Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 05. Feb. 2014 - 6 B 10/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
4Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die sieben im Justizministerialblatt für das Land NRW vom 15. Januar 2013 ausgeschriebenen Stellen eines Justizvollzugsamtsinspektors / einer Justizvollzugsamtsinspektorin (A 9 BBesO) bei der Justizvollzugsanstalt X. mit den Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Der Antragsteller habe Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens vorgenommene Auswahlentscheidung des Antragsgegners verletzte den Antragsteller in seinem Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei der Stellenbesetzung. Unerheblich sei – mangels Auswirkung auf die Beurteilung – allerdings, dass der Antragsgegner der Beurteilung vom 6. Mai 2013 die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gültigen Beurteilungsrichtlinien „Dienstliche Beurteilungen der Beamtinnen und Beamten“ (für den Geschäftsbereich des Justizvollzugs – AV des JM vom 8. November 2012) anstelle der seit dem 1. März 2013 anzuwendenden Beurteilungsrichtlinien „Dienstliche Beurteilungen der Beamtinnen und Beamten“ (AV des JM vom 1. Februar 2013) zu Grunde gelegt habe. Denn der Antragsgegner habe jedenfalls das nach der in beiden Beurteilungsrichtlinien gleichlautenden Nr. 6.1 BRL vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten, weil das mit dem zu beurteilenden Beamten vor der abschließenden Erstellung der Beurteilung durchzuführende Gespräch nicht durch den Dienstvorgesetzten geführt worden sei.
5Diese eingehend begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts werden mit dem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
6Der Einwand des Antragsgegners, aus den Beurteilungsrichtlinien, in denen es heiße, „Der oder dem zu Beurteilenden ist der Entwurf der beabsichtigten Beurteilung zur Kenntnis zu bringen und Gelegenheit zur mündlichen Erörterung der in Aussicht genommenen Beurteilung zu geben (...).“ ergebe sich gerade nicht, wie Gelegenheit zur mündlichen Erörterung zu geben sei, und lasse demnach auch eine Erörterung mit dem Fachvorgesetzten zu, greift mit dieser allein auf den ersten Satz der Nr. 6.1 BRL gestützten Sichtweise zu kurz. Denn damit blieben die weiteren in Nr. 6.1. BRL aufgestellten konkretisierenden Vorgaben unberücksichtigt, die für das (Beurtei-lungs-)Gespräch einen Abgleich des vom Dienstvorgesetzten gewonnenen Leistungs-, Befähigungs- und Entwicklungsbildes mit der eigenen Einschätzung des zu Beurteilenden (Satz 3) sowie – auf Wunsch – eine Offenlegung der Beurteilungsgrundlagen (Satz 4) verlangen. Dass diesen Anforderungen mit Blick auf die Systematik der Beurteilungsrichtlinien sowie den Zweck des Gesprächs bei einer Erörterung mit einem anderen Vorgesetzten als dem zur Erstellung der Beurteilung berufenen Dienstvorgesetzten nur unzureichend genügt werden kann, hat bereits das Verwaltungsgericht – ohne dass der Antragsgegner dem entgegen getreten ist – zutreffend herausgestellt.
7Der aus Nr. 6.1 BRL gewonnen Vorgabe – Erörterung des Beurteilungsentwurfes mit dem Dienstvorgesetzten – steht nicht entgegen, dass unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung dem Wortlaut von Beurteilungsrichtlinien nicht zwingend entscheidende Bedeutung zukommt und deshalb auch die „Auslegung“ einer Richtlinie nur begrenzt Auskunft über die letztlich maßgeblichen Anforderungen an die Verfahrensgestaltung geben kann. Denn Verwaltungsvorschriften wie die hier anzuwendenden Beurteilungsrichtlinien sind keine Rechtsnormen. Sie sollen lediglich eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherstellen. Maßgebend ist deshalb die in ständiger Praxis geübte, wenn auch unter Umständen von den Richtlinien abweichende Handhabung, wenn sie vom Richtliniengeber gebilligt oder zumindest geduldet wird.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Dezember 2007 – 6 A 1603/05 – und vom 31. Mai 2006 – 6 A 1146/04 –, jeweils nrwe.de und mit weiteren Nachweisen.
9Der Antragsgegner hat jedoch auch im Beschwerdeverfahren nichts dafür vorgetragen, dass eine vom Justizministerium gebilligte oder geduldete, landesweit einheitliche Verwaltungspraxis besteht, nach der das in Nr. 6.1 BRL vorgesehene Gespräch durch einen anderen Beamten als dem Dienstvorgesetzen erfolgt. Allein der mit der Beschwerde geltend gemachte Umstand, dass dies in der JVA X. so üblich sei, lässt keinen hinreichend sicheren Schluss auf eine entsprechende landesweite Handhabung des Beurteilungsverfahrens zu.
10Der Antragsgegner geht ferner zu Unrecht davon aus, dem in Nr. 6.1 BRL aufgestellten Erfordernis, dem zu Beurteilenden Gelegenheit zur mündlichen Erörterung des Beurteilungsentwurfs (mit dem Dienstvorgesetzen) zu geben, sei dadurch hinreichend Genüge getan worden, dass eine Erörterung mit dem Leiter der JVA X. jederzeit – auch kurzfristig – möglich gewesen sei und diese seit Jahren gängige Praxis in der JVA X. dem Antragsteller auch bekannt gewesen sei. Die in diesem Zusammenhang vom Antragsgegner ausdrücklich aufgestellte „Mitwirkungsobliegenheit“ des Bediensteten, „die entsprechende Erörterung auch einzufordern“, lässt sich aus Nr. 6.1 BRL nicht ableiten. „Gelegenheit geben“ verlangt schon dem Wortsinn nach ein aktives, auf die Durchführung eines konkreten Gesprächs gerichtetes Tätigwerden des Dienstherrn (etwa durch Unterbreitung eines Gesprächstermins) und steht einer Verlagerung der Initiative auf den zu Beurteilenden entgegen. Dass dies gleichwohl offenbar der seit Jahren üblichen Vorgehensweise in der JVA X. entspricht, ist insoweit nicht von Belang, da sich daraus keine hinreichend sicheren Rückschlüsse auf eine entsprechende landesweite und vom Justizministerium zumindest geduldete Verwaltungspraxis ziehen lassen.
11Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12Die Streitwertfestsetzung erfolgt durch gesonderten Beschluss, sobald dem Senat die erbetenen, für die Berechnung nach § 52 Abs. 1, Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG erforderlichen Angaben vorliegen.
13Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.