verwaltungsbehörde übersendet die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht, wenn sie den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmt und nicht nach Absatz 1 Satz 1 verfährt; sie vermerkt die Gründe dafür in den Akten, soweit dies nach der Sachlage angezeigt ist. Die Entscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht und deren Gewährung (§ 49 Abs. 1 dieses Gesetzes, § 147 der Strafprozessordnung) erfolgen vor Übersendung der Akten.

(4) Mit dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde auf sie über. Die Staatsanwaltschaft legt die Akten dem Richter beim Amtsgericht vor, wenn sie weder das Verfahren einstellt noch weitere Ermittlungen durchführt.

(5) Bei offensichtlich ungenügender Aufklärung des Sachverhalts kann der Richter beim Amtsgericht die Sache unter Angabe der Gründe mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen; diese wird mit dem Eingang der Akten wieder für die Verfolgung und Ahndung zuständig. Verneint der Richter beim Amtsgericht bei erneuter Übersendung den hinreichenden Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit, so kann er die Sache durch Beschluß endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückgeben. Der Beschluß ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 91/04
vom
15. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der am
25. Januar 2005 begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 15. Februar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Sitzung vom 25. Januar 2005,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte in der Sitzung vom 15. Februar 2005
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 23. September 2003 wird verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räub erischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, bleibt ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 27. Februar 2003 betrat der Angeklagte um 23.22 Uhr den Verkaufsraum einer Tankstelle in M. , bedrohte die dort tätige Angestellte B. mit einer Pistole und forderte sie zur Herausgabe des sich in der Kasse befindlichen Geldes auf. Die Zeugin glaubte zunächst an einen Scherz, sah dem Angeklagten aber mehrere Sekunden lang ins Gesicht und merkte,
daß er es ernst meinte. Unter dem Eindruck der auf sie gerichteten Pistole, von der das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausging, daß es sich um eine Spielzeugpistole handelte, gab die Zeugin dem Angeklagten 1.340 Euro. Danach führte der Angeklagte die Zeugin in einen Bereich der Tankstelle , von dem aus sie nicht beobachten konnte, in welche Richtung der Angeklagte das Tankstellengelände verließ. Der Überfall dauerte höchstens fünf Minuten.
Aufgrund des Fahndungsfotos in der örtlichen Zeitung a m 4. März 2003 erkannten die in einer Spielothek tätigen Zeuginnen K. und He. den Angeklagten als einen ihrer Stammgäste wieder. Bei dem Fahndungsfoto handelte es sich um den Abdruck eines der von den in der Tankstelle installierten Überwachungskameras gefertigten Fotos. Nach einem Hinweis der ZeuginK. erfolgte die Festnahme am 11. März 2003 in der Spielothek.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Er sei die gan ze Nacht zuhause in der elterlichen Wohnung gewesen. Wegen seiner Drogenprobleme sei es ihm untersagt gewesen, abends die Wohnung zu verlassen.
Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaf t des Angeklagten vor allem auf die Zeugin B. gestützt. Die Zeugin habe ihn bei der am 12. März 2003 erfolgten Wahllichtbildvorlage wiedererkannt. Daß sie hierfür eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent angegeben habe, sei "vorsorglich" geschehen. In Wirklichkeit sei sie schon damals ziemlich sicher gewesen. Wiedererkannt habe sie den Angeklagten an dem dunkelbraunen Oberlippenund Kinnbart und dem Drei-Tage-Bart an den Wangen sowie an der schlanken
Figur und der ungewöhnlich großen, vorne spitz zulaufenden Nase. Bereits in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 28. Februar 2003 habe sie den Täter als 25 bis 26 Jahre und 170 bis 180 cm groß beschrieben. Tatsächlich sei der Angeklagte zur Tatzeit 26 Jahre alt gewesen und 171 cm groß. Die Täterbeschreibung stimme überdies mit den von den Überwachungskameras gefertigten Bildern überein. Auch die Strafkammer stellte eine sehr starke Ähnlichkeit des Angeklagten mit den Fotos fest. Ein weiteres Indiz sei das Wiedererkennen durch die Zeugin B. bei der sequentiellen Videowahlgegenüberstellung am 23. Juli 2003. Der Angeklagte wurde nach Rücksprache mit dem Verteidiger als dritte von insgesamt sechs auf dem Videoband befindlichen Personen bestimmt. Die Zeugin mußte sich nach Ansicht jeweils einer Person sofort entscheiden. Beim Anblick des Angeklagten sei sie deutlich sichtbar zusammengezuckt , aufgeregt, ängstlich und den Tränen nahe gewesen. Den Angeklagten habe sie mit fast 100%iger Sicherheit als Täter wiedererkannt. Geringfügige Zweifel hätten sich nur aufgrund der kürzeren Bartlänge auf den Videoaufnahmen ergeben. Daraufhin wurde die Videowahlgegenüberstellung abgebrochen. Das Landgericht bemerkte, es sei sich der Problematik des wiederholten Wiedererkennens durchaus bewußt ebenso wie bei der eindeutigen Identifizierung in der Hauptverhandlung. Diese spiele gegenüber den bisherigen Identifizierungen auch nur eine unwesentliche Rolle. Daß die Zeugin den Angeklagten an der Stimme erkannt habe, spreche nur insoweit für die Täterschaft des Angeklagten, als Übereinstimmung bestehe mit der bei der ersten Vernehmung erfolgten Beschreibung, der Täter spreche gutes Deutsch mit leichtem türkischen Akzent. Ein weiteres Indiz für die Täterschaft ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. vom Bayerischen Landeskriminalamt, der die Körpergröße des von den Überwachungskameras aufgenommenen Täters auf 170 cm bis 180 cm bestimmte.
Gewichtig komme hinzu, daß die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast in der Spielothek wiedererkannt hätten. Die Eltern und Geschwister hätten nicht dartun können, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zuhause gewesen sei. Die Überwachung des Angeklagten wegen seiner Drogenproblematik sei keineswegs lückenlos gewesen. Er hätte die nur ca. zwei Kilometer von der Tankstelle entfernt liegende Wohnung verlassen, den Raubüberfall begehen und wieder zurückkehren können, ohne daß dies von der Familie bemerkt worden wäre.
Die Strafkammer ist auch entgegen den Angaben des Ange klagten nicht davon ausgegangen, daß derZeuge S. der Täter des Überfalles war, nachdem die ZeuginB. diesen als Täter bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung mit Sicherheit ausgeschlossen hatte.

II.


Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Die Verfahrensrüge, die allein der Erörterung bedarf, ist unbegründet.
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrund e:
Vor Eröffnung des Hauptverfahrens hatte der Angeklagte die Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens beantragt. Zuvor schon hatte die Kriminalpolizeiinspektion M. das Bayerische Landeskriminalamt (zu-
künftig LKA) mit einer anthropologischen Vergleichsuntersuchung beauftragt. Daraufhin hatte die Sachverständige Dr. St. der Kriminalpolizeiinspektion mitgeteilt, daß aufgrund der Abbildungsunschärfe die Überwachungsaufnahmen für anthropologische Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet seien. Anatomische Merkmale des Gesichts, die zur Feststellung der Identität oder Nichtidentität mit einer Vergleichsperson herangezogen würden, seien auf den Aufnahmen nicht beurteilbar. Nachdem dem Verteidiger das Schreiben des LKA zur Kenntnis gebracht worden war, nahm er in der Hauptverhandlung seinen Beweisantrag auf Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens zurück.
2. Mit der Aufklärungsrüge macht die Revision unter Bezu gnahme auf ein von ihr vorgelegtes Schreiben von Prof. Dr. R. vom 30. Januar 2004 geltend, die Auskunft der Sachverständigen zum Beweiswert der Fotos sei objektiv unzutreffend gewesen. Das vorhandene Bildmaterial sei durchaus für sachverständige Vergleichsuntersuchungen geeignet. Die Strafkammer wäre deshalb gehalten gewesen, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Wenn die Lichtbilder so aussagekräftig seien, daß die Zeugin K. den Angeklagten sicher als den auf dem Fahndungsfoto abgebildeten Täter erkannt habe, könne nicht zugleich die fachlichwissenschaftliche Überprüfbarkeit der Lichtbilder in Abrede gestellt werden. Das Gutachten hätte zumindest zu dem Ergebnis geführt, daß eine Nichtidentität wahrscheinlich sei. Der wahrscheinliche Ausschluß des Angeklagten als Täter wäre ein entlastendes Indiz gewesen. Auf dieser unterbliebenen Sachaufklärung beruhe das Urteil.
3. Wären die Fotos für ein solches Gutachten geeignet g ewesen, hätte die Erhebung eines weiteren Gutachtens - ungeachtet der Auskunft der Sachverständigen - in Betracht kommen können (vgl. generell zu dem Gericht nicht bekannten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen BGHSt 39, 49, 53). Deshalb hat der Senat in Übereinstimmung mit der Anregung des Generalbundesanwalts , der zuvor eine Stellungnahme des Bundeskriminalamts eingeholt hatte , vorsorglich zu der Frage Beweis erhoben, ob die von den Überwachungskameras gefertigten Tatfotos als zureichende Anknüpfungstatsachen für ein anthropologisches Identitätsgutachten geeignet sind. Er hat dazu schriftliche Gutachten von den Sachverständigen Prof. Dr.R. und Kriminalhauptkommissar V. vom Bundeskriminalamt (zukünftig BKA) eingeholt. Der Verteidiger hat am 14. Februar 2005 ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. H. vorgelegt.
Sachverständig beraten gelangt der Senat zu dem Ergebn is, daß die Strafkammer hier nicht gedrängt war, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Im Hinblick auf die Qualität der Fotos der Überwachungskameras und die sowohl vom Angeklagten selbst eingestandene als auch vom Landgericht festgestellte "verblüffende Ähnlichkeit" des Angeklag ten mit dem Täter war durch ein weiteres Sachverständigengutachten keine beweisrelevante Identitätsaussage - auch nicht zum Identitätsausschluß - zu erwarten.

