Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 12. Sept. 2016 - 1 OLG 1 Ss 36/16

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2016:0912.1OLG1SS36.16.0A
12.09.2016

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 10. Februar 2016 wird mit der Maßgabe kostenfällig als unbegründet verworfen, dass der Ausspruch über die Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe entfällt.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Pirmasens hat den Angeklagten wegen Erschleichens von Leistungen in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen, soweit es um den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – Verkauf von mindestens 711 Gramm Amphetamin im April 2013 an den Zeugen … – ging. Die hiergegen gerichtete und im weiteren Verlauf auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat dieser noch vor der Berufungshauptverhandlung zurückgenommen. Auf die gegen den freisprechenden Teil des amtsgerichtlichen Urteils gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung der der Verurteilung des Amtsgerichts zugrundeliegenden Einzelstrafen nach Auflösung der dort erkannten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

II.

2

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten ist unbegründet.

3

1. Der Tenor des angefochtenen Urteils war zu berichtigen, da es der Auflösung der im amtsgerichtlichen Urteil erkannten Gesamtfreiheitsstrafe nicht bedurfte; sie war vielmehr noch Gegenstand des berufungsgerichtlichen Verfahrens. Nach Rücknahme der Berufung durch den Angeklagten und wirksam beschränkter Berufung der Staatsanwaltschaft auf den freisprechenden Teil des Urteils wurden lediglich die Einzelstrafen des verurteilenden Teils, nicht jedoch die Gesamtstrafe, rechtskräftig. Denn das Ziel des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft war auch, dass die Gesamtfreiheitsstrafe überprüft und erhöht wird (vgl. für den umgekehrten Fall OLG Oldenburg, Beschluss vom 31. Januar 1995 – 1 Ws 14/95, juris, Rn. 5).

4

2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

5

3. Einzig der Erörterung bedarf die erhobene Verfahrensrüge. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

6

In der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2016 wurde der Zeuge KHK … als Ermittlungsperson aus dem Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen … hinsichtlich der Vernehmung einer Vertrauensperson vernommen. Im Rahmen der Vernehmung verlas die Vorsitzende das Vernehmungsprotokoll des Zeugen KHK … vom 4. Juli 2013 auszugsweise. Einen Beschluss im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO fasste die Kammer nicht. Auch erklärten die Verfahrensbeteiligten nicht ihr Einverständnis mit der Verlesung. Im Folgenden wurde der Zeuge unvereidigt entlassen.

7

Die hiergegen zulässig erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Der Beschwerdeführer rügt die Verlesung einer Vernehmungsniederschrift ohne vorherigen Gerichtsbeschluss im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 StPO; ein solcher war jedoch nicht erforderlich. Die Verlesung war, ergänzend zur Vernehmung des Zeugen KHK … – als Vernehmungsbeamten –, bereits nach den §§ 249, 250 StPO zulässig. Eines Rückgriffs auf § 251 StPO bedurfte es daher nicht.

