Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Dez. 2015 - 2 L 173/13

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2015:1207.2L173.13.0A
bei uns veröffentlicht am07.12.2015

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Öffentlichkeit der hinter dem Gebäude der Jugendherberge in A-Stadt gelegenen Straße, die die M-Straße/P-Straße mit der L-Straße verbindet (im Folgenden: Verbindungsstraße).

2

Die Verbindungsstraße liegt auf Teilflächen der Grundstücke der Gemarkung A-Stadt, Flur A, Flurstücke 2745/1, 2746/1, 2747/1 und 2748/1. Eigentümer dieser Grundstücke ist seit dem 10.11.1998 der Beklagte. Bis zum 05.06.1997 waren die Grundstücke im Grundbuch als "Eigentum des Volkes" in der Rechtsträgerschaft des Rates der Stadt A-Stadt eingetragen.

3

Die Verbindungsstraße wurde im Zuge des Ausbaus der L-Straße Anfang der achtziger Jahre errichtet, nachdem die P-Straße in Höhe der Einmündung in die L-Straße durch Block 5a und 5b überbaut worden war. Sie sollte als befahrbarer Weg für die Erschließung von Block 4a und 4b dienen.

4

Die Klägerin beabsichtigt, die in einem schlechten baulichen Zustand befindliche Verbindungsstraße unter Inanspruchnahme von Fördermitteln auszubauen. Verhandlungen über den Kauf der Straßenfläche scheiterten bislang an den unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten über die Höhe des Kaufpreises. Die Klägerin ist, anders als der Beklagte, der Auffassung, dass es sich bei der Verbindungsstraße um eine öffentliche Straße handele.

5

Am 16.12.2011 hat die Klägerin bei Verwaltungsgericht Klage erhoben und die Feststellung der Öffentlichkeit der Verbindungsstraße beantragt. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben zur Frage der Freigabe und Nutzung der fraglichen Wegefläche durch die Öffentlichkeit von 1981 bis zum Wegzug der Abteilung Lichtsignalanlagen des Tiefbauamtes vom Hauptplatz in der L-Straße in den neunziger Jahren durch Vernehmung des Herrn E. als Zeugen.

6

Mit Urteil vom 25.10.2013 – 2 A 33/12 MD – hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die auf Teilflächen der Flurstücke 2745/1, 2746/1, 2747/1 und 2748/1 – jeweils der Flur A in der Gemarkung A-Stadt – verlaufende Zuwegung zwischen der M-Straße/P-Straße und der L-Straße ein öffentlicher Weg im Sinne des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere als Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Mit der Klage werde die Feststellung des Bestehens bzw. des Nichtbestehens eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses begehrt, wobei wegen der Rechtsbetroffenheit der Beteiligten regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung bestehe. Die Feststellungsklage sei auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär gegenüber anderen Klagemöglichkeiten. Der Verweis des Beklagten auf die Möglichkeit der Durchführung eines förmlichen Enteignungsverfahrens und einer sich anschließenden Klage vor der Kammer für Baulandsachen verfange nicht, da der Kern des klägerischen Rechtsschutzbegehrens nicht vorrangig auf den Erwerb des Eigentums, sondern auf die Feststellung der Öffentlichkeit der betreffenden Wegefläche gerichtet sei. Im Falle der Öffentlichkeit des Weges wäre die im Eigentum des Beklagten stehende Wegefläche einer öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung unterworfen mit der Folge, dass der Beklagte als Grundstückseigentümer in der Ausübung seiner Rechte eingeschränkt und die Klägerin als Straßenbaulastträgerin berechtigt wäre, an der Straße die Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen vorzunehmen, die zur Erfüllung der Baulast erforderlich und zweckmäßig seien. Ein Eigentumserwerb sei hierfür nicht erforderlich. Zudem sei zu erwarten, dass sich bei Feststellung der (Nicht-)Öffentlichkeit der Straße durch das Gericht das Rechtsverhältnis endgültig klären lasse und es eines Enteignungsverfahrens auch aus diesem Grunde nicht bedürfe. Die Klage sei auch begründet. Der streitgegenständliche Weg sei nach der Überleitungsbestimmung des § 51 Abs. 3 StrG LSA eine Gemeindestraße im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA. Das Gericht gehe im Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Beweisaufnahme sowie der Würdigung des Vorbringens der Beteiligten, davon aus, dass die streitgegenständliche Wegefläche sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung in den achtziger Jahren als auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StrG LSA am 10.07.1993 ein öffentlicher Weg gewesen und gegenwärtig noch sei. Den glaubhaften Angaben des Zeugen E. lasse sich entnehmen, dass der Weg – jedenfalls seit 1987 – für die öffentliche Nutzung durch die zuständigen Stellen freigegeben, also an das bestehende Straßennetz tatsächlich angeschlossen gewesen und tatsächlich für den öffentlichen Verkehr genutzt worden sei. Er habe danach als Verbindungsweg zwischen der M-Straße/P-Straße und dem Hauptplatz der L-Straße, vor allem als Zuwegung für die Mitarbeiter und Besucher der am Hauptplatz gelegenen öffentlichen Einrichtungen (u.a. Schule, Volkshochschule, Tiefbauamt, Gaststätte), sowie für die Mieter und Besucher der dort anliegenden Wohnblöcke gedient. Ohne Erfolg berufe sich der Beklagte darauf, dass es sich bei der betreffenden Wegefläche um eine "betrieblich-öffentliche Straße" im Sinne des § 3 Abs. 3 der Straßenverordnung der DDR vom 22.08.1974 gehandelt habe, die nach § 51 Abs. 4 StrG LSA nunmehr die Funktion eines Privatweges innehabe. Die Voraussetzungen für eine in diesem Sinne betrieblich-öffentliche Straße vor dem 10.07.1993 lägen nicht vor. Maßgeblich sei hierfür zunächst, dass die betreffende Wegeflächen bis zu diesem Zeitpunkt nie in Privatbesitz gestanden hätten oder betriebseigen gewesen seien, sondern für diese bis zum 05.06.1997 im Grundbuch "Eigentum des Volkes" mit dem Rat der Stadt A-Stadt als Rechtsträger eingetragen gewesen sei. Zudem fehlten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Wegefläche bis zum Inkrafttreten des StrG LSA neben der öffentlichen Nutzung überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer, also der privaten Nutzung, gedient habe.

II.

7

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

8

Die vom Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 –, Juris RdNr. 15). Das ist vorliegend nicht der Fall.