a) Für ein anthropologisches Identitätsgutachten anhand von Tatfotos gilt allgemein:
aa) Beim anthropologischen Identitätsgutachten werden anhand von Lichtbildern der Raumüberwachungskamera eine bestimmbare Zahl deskripti-
ver morphologischer Merkmale (z. B. Nasenfurche, Nasenkrümmung etc.) oder von Körpermaßen des Täters herausgearbeitet und mit den entsprechenden Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO Beweisergebnis 4 m.w.N.). Anders als bei Gutachten zur Blutalkoholanalyse oder zur Bestimmung von Blutgruppen handelt es sich um kein standardisiertes Verfahren (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 32). Die morphologischen Merkmale sind nicht eindeutig bestimmbar (Schwarzfischer in Kube, Störzer, Timm [Hrsg.], Kriminalistik Bd. I 1992 S. 735, 743; Knußmann in Knußmann [Hrsg.], Anthropologie Bd. I S. 368, 389; ders. StV 1983, 127, 128). Zwischen den Klassifizierungen von Einzelmerkmalen besteht ein gleitender Übergang, weswegen in der Regel keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung, der die zu identifizierende Person angehört, gemacht werden können (Schwarzfischer aaO; Knußmann NStZ 1991, 175, 176). Weitere Beeinträchtigungen des Beweiswerts können u.a. durch Vermummung , Grimassierung oder Bartbildung erfolgen (Schwarzfischer aaO; Knußmann in Knußmann aaO S. 388 f.). Aufgrund dieser "weichen" Kriterien ist die Abschätzung der Beweiswertigkeit nach der persönlichen Erfahrung eines Sachverständigen subjektiv; graduelle Abweichungen sind zwischen verschiedenen Sachverständigen möglich (Schwarzfischer aaO S. 744; vgl. auch Knußmann NStZ 1991, 175, 176). Dabei läßt sich der Identitätsausschluß leichter als der Identitätsnachweis erreichen, weil dafür bereits ein besonders prägnantes Gesichtsmerkmal ausreicht (Knußmann in Knußmann aaO S. 386 f.; ders. StV 1983, 127, 129; ders. NStZ 1991, 175).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Lichtbilder eine gewisse Qualität aufweisen, um als Identifizierungsgrundlage dienen zu können (vgl. BGH NStZ 1991, 596; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
Ungeeignetheit 16). Das bestätigt auch die Fachwissenschaft. Eine fehlerhafte Beeinträchtigung des Bildmaterials könne durch Beleuchtung, Schattengebung, Tiefenschärfe, Retusche, Entwicklung und Filmmaterial bedingt sein (Schwarzfischer aaO S. 745). So könnten Reliefmerkmale verschwinden und damit Unähnlichkeiten vorgetäuscht werden, bei zu starker Vergrößerung und grober Körnung könnten Konturen unkenntlich werden. Aufnahmen von hoch installierten Überwachungskameras seien oft wenig geeignet. Auch die Arbeitsgruppe für die anthropologische Identifikation lebender Personen aufgrund von Bilddokumenten weist in ihren "Standards" darauf hin, daß Bilddokumente, die mit starker Kameraüberhöhung gewonnen werden, die bildvergleichenden Untersuchungen erschweren (NStZ 1999, 230, 231). Die Erkennbarkeit von Merkmalen werde durch schlechte Aufnahmen beeinträchtigt. Ebenso betont Knußmann eine mögliche Beeinträchtigung durch fototechnische Umstände wie Beleuchtungsverhältnisse und perspektivische Verzerrungen (Knußmann in Knußmann aaO S. 390; Knußmann StV 1983, 127, 128).

b) Die Sachverständigen kommen hinsichtlich der Frage, ob im vorliegenden Fall ein beweisrelevantes Identitätsgutachten möglich ist, und der zu beurteilenden Qualität der Tataufnahmen der Raumüberwachungsanlage, bei der ein digitales Aufzeichnungsverfahren eingesetzt wurde, zu unterschiedlichen Ergebnissen:
aa) Der Sachverständige KHK V. hält bei einem g roßen Teil der Tataufnahmen keine Vergleichsarbeiten für möglich, weil aufgrund der ungenügenden Bildqualität individuelle anatomische Merkmale des Gesichtsbereichs nicht oder nur schemenhaft erkennbar seien. Die Auflösung sei zu gering, die Bilder seien unscharf, der Abbildungsmaßstab des Gesichts- und Kopfbereichs
sei zu klein. Einige Tataufnahmen wiesen aufgrund der sehr geringen Auflösung , des Konturenausrisses und der ungeeigneten Aufnahmeperspektive zwar keine ungenügende, aber eine sehr schlechte Bildqualität auf. Da individuelle anatomische Einzelmerkmale auch auf diesen nicht klar erkennbar seien, könnten keine detaillierten, sondern allenfalls allgemeine Vergleichsarbeiten bezogen auf Merkmalspartien und Einzelmerkmale in ihrer Grobstruktur (z.B. hohe oder niedrige Nase; breite oder schmale Gesichtspartie) durchgeführt werden. Deswegen sei auch keine Wahrscheinlichkeitsaussage in bezug auf einen Identitätsnachweis möglich, sondern lediglich eine tendenzielle Aussage. Das gleiche gelte für den Identitätsausschluß. Eine Wahrscheinlichkeitsaussage komme nur in Betracht, wenn trotz der schlechten oder mangelhaften Bildqualität Merkmalspartien oder Einzelmerkmale in ihrer Grobstruktur stark (eklatant) voneinander abwichen und diese Abweichungen nicht durch die bei den betreffenden Aufnahmen vorliegenden Bildqualitätsmängel erklärbar seien.
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ausführungen des Sachverstä ndigen Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. , der ein schriftliches Körpergrößengutachten vom 26. Mai 2003 erstellt hat und wegen der schlechten Auflösung die Körpergröße nicht genau ablesen konnte. Die Auflösung bei dem verwendeten digitalen Aufzeichnungsverfahren betrage 696 x 576 Pixel interpoliert. Bei Überwachungssystemen , die mit digitaler Technik direkt auf Festplatte speichern, würden Halbbilder mit 768 x 288 Bildpunkten (ca. 0,2 Mio. Pixel) gespeichert. Hinzu komme im vorliegenden Fall die sehr starke Bilddatenkompression.
bb) Demgegenüber bejaht der Sachverständige Prof. Dr. R. die Frage , ob die Fotos für ein Identitätsgutachten geeignet seien, uneingeschränkt. Wegen der Größe der Bilder von 696 x 576 Pixeln sei eine Verzerrung zu ver-
muten. Diese sei jedoch nicht ausgeglichen worden, weil es nicht um die Realitätsnähe von Merkmalen und Formen gehe, sondern um deren Zahl und Erkennbarkeit. Die Bilder seien für die sehr große abgedeckte Fläche noch gut. Die Qualität der Bilder reiche zwar für eine sichere Identifizierung nicht aus, wohl aber für ein Wahrscheinlichkeitsprädikat auf niedrigerer Stufe. Beim Identitätsausschluß sei bei Widersprüchen ein starkes negatives Wahrscheinlichkeitsprädikat zu erwarten. Prof. Dr. R. hat aus einer Gesamtliste von etwa 160 Merkmalen auf den Tatfotos 57 Merkmale erkannt.
cc) Prof. Dr.H. kommt ebenfalls zu dem Ergebn is, daß die Tatortbilder trotz erkennbarer Mängel für einen morphognostischen Bildvergleich für Zwecke der Identifizierung durch einen erfahrenen Sachverständigen uneingeschränkt geeignet seien. Die Ausführungen des LKA bezeichnet er als irreführend und falsch. Die offensichtlichen Qualitätsmängel hinsichtlich Bildschärfe und Bildauflösung eines Teils der Bilder würden dadurch wettgemacht, daß der Täter in zahlreichen unterschiedlichen Positionen abgebildet sei. Aus den von den zwei Überwachungskameras gefertigten 27 Bildern hatte Prof. Dr. H. 16 Motive ausgewählt und die gefertigten Ausschnittvergrößerungen hinsichtlich Helligkeit und Kontrast bearbeitet sowie die querverlaufenden Videozeilen durch Anwendung eines Weichzeichners abgeschwächt.