8

§ 250 StPO verbietet nicht die vernehmungsergänzende Verlesung einer Vernehmungsniederschrift im Rahmen der Vernehmung des Vernehmungsbeamten (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 4 StR 493/11, juris; LR-Sander/Cirener, § 250, Rn. 17). § 253 StPO ist bei der Vernehmung eines Vernehmungsbeamten nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 11. November 1953 – 1 StR 465/52, NJW 1953, 115) und regelt nicht abschließend, wann Vernehmungsprotokolle verlesen werden dürfen (BGH, Beschluss vom 27. März 1990 – 1 StR 67/90, juris, Rn. 3; KK-Diemer, 7. Aufl., § 250, Rn. 2 m.w.N.; a.A. wohl BGH, Beschluss vom 19. März 2013 – 3 StR 26/13, juris, Rn. 2; vgl. zusammenfassend Mosbacher, NStZ 2014, 1 <4 ff.>). Ein Vernehmungsprotokoll wird von dem Vernehmungsbeamten gerade für das Verfahren als Berichtsurkunde gefertigt (BGHSt 1, 4 <8>). Der aus § 250 S. 2 StPO folgende Gedanke der bestmöglichen Sachaufklärung kann es erfordern, von dem Vernehmungsprotokoll als Beweismittel Gebrauch zu machen (Mosbacher, NStZ 2014, 1<5>; BGH, Beschluss vom 29. August 2001 – 2 StR 266/01, juris, Rn. 10). Ob dies auch für Fälle gänzlich fehlender Erinnerung der Auskunftsperson bzw. des Vernehmungsbeamten gilt (dafür Mosbacher, NStZ 2014, 1 <5 f.>; dagegen BGH, Beschluss vom 19. März 2013 – 3 StR 26/13, juris, Rn. 2), kann vorliegend dahinstehen; denn der Beschwerdeführer trägt vor, der Zeuge KHK … als Vernehmungsbeamter habe zum Umfang des Drogenhandels des Zeugen … bekundet. Die §§ 253, 254 StPO regeln die Zulässigkeit vernehmungsergänzender Verlesungen nicht abschließend, sondern nur die Fälle echter Ersetzung der Vernehmung der Auskunfts- oder der Vernehmungsperson (LR-Mosbacher, 26. Aufl., § 253, Rn. 1; Kölbel, NStZ 2005, 220 <221>). Wird jedoch, wie hier, eine Vernehmungsperson zu ihren Wahrnehmungen bei einer früheren Vernehmung vernommen, ist bereits der Anwendungsbereich der §§ 253, 254 StPO nicht eröffnet (BGHSt 1, 337<339 f.>).

9

Einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO) rügt der Beschwerdeführer nicht.

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(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 493/11
vom
24. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Januar 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 8. April 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die angeordnete Einziehung der Plastikdose mit blauem Deckel, des Küchenmessers und der Schachtel mit Röhrchen D + G aufgehoben wird; diese Einziehungsanordnung entfällt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Die Rüge, das Landgericht habe die §§ 250, 251 StPO durch die Verlesung des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des Zeugen Ba. vom 8. April 2010 verletzt, greift nicht durch. Die Angaben des Zeugen, der in der Hauptverhandlung gemäß § 55 StPO die Auskunft verweigert hat, sind durch Vernehmung der Zeugen KHK S. und KHK B. in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Das Vernehmungsprotokoll vom 8. April 2010 ist ausweislich der Urteilsgründe zum Zwecke der Feststellung der inhaltlichen Übereinstimmung der Angaben der Zeugen KHK S. und KHK B. mit diesem Protokoll verlesen worden, nachdem sich in der Hauptverhandlung Zweifel an der Zuverlässigkeit des Zeugen KHK S. ergeben hatten. Da somit das Landgericht die Aussage des Zeugen Ba. rechtsfehlerfrei durch die Verneh- mung der Vernehmungsbeamten und nicht durch die Verlesung des Protokolls „ersetzt“ und die Verlesung lediglich der Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen KHK S. gedient hat, ist der in § 250 StPO niedergelegte Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht verletzt.
2. Die Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß gegen § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO und ein Verwertungsverbot für die im Zuge der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel geltend gemacht wird, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision teilt den Inhalt des polizeilichen Vermerks vom 26. Januar 2010 nicht mit, auf den in den Gründen des Durchsuchungsbeschlusses ergänzend Bezug genommen wird. Jedenfalls für die Frage, ob eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses ein Verwertungsverbot für die bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel nach sich zöge, käme es auf den Inhalt dieses Vermerks an (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 289 f.).
3. Die Anordnung der Einziehung der Plastikdose mit blauem Deckel, des Küchenmessers und der Schachtel mit Röhrchen D + G hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Aus dem Urteil ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Gegenstände durch eine vorsätzliche Straftat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind. Soweit das Landgericht die Gegenstände als „Konsumutensilien“ bezeichnet hat (UA S. 44), fehlt es an einer Begründung hierfür. Bei den in Rede stehenden Gegenständen erschließt sich eine solche Zweckbestimmung auch nicht ohne Weiteres. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Umstände festgestellt werden könnten, welche die Einziehung rechtfertigen würden. Er sieht deshalb von einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ab und lässt die Einziehung entfallen.
Ernemann Roggenbuck Franke Mutzbauer Bender