9

1. Zu Unrecht mach der Beklagte geltend, der Klägerin fehle für die erhobene Klage das gemäß § 43 Abs. 1 VwGO erforderlichen Feststellungsinteresse, weil es ihr nicht um die rechtliche Einordnung der streitigen Wegefläche, sondern um den Erwerb des Eigentums daran gehe. Dies sei nach ihrem eigenen Vortrag eine Vorgabe für die Erlangung von Fördermitteln. Dieses Ziel könne die Klägerin jedoch nicht im Wege einer bloßen Feststellungsklage, sondern nur im Wege der Enteignung erreichen.

10

Dieser Einwand greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO angenommen. Ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift ist jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 – BVerwG 8 C 19.94 –, juris RdNr. 20; Urt. v. 28.01.2010 – BVerwG 8 C 38.09 –, juris RdNr. 54; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 RdNr. 23). Ein solches Interesse ist insbesondere dann gegeben, wenn der Rechtslage im Hinblick auf eine Straße unklar und die zuständige Behörde anderer Auffassung als der Eigentümer ist und dieser sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will (vgl. ThürOVG, Urt. v. 11.12.2001 – 2 KO 730/00 – juris RdNr. 53; Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 RdNr. 24). Vor diesem Hintergrund ist allgemein anerkannt, dass Eigentümer oder Besitzer von Grundflächen, deren Eigenschaft als öffentlicher Weg streitig ist, in Bezug auf die Frage der Öffentlichkeit dieser Wegeparzellen sowohl eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung der Nichtöffentlichkeit einer Wegefläche als auch im Rahmen einer positive Feststellungsklage die Feststellung der Öffentlichkeit einer solchen Fläche begehren können (vgl. OVG NW, Urt. v. 19.06.2000 – 11 A 1045/97 –, juris RdNr. 44). Nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, in dem – wie hier – die zuständige Behörde gegen den Grundstückseigentümer auf Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße klagt (vgl. OVG NW, Urt. v. 04.05.1960 – IV A 1253/58 –, OVGE 15, 294). Sofern die Öffentlichkeit einer Straße zwischen dem Träger der Straßenbaulast und dem Grundstückseigentümer umstritten ist und der Träger der Straßenbaulast sein zukünftiges Verhalten nach der gerichtlichen Feststellung richten will, besteht regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung.

11

Etwas anderes gilt – entgegen der Auffassung des Beklagten – im vorliegenden Fall auch nicht deshalb, weil nach den Angaben der Klägerin in der Klageschrift die Übernahme des Eigentums an den streitgegenständlichen Straßenflächen eine Vorgabe für die Erlangung von Fördermitteln sei. Es ist bereits fraglich, ob dies in tatsächlicher Hinsicht zutreffend ist. Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme im Berufungszulassungsverfahren ausgeführt, für die Erlangung von Fördermitteln komme es darauf an, dass sie Trägerin der öffentlichen Sachherrschaft über die auszubauende Verkehrsanlage sei. Der Fördermittelgeber müsse die Gewähr dafür haben, dass sie ihrer Ausbaupflicht auch tatsächlich nachkommen könne. Diesem Erfordernis sei mit der Feststellung der Öffentlichkeit der Straße entsprochen. Mit diesem Vortrag ist die Klägerin – inzident – von ihrer in der Klageschrift enthaltenen Aussage abgerückt, die Übernahme des Eigentums sei Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln. Dem ist der Beklagte nicht ausdrücklich entgegengetreten. Sein Vortrag, die Fördermittelbestimmungen sähen vor, dass der Ausbau der Straße nur dann gefördert werden dürfe, wenn der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des Straßengrundstücks sei, ist nicht näher belegt. Dies bedarf indessen keiner Vertiefung, denn selbst wenn dies zutreffen sollte, besteht ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der beantragten Feststellung. Die Klägerin plant, die streitgegenständliche Verbindungsstraße auszubauen. Jedenfalls hierfür ist der Eigentumserwerb keine Voraussetzung. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, darf der Eigentümer des Straßengrundstücks im Fall der Öffentlichkeit der Straße den Träger der Straßenbaulast nicht daran hindern, an der Straße die Unterhaltungsmaßnahmen u.a. vorzunehmen, die zur Erfüllung der Baulast erforderlich oder zweckmäßig sind (vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kapitel 6, RdNr. 17.2). Dies folgt aus § 13 Abs. 4 Satz 1 StrG LSA, wonach bis zum Erwerb des für die Straße in Anspruch genommenen Grundstücks nach Maßgabe des Absatzes 2 dem Träger der Straßenbaulast die zur Erfüllung seiner Aufgaben (vgl. § 9 StrG LSA) erforderlichen Rechte zustehen. Der Eigentumserwerb bzw. die Einleitung eines Enteignungsverfahrens ist in diesen Fällen auch nicht gemäß § 13 Abs. 1 StrG LSA erforderlich (vgl. Hubert, Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2000, § 13 StrG LSA Anm. 1, S. 60). Nach § 13 Abs. 2 StrG LSA ist der Träger der Straßenbaulast nurauf Antrag des Eigentümers zum Erwerb des Eigentums bzw. zur Einleitung des Enteignungsverfahrens verpflichtet. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin jedenfalls deshalb ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung der Öffentlichkeit der Verbindungsstraße, weil hiermit die Verpflichtung des Beklagten zur Duldung der geplanten Straßenausbaumaßnahme geklärt wird.