c) Die Stellungnahme der Sachverständigen Dr. St. deckt sich im wesentlichen mit dem Gutachten des Sachverständigen KHK V. . Die Sachverständige Dr. S. hat allerdings zwischen dem Identitätsnachweis und dem -ausschluß insofern nicht differenziert, als daß bei starker Abweichung von Merkmalspartien oder Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur eine Wahrscheinlichkeitsaussage dennoch getroffen werden könne. Deswegen
sind die Feststellungen aber nicht unzulänglich. Denn an der Beurteilung der Qualität der Lichtbilder als schlecht oder gar mangelhaft bezogen auf die fehlende klare Erkennbarkeit von Einzelmerkmalen ändert dies nichts.

d) Es ist Sache des Tatgerichts zu beurteilen, ob eklatant e Abweichungen von Merkmalspartien und Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur vorliegen. Wenn es dabei zu dem Ergebnis kommt, eine derartige Abweichung liege nicht vor, bindet dies grundsätzlich das Revisionsgericht. Eine eigene Überprüfung durch den Senat liefe auf eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinaus (vgl. BGHSt 29, 18, 22; 41, 376, 380; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 337 Rdn. 107; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 337 Rdn. 15). Demzufolge brauchte auch dem in der Revisionshauptverhandlung am 25. Januar 2005 gestellten Antrag der Verteidigung nicht nachgegangen zu werden, den Sachverständigen KHK V. ergänzend dazu zu hören, daß unter "Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur" auch eine im vorderen Bereich "sprungschanzenähnlich" ganz leicht nach oben gebogene Nase zu verstehen sei, zumal gerade hinsichtlich der Nase der Sachverständige KHK V. aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven der Überwachungskameras scheinbar gänzlich andere Ausformungen feststellte. Schließlich hat der Verteidiger nach Ansicht des Videobands, auf dem der Angeklagte abgebildet ist, eingeräumt, daß eine derart ausgeformte Nase nicht zu erkennen sei. Auch Prof. Dr. H. betont, daß eklatante Abweichungen bei der Einschätzung einer verblüffenden Ähnlichkeit selbstverständlich nicht zu erwarten seien.
Hier hat die Strafkammer eine sehr starke Ähnlichkeit de s Angeklagten mit den von den Überwachungskameras aufgezeichneten Fotos und eine Übereinstimmung mit der Täterbeschreibung durch die ZeuginB. fest-
gestellt. Sogar der Angeklagte hat zugegeben, daß ihm die Bilder verblüffend ähnlich sähen. Diese Feststellungen sowie der Umstand, daß das Gericht ein wichtiges Indiz darin gesehen hat, daß die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast wiedererkannt haben, sind auch kein Widerspruch zu der Aussage des Sachverständigen KHK V. , daß die Fotos für Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet sind. Es gibt zwei Wege der Erkenntnis der Personenidentität. Die vergleichende morphologische Analyse von Abbildern des Täters und des Tatverdächtigen ist eine Möglichkeit, die Identität nachzuweisen oder auszuschließen. Das Wiedererkennen aufgrund einer komplexen Erinnerung ist der andere Weg (Knußmann in Anthropologie aaO. S. 386; ders. StV 1983, 127; Standards NStZ 1999, 230). Diese Identifikation erfolgt ganzheitlich und rasch mit einer Tendenz zur Prägnanz zwischen Identität und Nichtidentität (Standards NStZ 1999, 230). Zwar haben die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten nicht in der Tatsituation beobachtet, beiden ist er aber als nahezu täglicher Besucher der Spielothek seit vielen Jahren bestens bekannt.

e) Die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachten zeigen, daß von einem gesicherten Stand der Wissenschaft im Bereich der anthropologischen Identitätsgutachten nicht die Rede sein kann. Der von KHK V. vom BKA angewandte Maßstab der klaren Erkennbarkeit von individuellen anatomischen Gesichtsmerkmalen und die sich daran anknüpfende Beurteilung der Tataufnahmen ist nachvollziehbar und plausibel. Das auf dieser Grundlage von der Sachverständigen Dr. St0. vom LKA erstattete Gutachten ist nicht falsch. Die Gutachten von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. H. lassen nicht erkennen, daß sie über bessere wissenschaftlich anerkannte Verfahren verfügen.