(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

2
Die Rüge, die Verlesung der polizeilichen Vernehmung des Mitangeklagten sei nach § 253 Abs. 1, § 254 Abs. 1 StPO unzulässig gewesen, hat Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf den Inhalt des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des seinerzeitigen Beschuldigten (Verurteilten) C. L. gestützt, der in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (UA S. 5). Der Angeklagte hat den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf in der Hauptverhandlung bestritten (UA S. 5). Das Protokoll der polizeilichen Vernehmung vom 21. November 2008, in der der Verurteilte C. L. die Tat gestanden und seinen Bruder, den Angeklagten, als Mittäter benannt hatte, wurde dem Vernehmungs- beamten, […] der an den Inhalt der Vernehmung keine Erinnerung mehr hatte, gemäß § 253 Abs. 1 StPO zur Stütze des Gedächtnisses vollständig vorgehalten.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Die Verlesung eines richterlichen Vernehmungsprotokolls ist jedenfalls dann
zulässig, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Auskunftsverweigerungsrecht
nach § 55 StPO umfassend Gebrauch macht, Gründe der
Aufklärungspflicht der Verlesung nicht entgegenstehen, alle Verfahrensbeteiligten
mit der Verlesung einverstanden sind und auf die Vernehmung der Verhörsperson
verzichten.
BGH, Beschluß vom 29. August 2001 - 2 StR 266/01 - LG Bonn

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 266/01
vom
29. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 29. August 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 2. November 2000 im Schuldspruch wie folgt geändert und klargestellt: Der Angeklagte C. ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe. Die Angeklagte F. ist schuldig der Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte C. hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I. Verfahrensrügen
Näher zu erörtern ist lediglich die Rüge eines Verstoßes gegen das Unmittelbarkeitsprinzip des § 250 Satz 2 StPO, im übrigen greifen die Verfahrensrügen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen nicht durch.

a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Zeuge W. , der im Ermittlungs- und Zwischenverfahren mehrfach polizeilich und richterlich vernommen worden war, erklärte anläßlich seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, daß er die Beantwortung aller an ihn gerichteten Fragen verweigere, weil gegen ihn ein Verfahren wegen des Verdachts einer uneidlichen Falschaussage anhängig sei. Der weitere Gang der Beweiserhebung wurde mit allen Verfahrensbeteiligten erörtert; diese ver-
zichteten auf eine Vernehmung des Richters am Amtsgericht B. , der den Zeugen im Ermittlungsverfahren vernommen hatte, und erklärten ihr Einverständnis mit der Verlesung der richterlichen und polizeilichen Vernehmungen des Zeugen W. . Daraufhin verkündete die Kammer einen Beschluû, wonach im Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten gemäû § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 StPO die Vernehmung des Zeugen W. durch den Richter am Amtsgericht B. vom 29. März 2000 sowie durch die Berufsrichter der Kammer vom 16. Juni 2000, darüber hinaus die polizeilichen Vernehmungen des Zeugen W. vom 21. März, 23. März und 7. April 2000 verlesen werden sollten. Der Beschluû wurde sodann ausgeführt.
Die Revision beanstandet, daû das Landgericht die früheren Angaben des Zeugen W. durch Verlesung der Vernehmungsniederschriften in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Die Kammer habe die Verlesung zu Unrecht auf § 251 Abs. 1 Nr. 4 und § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO gestützt, nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 Satz 2 StPO sei sie verpflichtet gewesen, die Vernehmungspersonen über den Inhalt der Aussagen zu hören.