12

2. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch nicht aufgrund der Subsidiaritätsregelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Eine solche Unzulässigkeit bestünde nur dann, wenn die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungsklage (insbesondere durch eine Anfechtungsklage) oder eine Leistungsklage (Verpflichtungs- oder allgemeine Leistungsklage) ebenso gut oder besser verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist zum einen, unnötige Feststellungsklagen zu verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Rechtsschutzverfahren zur Verfügung stehen. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll auf dasjenige Verfahren konzentriert werden, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird. Zugleich soll vermieden werden, dass die für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen normierten speziellen Prozessvoraussetzungen (Vorverfahren, Klagefristen) unterlaufen sowie die Gerichte mit nicht oder noch nicht erforderlichen Feststellungsklagen belastet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2010 – BVerwG 8 C 38.09 –, a.a.O. RdNr. 56; Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 RdNr. 26). Nach diesen Grundsätzen steht die Subsidiaritätsregelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Bei Streitigkeiten über die Öffentlichkeit einer Straße ist die Feststellungsklage die Klage, die den besten Rechtsschutz bietet (vgl. HambOVG, Urt. v. 08.12.2005 – 4 Bf 314/02 –, juris RdNr. 47; OVG LSA, Urt. v. 19.05.2010 – 3 L 465/08 –, juris RdNr. 25). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück durch eine Feststellungsklage nicht erlangen kann. Der Beklagte geht insoweit zu Unrecht davon aus, dass „eigentliches“ Rechtsschutzziel der Klägerin der Erwerb des Eigentums an der Straßenfläche sei. Das trifft nicht zu. Die Klägerin hat vielmehr auch in ihrer Stellungnahme im Berufungszulassungsverfahren noch einmal deutlich gemacht, dass es ihr um die Feststellung der Öffentlichkeit der Straße gehe, da ihre Berechtigungen und Verpflichtungen als Straßenbaulastträgerin gegenüber dem Beklagten als Grundstückseigentümer hiermit geklärt würden. Dies ist plausibel, da zur Durchführung der von ihr geplanten Straßenausbaumaßnahme – wie bereits ausgeführt – gemäß § 13 StrG LSA ein Eigentumserwerb nicht erforderlich ist. Hinzu kommt, dass es sich bei dem nach Ansicht des Beklagten vorrangigen Enteignungsverfahren nicht um eine Gestaltungs- oder Leistungsklage im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO handelt, mit der die Klägerin ihre Rechte verfolgen könnte. Vielmehr kann sie insoweit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 des Enteignungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (EntG LSA) vom 13.04.1994 (GVBl. S. 508) lediglich einen Enteignungsantrag stellen, über den gemäß § 28 EntG LSA vom Landesverwaltungsamt als Enteignungsbehörde durch Beschluss zu entscheiden ist.

13

3. Ohne Erfolg macht der Beklage schließlich geltend, bei der Verbindungsstraße handele es sich um eine „betrieblich-öffentliche Straße“ im Sinne des § 3 Abs. 3 der Straßenverordnung vom 22.08.1974 (GBl. DDR I S. 515) – StrVO 1974 –, die gemäß § 51 Abs. 4 StrG LSA grundsätzlich als Privatweg zu behandeln sei. Nach § 3 Abs. 3 StrVO 1974 waren betrieblich-öffentliche Straßen solche, die überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer und daneben der öffentlichen Nutzung dienten. Zu den betrieblich-öffentlichen Straßen gehörten nach der Regelung des § 1 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zur Straßenverordnung vom 22.08.1974 (GBl. DDR I S. 522) – 1. DVO StrVO 1974 – in der Regel die in dieser Vorschrift aufgeführten Zufahrtsstraßen zu Objekten der Staatsorgane, der Betriebe, Kombinate, Genossenschaften oder Einrichtungen, z.B. Werkzufahrtstraßen oder Wege und Plätze für die Warenanlieferung und den Abtransport von Leergut bei Handelseinrichtungen, Forstwege, landwirtschaftlichen Wege, Parkplätze, Wendeschleifen oder Abfahrplätze. Voraussetzung für das Vorliegen einer betrieblich-öffentlichen Straße ist damit, dass neben einer öffentlichen Nutzung eine der in § 1 Abs. 1 der 1. DVO StrVO 1974 näher beschriebenen betrieblichen Nutzungen stattfand (vgl. SächsOVG, Urt. v. 05.05.2015 – 3 A 709/12 – juris RdNr. 22). Daran gemessen handelt es sich bei der streitgegenständlichen Verbindungsstraße nicht um eine derartige betrieblich-öffentliche Straße, denn sie stand in der Rechtsträgerschaft des Rates der Stadt A-Stadt. Dessen Interessen sind – anders als die eines VEB oder einer LPG – nicht von denen der Allgemeinheit abgrenzbar, da dessen Tätigkeit umfassend dem Gemeinwohl zu dienen hatte. Dies zeigt sich auch an der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung, wonach die Interessen des Rechtsträgers im Sinne des § 3 Abs. 3 StrVO 1974 hier nicht nur den Verkehr der Bewohner bzw. Mieter des Rechtsträgers, sondern auch den Verkehr von Besuchern sowie von Kunden und Lieferanten umfasse, soweit in den zu betrachtenden Gebäuden ggf. Betriebe oder Behörden untergebracht gewesen seien. Eine Abgrenzung, inwieweit die Straße den Interessen des Rates der Stadt A-Stadt und inwieweit sie der öffentlichen Nutzung diente, ist hiernach nicht möglich.

14

Darüber hinaus verkennt der Beklagte, dass auch die betrieblich-öffentlichen Straßen im Sinne des § 3 Abs. 3 StrVO 1974 gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 StrG LSA grundsätzlich zu den öffentlichen Straßen im Sinne des § 3 Abs. 1 StrG LSA gehören. Gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 StrG LSA werden die bisherigen betrieblich-öffentlichen Straßen gemäß § 3 Abs. 3 StrVO 1974 Gemeindestraßen, wenn sie die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA erfüllen oder sie werden sonstige öffentliche Straßen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 StrG LSA oder Privatwege. Die Entscheidung darüber trifft gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StrG LSA die Gemeinde nach Anhörung des bisherigen Rechtsträgers oder Eigentümers. Hiernach erhalten auch die betrieblich-öffentlichen Straßen im Sinne des § 3 Abs. 3 StrVO 1974 zunächst den Status der Öffentlichkeit mit den damit verbundenen Verfügungsbeschränkungen, solange keine Entscheidung der Gemeinde über ihr weiteres Schicksal gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StrG LSA getroffen ist (vgl. Hubert, a.a.O., § 51 StrG LSA Anm. 2, S. 161; vgl. auch ThürOVG, Urt. v. 11.12.2001 – 2 KO 730/00 – a.a.O. RdNr. 63 zur Rechtslage in Thüringen).

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 43.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 19. Mai 2010 - 3 L 465/08

bei uns veröffentlicht am 19.05.2010

Tatbestand 1 Die Kläger begehren die Feststellung, dass ein westlich ihres Grundstückes verlaufender Weg ein öffentlicher Weg im Sinne des Straßengesetzes ist und sie diesen Weg von ihrem Grundstück für eine Zufahrt nutzen dürfen

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Feststellung, dass ein westlich ihres Grundstückes verlaufender Weg ein öffentlicher Weg im Sinne des Straßengesetzes ist und sie diesen Weg von ihrem Grundstück für eine Zufahrt nutzen dürfen.

