Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 18. Dez. 2018 - 6 A 2903/18
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 9.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LAFP NRW) habe die vom Kläger begehrte Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 rechtmäßig wegen fehlender charakterlicher Eignung abgelehnt. Insoweit genügten berechtigte Zweifel. Das beklagte Land habe seinen Bewertungsspielraum nicht überschritten, indem es sich auf die beträchtliche Anzahl der gegen den Kläger geführten Strafverfahren sowie die dadurch zu Tage getretenen Verhaltensweisen gestützt habe. Dass es teilweise zu keiner Verurteilung gekommen sei, hindere das beklagte Land nicht, aus dem zu Tage getretenen Verhalten Rückschlüsse auf seine charakterliche Eignung zu ziehen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass er bei Begehung der Taten mit einer Ausnahme noch Heranwachsender gewesen und inzwischen nachgereift sei. Zum einen habe es sich nicht ausschließlich um jugendtypische Verfehlungen gehandelt. Zum anderen sei der Zeitraum, in dem sich der Kläger durch straffreies Verhalten bewährt haben wolle, zu kurz, als dass daraus auf eine nachhaltige Änderung des Charakters und zukünftiges rechtstreues Verhalten geschlossen werden könne. Noch im Juni 2016 sei er erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten.
4Die Antragsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser näher begründeten Erwägungen auf. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht, dass das M. NRW den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat, d. h. dass es von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den Begriff der Eignung gemessen an den für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen charakterlichen Eigenschaften eines Beamten verkannt oder aber unter Verletzung allgemeingültiger Wertmaßstäbe, etwa der Einbeziehung sachwidriger Erwägungen, entschieden hat.
5Vgl. zum Maßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 13. September 2018 - 6 B 1176/18 -, juris Rn. 10, vom 17. August 2017 - 6 B 751/17 -, juris Rn. 8, vom 2. Dezember 2016 - 1 B 1194/16 -, juris Rn. 13 ff., vom 2. November 2016 - 6 B 1172/16 -, juris Rn. 9 f., vom 19. November 2014 - 6 A 1896/13 -, juris Rn. 42, und vom 18. Oktober 2013 - 1 B 1131/13 -, juris Rn. 7 ff., 14; Sächs. OVG, Beschluss vom 20. September 2017 - 2 B 180/17 -, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 10. März 2017 - 4 S 124/17 ‑, juris Rn. 5, und vom 27. November 2008 ‑ 4 S 2332/08 -, juris Rn. 4.
6Straftaten, auch wenn sie im jugendlichen Alter begangen wurden, sind grundsätzlich geeignet, Zweifel an der charakterlichen Eignung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu begründen. Dafür ist es unerheblich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ob es zu einer Verurteilung gekommen oder das Strafverfahren wegen geringer Schuld oder gegen Auflagen eingestellt worden ist. Das Mitführen eines Klappmessers zu einem Fußballspiel und die diesbezügliche Erklärung des Klägers durften ebenfalls in die Beurteilung der charakterlichen Eignung einbezogen werden, auch wenn dies nicht gegen das Waffengesetz verstieß. Der Kläger ist in der Vergangenheit mehrfach, zuerst im noch nicht strafmündigen Alter von 13 Jahren und 11 Monaten, zuletzt im Juni 2016 im Alter von 22 Jahren, strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Delikte sind vielfältig und reichen von Diebstahl über Betrug und Urkundenfälschung bis hin zum Hausfriedensbruch. Der Kläger wirkte überwiegend an der Aufklärung nicht mit, flüchtete sich in Schutzbehauptungen und zeigte keine Einsicht in sein Fehlverhalten; im Verfahren wegen Urkundenfälschung - Einsetzen eines falschen Datums in ein ärztliches Attest für die Schule – schilderte er nicht nur abwegige Geschehensabläufe, sondern beschuldigte auch noch seinen jüngeren Bruder. Aufgrund des langen Zeitraums, der Vielfalt der Straftaten und des Umgangs damit ist dem erneut erhobenen Einwand des Klägers, es handle sich um jugendtypische Verfehlungen, die keine Rückschlüsse auf seine derzeitige charakterliche Eignung zuließen, nicht zu folgen. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
7Das beklagte Land musste auch nicht aufgrund der vom Kläger angeführten geänderten persönlichen Lebensumstände, etwa der Tätigkeit als Schülersprecher, davon ausgehen, er sei ungeachtet der Vorkommnisse in der Vergangenheit charakterlich geeignet, weil er nunmehr als Erwachsener ausreichend gereift sei. Es ist insbesondere rechtlich nicht zu beanstanden, dass das M. NRW auf die Vorgänge auf dem Festivalgelände in Oberhausen im Juni 2016 verwiesen hat, als der Kläger bereits erwachsen war und sich schon bei der Bundespolizei beworben hatte. Insoweit ist auch nichts gegen die Würdigung des beklagten Landes zu erinnern, als Polizist für Recht und Gesetz einstehen könne nur, wer sich selbst regelkonform verhalte, polizeilichen Anweisungen folge und mit Alkohol entsprechend verantwortungsvoll umgehe. Der verharmlosende Einwand des Klägers, der Hausfriedensbruch im betrunkenen Zustand falle in den Bereich der leichtest denkbaren Kriminalität und sei ein Ausrutscher, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Da Streitgegenstand eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist, kommt es schließlich auf die nach Erledigung des Einstellungsbegehrens für das Jahr 2017 eingetretenen Umstände, etwa das Engagement bei der freiwilligen Feuerwehr, hier nicht an.
8Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
9Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Annotations
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.