Ausgangspunkt sämtlicher Vergleichsuntersuchungen sind die w ährend der Tatbegehung gefertigten Aufnahmen des Täters. Diese gilt es auszuwerten und mit dem Tatverdächtigen zu vergleichen.
aa) KHK V. berücksichtigt ausschließlich diejenigen individuellen anatomischen Gesichtsmerkmale, die klar erkennbar sind. Ließen sich solche Einzelmerkmale nicht erkennen, seien die Tatfotos nicht für Bildvergleichsarbeiten geeignet. Der Lichtbildqualität der Tataufnahmen mißt er eine zentrale Rolle bei. Die Fähigkeit eines Gutachters, die Bildqualität und deren Verbesserungsmöglichkeiten und -grenzen zu analysieren, sei neben der Fähigkeit, Körpermerkmale auszuwerten, von entscheidender Bedeutung.
bb) Prof. Dr.R. geht davon aus, daß grundsätzli ch unabhängig von der Bildqualität der Sachverständige die Bewertung vorzunehmen hat. Gutachten sollten auch auf der Grundlage von schlechten Bildern erstattet werden. Auch eine nur kleine oder mittlere Zahl schwer erkennbarer Merkmale könne im Gesamtgefüge der Beweiswürdigung eine gewisse Rolle spielen. Das Vorkommen von Bildartefakten diene nicht dem Ausschluß der Beurteilungsmöglichkeit , sondern werde benannt und in seiner Wirkung diskutiert. Die Behauptung , die Bilder seien für eine Identifikation nicht geeignet, sei eine vorweggegriffene Beurteilung darüber, ob das Identitätsgutachten im Verfahren nütze oder nicht. Die Bewertung der Beweiskraft solle der Sachverständige dem Gericht überlassen.
cc) Prof. Dr. H. hält qualitativ schlechte Lich tbilder als Anknüpfungspunkte - gegebenenfalls nach einer entsprechenden Bearbeitung - für
Zwecke des Identitätsnachweises und des Identitätsausschlusses gleichermaßen für ausreichend, wenn der Täter in verschiedenen Positionen dargestellt ist.
dd) Werden Gutachten unabhängig von der klaren Erkennb arkeit der individuellen anatomischen Merkmale erstellt, besagt dies nichts über deren Beweiswert. Wie Prof. Dr. R. selbst ausführt, hat dies eine breitere Verteilung von Wahrscheinlichkeitsprädikaten zur Folge auch in Richtung der unentscheidbaren Fälle. Im vorliegenden Fall sind von den 57 auf den Tatfotos von ihm erkannten Merkmalen noch nicht einmal die Hälfte von sehr guter bis noch guter Erkennbarkeit. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob ein Gutachten wegen der mangelhaften Bildqualität nicht erstattet wird oder ob das Ergebnis des Gutachtens nicht aussagekräftig ist. In diesen Fällen wird der Tatrichter grundsätzlich keinen Anlaß sehen, ein anthropologisches Identitätsgutachten in Auftrag zu geben. Denn in der Regel kann er selbst beurteilen, ob die Tataufnahmen als Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung geeignet sind (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; BGH NStZ 1991, 596). Die Behauptung, die Gefahr bei der von KHK V. angewandten Vorgehensweise bestehe darin, daß leicht ein Entlastungsindiz übersehen werde, ist nicht belegt. Der von Prof. Dr. H. betonte Umstand, daß durch eine Vielzahl von Täterfotos der Qualitätsmangel wettgemacht werden könne, ändert nichts an der mangelnden oder schlechten Erkennbarkeit von Einzelmerkmalen , und diese wird dadurch auch nicht ausgeglichen. Details unterhalb der Pixelgröße werden von vornherein nicht aufgenommen und können somit auf allen Bildern unabhängig von deren Anzahl nicht sichtbar gemacht werden. Bei einer verlustbehafteten Bilddatenkompression werden auf sämtlichen Bildern Details in Form von Strukturen, Linien und Mustern dargestellt, die in Wirklich-
keit gar nicht vorhanden sind. Diese Artefakte können auch bei einer Dekomprimierung nicht wieder beseitigt werden, weil diese auf der Basis der Kompressionsdaten erfolgt. Mit der in der Regel bei Raumüberwachungskameras verwendeten höheren Kameraposition ist eine Perspektive verbunden, die die Person ebenfalls auf allen Bildern von oben zeigt, wodurch individuelle anatomische Gesichtsmerkmale verloren gehen. Mit der Möglichkeit, mittels trigonometrischer Berechnungen die Perspektive zu verändern (vgl. Knußmann in Knußmann aaO S. 396), können fehlende Gesichtsmerkmale nicht sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis von Prof. Dr. H. , daß eine beträchtliche Anzahl der im vorliegenden Fall erfaßbaren Merkmale es dem erfahrenen Sachverständigen erlauben dürfte, eine sichere Aussage zur Identität oder Nichtidentität des Täters mit dem Angeklagten zu machen, wird durch die Ausführungen im Gutachten nicht gestützt.
4. Der Senat weist auf folgendes hin:
Um den Beweiswert von anthropologischen Identitätsgutach ten zu erhöhen , bedarf es einer verbesserten Qualität der Tataufnahmen. Der Senat entnimmt der Literatur (vgl. Schwarzfischer aaO S. 745; Knußmann in Knußmann aaO S. 390; Knußmann StV 1983, 127, 128), daß bestimmte technische Anforderungen an die Qualität der Lichtbilder beachtet werden sollten, ohne damit Mindeststandards aufzustellen.
Je höher die Auflösung der Tataufnahmen ist, desto det ailreicher ist die Wiedergabe. Diese wird durch die Kameraoptik bestimmt. Ebenso sind die Brennweite und das Objektiv von Bedeutung. Durch die verlustbehaftete Bilddatenkompression werden Bildartefakte wie tatsächlich nicht vorhandene Li-
nien und Muster erzeugt. Je stärker die Bilddaten komprimiert werden, um möglichst viele Bilder auf der Festplatte archivieren zu können, desto geringer ist die Erkennbarkeit. Die Perspektive bei Raumüberwachungskameras von oben ist von
vornherein wenig geeignet für Vergleichsuntersuchungen, weil wesentliche Informationen durch die Verzerrung verloren gehen. Allgemein gilt: Je mehr dieser Kriterien beachtet werden, desto höher ist die Qualität der Bilder und desto größer die Chance auf ein aussagekräftiges Gutachten. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Das Verfahren nach zulässigem Einspruch richtet sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten.

(2) Zur besseren Aufklärung der Sache kann das Gericht

1.
einzelne Beweiserhebungen anordnen,
2.
von Behörden und sonstigen Stellen die Abgaben von Erklärungen über dienstliche Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77a Abs. 2) verlangen.
Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung kann das Gericht auch dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er zu seiner Entlastung vorbringen will; § 69 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 ist anzuwenden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 91/04
vom
15. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der am
25. Januar 2005 begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 15. Februar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Sitzung vom 25. Januar 2005,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte in der Sitzung vom 15. Februar 2005
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 23. September 2003 wird verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räub erischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, bleibt ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 27. Februar 2003 betrat der Angeklagte um 23.22 Uhr den Verkaufsraum einer Tankstelle in M. , bedrohte die dort tätige Angestellte B. mit einer Pistole und forderte sie zur Herausgabe des sich in der Kasse befindlichen Geldes auf. Die Zeugin glaubte zunächst an einen Scherz, sah dem Angeklagten aber mehrere Sekunden lang ins Gesicht und merkte,
daß er es ernst meinte. Unter dem Eindruck der auf sie gerichteten Pistole, von der das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausging, daß es sich um eine Spielzeugpistole handelte, gab die Zeugin dem Angeklagten 1.340 Euro. Danach führte der Angeklagte die Zeugin in einen Bereich der Tankstelle , von dem aus sie nicht beobachten konnte, in welche Richtung der Angeklagte das Tankstellengelände verließ. Der Überfall dauerte höchstens fünf Minuten.
Aufgrund des Fahndungsfotos in der örtlichen Zeitung a m 4. März 2003 erkannten die in einer Spielothek tätigen Zeuginnen K. und He. den Angeklagten als einen ihrer Stammgäste wieder. Bei dem Fahndungsfoto handelte es sich um den Abdruck eines der von den in der Tankstelle installierten Überwachungskameras gefertigten Fotos. Nach einem Hinweis der ZeuginK. erfolgte die Festnahme am 11. März 2003 in der Spielothek.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Er sei die gan ze Nacht zuhause in der elterlichen Wohnung gewesen. Wegen seiner Drogenprobleme sei es ihm untersagt gewesen, abends die Wohnung zu verlassen.
Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaf t des Angeklagten vor allem auf die Zeugin B. gestützt. Die Zeugin habe ihn bei der am 12. März 2003 erfolgten Wahllichtbildvorlage wiedererkannt. Daß sie hierfür eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent angegeben habe, sei "vorsorglich" geschehen. In Wirklichkeit sei sie schon damals ziemlich sicher gewesen. Wiedererkannt habe sie den Angeklagten an dem dunkelbraunen Oberlippenund Kinnbart und dem Drei-Tage-Bart an den Wangen sowie an der schlanken
Figur und der ungewöhnlich großen, vorne spitz zulaufenden Nase. Bereits in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 28. Februar 2003 habe sie den Täter als 25 bis 26 Jahre und 170 bis 180 cm groß beschrieben. Tatsächlich sei der Angeklagte zur Tatzeit 26 Jahre alt gewesen und 171 cm groß. Die Täterbeschreibung stimme überdies mit den von den Überwachungskameras gefertigten Bildern überein. Auch die Strafkammer stellte eine sehr starke Ähnlichkeit des Angeklagten mit den Fotos fest. Ein weiteres Indiz sei das Wiedererkennen durch die Zeugin B. bei der sequentiellen Videowahlgegenüberstellung am 23. Juli 2003. Der Angeklagte wurde nach Rücksprache mit dem Verteidiger als dritte von insgesamt sechs auf dem Videoband befindlichen Personen bestimmt. Die Zeugin mußte sich nach Ansicht jeweils einer Person sofort entscheiden. Beim Anblick des Angeklagten sei sie deutlich sichtbar zusammengezuckt , aufgeregt, ängstlich und den Tränen nahe gewesen. Den Angeklagten habe sie mit fast 100%iger Sicherheit als Täter wiedererkannt. Geringfügige Zweifel hätten sich nur aufgrund der kürzeren Bartlänge auf den Videoaufnahmen ergeben. Daraufhin wurde die Videowahlgegenüberstellung abgebrochen. Das Landgericht bemerkte, es sei sich der Problematik des wiederholten Wiedererkennens durchaus bewußt ebenso wie bei der eindeutigen Identifizierung in der Hauptverhandlung. Diese spiele gegenüber den bisherigen Identifizierungen auch nur eine unwesentliche Rolle. Daß die Zeugin den Angeklagten an der Stimme erkannt habe, spreche nur insoweit für die Täterschaft des Angeklagten, als Übereinstimmung bestehe mit der bei der ersten Vernehmung erfolgten Beschreibung, der Täter spreche gutes Deutsch mit leichtem türkischen Akzent. Ein weiteres Indiz für die Täterschaft ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. vom Bayerischen Landeskriminalamt, der die Körpergröße des von den Überwachungskameras aufgenommenen Täters auf 170 cm bis 180 cm bestimmte.
Gewichtig komme hinzu, daß die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast in der Spielothek wiedererkannt hätten. Die Eltern und Geschwister hätten nicht dartun können, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zuhause gewesen sei. Die Überwachung des Angeklagten wegen seiner Drogenproblematik sei keineswegs lückenlos gewesen. Er hätte die nur ca. zwei Kilometer von der Tankstelle entfernt liegende Wohnung verlassen, den Raubüberfall begehen und wieder zurückkehren können, ohne daß dies von der Familie bemerkt worden wäre.
Die Strafkammer ist auch entgegen den Angaben des Ange klagten nicht davon ausgegangen, daß derZeuge S. der Täter des Überfalles war, nachdem die ZeuginB. diesen als Täter bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung mit Sicherheit ausgeschlossen hatte.