2

Die Kläger sind Eigentümer des heutigen Flurstückes 50/80 der Flur A in der Gemarkung W. mit der Grundstücksbezeichnung „A-Straße“. Das klägerische Grundstück war ursprünglich Teil des Flurstückes 50 der Flur A von W., welches sich seit 1935 im Eigentum der Beklagten befindet. Bereits seit den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden parzellierte, jedoch katastermäßig nicht gesondert erfasste Abschnitte des Flurstückes 50 als sogenanntes Grabeland an Privatpersonen zur kleingärtnerischen Nutzung verpachtet. Nach 1945 wurde das ursprüngliche Flurstück 50, wie auch weitere angrenzende Flurstücke, teilweise durch die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft (GPG) (...) genutzt. Es entstanden dort Wegeflächen, damit die Mitarbeiter der GPG bzw. die Pächter der Gartenparzellen die von ihnen bewirtschafteten Flächen erreichen konnten. Die landwirtschaftliche Nutzung durch die GPG dauerte bis ca. 1964 an. Danach wurden die von ihr genutzten Flächen ebenfalls an private Pächter zur kleingärtnerischen Nutzung überlassen. In der Folgezeit wurden auf einzelnen Pachtflächen auch Lauben und Garagen errichtet. Das Grundstück der Kläger grenzt im Osten an die Straße A., welches in älteren Unterlagen als Straße Nr. 3 der Gartenanlage Rothemark bezeichnet wird. Im Westen grenzt das klägerische Grundstück an den streitgegenständlichen sog. G-Weg an, welcher westlich wiederum an die gärtnerisch genutzten Parzellen des ehemaligen sogenannten T-Plan, des Plan E., den Plan I und des Plan III (Gartenanlage „A“ P-Stadt) anschließt. Dieser ehemals gärtnerisch bzw. kleingärtnerisch genutzte Teil des ehemaligen Flurstückes 50 bildet nunmehr das Flurstück 165 der Flur A. Der hier streitgegenständliche „G-Weg“ verläuft auf der östlichen Grenze des Flurstückes 165. Nach 1990 wurden insbesondere auf den östlich des „G-Weges“ belegenen Flurstücken Wohnhäuser errichtet. Das von den Klägern im Jahre 1996 erworbene Grundstück wurde von ihnen bereits seit 1975 als Pachtfläche genutzt. Bereits zu dieser Zeit diente den Klägern der „G-Weg“ als einzige Zuwegung und Zufahrt zu ihrem Grundstück.

3

Auf ihren Antrag hin erteilte der Landkreis W. den Klägern unter dem 15. August 1996 eine Genehmigung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück. Mit der Baugenehmigung wurde den Klägern aufgegeben, die Anbindung der Zufahrt an den öffentlichen Verkehrsraum bei der Beklagten als Trägerin der Straßenbaulast zu beantragen. Ein weiterer Antrag der Kläger auf Genehmigung der Errichtung einer Garage sah zwei Zufahrten zu der Straße A. vor. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 erteilte der Landkreis W. die Baugenehmigung hinsichtlich der Garage und gab den Klägern auf, die Anbindung einer Zufahrt bei der Beklagten zu beantragen. Unter dem 28. Januar 2000 erteilte die Beklagte den Klägern die Erlaubnis, eine Zufahrt über die Straße A. zu errichten, welche südlich des geplanten Wohnhauses belegen sein sollte. Nachdem die Beklagte im Jahr 2004 festgestellt hatte, dass die beantragte Zufahrt zur Straße A. nicht hergestellt worden war und dass die Kläger statt dessen weiterhin den westlich ihres Grundstückes liegenden „G-Weg“ als Zuwegung zu ihrem Grundstück nutzten, beantragten die Kläger, nachdem die Beklagte sie aufgefordert hatte, die vorhandene Zufahrt zum „G-Weg“ zu schließen, bei der Beklagten am 15. Juni 2006 die Genehmigung der bereits vorhandenen Grundstückszufahrt über den „G-Weg“. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2006 ab. Den Klägern sei mit Bescheid vom 28. Januar 2000 eine Grundstückszufahrt und eine Anbindung an die Straße A. genehmigt worden. Die Anbindung an den westlich des Grundstückes liegenden „G-Weg“ komme nicht in Betracht, weil es sich dabei um einen privaten Weg handele.

4

Mit der nach erfolgslosem Widerspruchsverfahren am 19. Februar 2007 erhobenen Klage vor dem Verwaltungsgericht Dessau haben die Kläger geltend gemacht, der westlich ihres Grundstücks verlaufende „G-Weg“ sei eine öffentliche Straße im Sinne des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt und dürfe deshalb von ihnen als Zuwegung zu ihrem Grundstück genutzt werden. Dieser Weg sei jedenfalls seit 1954 tatsächlich vorhanden gewesen und von den Anliegern zu Zwecken des öffentlichen Verkehrs genutzt worden, ohne dass der damalige Berechtigte der Benutzung widersprochen habe. Dass die Nutzung des „G-Weges“ Beschränkungen unterliege, habe die Beklagte oder einer ihrer Rechtsvorgänger - etwa durch entsprechende Beschilderungen - nie kenntlich gemacht.

5

Die Kläger haben beantragt,

6

1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 zu verpflichten, den Klägern eine Zufahrt auf ihr Grundstück von dem westlich des Grundstückes verlaufenden Weg aus zu genehmigen,

7

2. festzustellen, dass es sich bei dem westlich des Grundstückes der Kläger verlaufenden „G-Weg“ um eine öffentliche Straße handelt,

8

3. festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, über diese öffentliche Straße und die seit Anfang der siebziger Jahre bestehende westliche Ausfahrt des Grundstückes A. auf das Grundstück zu fahren.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass die gelegentliche Nutzung der privaten Wegeflächen durch die Nutzer der Gartengrundstücke nicht geeignet sei, dem Privatweg den Charakter einer öffentlichen Straße zu verleihen.

