Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. März 2009 - 3 O 1/09
Gericht
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 02.12.2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herstellung einer den Anforderungen des § 4 Abs. 1 LBauO M-V entsprechenden, befahrbaren, öffentlich-rechtlich gesicherten Anbindung des Grundstücks bestehend aus den Flurstücken 79/9, 79/10 und 79/11 der Flur X. der Gemarkung Y. zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche.
- 2
Der Kläger erhielt gemeinsam mit seiner Ehefrau mit Wirkung zum 01.03.1983 das Nutzungsrecht an dem damaligen Flurstück 79/2 der Flur X. eingetragen im Grundbuch von Y. Blatt 5356 zum Zwecke der Errichtung eines Eigenheimes für Wohnbedürfnisse. Das Eigenheim wurde errichtet. Der Ehefrau des Klägers wurde am 17.10.1989 der Prüfbescheid über den Anbau einer "Snackbar" an das Eigenheim erteilt unter der Auflage, dass der Zugang über einen Gehweg von der S.-Straße erfolgt. Der Kläger und seine Ehefrau kauften im Jahr 1990 die Flurstücke 79/5 und 79/2 der Flur X.; die Eintragung des Eigentumswechsels der in den Folgejahren in die Flurstücke 79/7, 79/8, 79/9, 79/10 und 79/11 aufgeteilten Flurstücke im Grundbuch erfolgte 1997. Der Kläger ließ die Flurstücke 79/7 und 79/8 1999 an seine Frau und die Flurstücke 79/9, 79/10 und 79/11 2002 an seine Tochter auf. Zugunsten des Klägers ist auf dem Grundstück Flurstücke 79/9, 79/10 und 79/11 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) eingetragen.
- 3
Der Kläger erhielt am 23.09.2002 eine Baugenehmigung für den Umbau des Gebäudes, in dem er eine Gaststätte betrieb. Die Nachbarn des Klägers erreichten im gerichtlichen Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung. Durch Abhilfebescheid vom 07.10.2004 wurde die Baugenehmigung aufgehoben und später zusätzlich zurückgenommen. Diese Rücknahme wurde später zurückgenommen und ein neuer Abhilfebescheid erlassen, in dem zugleich die Rücknahme der Baugenehmigung ausgesprochen wurde. Gegen diesen Abhilfebescheid wurde nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine bedingte Klage erhoben, das Oberverwaltungsgericht hat zu erkennen gegeben, dass darin ein isolierter Prozesskostenhilfeantrag zu sehen sein dürfte. Dieser Prozesskostenhilfeantrag blieb erfolglos.
- 4
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.10.2008 hat der Kläger unter dem Vorbehalt, dass die Klage erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugestellt werden soll, Klage erhoben mit dem Ziel, die Beklagte zur Herstellung einer den Anforderungen des § 4 LBauO M-V genügenden Anbindung des Grundstücks bestehend aus den Flurstücken 79/9, 79/10 und 79/11 an die öffentliche Verkehrsfläche zu verpflichten. Zugleich hat er einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt.
- 5
Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung abgelehnt, die Klage habe keine ausreichenden Erfolgsaussichten. Sie sei als bedingte Klage bereits unzulässig und auch aus materiell-rechtlichen Gründen voraussichtlich ohne Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erschließung, weil die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmetatbestände nicht vorlägen.
- 6
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, die er im Wesentlichen damit begründet, er sei Inhaber eines Nießbrauches an den Flurstücken. Die Baugenehmigung in der Zeit der DDR sei auch aufgrund einer Standortgenehmigung der Beklagten erteilt worden, so dass ein ihr zurechenbares Verhalten für die auch nach DDR-Recht rechtswidrige Baugenehmigung vorliege, aus der sich ein Anspruch auf Erschließung ergebe. Schließlich sei auch die Baugenehmigung aus dem Jahr 2002 zu berücksichtigen.
- 7
Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten und verweist darauf, dass der Kläger nicht Inhaber eines Nießbrauches sei und er sich missbräuchlich in die derzeitige wirtschaftliche Lage gebracht habe.
- 8
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
- 9
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht die mangelnden Erfolgsaussichten der Klage angenommen. Dabei hält der Senat an seiner Rechtsprechung zur Auslegung von Prozesserklärungen, in denen Prozesskostenhilfe beantragt und zugleich eine in der Prozesserklärung ausformulierte Klage unter dem Vorbehalt der Prozesskostenhilfebewilligung zugestellt werden soll, wie er sie im den Beteiligten bekannten Beschluss vom 15.08.2008 (3 O 61/08) näher dargelegt hat, fest. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe eine bedingte und damit unzulässige Klage erhoben, begegnet erheblichen Bedenken.