b) Ob angesichts des in der Hauptverhandlung erklärten Einverständnisses des Angeklagten mit der Verlesung der Protokolle die Grundsätze zur Verwirkung von Verfahrensrügen bei widersprüchlichem Prozeûverhalten in Betracht zu ziehen sind, bedarf keiner Entscheidung, die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Verlesung der richterlichen und polizeilichen Vernehmungsprotokolle im Einverständnis aller Beteiligten, nachdem der Zeuge W. sich auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen hatte, war nicht verfahrensfehlerhaft.
Ein Verlesungsverbot für die Vernehmungsprotokolle des Zeugen W. folgt hier nicht schon aus § 252 StPO. Der Fall der Verweigerung der Auskunft nach § 55 StPO, der im Einzelfall der Verweigerung des ganzen Zeugnisses gleichkommen kann, ist, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, in § 252 StPO nicht geregelt (BGHSt 17, 245).
Aber auch § 250 StPO stand einer Verlesung der Protokolle im vorliegenden Fall nicht entgegen. Danach darf die Aussage eines Zeugen durch eine Protokollverlesung nur ersetzt werden, wenn ein Ausnahmefall des § 251 StPO vorliegt. Ein solcher Ausnahmefall ist nach § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 StPO (im letzteren Fall unter der Voraussetzung, daû der Angeklagte einen Verteidiger hat) gegeben, wenn die Verlesung im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten erfolgt. Allerdings soll auch bei Einverständnis aller Beteiligter - wie der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden hat - eine Protokollverlesung dann nicht zulässig sein, wenn sich der Zeuge in der Hauptverhandlung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO beruft (so BGH, Beschluû vom 29. Juni 1976 - 5 StR 209/76 - für einen Fall, bei dem der Zeuge einzelne Fragen nicht beantwortet hatte; BGH, Urt. vom 11. Mai 1982 - 5 StR 92/82 = NStZ 1982, 342; Beschl. vom 27. September 1995 - 4 StR 488/95 = NStZ 1996, 96 auch für den Fall, daû der Zeuge in der Hauptverhandlung umfassend vom Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und nicht zur Sache ausgesagt hatte). Da der Zeuge in der Hauptverhandlung erschienen und vernommen worden sei, liege keine Ersetzung seiner Aussage vor, die Voraussetzungen des § 251 Abs.1 StPO seien daher nicht gegeben (BGH, Beschl. vom 29. Juni 1976 - 5 StR 209/76; Beschl. vom 27. September 1995 - 4 StR 488/95 aaO). In weiteren Entscheidungen, die sich allerdings auf die alte Fassung des § 251 Abs. 2 StPO vor Inkrafttreten des Strafverfah-
rensänderungsgesetzes 1987 beziehen, welche eine Verlesung im Einverständnis noch nicht vorsah, hat der Bundesgerichthof auch die Verlesung nichtrichterlicher Vernehmungsprotokolle für unzulässig erklärt, weil die Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 StPO aF nicht gegeben seien. (BGH, Urt. vom 28. Oktober 1975 - 5 StR 407/75; Beschl. vom 5. Dezember 1978 - 5 StR 767/78; Beschl. vom 26. Juli 1983 - 5 StR 310/83; Urt. vom 29. Juni 1983 - 2 StR 855/82 = NJW 1984, 136; offengelassen im Urteil vom 23. Dezember 1986 - 1 StR 514/86, NStZ 1988, 36 für den Fall der Teilverweigerung, zulässig jedenfalls für sonstige schriftliche Erklärungen).
