Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 31. Juli 2013 - 2 M 151/13
Gericht
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin – 6. Kammer - vom 18.07.2013 wird teilweise geändert.
Die Antragsgegnerin zu 2. wird verpflichtet, den Antragsteller zu 1. vorläufig und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Aufnahme in die Eingangsklasse der Jenaplanschule „Peter Petersen“ im Schuljahr 2013/2014 aufzunehmen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 2. tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsteller, ein 7-jähriges Kind und dessen Eltern, begehren die vorläufige Aufnahme des Antragstellers zu 1. in die Jenaplanschule „Peter Petersen“ der Antragsgegnerin zu 2. (im Folgenden: Wunschschule).
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Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 18.07.2013 abgelehnt.
- 3
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg, soweit sie sich gegen den Antragsgegner zu 1. richtet. Er hat zwar durch Bescheid vom 21.05.2013, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013, den Antragsteller zu 1. einer anderen Schule zugewiesen. Diese Maßnahme ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern des derzeit beim Verwaltungsgericht anhängigen Klageverfahrens 6 A 1048/13. In Bezug auf dieses Klageverfahren bedürfen die Antragsteller nach eigener in der Beschwerdebegründung zum Ausdruck gebrachter Einschätzung keines gerichtlichen Eilrechtsschutzes, weil den von ihnen eingelegten Rechtsmitteln bereits aufschiebende Wirkung zukomme. Außerdem besteht – worauf noch einzugehen ist - der von den Antragstellern geltend gemachte Aufnahmeanspruch (nur) gegenüber der Schule bzw. deren Träger, hier also der Antragsgegnerin zu 2.. Ob diese sich im Aufnahmeverfahren durch den Antragsgegner zu 1. vertreten lassen kann, spielt für die Frage der Passivlegitimation keine Rolle. Im hier vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist im Übrigen eine Vertretung nicht angezeigt worden.
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Soweit sich die Beschwerde gegen die Antragsgegnerin zu 2. richtet, ist sie dagegen erfolgreich. Das Beschwerdevorbringen führt zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung, weil die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorliegen.
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Die Antragsteller haben einen Anspruch auf Aufnahme des Antragstellers zu 1. in die Wunschschule glaubhaft gemacht.
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Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der Vorschrift des § 45 Abs. 1 SchulG M-V, die ihrem Wortlaut nach, soweit es um den Primarbereich geht, allerdings nur Ansprüche gegenüber der örtlich zuständigen Schule normiert (vgl. Beschl. des Senats von heute – 2 M 152/13 -). Dem Verwaltungsgericht ist jedoch im Ansatz in seiner Auffassung zu folgen, dass sich die Rechtslage ändert, wenn der Träger der zuständigen Schule den Besuch einer anderen als der örtlichen zuständigen Schule nach § 46 Abs. 3 SchulG M-V gestattet. Eine solche Gestattung hat im vorliegenden Verfahren der Träger der für den Antragsteller zu 1. örtlich zuständigen Schule durch Bescheid vom 27.09.2012 ausdrücklich „zum Besuch“ der Wunschschule erteilt.
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Nicht zu folgen ist dem Verwaltungsgericht in seiner Auffassung, dass der auswärtige Bewerber die so verbesserte Rechtsposition vollständig einbüßt, wenn die Aufnahmekapazität der Wunschschule nicht ausreicht, um allen Anmeldungen entsprechen zu können. Zwar dürfte er in der Regel das Nachsehen haben, wenn die Auswahl nach dem Prinzip der geringeren Entfernung (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 3 SchulG M-V) erfolgt. Es gibt aber keinen Grund, nur die im Einzugsbereich der Wunschschule wohnenden Bewerber, nicht aber die auswärtigen, die aber über eine Gestattung über § 46 Abs. 3 SchulG M-V verfügen, am Härtefallauswahlverfahren zu beteiligen. Es erschiene widersprüchlich, wenn der Härtefall bei der Entscheidung nach § 46 Abs. 3 SchulG M-V berücksichtigt, bei der Entscheidung nach § 45 Abs. 3 letzter Halbsatz SchulG M-V aber ignoriert würde. Allerdings - insoweit ist den Antragsgegnern zu folgen – bedeutet die in der Gestattung nach § 46 Abs. 3 liegende Anerkennung eines wichtigen Grundes für den Besuch der Wunschschule nicht automatisch auch die Anerkennung eines Härtefalls. Eine besondere Härte wird zwar zugleich einen wichtigen Grund darstellen; aber nicht jeder wichtige Grund muss zugleich ein Härtefall sein. Mit der Anerkennung des wichtigen Grundes sind die dabei berücksichtigten Umstände aber nicht verbraucht; sie sind erneut zu berücksichtigen, wenn es um die Frage geht, ob ein Härtefall vorliegt.
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Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller einen Härtefall im Sinne von § 45 Abs. 3 letzter Halbsatz SchulG M-V glaubhaft gemacht. Ein Härtefall liegt vor, wenn die Verweigerung des Besuchs der Wunschschule für den Schüler oder dessen Eltern mit außergewöhnlichen schweren Belastungen verbunden ist (vgl. Beschl. des Senats von heute im Verfahren 2 M 152/13 -). Dies ist hier zu bejahen. Der Antragsteller zu 1. leidet an Chronischer Subileus bei CIPO mit einer GdB von 80 sowie Pflegestufe II, was u.a. zur Folge hat, dass seine Blase etwa 4mal pro Tag fachkundig katheterisiert werden muss. Die Auffassung der Antragsteller, dass die für den Antragsteller zu 1. örtlich zuständige Schule seiner Behinderung nicht gerecht werden könne, findet eine Bestätigung in der Stellungnahme der Schule vom 24.05.2013. Darin heißt es u.a., dass die für den Antragsteller zu 1. erforderlichen speziellen Bedingungen nicht gegeben seien. Die Schule verfüge über keine behindertengerechten Toiletten, keinen Fahrstuhl und keinen extra Sanitärraum. Soweit die Antragsgegner meinen, die Schule sei in der Lage, kurzfristig für Abhilfe zu sorgen, steht dies im Widerspruch zu der zum Teil bereits wiedergegebenen Stellungnahme vom 24.05.2013. Darin heißt es außerdem, es sei ein Schulersatzneubau „für 2014/2015 geplant“; für das kommende Schuljahr noch Umbauarbeiten vorzunehmen, wäre auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht umsetzbar.
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Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob sich die Rechtsposition des Antragstellers zu 1. auch deshalb verbessert, weil seine Wunschschule ihn für das Schuljahr 2012/2013 nach § 43 Abs. 2 SchulG M-V zurückgestellt hat. Auch wenn darin wohl nicht schon die Begründung eines Schulrechtsverhältnisses für das Schuljahr 2013/2014 oder die verbindliche Zusage der Annahme einer zukünftigen Anmeldung für das Schuljahr 2013/2014 zu sehen sein sollte, dürfte aber wohl jedenfalls ein Vertrauensschutztatbestand im Hinblick auf die Berücksichtigung der Anmeldung geschaffen worden sein.
- 10
Auch den Anordnungsgrund haben die Antragsteller glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller zu 1. drohen irreparable Nachteile, wenn er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten müsste. Auf die Ausführungen zum Anordnungsanspruch kann zur Vermeidung von Widerholungen verwiesen werden.
- 11
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 2, 159 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52, 53 Abs. 2 GKG.
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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.