II.


Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Die Verfahrensrüge, die allein der Erörterung bedarf, ist unbegründet.
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrund e:
Vor Eröffnung des Hauptverfahrens hatte der Angeklagte die Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens beantragt. Zuvor schon hatte die Kriminalpolizeiinspektion M. das Bayerische Landeskriminalamt (zu-
künftig LKA) mit einer anthropologischen Vergleichsuntersuchung beauftragt. Daraufhin hatte die Sachverständige Dr. St. der Kriminalpolizeiinspektion mitgeteilt, daß aufgrund der Abbildungsunschärfe die Überwachungsaufnahmen für anthropologische Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet seien. Anatomische Merkmale des Gesichts, die zur Feststellung der Identität oder Nichtidentität mit einer Vergleichsperson herangezogen würden, seien auf den Aufnahmen nicht beurteilbar. Nachdem dem Verteidiger das Schreiben des LKA zur Kenntnis gebracht worden war, nahm er in der Hauptverhandlung seinen Beweisantrag auf Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens zurück.
2. Mit der Aufklärungsrüge macht die Revision unter Bezu gnahme auf ein von ihr vorgelegtes Schreiben von Prof. Dr. R. vom 30. Januar 2004 geltend, die Auskunft der Sachverständigen zum Beweiswert der Fotos sei objektiv unzutreffend gewesen. Das vorhandene Bildmaterial sei durchaus für sachverständige Vergleichsuntersuchungen geeignet. Die Strafkammer wäre deshalb gehalten gewesen, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Wenn die Lichtbilder so aussagekräftig seien, daß die Zeugin K. den Angeklagten sicher als den auf dem Fahndungsfoto abgebildeten Täter erkannt habe, könne nicht zugleich die fachlichwissenschaftliche Überprüfbarkeit der Lichtbilder in Abrede gestellt werden. Das Gutachten hätte zumindest zu dem Ergebnis geführt, daß eine Nichtidentität wahrscheinlich sei. Der wahrscheinliche Ausschluß des Angeklagten als Täter wäre ein entlastendes Indiz gewesen. Auf dieser unterbliebenen Sachaufklärung beruhe das Urteil.
3. Wären die Fotos für ein solches Gutachten geeignet g ewesen, hätte die Erhebung eines weiteren Gutachtens - ungeachtet der Auskunft der Sachverständigen - in Betracht kommen können (vgl. generell zu dem Gericht nicht bekannten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen BGHSt 39, 49, 53). Deshalb hat der Senat in Übereinstimmung mit der Anregung des Generalbundesanwalts , der zuvor eine Stellungnahme des Bundeskriminalamts eingeholt hatte , vorsorglich zu der Frage Beweis erhoben, ob die von den Überwachungskameras gefertigten Tatfotos als zureichende Anknüpfungstatsachen für ein anthropologisches Identitätsgutachten geeignet sind. Er hat dazu schriftliche Gutachten von den Sachverständigen Prof. Dr.R. und Kriminalhauptkommissar V. vom Bundeskriminalamt (zukünftig BKA) eingeholt. Der Verteidiger hat am 14. Februar 2005 ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. H. vorgelegt.
Sachverständig beraten gelangt der Senat zu dem Ergebn is, daß die Strafkammer hier nicht gedrängt war, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Im Hinblick auf die Qualität der Fotos der Überwachungskameras und die sowohl vom Angeklagten selbst eingestandene als auch vom Landgericht festgestellte "verblüffende Ähnlichkeit" des Angeklag ten mit dem Täter war durch ein weiteres Sachverständigengutachten keine beweisrelevante Identitätsaussage - auch nicht zum Identitätsausschluß - zu erwarten.

a) Für ein anthropologisches Identitätsgutachten anhand von Tatfotos gilt allgemein:
aa) Beim anthropologischen Identitätsgutachten werden anhand von Lichtbildern der Raumüberwachungskamera eine bestimmbare Zahl deskripti-
ver morphologischer Merkmale (z. B. Nasenfurche, Nasenkrümmung etc.) oder von Körpermaßen des Täters herausgearbeitet und mit den entsprechenden Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO Beweisergebnis 4 m.w.N.). Anders als bei Gutachten zur Blutalkoholanalyse oder zur Bestimmung von Blutgruppen handelt es sich um kein standardisiertes Verfahren (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 32). Die morphologischen Merkmale sind nicht eindeutig bestimmbar (Schwarzfischer in Kube, Störzer, Timm [Hrsg.], Kriminalistik Bd. I 1992 S. 735, 743; Knußmann in Knußmann [Hrsg.], Anthropologie Bd. I S. 368, 389; ders. StV 1983, 127, 128). Zwischen den Klassifizierungen von Einzelmerkmalen besteht ein gleitender Übergang, weswegen in der Regel keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung, der die zu identifizierende Person angehört, gemacht werden können (Schwarzfischer aaO; Knußmann NStZ 1991, 175, 176). Weitere Beeinträchtigungen des Beweiswerts können u.a. durch Vermummung , Grimassierung oder Bartbildung erfolgen (Schwarzfischer aaO; Knußmann in Knußmann aaO S. 388 f.). Aufgrund dieser "weichen" Kriterien ist die Abschätzung der Beweiswertigkeit nach der persönlichen Erfahrung eines Sachverständigen subjektiv; graduelle Abweichungen sind zwischen verschiedenen Sachverständigen möglich (Schwarzfischer aaO S. 744; vgl. auch Knußmann NStZ 1991, 175, 176). Dabei läßt sich der Identitätsausschluß leichter als der Identitätsnachweis erreichen, weil dafür bereits ein besonders prägnantes Gesichtsmerkmal ausreicht (Knußmann in Knußmann aaO S. 386 f.; ders. StV 1983, 127, 129; ders. NStZ 1991, 175).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Lichtbilder eine gewisse Qualität aufweisen, um als Identifizierungsgrundlage dienen zu können (vgl. BGH NStZ 1991, 596; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
Ungeeignetheit 16). Das bestätigt auch die Fachwissenschaft. Eine fehlerhafte Beeinträchtigung des Bildmaterials könne durch Beleuchtung, Schattengebung, Tiefenschärfe, Retusche, Entwicklung und Filmmaterial bedingt sein (Schwarzfischer aaO S. 745). So könnten Reliefmerkmale verschwinden und damit Unähnlichkeiten vorgetäuscht werden, bei zu starker Vergrößerung und grober Körnung könnten Konturen unkenntlich werden. Aufnahmen von hoch installierten Überwachungskameras seien oft wenig geeignet. Auch die Arbeitsgruppe für die anthropologische Identifikation lebender Personen aufgrund von Bilddokumenten weist in ihren "Standards" darauf hin, daß Bilddokumente, die mit starker Kameraüberhöhung gewonnen werden, die bildvergleichenden Untersuchungen erschweren (NStZ 1999, 230, 231). Die Erkennbarkeit von Merkmalen werde durch schlechte Aufnahmen beeinträchtigt. Ebenso betont Knußmann eine mögliche Beeinträchtigung durch fototechnische Umstände wie Beleuchtungsverhältnisse und perspektivische Verzerrungen (Knußmann in Knußmann aaO S. 390; Knußmann StV 1983, 127, 128).