- 10
Die für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe angekündigte Klage hat aber aus materiell-rechtlichen Gründen keine Erfolgsaussichten (§ 166 VwGO, § 114 ZPO). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachdarstellung und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge für zumindest vertretbar hält und nicht auszuschließen ist, dass der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegen wird.
- 11
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dabei ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Tatsachenvortrag des Klägers, er sei Inhaber des Nießbrauches an dem Grundstück seiner Tochter, nicht zutrifft. Im Grundbuch ist kein Nießbrauch eingetragen, sondern ein beschränkte persönliche Grunddienstbarkeit (Wohnungsrecht). Das vom Kläger beanspruchte umfassende dingliche Nutzungsrecht an diesem Grundstück besteht nicht. Daher kann der Kläger auch nicht aus diesem dinglichen Recht einen Anspruch auf Erschließung ableiten.
- 12
Der Senat kann die Rechtsfrage, ob einem Inhaber einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in Gestalt eines Wohnungsrechts überhaupt ein Anspruch auf Erschließung zustehen kann, mangels Entscheidungserheblichkeit offenlassen.
- 13
Voraussetzung eines Anspruchs auf Erschließung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 28.10.1981 - 8 C 4/8 -, BVerwGE 64, 186), dass die Gemeinde an der Erteilung einer rechtswidrigen Baugenehmigung mitgewirkt hat. So liegt der Fall hier nicht. Allerdings spricht nichts dagegen, dass die wohl auch dem Kläger erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit der nach damaligen Recht (vgl. § 3 VO v. 22.03.1972, GBl. DDR II S. 293 i.d.F. der VO v. 31.08.1978, GBl. DDR I S. 425; § 3 VO v. 08.11.1984, GBl. DDR I S. 433) erforderlichen Zustimmung des damaligen Rates der Stadt Plau erfolgt ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kann daraus aber nicht ein Zurechnungszusammenhang zur jetzigen Beklagten abgeleitet werden. Denn die Beklagte ist nicht mit dem staatlichen Organ "Rat der Stadt" identisch (vgl. BVerwG B. v. 12.09.2006 - 5 B 12/06, juris). Dieses staatliche Organ ist mit der Aufhebung des Systems des demokratischen Zentralismus und der Neugründung der Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaften untergegangen. Die Beklagte ist auch nicht Gesamtrechtsnachfolgerin dieses Organs geworden (vgl. BGH, U. v. 25.10.2005 - XI ZR 353/04 -, BGHZ 164, 361). Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie aufgrund einer sondergesetzlichen Bestimmung Einzelrechtsnachfolgerin des staatlichen Organs "Rat der Stadt" geworden ist.
- 14
Die Erfolgsaussichten der noch zu erhebenden Klage sind auch nicht wegen der im Jahr 2002 erteilten Baugenehmigung, zu der die Stadt Plau nach dem unausgesprochenen Vortrag des Klägers ihre Zustimmung erteilt haben soll, hinreichend im Sinne des § 114 ZPO. Denn diese Baugenehmigung ist noch nicht bestandskräftig geworden und auch nicht ausgenutzt worden. Die richterrechtlich geschaffene Ausnahme vom Grundsatz der bloßen Erschließungslast (§ 123 Abs. 1 und 3 BauGB) in Form der Erschließungspflicht und der damit korrespondierende Anspruch auf Erschließung setzen aber eine bestandskräftige Baugenehmigung voraus, die ausgenutzt worden ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge 8. Aufl. 2007 § 5 Rn. 31). Die Erschließungspflicht ist eine Sonderform der Folgenbeseitigung. Der Grund für die darin liegende Haftung der Gemeinde für ein ihr zurechenbares Fehlverhalten liegt in der endgültigen Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes, dessen Lösung und Folgen nicht allein der Grundstückseigentümer bewältigen soll (vgl. BVerwG, U. v. 11.11.1987 - 8 C 4/86 -, BVerwGE 78, 266). Ist die Baugenehmigung noch nicht bestandskräftig geworden, sondern - wie hier - streitbefangen, fehlt es an der rechtlichen Rechtfertigung der Begründung einer Erschließungslast. Schon gar nicht kann der inzidenten Rechtsauffassung des Klägers gefolgt werden, der Grund, aus dem sich die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung und die Rechtsverletzung der Widerspruchsführer ergibt, hier der mangelnde Anschluss an das öffentliche Wegenetz, und der im gerichtlichen Eilverfahren zum Unterliegen des Klägers geführt hat, könnten durch die Erschließungspflicht der Gemeinde beseitigt werden. Mit einer solchen Argumentation verwechselt der Kläger Ursache und Wirkung.
- 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 16
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
moreResultsText
Annotations
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt.
(2) Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein.
(3) Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.
(4) Die Unterhaltung der Erschließungsanlagen richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.