12

Mit Urteil vom 14. November 2007 hat das Verwaltungsgericht Dessau die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass, soweit die Kläger die Feststellung begehren, dass es sich bei dem westlich ihres Grundstückes verlaufenden „G-Weg“ um eine öffentliche Straße handele, die Klage unbegründet sei. Bei dem „G-Weg“ handele es sich nicht um eine öffentliche Straße im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 2 Abs. 1 des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt, weil dieser Weg von der Beklagten nicht nach Inkrafttreten der Regelungen des Straßengesetzes als öffentliche Straße gewidmet worden sei. Der „G-Weg“ sei auch zuvor nicht als öffentliche Straße anzusehen gewesen. Der Weg sei seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht als eine öffentliche Anliegerstraße genutzt worden. Vielmehr habe der Weg ausschließlich der inneren Erschließung des einheitlichen Grundstückes im Rechtssinne, das zur Bewirtschaftung in eine Mehrzahl von Schlägen und Parzellen aufgeteilt worden sei, gedient. Die Nutzung der ausschließlich der inneren Erschließung der Gartenparzellen dienenden Wegeflächen mache diese nicht zu öffentlichen Straßen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 der Straßenverordnung der DDR aus dem Jahre 1957.

13

Ferner habe die von den Klägern begehrte Feststellung, dass sie berechtigt seien, über den „G-Weg“ und die seit Anfang 1970 bestehende nordwestliche Ausfahrt des Grundstückes A-Straße auf das Grundstück zu fahren, keinen Erfolg. Die Feststellungsklage sei insofern bereits unzulässig. Ferner hätten die Kläger auch keinen Rechtsanspruch auf Genehmigung einer Zufahrt auf ihr Grundstück von dem westlich des Grundstückes verlaufenden „G-Weg“. Die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes sei rechtmäßig und verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger verfügten mit der Zufahrt zur Straße A. bereits über eine Anbindung an eine öffentliche Straße. Ferner handele es sich bei dem „G-Weg“ nicht um eine öffentliche Straße. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

14

Mit der Berufung tragen die Kläger vor, dass die streitige Wegefläche bereits vor 1957 angelegt worden sei und allen Verkehrsteilnehmern zur Benutzung offen gestanden habe. Damit gelte der Weg entsprechend § 51 Abs. 3 StrG LSA als öffentliche Straße, auf die sie auch von ihrem Grundstück zufahren dürften. Soweit das Verwaltungsgericht darauf abstelle, dass der „G-Weg“ nur der inneren Erschließung eines als einheitlich anzusehenden Grundstückes gedient habe und daher nicht als öffentliche Straße anzusehen sei, habe es ein Kriterium herangezogen, welches in den Bestimmungen der insofern noch maßgeblichen Straßenverordnung der DDR keine Grundlage finde.

15

Die Kläger beantragen,

16

1. unter Abänderung des Urteiles des Verwaltungsgerichts Dessau vom 14. November 2007 festzustellen, dass es sich bei dem nordwestlich des Grundstückes der Kläger in A-Stadt, A-Straße verlaufenden „G-Weg“ um einen öffentlichen Weg handelt,

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2. unter Abänderung des Urteiles des Verwaltungsgerichts Dessau vom 14. November 2007 festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, über diesen öffentlichen Weg und die seit Anfang der siebziger Jahre bestehende nordwestliche Zufahrt des Grundstückes A-Straße auf das Grundstück zu fahren,

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hilfsweise

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3. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Dessau vom 14. November 2007 und unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 20. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 zu verpflichten, den Klägern eine Zufahrt über ihr Grundstück, gelegen in A-Stadt, A-Straße, von dem nordwestlich dieses Grundstückes verlaufenden „G-Weg“ aus zu genehmigen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat Erfolg.

25

Die Berufung ist zunächst zulässig, soweit die Kläger die Feststellung begehren, dass es sich bei dem nordwestlich bzw. westlich ihres Grundstückes verlaufenden sog. G-Weg um einen öffentlichen Weg handelt. Die Statthaftigkeit des Feststellungsantrages wird auch nicht durch den Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Frage gestellt. Dieser greift nur in den Fällen ein, in denen sich das mit der Klage erstrebte Ziel mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage ebenso gut oder besser erreichen lässt. Der Gesetzgeber will den Rückgriff auf die Feststellungsklage verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2010 - 8 C 38.09 - juris m. w. N.). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht als ein einzelnes Leistungsbegehren (BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152). Dies trifft für das Bestehen eines öffentlichen Weges mit den sich hieraus ergebenden verschiedenen Rechtsfolgen zu. Auch wenn jede einzelne Entscheidung, deren Grundlage das Vorhandensein eines öffentlichen „alten“ Weges bildet, angefochten werden kann, stellt die Rechtsnatur des Weges nur jeweils eine Vorfrage dar. Die Rechtskraftwirkungen eines Urteils, mit dem die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden, reichen dabei nicht so weit wie die Feststellungswirkung eines stattgebenden Feststellungsurteils. Lässt sich dem eigentlichen Rechtsschutzanliegen der Kläger mit einer Feststellungsklage demzufolge besser als mit einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage Rechnung tragen, so steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Wahl dieser Klageart nicht entgegen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 08.12.2005 - 4 Bf 314/02 - juris).

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Das Bestehen oder Nichtbestehen eines öffentlichen Weges bzw. einer öffentlichen Straße stellt auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Bei der „Öffentlichkeit eines Weges“ handelt es sich zwar grundsätzlich nur um eine Eigenschaft, die eine Vorfrage für weitere Verwaltungsakte oder schlichtes Verwaltungshandeln darstellt. Derartige Eigenschaften begründen aber ausnahmsweise dann bereits selbst ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, wenn mit ihnen Statusrechte oder andere Rechtsbeziehungen unmittelbar einhergehen. Die „Öffentlichkeit des Weges“ berührt die Rechtsbeziehungen der Kläger als Eigentümer und als Anlieger zu dem Weg als Sache bzw. zu der Beklagten, die für einen öffentlichen Weg straßenrechtlich verantwortlich ist (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 11.12.2001 - 2 KO 730/00 - juris).

27

Die Feststellungsklage ist insoweit auch begründet. Bei dem streitgegenständlichen „G-Weg“ handelt es sich um einen öffentlichen Weg im Sinne der Vorschriften des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Juli 1993 (StrG LSA, GVBl. LSA S. 334, zuletzt geändert durch Gesetz v. 22.12.2004, GVBl. LSA S. 856).