b) Die Sachverständigen kommen hinsichtlich der Frage, ob im vorliegenden Fall ein beweisrelevantes Identitätsgutachten möglich ist, und der zu beurteilenden Qualität der Tataufnahmen der Raumüberwachungsanlage, bei der ein digitales Aufzeichnungsverfahren eingesetzt wurde, zu unterschiedlichen Ergebnissen:
aa) Der Sachverständige KHK V. hält bei einem g roßen Teil der Tataufnahmen keine Vergleichsarbeiten für möglich, weil aufgrund der ungenügenden Bildqualität individuelle anatomische Merkmale des Gesichtsbereichs nicht oder nur schemenhaft erkennbar seien. Die Auflösung sei zu gering, die Bilder seien unscharf, der Abbildungsmaßstab des Gesichts- und Kopfbereichs
sei zu klein. Einige Tataufnahmen wiesen aufgrund der sehr geringen Auflösung , des Konturenausrisses und der ungeeigneten Aufnahmeperspektive zwar keine ungenügende, aber eine sehr schlechte Bildqualität auf. Da individuelle anatomische Einzelmerkmale auch auf diesen nicht klar erkennbar seien, könnten keine detaillierten, sondern allenfalls allgemeine Vergleichsarbeiten bezogen auf Merkmalspartien und Einzelmerkmale in ihrer Grobstruktur (z.B. hohe oder niedrige Nase; breite oder schmale Gesichtspartie) durchgeführt werden. Deswegen sei auch keine Wahrscheinlichkeitsaussage in bezug auf einen Identitätsnachweis möglich, sondern lediglich eine tendenzielle Aussage. Das gleiche gelte für den Identitätsausschluß. Eine Wahrscheinlichkeitsaussage komme nur in Betracht, wenn trotz der schlechten oder mangelhaften Bildqualität Merkmalspartien oder Einzelmerkmale in ihrer Grobstruktur stark (eklatant) voneinander abwichen und diese Abweichungen nicht durch die bei den betreffenden Aufnahmen vorliegenden Bildqualitätsmängel erklärbar seien.
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ausführungen des Sachverstä ndigen Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. , der ein schriftliches Körpergrößengutachten vom 26. Mai 2003 erstellt hat und wegen der schlechten Auflösung die Körpergröße nicht genau ablesen konnte. Die Auflösung bei dem verwendeten digitalen Aufzeichnungsverfahren betrage 696 x 576 Pixel interpoliert. Bei Überwachungssystemen , die mit digitaler Technik direkt auf Festplatte speichern, würden Halbbilder mit 768 x 288 Bildpunkten (ca. 0,2 Mio. Pixel) gespeichert. Hinzu komme im vorliegenden Fall die sehr starke Bilddatenkompression.
bb) Demgegenüber bejaht der Sachverständige Prof. Dr. R. die Frage , ob die Fotos für ein Identitätsgutachten geeignet seien, uneingeschränkt. Wegen der Größe der Bilder von 696 x 576 Pixeln sei eine Verzerrung zu ver-
muten. Diese sei jedoch nicht ausgeglichen worden, weil es nicht um die Realitätsnähe von Merkmalen und Formen gehe, sondern um deren Zahl und Erkennbarkeit. Die Bilder seien für die sehr große abgedeckte Fläche noch gut. Die Qualität der Bilder reiche zwar für eine sichere Identifizierung nicht aus, wohl aber für ein Wahrscheinlichkeitsprädikat auf niedrigerer Stufe. Beim Identitätsausschluß sei bei Widersprüchen ein starkes negatives Wahrscheinlichkeitsprädikat zu erwarten. Prof. Dr. R. hat aus einer Gesamtliste von etwa 160 Merkmalen auf den Tatfotos 57 Merkmale erkannt.
cc) Prof. Dr.H. kommt ebenfalls zu dem Ergebn is, daß die Tatortbilder trotz erkennbarer Mängel für einen morphognostischen Bildvergleich für Zwecke der Identifizierung durch einen erfahrenen Sachverständigen uneingeschränkt geeignet seien. Die Ausführungen des LKA bezeichnet er als irreführend und falsch. Die offensichtlichen Qualitätsmängel hinsichtlich Bildschärfe und Bildauflösung eines Teils der Bilder würden dadurch wettgemacht, daß der Täter in zahlreichen unterschiedlichen Positionen abgebildet sei. Aus den von den zwei Überwachungskameras gefertigten 27 Bildern hatte Prof. Dr. H. 16 Motive ausgewählt und die gefertigten Ausschnittvergrößerungen hinsichtlich Helligkeit und Kontrast bearbeitet sowie die querverlaufenden Videozeilen durch Anwendung eines Weichzeichners abgeschwächt.

c) Die Stellungnahme der Sachverständigen Dr. St. deckt sich im wesentlichen mit dem Gutachten des Sachverständigen KHK V. . Die Sachverständige Dr. S. hat allerdings zwischen dem Identitätsnachweis und dem -ausschluß insofern nicht differenziert, als daß bei starker Abweichung von Merkmalspartien oder Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur eine Wahrscheinlichkeitsaussage dennoch getroffen werden könne. Deswegen
sind die Feststellungen aber nicht unzulänglich. Denn an der Beurteilung der Qualität der Lichtbilder als schlecht oder gar mangelhaft bezogen auf die fehlende klare Erkennbarkeit von Einzelmerkmalen ändert dies nichts.

d) Es ist Sache des Tatgerichts zu beurteilen, ob eklatant e Abweichungen von Merkmalspartien und Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur vorliegen. Wenn es dabei zu dem Ergebnis kommt, eine derartige Abweichung liege nicht vor, bindet dies grundsätzlich das Revisionsgericht. Eine eigene Überprüfung durch den Senat liefe auf eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinaus (vgl. BGHSt 29, 18, 22; 41, 376, 380; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 337 Rdn. 107; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 337 Rdn. 15). Demzufolge brauchte auch dem in der Revisionshauptverhandlung am 25. Januar 2005 gestellten Antrag der Verteidigung nicht nachgegangen zu werden, den Sachverständigen KHK V. ergänzend dazu zu hören, daß unter "Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur" auch eine im vorderen Bereich "sprungschanzenähnlich" ganz leicht nach oben gebogene Nase zu verstehen sei, zumal gerade hinsichtlich der Nase der Sachverständige KHK V. aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven der Überwachungskameras scheinbar gänzlich andere Ausformungen feststellte. Schließlich hat der Verteidiger nach Ansicht des Videobands, auf dem der Angeklagte abgebildet ist, eingeräumt, daß eine derart ausgeformte Nase nicht zu erkennen sei. Auch Prof. Dr. H. betont, daß eklatante Abweichungen bei der Einschätzung einer verblüffenden Ähnlichkeit selbstverständlich nicht zu erwarten seien.
Hier hat die Strafkammer eine sehr starke Ähnlichkeit de s Angeklagten mit den von den Überwachungskameras aufgezeichneten Fotos und eine Übereinstimmung mit der Täterbeschreibung durch die ZeuginB. fest-
gestellt. Sogar der Angeklagte hat zugegeben, daß ihm die Bilder verblüffend ähnlich sähen. Diese Feststellungen sowie der Umstand, daß das Gericht ein wichtiges Indiz darin gesehen hat, daß die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast wiedererkannt haben, sind auch kein Widerspruch zu der Aussage des Sachverständigen KHK V. , daß die Fotos für Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet sind. Es gibt zwei Wege der Erkenntnis der Personenidentität. Die vergleichende morphologische Analyse von Abbildern des Täters und des Tatverdächtigen ist eine Möglichkeit, die Identität nachzuweisen oder auszuschließen. Das Wiedererkennen aufgrund einer komplexen Erinnerung ist der andere Weg (Knußmann in Anthropologie aaO. S. 386; ders. StV 1983, 127; Standards NStZ 1999, 230). Diese Identifikation erfolgt ganzheitlich und rasch mit einer Tendenz zur Prägnanz zwischen Identität und Nichtidentität (Standards NStZ 1999, 230). Zwar haben die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten nicht in der Tatsituation beobachtet, beiden ist er aber als nahezu täglicher Besucher der Spielothek seit vielen Jahren bestens bekannt.

e) Die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachten zeigen, daß von einem gesicherten Stand der Wissenschaft im Bereich der anthropologischen Identitätsgutachten nicht die Rede sein kann. Der von KHK V. vom BKA angewandte Maßstab der klaren Erkennbarkeit von individuellen anatomischen Gesichtsmerkmalen und die sich daran anknüpfende Beurteilung der Tataufnahmen ist nachvollziehbar und plausibel. Das auf dieser Grundlage von der Sachverständigen Dr. St0. vom LKA erstattete Gutachten ist nicht falsch. Die Gutachten von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. H. lassen nicht erkennen, daß sie über bessere wissenschaftlich anerkannte Verfahren verfügen.

