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| Der Kläger verlangt nach Widerruf dreier zeitgleich am 29.7.2009 in einer Filiale der Beklagten geschlossener Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge über insgesamt 1.200.000 Euro die Feststellung, dass sich die Verträge durch Widerruf vom 30.4.2015 in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt hätten. |
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| Zu allen drei Verträgen erteilte die Beklagte identische Widerrufsbelehrungen wie folgt: |
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| Der Kläger ist der Auffassung, mit den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen sei die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. nicht in Gang gesetzt worden, da sie den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. Der Kläger hat daher die Feststellung begehrt, durch seinen Widerruf seien die Darlehensverträge beendet. Demgegenüber meint die Beklagte, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig, außerdem genügten die Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen. Sehe man das anders, sei die Rechtsausübung durch den Kläger jedenfalls rechtsmissbräuchlich oder verwirkt. |
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| Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen. |
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| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Sie sei zwar zulässig, aber unbegründet: |
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| Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung weise keine Mängel auf, sie sei insbesondere i. S. d. § 355 Abs. 2 BGB a. F. deutlich. Soweit die Belehrung zwei verschiedene Fristen enthalte und diese Fristen über eine Fußnote erläutert würden, sei auch das unschädlich, weil es auf die konkrete Vertragsabschlusssituation ankomme und daher für den Kläger klar gewesen sei, dass für ihn die 2-Wochen-Frist gelte. Dem Kläger sei auch klar gewesen, auf welche Willenserklärungen sich die Belehrungen bezogen hätten, da er bei Vertragsunterzeichnung in der Filiale der Beklagten in Freiburg eine Abschrift der Vertragsurkunde ausgehändigt erhalten habe. |
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| Mit seiner Berufung begehrt der Kläger nach entsprechender Umstellung seines Antrags im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.2.2016 nunmehr die Feststellung, dass sein Widerruf die Verträge in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt habe. Er meint, das Landgericht unterstelle unrichtig, dass dem Kläger nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages mit der Widerrufsbelehrung die für seine Unterlagen bestimmten Ausfertigungen der Darlehensvertragsurkunden übergeben worden seien. Das sei tatsächlich nicht der Fall gewesen, er, der Kläger, sei demnach bis heute nicht im Besitz von seine Vertragserklärungen enthaltenden Urkunden. Im Übrigen wiederholt und erweitert der Kläger seine erstinstanzliche Kritik an der Widerrufsbelehrung. |
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| Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart, vom 30.07.2015 AZ 25 O 94/15 wird festgestellt, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien zu den Darlehens-Nrn. …229, …237 und …245 durch den mit Schreiben vom 30.04.2015 erklärten wirksamen Widerruf ex nunc jeweils in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden sind. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Sie rügt den Vortrag des Klägers zur Frage des Erhalts von Ausfertigungen der Verträge als neu und verspätet, außerdem als infolge der gegenteiligen Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils für das Berufungsgericht bindend festgestellt. Auch der weitere Vortrag zu Fehlern der Widerrufsbelehrung sei neu und nicht zuzulassen. Im Übrigen verteidigt sie das landgerichtliche Urteil gegen die Angriffe der Berufung. |
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| Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen. |
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| Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. |
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| Maßgeblich sind die bei Abschluss des Vertrages geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. 1 S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art 229 § 9 Abs.1 Nr.2 EGBGB). |
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| Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken (§ 256 ZPO). Auf die Vorrangigkeit der Leistungsklage kann der Kläger nicht verwiesen werden, wenn, wie hier, der Saldo der nach wirksamem Widerruf ggf. entstehenden wechselseitigen Ansprüche negativ ist, und mit der Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse ist die Klage auch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet (vgl. zu beiden Gesichtspunkten Senat v. 14.4.2015 - 6 U 66/14). |