28

Öffentliche Straßen sind gemäß § 2 Abs. 1 StrG LSA Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Zwar fehlt es vorliegend an einer öffentlich bekannt gemachten Widmung des streitigen „G-Weges“ unter der Geltung des § 6 Abs. 1 StrG LSA und es liegt auch keine Eintragung im Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen oder sonstige Straßen vor, aufgrund derer die Eigenschaft eines öffentlichen Weges gemäß den §§ 4 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 1 StrG LSA vermutet wird. Auch lässt sich auch nicht belegen, dass der „G-Weg“ vor Inkrafttreten des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt durch Widmung die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten hat bzw. es kann auch eine Widmung aufgrund des Rechtsinstitutes der unvordenklichen Verjährung nicht vermutet werden, da ein allgemeiner Konsens über die Öffentlichkeit des Weges seit mindestens 80 Jahren (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 12.01.2000 - A 1 S 85/99 - LKV 2000, 543) nicht nachgewiesen ist.

29

Der streitgegenständliche Weg ist jedoch nach § 51 Abs. 3 StrG LSA eine Gemeindestraße i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG LSA.

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Nach § 51 Abs. 3 StrG LSA sind die bisherigen Stadt- und Gemeindestraßen Gemeindestraßen im Sinne des § 3 Abs 1 Nr. 3 StrG LSA. Diese Vorschrift geht darauf zurück, dass das Recht der DDR eine förmliche Straßenwidmung nicht kannte; maßgeblich für die Einstufung als öffentliche Straße war allein die Freigabe für die öffentliche Nutzung durch die zuständigen Stellen, in der Regel also der tatsächliche Anschluss an das bestehende Straßennetz (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.10.2002 - 8 C 24.01 - VIZ 2003, 284; OVG LSA, Urt. v. 09.04.1997 - A 4 S 5/97 - LKV 1998, 278). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d der Verordnung über das Straßenwesen vom 18. Juli 1957 (GBl. DDR I S. 377) - StrVO 1957 - unterfielen Stadt- und Gemeindestraßen, -wege und -plätze dem Begriff der kommunalen Straßen. Sie waren gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 StrVO 1957 öffentlich, wenn bisher ihrer Benutzung durch die Verkehrsteilnehmer seitens der Rechtsträger bzw. Eigentümer nicht widersprochen worden war, und sie wurden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 StrVO 1957 öffentlich, wenn die Räte der Städte und Gemeinden sie nach Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer dem öffentlichen Verkehr freigaben. Die Öffentlichkeit der kommunalen Straßen war demnach von dem tatsächlichen Vorgang des allgemeinen Verkehrs und dessen Duldung durch den Rechtsträger oder Eigentümer des Straßenlandes abhängig (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 10.11.1997 - A 4 S 241/97 - JMBl. LSA 1998, 244). Entscheidungen der Räte der Bezirke und Kreise über die Öffentlichkeit einer Straße waren nur im Falle von Unklarheiten oder Streitigkeiten vorgesehen (§ 4 StrVO 1957). Die am 1. Januar 1975 in Kraft getretene Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 (GBl. DDR I, S. 515, StrVO 1974) setzte diese Rechtslage im Wesentlichen fort. Danach waren öffentliche Straßen alle Straßen, Wege und Plätze, die der öffentlichen Nutzung durch den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr dienen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StrVO 1974). Die in § 4 Abs.1 und 3 StrVO 1974 vorgesehene „Entscheidung über die Öffentlichkeit“ einer (Gemeinde-)Straße durch die Räte der Städte und Gemeinden erlangte (äußerst geringe) praktische Bedeutung wiederum nur im Falle von Unklarheiten oder Streitigkeiten (BVerwG, Urt. v. 30.10.2002, a. a. O.) sowie im Falle des Entzugs der Öffentlichkeit einer Straße.

31

Entscheidend für die Einstufung als „öffentliche Straße“ war somit allein die - zugelassene, gebilligte oder geduldete - tatsächliche Nutzung der Straße für den öffentlichen Verkehr bei Inkrafttreten der StrVO 1957 am Tag der Verkündung (§ 26 Abs. 1 StrVO 1957), dem 31. Juli 1957 (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 10.11.1997, a. a. O.; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, Rdnr. 126 f.).

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Straßen, Wege und Plätze i. S. des § 1 StrVO 1957 sind Anlagen, die dem Fahrzeug- oder Fußgängerverkehr dienen, es sei denn, dass sie ausschließlich für den schienengebundenen Fahrzeugverkehr bestimmt sind. Der Verlauf einer Straße oder eines Weges als räumlich-begrenztes Gebilde muss zudem äußerlich als Wegeanlage erkennbar und feststellbar sein (vgl. OVG LSA, Urt. v. 14.11.2002 - 1 L 153/02 - juris, VGH Mannheim, Urt. v. 26.07.1961 - IV 825/60 - ESVGH 12, 32). Ferner ist eine Straße dann öffentlich und damit dem allgemeinen Verkehr zugänglich, wenn sie entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich für jedermann ohne Beschränkung auf einen abgegrenzten, durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis zur Benutzung zugelassen ist und auch so genutzt wird (vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, S. 139, Rdnr. 15.2.). Der Öffentlichkeit eines Weges steht dabei nicht entgegen, wenn sich die Bestimmung des Weges auf einzelne Verkehrsarten (etwa Fußgänger- oder Radverkehr) oder auf einzelne Verkehrszwecke (Weg zu einer Schule oder sonstigen öffentlichen bzw. privaten Einrichtung) beschränkt, sofern der Weg zumindest in der einen oder anderen Weise jedermann offen steht, selbst wenn der Weg zeitweilig nicht oder z. B. aufgrund der Witterungsverhältnisse nur beschränkt genutzt werden kann. Eine rechtlich nichtöffentliche Straße liegt demgegenüber dann vor, wenn von Seiten des Verfügungsberechtigten wirksame Vorsorge dafür getroffen wurde, dass nur Personen Zutritt erhalten, die in engen persönlichen Beziehungen zum Eigentümer des Straßengrundes stehen oder in eine solche treten wollen (vgl. Kodal/Krämer, a. a. O.).

33

Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, ob der hier betroffene „G-Weg“ tatsächlich als öffentlicher Weg genutzt worden ist, können sich aus der Ausübung der Wegeaufsicht, Eintragungen in Karten, Plänen und Katastern, der Beschaffenheit und der Funktion (dem Zweck) der (Wege-)Fläche ergeben (vgl. dazu Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, S. 130 f.). Nach dieser vorzunehmenden Gesamtschau war der streitige „G-Weg“ zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 31. Juli 1957, ein öffentlicher Weg im vorgenannten Sinne.