Ausgangspunkt sämtlicher Vergleichsuntersuchungen sind die w ährend der Tatbegehung gefertigten Aufnahmen des Täters. Diese gilt es auszuwerten und mit dem Tatverdächtigen zu vergleichen.
aa) KHK V. berücksichtigt ausschließlich diejenigen individuellen anatomischen Gesichtsmerkmale, die klar erkennbar sind. Ließen sich solche Einzelmerkmale nicht erkennen, seien die Tatfotos nicht für Bildvergleichsarbeiten geeignet. Der Lichtbildqualität der Tataufnahmen mißt er eine zentrale Rolle bei. Die Fähigkeit eines Gutachters, die Bildqualität und deren Verbesserungsmöglichkeiten und -grenzen zu analysieren, sei neben der Fähigkeit, Körpermerkmale auszuwerten, von entscheidender Bedeutung.
bb) Prof. Dr.R. geht davon aus, daß grundsätzli ch unabhängig von der Bildqualität der Sachverständige die Bewertung vorzunehmen hat. Gutachten sollten auch auf der Grundlage von schlechten Bildern erstattet werden. Auch eine nur kleine oder mittlere Zahl schwer erkennbarer Merkmale könne im Gesamtgefüge der Beweiswürdigung eine gewisse Rolle spielen. Das Vorkommen von Bildartefakten diene nicht dem Ausschluß der Beurteilungsmöglichkeit , sondern werde benannt und in seiner Wirkung diskutiert. Die Behauptung , die Bilder seien für eine Identifikation nicht geeignet, sei eine vorweggegriffene Beurteilung darüber, ob das Identitätsgutachten im Verfahren nütze oder nicht. Die Bewertung der Beweiskraft solle der Sachverständige dem Gericht überlassen.
cc) Prof. Dr. H. hält qualitativ schlechte Lich tbilder als Anknüpfungspunkte - gegebenenfalls nach einer entsprechenden Bearbeitung - für
Zwecke des Identitätsnachweises und des Identitätsausschlusses gleichermaßen für ausreichend, wenn der Täter in verschiedenen Positionen dargestellt ist.
dd) Werden Gutachten unabhängig von der klaren Erkennb arkeit der individuellen anatomischen Merkmale erstellt, besagt dies nichts über deren Beweiswert. Wie Prof. Dr. R. selbst ausführt, hat dies eine breitere Verteilung von Wahrscheinlichkeitsprädikaten zur Folge auch in Richtung der unentscheidbaren Fälle. Im vorliegenden Fall sind von den 57 auf den Tatfotos von ihm erkannten Merkmalen noch nicht einmal die Hälfte von sehr guter bis noch guter Erkennbarkeit. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob ein Gutachten wegen der mangelhaften Bildqualität nicht erstattet wird oder ob das Ergebnis des Gutachtens nicht aussagekräftig ist. In diesen Fällen wird der Tatrichter grundsätzlich keinen Anlaß sehen, ein anthropologisches Identitätsgutachten in Auftrag zu geben. Denn in der Regel kann er selbst beurteilen, ob die Tataufnahmen als Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung geeignet sind (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; BGH NStZ 1991, 596). Die Behauptung, die Gefahr bei der von KHK V. angewandten Vorgehensweise bestehe darin, daß leicht ein Entlastungsindiz übersehen werde, ist nicht belegt. Der von Prof. Dr. H. betonte Umstand, daß durch eine Vielzahl von Täterfotos der Qualitätsmangel wettgemacht werden könne, ändert nichts an der mangelnden oder schlechten Erkennbarkeit von Einzelmerkmalen , und diese wird dadurch auch nicht ausgeglichen. Details unterhalb der Pixelgröße werden von vornherein nicht aufgenommen und können somit auf allen Bildern unabhängig von deren Anzahl nicht sichtbar gemacht werden. Bei einer verlustbehafteten Bilddatenkompression werden auf sämtlichen Bildern Details in Form von Strukturen, Linien und Mustern dargestellt, die in Wirklich-
keit gar nicht vorhanden sind. Diese Artefakte können auch bei einer Dekomprimierung nicht wieder beseitigt werden, weil diese auf der Basis der Kompressionsdaten erfolgt. Mit der in der Regel bei Raumüberwachungskameras verwendeten höheren Kameraposition ist eine Perspektive verbunden, die die Person ebenfalls auf allen Bildern von oben zeigt, wodurch individuelle anatomische Gesichtsmerkmale verloren gehen. Mit der Möglichkeit, mittels trigonometrischer Berechnungen die Perspektive zu verändern (vgl. Knußmann in Knußmann aaO S. 396), können fehlende Gesichtsmerkmale nicht sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis von Prof. Dr. H. , daß eine beträchtliche Anzahl der im vorliegenden Fall erfaßbaren Merkmale es dem erfahrenen Sachverständigen erlauben dürfte, eine sichere Aussage zur Identität oder Nichtidentität des Täters mit dem Angeklagten zu machen, wird durch die Ausführungen im Gutachten nicht gestützt.
4. Der Senat weist auf folgendes hin:
Um den Beweiswert von anthropologischen Identitätsgutach ten zu erhöhen , bedarf es einer verbesserten Qualität der Tataufnahmen. Der Senat entnimmt der Literatur (vgl. Schwarzfischer aaO S. 745; Knußmann in Knußmann aaO S. 390; Knußmann StV 1983, 127, 128), daß bestimmte technische Anforderungen an die Qualität der Lichtbilder beachtet werden sollten, ohne damit Mindeststandards aufzustellen.
Je höher die Auflösung der Tataufnahmen ist, desto det ailreicher ist die Wiedergabe. Diese wird durch die Kameraoptik bestimmt. Ebenso sind die Brennweite und das Objektiv von Bedeutung. Durch die verlustbehaftete Bilddatenkompression werden Bildartefakte wie tatsächlich nicht vorhandene Li-
nien und Muster erzeugt. Je stärker die Bilddaten komprimiert werden, um möglichst viele Bilder auf der Festplatte archivieren zu können, desto geringer ist die Erkennbarkeit. Die Perspektive bei Raumüberwachungskameras von oben ist von
vornherein wenig geeignet für Vergleichsuntersuchungen, weil wesentliche Informationen durch die Verzerrung verloren gehen. Allgemein gilt: Je mehr dieser Kriterien beachtet werden, desto höher ist die Qualität der Bilder und desto größer die Chance auf ein aussagekräftiges Gutachten. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 425/15
vom
28. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280116U3STR425.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Hubert, Dr. Schäfer, Mayer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers K. ,
Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenkläger A. und E. S. ,
Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin T. S. ,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2015 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in vier tateinheitlichen Fällen, weiter in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
1. Die Anklageschrift wirft dem Angeklagten vor, er habe am 9. Dezember 2014 gegen 03.30 Uhr im Wohnhaus der Nebenkläger durch eine fehlende Glasscheibe an der Haustür eine dahinter als Windschutz aufgehängte Jacke angezündet, um die, wie er gewusst habe, in dem Gebäude schlafenden Nebenkläger mittels Feuer oder Rauch zu töten. Die Flammen hätten unter anderem die hölzerne Haustür erfasst, die schließlich selbständig gebrannt habe. Den erwachenden Nebenklägern, die Rauchvergiftungen erlitten hätten, sei es aber gelungen, den Brand zu löschen.
3
2. Das Landgericht hat das objektive Brandgeschehen wie in der Anklageschrift angenommen festgestellt, sich aber von der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen können. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
4
a) Zwar seien mögliche Motive des Angeklagten für die Brandlegung nicht zu verkennen. Die Nebenklägerin T. S. habe im September 2014 eine persönliche Beziehung zum Angeklagten beendet und ihre Anstellung in dessen Betrieb gekündigt. Mangels weiteren Einkommens habe sie gleichzeitig die Mietzahlungen für das von ihr angemietete spätere Brandobjekt eingestellt, so dass der Vermieter den Mietvertrag am 12. November 2014 fristlos gekündigt habe. Dies habe zu zusätzlichem Streit geführt, denn der Angeklagte habe sich dem ihm bekannten Vermieter gegenüber für die Zahlungen verantwortlich gefühlt; dieser habe sich zur Vermietung nur aufgrund seiner Bestätigung bereit gefunden, die Nebenklägerin könne mit dem bei ihm erzielten Arbeitseinkommen die Miete bezahlen. In der Folge habe der Angeklagte deshalb die Nebenklägerin und ihren Lebensgefährten, den Nebenkläger K. , mehrfach aufgefordert, das Anwesen zu räumen. Die noch nicht ersetzte Glasscheibe an der Haustür habe er am 30. Oktober 2014 gegen 23.30 Uhr selbst eingeschlagen, um in das Haus einzudringen und die Genannten wegen der Mietrückstände zur Rede zu stellen.
5
b) Diese Motivlage sei jedoch nicht ausreichend, um den bestreitenden Angeklagten der Brandlegung zu überführen; weitere für seine Täterschaft sprechende Indizien hätten sich nicht ergeben.
6
Zwar sei der im Nachbarhaus wohnende Angeklagte nach dem Löschen des Brandes am Tatort erschienen, jedoch könne ihm seine Einlassung nicht widerlegt werden, er sei nur zufällig beim - von einer Zeugin auch an anderen Tagen beobachteten - nächtlichen Ausführen seines Hundes vorbeigekommen. Soweit er anschließend in einem weiteren Streitgespräch mit der Nebenklägerin T. S. sinngemäß geäußert habe, die Nebenkläger das nächste Mal "richtig abfackeln" zu wollen, habe er nach dem Gesprächszusammenhang lediglich provozieren wollen.
7
Ebenso wenig führe ein von der Staatsanwaltschaft vorgelegtes Foto der Bildschirmanzeige eines Internet-Chats weiter, in dem sich einer der beiden Teilnehmer offenbar zur Tat bekenne. Der Wortlaut lasse keine Rückschlüsse auf die Identität der Chatteilnehmer zu. Zwar sei den Beiträgen des Bekenners jeweils ein "Miniatur-Lichtbild" zugeordnet. Es sei aber nicht zu erkennen, ob es sich bei der abgebildeten Person um den Angeklagten oder um einen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen handele.

