Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 09. Dez. 2013 - 14 A 2663/13.A
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
4Nach diesen Maßstäben kommt den aufgeworfenen Fragen,
5"1. ob eine Person, die illegal aus Syrien ausgereist ist und im Ausland Asylantrag gestellt sowie sich jahrelang im Ausland aufgehalten und exilpolitische Aktivitäten entfalten hat, im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung zu gewärtigen hat;
62. ob eine Person, die sich in der Bundesrepublik Deutschland exilpolitisch betätigt hat, z. B. durch die Veröffentlichung von regimekritischen Artikeln im Internet, im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung zu gewärtigen hat, unabhängig von der Frage, ob die exilpolitischen Aktivitäten 'zum Teil ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines asylrelevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt werden' oder nicht",
7die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die erste Frage würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen und ist somit nicht klärungsfähig. Die Klägerin zu 1 hat nach dem Tatbestand des angegriffenen Urteils Syrien am 11. November 2012 verlassen. Von jahrelangem Aufenthalt im Ausland kann also keine Rede sein. Im übrigen hat der beschließende Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass unverfolgt illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, auch angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden. Rückkehrer unterliegen zwar allgemein der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Dies begründet aber lediglich einen Anspruch auf Abschiebungsschutz, nicht den Anspruch, als politisch Verfolgter anerkannt zu werden.
8Zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 21.8 2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑. NRWE Rn. 6 ff.
9Dies ist in Nordrhein-Westfalen geklärt und somit nicht mehr klärungsbedürftig. Die weitergehende Frage nach der asylrechtlichen Bedeutung exilpolitischer Betätigung beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich fallübergreifender Beurteilung, so dass dies in einem Berufungsverfahren nicht klärungsfähig ist.
10Der Zulassungsgrund eines in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG) in Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen sich dabei jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegen genommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Darüber hinaus verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör, dass ein Gericht nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse ‑ auch Presseberichte und Behördenauskünfte ‑ verwertet, die von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind und zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Eine hierauf bezogene Gehörsrüge muss darlegen, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs zu weiterer Klärung des geltend gemachten Anspruchs Geeignetem vorgetragen worden wäre.
11Vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 14.4.2005 ‑ 1 B 161.04 ‑, Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO, Nr. 81.
12Nach diesen Maßstäben liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs darin, dass das Verwaltungsgericht die Kläger zu der Tatsache nicht angehört hat, dass "verstärkt seit Ausbruch des Konflikts in Syrien hierzulande exilpolitische Tätigkeiten von bislang unpolitischen syrischen Staatsangehörigen zum Teil ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt" würden. Es handelt sich schon nicht um eine Tatsache, zu der gemäß § 108 Abs. 2 VwGO ausdrücklich eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt werden müsste, denn es erscheint als allgemeinkundig, dass infolge für alle syrischen Staatsbürger gewährten Abschiebungsschutzes ohne Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft solche Versuche verstärkt unternommen werden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt aber auch deshalb nicht vor, weil die Kläger nicht vorgetragen haben, was sie bei ausreichender Gehörsgewährung an zu weiterer Klärung des geltend gemachten Anspruchs Geeignetem vorgetragen hätten.
13Insofern machen sie nicht etwa geltend, dass die beschriebene Tatsache nicht richtig sei, sondern lediglich, sie hätten dargelegt, dass eine Vielzahl von Syrern einschließlich der Klägerin zu 1 exilpolitische Aktivitäten nicht zum Zwecke der Schaffung eines asylrelevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt hätten und dass nicht jeder syrische Asylbewerber in Deutschland gegen den syrischen Staat exilpolitisch aktiv sei, sondern es auch zahlreiche Pro-Assad-Aktivisten gebe. Es ist nicht dargelegt oder sonst erkennbar, warum dies für den Asylanspruch erheblich sein soll, da dies nicht der vom Verwaltungsgericht angeführten Tatsache entgegensteht, dass "verstärkt seit Ausbruch des Konflikts in Syrien hierzulande exilpolitische Tätigkeiten von bislang unpolitischen syrischen Staatsangehörigen zum Teil ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt" werden. Diese Tatsache hat das Verwaltungsgericht in der Annahme bestärkt, die syrischen Sicherheitskräfte hätten keine Interesse an der exilpolitischen Tätigkeit der Klägerin, von der das Verwaltungsgericht nicht annimmt, sie werde nur zum Zwecke der Schaffung eines asylrelevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt.
14Der Gehörsverstoß ist auch nicht deshalb begründet, weil das Verwaltungsgericht den Inhalt eines von der Klägerin zu 1 verfassten und zu den Akten gereichten Artikels nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hätte. Aus Tatbestand und Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils auf S. 3 und 8 ergibt sich das Gegenteil. Dort wird nämlich sowohl die Tatsache des Artikels als auch schlagwortartig der Inhalt wiedergegeben. Dass die Würdigung des Umstands nicht der der Kläger entspricht, begründet keinen Gehörsverstoß.
15Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn
- 1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.