Der Senat hat Bedenken, ob dieser auch im Schrifttum (Nachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 251 Rdn. 10, 2; Diemer in KK StPO 4. Aufl. § 251 Rdn. 10 a) nicht unumstrittenen Rechtsprechung zu folgen ist. Die Auslegung, nach der ein Ersetzen einer Zeugenaussage dann nicht vorliege, wenn sich der Zeuge in der Hauptverhandlung lediglich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen und nicht zur Sache ausgesagt hat, ist vom Gesetzeswortlaut nicht zwingend gefordert und in der Sache nicht geboten. Allerdings kann die Aufklärungspflicht die - nach ständiger Rechtsprechung zulässige - Vernehmung der polizeilichen oder richterlichen Verhörsperson statt der Verlesung der Vernehmungsniederschrift erfordern, so wenn Unklarheiten im Protokoll vorliegen, das Aussageverhalten näher zu beleuchten ist oder sonstige Umstände eine ergänzende Nachfrage bei der Vernehmungsperson nahelegen. Liegen solche Umstände nicht vor, geht es vielmehr ausschlieûlich um den Aussageinhalt als solchen, wird sich dieser regelmäûig aber am zuverlässigsten durch das Protokoll feststellen lassen. In diesen Fällen kann es der auch § 250 Satz 2 StPO zugrunde liegende Gedanke best-
möglicher Sachaufklärung gerade erfordern, von diesem Beweismittel Gebrauch zu machen (so auch Diemer aaO).
Der Senat muû jedoch anhand der vorliegenden Fallgestaltung nicht entscheiden, ob an der dargelegten Rechtsprechung festzuhalten ist, weil hier bedeutsame Besonderheiten vorliegen:
Soweit das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen vor dem Ermittlungsrichter verlesen wurde, kommt eine Verletzung der prozessualen Rechte des Revisionsführers nicht in Betracht, denn er hatte nicht nur sein Einverständnis mit der Verlesung in der Hauptverhandlung erklärt, sondern auch ausdrücklich auf die Vernehmung der Verhörsperson verzichtet. Die weitere richterliche Vernehmung des Zeugen war hier durch die Berufsrichter der Kammer im Haftprüfungsverfahren erfolgt. Deren zeugenschaftliche Vernehmung hätte aber zu einer nicht gerechtfertigten Verfahrensverzögerung geführt, weil sie ohne eine Aussetzung des Verfahrens und Neubeginn in geänderter Besetzung nicht möglich gewesen wäre.
Der Verlesung der polizeilichen Vernehmungsprotokolle nach § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO durch das Landgericht stehen die dargelegten, lediglich zu § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO aF ergangenen Entscheidungen, die sich auf die Frage der rechtlichen Gleichbehandlung der Aussageverweigerung eines Zeugen nach § 55 StPO mit seiner Unerreichbarkeit beziehen, nicht entgegen. Im übrigen kann auf ihrer Verlesung nichts beruhen. Der Zeuge hat bei seinen polizeilichen wie richterlichen Vernehmungen im Kernbereich entsprechend den Feststellungen ausgesagt. Auf die Konstanz der Aussagen hat das Land-
gericht nicht abgestellt, sondern die Aussagen überhaupt nur herangezogen, soweit sie durch weitere Beweismittel bestätigt wurden.
II. Sachrüge
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt lediglich zu der aus der Beschluûformel ersichtlichen Änderung und Klarstellung des Schuldspruchs.

a) Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte unterhielt seit einiger Zeit eine Beziehung zu der Mitangeklagten F. , welche in Bo. Mitbetreiberin eines Bordells war. In diesem hielt sich auch der Angeklagte regelmäûig auf. Der Zeuge W. , Eigentümer von zwei Wohnungen, die er bevorzugt an Prostituierte vermietete, suchte am 21. März 2000 das Bordell auf, um die Mitangeklagte zu einer Wohnungsbesichtigung abzuholen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte im Wohn-/Küchenraum des Bordells, der vom Eingangsbereich durch einen Vorhang abgetrennt war. Der Angeklagte begab sich zu dem Zeugen W. in den Eingangsbereich, warf ihm in aggressivem Tonfall vor, er wolle ihm die Frauen wegnehmen, schlug ihm mit der flachen Hand sowie mit einer Hundeleine, die der Geschädigte mit sich führte, ins Gesicht und gab ihm einen Stoû, so daû er zu Fall kam. Nachdem der Angeklagte das Portemonnaie des Zeugen durchsucht und sich die auf dem Fahrzeugschein vermerkte Adresse notiert hatte, verlangte er unter bewuûter Ausnutzung der Einschüchterung des Geschädigten durch die vorangegangene Gewalt, er solle bis zum nächsten Tag 5.000 DM zahlen, ansonsten werde er erschossen. In Kenntnis der Situati-
on griff die Mitangeklagte F. ein und drohte dem Geschädigten, sie werde, falls er zur Polizei gehe, aussagen, er habe sie vergewaltigt. Während des gesamten Tatzeitraums hatte sich in Reichweite des Angeklagten - dessen waren er und die Mitangeklagte sich auch bewuût gewesen - eine geladene Gaspistole befunden, die zum Schutze der in dem Etablissement arbeitenden Frauen stets in einem offenen Schubfach der im Wohn-/Küchenraum befindlichen Theke lag. 2. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten C. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253, 255, 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, 22, 23 StGB) nicht.
Die Urteilsausführungen, nach denen sich die Waffe in “Reichweite” des Angeklagten befunden habe, belegen nicht, daû der Angeklagte die Waffe bei sich geführt hat. Beisichführen einer Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB setzt voraus, daû die Waffe dem Täter "zur Verfügung steht", d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befindet, daû er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (BGHSt 31, 105; 43, 8, 10).
Zwar mag bei einer in einem anderen Raum gelagerten Waffe je nach den tatsächlichen Verhältnissen das Merkmal des Beisichführens unter Umständen zu bejahen sein (vgl. auch BGH NStZ 1998, 354; siehe auch BGH, Urt. vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99). Abgesehen davon, daû das Landgericht die räumlichen Verhältnisse nur lückenhaft dargestellt hat, insbesondere keine Feststellungen zur Entfernung des Lagerungsortes der Waffe zum Ort des eigentlichen Tatgeschehens getroffen hat, kommt hier hinzu, daû der Angeklagte nicht selbst Betreiber des Bordells war und die Waffe dem Schutz der Frauen
dienen sollte, so daû auch eine eigene Sachherrschaft des Angeklagten über die Waffe nicht ausreichend dargelegt ist (vgl. auch BGHSt 42, 368, 369).
Auch in subjektiver Hinsicht reichen die Feststellungen des Landgerichts nicht aus, um das erforderliche aktuelle Bewuûtsein des Angeklagten über die Verfügbarkeit der Waffe zu belegen. Das Landgericht hat dazu lediglich ausgeführt , daû sich der Angeklagte der in Griffbereitschaft befindlichen Waffe bewuût gewesen sei. Dies war aber angesichts des eigentlichen Zwecks der Waffenlagerung in der Theke nicht selbstverständlich. An die Prüfung und Darlegung der subjektiven Seite müssen strengere Anforderungen gestellt werden, wenn die Umstände nahelegen, daû dem Täter im Moment der Tatbegehung das aktuelle Bewuûtsein der Bewaffnung fehlt (vgl. BGH, Urt. vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99).
Da nicht zu erwarten ist, daû in einer neuen Verhandlung noch tragfähige Feststellungen für eine versuchte schwere räuberische Erpressung getroffen werden können, hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch selbst geändert.
Trotz der Schuldspruchänderung zugunsten des Angeklagten können die Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe bestehen bleiben. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB verneint und ist nach Milderung gemäû §§ 49 Abs. 1, 23 Abs. 2 StGB von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis elf Jahren und drei Monaten ausgegangen. Unter Anwendung des § 249 Abs. 1 StGB hätte sich bei entsprechender Vorgehensweise ein Strafrahmen von drei Monaten bis elf Jahren und drei Monaten ergeben. Hier-
auf beruht der Strafausspruch nicht, da die vom Landgericht konkret zugemessene Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten erheblich über der Mindeststrafe liegt. Der Senat schlieût aus, daû die geringfügige Änderung der Strafrahmenuntergrenze zu einer anderen Strafe geführt hätte.
3. Soweit das Landgericht den Angeklagten C. des unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladewaffe von nicht mehr als 60 cm Länge für schuldig befunden hat, war der Schuldspruch wie geschehen klarzustellen.
4. Die Änderung des Schuldspruchs bezüglich der versuchten räuberischen Erpressung war gemäû § 357 StPO auch auf die Mitangeklagte F. zu erstrecken, die vom Landgericht der Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung für schuldig befunden wurde. Da sich bei der vom Landgericht vorgenommenen Verneinung eines minder schweren Falles und der zweifachen Milderung des Strafrahmens aber unter Zugrundelegung des § 249 Abs. 1 StGB kein abweichender Strafrahmen ergeben hätte, schlieût der Senat auch hier aus, daû der Ausspruch für diese Einzelstrafe auf dem geänderten Schuldspruch beruht.
Jähnke Detter Bode Otten Elf
2
Die Rüge, die Verlesung der polizeilichen Vernehmung des Mitangeklagten sei nach § 253 Abs. 1, § 254 Abs. 1 StPO unzulässig gewesen, hat Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf den Inhalt des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des seinerzeitigen Beschuldigten (Verurteilten) C. L. gestützt, der in der Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (UA S. 5). Der Angeklagte hat den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf in der Hauptverhandlung bestritten (UA S. 5). Das Protokoll der polizeilichen Vernehmung vom 21. November 2008, in der der Verurteilte C. L. die Tat gestanden und seinen Bruder, den Angeklagten, als Mittäter benannt hatte, wurde dem Vernehmungs- beamten, […] der an den Inhalt der Vernehmung keine Erinnerung mehr hatte, gemäß § 253 Abs. 1 StPO zur Stütze des Gedächtnisses vollständig vorgehalten.

(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

(1) Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

(1) Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.