II.


8
1. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es zur Ermittlung der Partner des abgelichteten InternetChats nicht (nochmals) die Nebenkläger K. und T. S. als Zeugen vernommen habe, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unzulässig. Zwar hätte es sich in Anbetracht der Schwere des Tatvorwurfs - auch bereits der Staatsanwaltschaft - aufgedrängt, die Identität der Chat-Teilnehmer durch Lokalisierung des Chatraums, entsprechende Ermittlungen beim Anbieter und gegebenenfalls Auswertung beim Angeklagten vorhandener elektronischer Speichermedien zu klären. Eine dahingehende Aufklärungsrüge ist jedoch nicht erhoben.
9
2. Soweit die Revision Verstöße des Landgerichts gegen § 261 StPO rügt, wendet sie sich in der Sache gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung. Diese weist indes keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
10
a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist , mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2015 - 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14, juris Rn. 3). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die tatrichterliche Würdigung auch dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 17. April 2014 - 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280).
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b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Näherer Erörterung bedarf - im Einklang mit der Antragsschrift des Generalbundesanwalts - nur Folgendes:
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c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die Umstände , die aus seiner Sicht geeignet waren, die Entscheidung zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, nicht nur jeweils isoliert für sich gewertet, sondern auch in eine hinreichende Gesamtwürdigung einbezogen. Es hat dargelegt , dass die der beendeten Beziehung zur Nebenklägerin und der Sorge um die Mietzahlungen entspringende Motivlage des Angeklagten mangels weiterer für die Täterschaft des Angeklagten sprechender Beweisanzeichen nicht ausreiche. Dabei nochmals näher auf das Erscheinen des Angeklagten am Tatort und die gegenüber der Nebenklägerin ausgesprochene Drohung einzugehen , als dies auf UA S. 12 und 16 unter Hinweis auf die übrige Beweislage geschehen ist, war das Landgericht nicht gehalten, denn diesen Umständen hat es wegen ihrer weitgehenden Ambivalenz rechtsfehlerfrei eine wesentliche Indizwirkung zu Lasten des Angeklagten abgesprochen.
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d) Unbegründet ist auch die weitere materiellrechtliche Beanstandung der Beschwerdeführerin, das Urteil enthalte weder eine den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO genügende Verweisung auf das Bildschirmfoto noch eine zureichende Beschreibung der darauf erkennbaren "Miniatur-Lichtbilder" und erlaube deshalb keine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob der Tatrichter diese rechtsfehlerfrei als für die Identifizierung des Chat-Teilnehmers unergiebig angesehen habe.
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aa) Das Urteil verweist in zulässiger Weise auf die zu den Akten genommene , die "Miniatur-Lichtbilder" enthaltende Ablichtung. Mit dem Klammerzusatz "Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2015" ist der Inhalt der Verweisung eindeutig bestimmt. Auch die Art und Weise genügt den Anforderungen von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.
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Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen , so hat er dies deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382). Dem hieraus von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und der strafrechtlichen Literatur gezogenen Schluss, eine bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten genüge dafür nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 267 Rn. 8 mwN), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Eine besondere Form schreibt die genannte Vorschrift für die Verweisung nicht vor. So wird teilweise auch die Notwendigkeit verneint, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen oder mitzuteilen, die Verweisung geschehe "wegen der Einzelheiten" (hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 1997 - 1 Ss (OWi) 96B/97, NStZ-RR 1998, 240 mwN). Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe machen (OLG Brandenburg aaO), ist deshalb stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden. Insoweit gilt nichts anderes als für die Feststellungen und Wertungen des Tatrichters im Übrigen, die, um rechtlich Bestand zu haben, ebenfalls die Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit wahren müssen.
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Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht dadurch, dass es bei der Nennung und der nachfolgenden inhaltlichen Erörterung der Ablichtung einen Klammerzusatz mit dessen genauer Fundstelle angebracht hat, deutlich und zweifelsfrei erklärt, es wolle die Ablichtung zum Gegenstand der Urteilsgründe machen. Schon nach allgemeiner Lebensanschauung enthält ein unter solchen Umständen hinzugefügter Klammerzusatz die Aufforderung an den Adressaten, nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Wird dergestalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine bloße Fundstellenangabe ohne Sinn bliebe.
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bb) Das Landgericht hat sich auch hinreichend mit der Ergiebigkeit der "Miniatur-Lichtbilder" auseinandergesetzt. Nachvollziehbar hat es den Lichtbildern nach deren Inhalt und Qualität nicht von vornherein die Eignung als Grundlage für eine Identifizierung der abgebildeten Person abgesprochen. Vielmehr hat es unter Berücksichtigung der darauf erkennbaren individuellen Merkmale lediglich nicht ausschließen können, dass es sich bei dieser Person statt um den Angeklagten um einen in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen handelt. Dagegen ist nichts zu erinnern. Nähere Darlegungen zu den Merkmalen, welche die Ähnlichkeit der abgebildeten Person auch zu dem un- mittelbar vor der Strafkammer aufgetretenen Zeugen begründen, sind bei dieser Sachlage von Rechts wegen nicht zu verlangen (vgl. zum umgekehrten Fall der Identifizierung des Abgebildeten BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382 ff.; s. auch BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 21 ff.).
Becker Hubert Schäfer
Mayer Spaniol

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.