34

Der streitgegenständliche Weg liegt in einem vormals landwirtschaftlich genutzten Gebiet mit Ackerflächen im Westen des Stadtgebietes der Beklagten. Die streitgegenständliche Wegefläche war ursprünglich Teil des weitgehend unbebauten Flurstückes 50 der Flur A von W.. Bereits seit den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden Teile dieses Flurstückes an Privatpersonen als sogenanntes Grabeland zur kleingärtnerischen Nutzung verpachtet (Gartenanlage „A.“ P-Stadt mit den Parzellen des sogenannten T-Plan, des Plan E., des Plan I und des Plan III). Nach 1945 wurde das ursprünglich bestehende Flurstück 50 durch die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft (GPG) (...), insbesondere zum Spargelanbau genutzt. Nach den vorliegenden Unterlagen wurde das Flurstück 50 dann später in das Eigentum des Volkes übernommen. Auf dem streitgegenständlichen Flurstück wurden Wegeflächen angelegt bzw. entstanden rein faktisch durch das wiederholte Befahren und Betreten der gärtnerisch genutzten Flächen, damit die Mitarbeiter der GPG und die Pächter der Gartenparzellen die von ihnen bewirtschafteten Flächen auch mit Erntefahrzeugen erreichen konnten. Diese festgefahrenen Spurbahnen sind dann später nicht mehr beseitigt worden und nachfolgend von den Pächtern der Gartenflächen fußläufig, mit Handkarren, Fahrrädern und später mit Kraftfahrzeugen zum Erreichen der von ihnen gepachteten Flächen genutzt worden. Aus einer solchen „Spurbahn“ ist dann offensichtlich auch der hier streitige „G-Weg“ hervorgegangen, welcher die kleingärtnerisch genutzte Fläche an seiner östlichen Seite begrenzt und von dem in westlicher Richtung weitere Wege abzweigen. Dieser Schluss wird auch durch die von der Beklagten vorgelegten Katasterunterlagen und Pachtverträge, welche in der Zeit vor 1957 erstellt worden sind, bestätigt. Aus den bei den Akten befindlichen Übersichtsplänen, in welche Ort und Pächter der Parzellen verzeichnet sind, und den vorgelegten Pachtverträgen aus der Zeit vor 1957 ergibt sich, dass der „G-Weg“ bereits am 31. Juli 1957 als Wegefläche existent war. Einer Frau K. wurde ausweislich eines Schreibens vom 3. Mai 1956 die Parzelle Nr. 40 im R.-Gelände Plan III zur Nutzung überlassen. Diese Parzelle befindet sich unmittelbar nordwestlich des Grundstückes der Kläger und westlich des „G-Weges“. Ferner ist ausweislich eines Schreibens vom 5. April 1954 einer Frau S. die Parzelle Nr. 1 des T-Plan als Grabeland zur Pacht überlassen worden. Diese Parzelle befindet sich westlich des „G-Weges“ und südwestlich des Grundstückes der Kläger. Da der „G-Weg“ bereits vor 1957 für die Nutzung und Erschließung der beiden Parzellen offensichtlich notwendig war, ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Weg schon vor dem 31. Juli 1957 als eine erkennbare und auf Dauer angelegte Wegeanlage vorhanden war. Allein der Umstand, dass für den Wegekörper bis in die Gegenwart keine größeren Aufwendungen getätigt wurden und hierdurch die Wegefläche je nach Jahreszeit und Frequenz der Benutzung Veränderungen unterworfen war, gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass sich der Verlauf der Wegeanlage in der Zeit seit 1957 in einer Weise verändert hat, dass nicht mehr von einer Identität der im Jahre 1957 bestehenden Wegeanlage mit der heutigen Wegefläche gesprochen werden kann. Die Erschließungsfunktion des „G-Weges“ für die nach Aktenlage in ihren äußeren Umrissen im Wesentlichen unverändert gebliebenen angrenzenden Flurstücke ist über den gesamten Zeitraum hinweg jedenfalls unverändert geblieben. Die landwirtschaftliche Nutzung durch die GPG dauerte bis ca. 1964 an. Danach wurden die von ihr genutzten Flächen ebenfalls an Pächter zur kleingärtnerischen Nutzung überlassen. In der Folgezeit wurden auf einzelnen Pachtflächen auch Lauben und Garagen errichtet. Erst ab 1990 wurden dann unter anderem auf den Parzellen, welche von dem „G-Weg“ und der Straße A. umfasst sind, Einfamilienhäuser errichtet.

35

Es ist aus den Unterlagen auch nicht ersichtlich, dass der „G-Weg“ rein tatsächlich nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich war (und ist). Die Beklagte hat zwar im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass sie die Nutzung des „G-Weges“ nur den Nutzern der Kleingärten erlaubt habe, welche westlich des klägerischen Grundstückes belegen sind. Der „G-Weg“, welcher nördlich des klägerischen Grundstücks von der Straße A. abzweigt und südlich davon wieder an diese Straße anschließt, war aber zu keinem Zeitpunkt durch Tore, Poller, Schranken, Ketten oder ähnliches an den Abzweigungen zur Straße A. versperrt und damit nur einem begrenzten Personenkreis tatsächlich zugänglich. Es ist auch zu keinem Zeitpunkt eine Beschilderung durch die Beklagte oder den vormaligen Rat der Stadt W. angebracht worden, mit welchem der Zugang zu dem „G-Weg“ beschränkt worden ist. Die kleingärtnerisch bzw. landwirtschaftlich genutzte Fläche des jetzigen Flurstückes 165 einschließlich des G-Weges war auch nicht in ihrer Gesamtheit durch Mauern oder Zäune umfasst, was den Schluss zuließe, dass der streitige „G-Weg“ nur der Erreichbarkeit von Flächen innerhalb eines nach außen hin abgeschlossenen Areals diente und daher den Charakter eines nur einem beschränkten Personenkreis zugänglichen Privatweges hätte. Der frühere und auch noch aktuelle Ausbauzustand des „G-Weges“ mit der unbefestigten Sand-/Schotteroberfläche steht der Öffentlichkeit des Weges nicht entgegen, zumal sich der unstreitig mittlerweile öffentliche Weg „A.“ an der östlichen Seite des klägerischen Grundstückes heute noch in einem ähnlichen Zustand befindet. Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Lichtbildern ist die Straße A. lediglich mit einer Straßenentwässerung versehen worden.

36

Soweit die Kläger die Feststellung begehren, dass sie berechtigt sind, über den „G-Weg“ und die seit Anfang der siebziger Jahre bestehende nordwestliche Ausfahrt des Grundstückes A-Straße auf ihr Grundstück zu fahren, ist die Feststellungsklage zulässig.

37

Die Kläger begehren die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO, ohne dass sie dies im konkreten Fall durch eine Gestaltungsklage verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).Auch ist der Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 VwGO nicht verletzt. Die Kläger können nicht darauf verwiesen werden, dass sie eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung der Grundstückszufahrt erheben müssen. Eine Verpflichtungsklage gewährt einem Kläger dann keinen ausreichenden, d. h. gleich effektiven Rechtsschutz, wenn der Kläger Rechte gerade ohne Rücksicht auf eine mit einer Verpflichtungsklage verfolgbare behördliche Gestattung zu haben behauptet, insbesondere, wenn die Kläger wie hier ein bestimmtes Tun als erlaubnisfrei ansehen und gerade deshalb im Hauptantrag keine Genehmigung begehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.05.1962 - VII C 240.59 - BVerwGE 14, 202, 203; Urt. v. 17.01.1972 - I C 33. 68 - BVerwGE 39, 247, 249).

38

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Das Recht der Kläger zur Anlegung einer Zufahrt an innerörtlichen Straßen folgt allerdings nicht aus dem jedermann nach § 14 Abs. 1 StrG LSA zustehenden Gemeingebrauch. Denn der Gemeingebrauch zielt nur darauf ab, jedermann in gleicher Weise an einer öffentlichen Straße teilhaben zu lassen. Er schafft keine Sonderrechte. Hingegen stellt der sogenannte gesteigerte Gemeingebrauch des Anliegers im Sinne des § 14 Abs. 4 StrG LSA ein Sonderrecht dar. Das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs erkennt die Sonderstellung des Straßennachbarn an und räumt ihm spezifische Rechte und Pflichten ein. Wie weit er gewährleistet ist, richtet sich nach dem einschlägigen Straßenrecht, dessen Regelungsbereich das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Straße und angrenzenden Grundstücken mit umfasst. Der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegergebrauchs erstreckt sich dabei nur auf den erstmaligen, notwendigen Zugang des Grundstückes zur Straße und seine Zugänglichkeit zu ihr. Auch die Bestimmung des § 22 StrG LSA schützt die Bedürfnisse der Anlieger nur in ihrem Kern, und die Zufahrt zu einem Anliegergrundstück ist nur geschützt, soweit es die angemessene Nutzung des Grundeigentums unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten erfordert. Die Gewährleistung der Zugänglichkeit umfasst keine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung der Straße und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße. Weitergehende Ansprüche, insbesondere solche auf Aufrechterhaltung einer bestimmten vorteilhaften Verkehrsanbindung, kann ein Grundstückseigentümer aus seinem Anliegerrecht nicht herleiten (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2004 - 9 A 27.03 - NVwZ 2004, 990 m. w. N.; OVG LSA, Beschl. v. 22.12.2005 - 1 L 290/04 - LKV 2006, 414).

39

Das Straßengesetz des Landes Sachsen-Anhalt regelt dabei das Zufahrtsrecht der Anlieger nicht umfassend. Aus § 22 Abs. 2 StrG LSA folgt, dass der Anlieger einer Landes- oder Kreisstraße außerhalb der zur Erschließung bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten grundsätzlich nicht frei auf die Straße zufahren kann, sondern einer Sondernutzungserlaubnis bedarf. Im Umkehrschluss dürfen Anlieger einer innerörtlichen Straße ihre Zufahrten grundsätzlich erlaubnisfrei errichten. Allerdings folgt aus der straßenrechtlichen Erlaubnisfreiheit des Zufahrtrechts nicht, dass der Straßenanlieger ein uneingeschränktes Bestimmungsrecht hinsichtlich der Lage und der Breite seiner Zufahrt hätte. Zum Einen kann die Gemeinde in einem Bebauungsplan die Zufahrten durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB aus städtebaulichen Gründen regeln. Zum Anderen bestimmt § 22 Abs. 7 StrG LSA, dass Zufahrten aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs geändert, verlegt oder, wenn das Grundstück eine anderweitige ausreichende Verbindung zum öffentlichen Wegenetz besitzt, geschlossen werden können. Besteht für ein Grundstück bereits eine Zufahrtsmöglichkeit in angemessenem Umfang, dann genießen Pläne für die Errichtung einer weiteren Zufahrt keinen gesteigerten rechtlichen Schutz. Wie aus § 22 Abs. 7 StrG LSA hervorgeht, geht der Gesetzgeber davon aus, dass das öffentliche Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Einzelfall das private Interesse an einer weiteren Zufahrt überwiegen kann. Stehen Gründe der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs einer weiteren Zufahrt entgegen, kann der Anlieger aus § 22 Abs. 7 StrG LSA nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Straßenbehörde über einen Antrag auf Errichtung einer weiteren Grundstückszufahrt herleiten (zum vergleichbaren Landesrecht: BayVGH, Urt. v. 01.12.2009 - 8 B 09.1890 - juris; VGH Kassel, Beschl. v. 18.11.1991 - 2 TH 2280/91 - juris).

40

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, die spätestens seit Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts bestehende Zufahrt vom „G-Weg“ zum Grundstück der Kläger die (zeitlich) erste und damit grundsätzlich erlaubnis- bzw. genehmigungsfrei angelegte Zufahrt vom Grundstück zu einem öffentlichen Weg dar. Im Zeitpunkt der Anlage dieser Zufahrt handelte es sich bei dem „G-Weg“ bereits um einen öffentlichen Weg, welcher den Anschluss an das öffentliche Wegenetz vermittelte. Auf den Umstand, dass möglicherweise der östlich des klägerischen Grundstückes belegene Weg „A.“ bereits am 31. Juli 1957 ebenfalls als öffentlicher Weg im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 StrVO 1957 anzusehen war, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da zu diesem Weg keine Zufahrt vom klägerischen Grundstück aus angelegt worden ist.

41

Auf den von den Klägern gestellten Hilfsantrag auf Erteilung einer Genehmigung der Zufahrt vom „G-Weg“ her kam es daher ebenfalls nicht mehr an. Für einen solchen Antrag fehlt es im Übrigen auch an einem Rechtsschutzbedürfnis, da wie oben ausgeführt, die erstmalige Grundstückszufahrt grundsätzlich keiner straßenrechtlichen Genehmigung bedarf.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

43

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.