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| Entgegen der Auffassung des Landgerichts genügt die von der Beklagten verwendete Belehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 1 S. 1 BGB, so dass die Ausübung des dem Kläger nach §§ 355, 495 BGB beim vorliegenden Verbraucherdarlehensvertrag zustehenden Widerrufsrechts nicht verfristet war; die Belehrung konnte den Lauf der Frist nicht in Gang setzen. |
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| Der mit dem Widerruf bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH, Urteil vom 10.03.2009, Az.: XI ZR 33/07; OLG Stuttgart, Urteil vom 29.12.2011, Az.: 6 U 79/11). |
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| Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Belehrung nicht. |
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| Nach § 355 Abs. 2 S. 3 BGB setzt der Beginn des Fristlaufs voraus, dass dem Verbraucher eine Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder dieeigene Vertragserklärung des Verbrauchers oder eine Abschrift hiervon zur Verfügung gestellt wurde. |
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| Demgegenüber hätte nach der von der Beklagten vorliegend verwendeten Belehrung die Widerrufsfrist bereits dann zu laufen begonnen, wenn den Klägern (nicht ihre eigene, sondern) nur die Vertragserklärung der Beklagten zur Verfügung gestellt worden wäre. Eine solche Belehrung genügte daher dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB nicht (für eine in diesem Punkt gleichlautende Belehrung ausdrücklich BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08 -, BGHZ 180, 123, juris). |
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| Dieser Belehrungsmangel führte entgegen der Auffassung der Beklagten dazu, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde, unabhängig davon, ob sich der Mangel nach den konkreten Umständen des Vertragsschlusses ausgewirkt hat. Darauf, dass die Verträge in einer Filiale der Beklagten in Anwesenheit beider Parteien geschlossen wurden, kommt es nicht an (vgl. Senat, Urteil vom 29.05.2015, 6 U 110/14). |
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| Denn das Gesetz knüpft den Beginn des Fristlaufs allein an die Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung und unterscheidet nicht danach, ob die Unrichtigkeit der Belehrung gerade in einem Belehrungsteil auftritt, der sich als der nach der konkreten Vertragsabschlusssituation maßgebliche erweist. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten verkennt, dass es auf die Kausalität eines Belehrungsmangels für die Nichtausübung des Widerrufsrechts generell nicht ankommt, vielmehr unabhängig hiervon nur eine allen Anforderungen des Gesetzes genügende Widerrufsbelehrung den Lauf der Widerrufsfrist in Gang setzt (BGH, Urteil vom 23.6.2009 - XI ZR 156/08 -, Rn. 25, juris; überholt daher OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.6.2009 - 9 U 111/08 -, juris). Auch eine in nach den Umständen des Falles nicht erheblich gewordenen Teilen unrichtige Belehrung genügt daher nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB; es ist auch nicht erkennbar, warum die vorliegende Konstellation anders zu behandeln sein sollte, als andere Fälle, in denen sich ein Belehrungsfehler nach den tatsächlichen Umständen nicht ausgewirkt haben kann, etwa wenn der Verbraucher unstreitig eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung gar nicht gelesen hat. |
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| Für dieses Verständnis spricht im Übrigen auch die generalpräventive Wirkung dieser Rechtsfolge, außerdem der verbraucherschützende Charakter des Widerrufsrechts: Denn mit Letzterem wäre das für den Verbraucher entstehende Prozessrisiko nicht vereinbar, das entstehen würde, wenn eine objektiv unrichtige, dem Deutlichkeitsgebot widersprechende Belehrung im Einzelfall doch geeignet sein könnte, die Widerrufsfrist in Lauf zu setzen, wenn nämlich dem Unternehmer der Nachweis mangelnder konkreter Relevanz des Belehrungsmangels gelingen würde. |
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| Weiter genügt die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot auch deswegen nicht, weil darin nach Nennung einer Frist für den Widerruf von 2 Wochen alternativ und mit einer Fußnote versehen eine Frist von 1 Monat genannt wird, wobei nach dem Text der zur Erläuterung beigefügten Fußnote die Monatsfrist dann gelten soll, wenn die Widerrufsbelehrung erst „nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann“ (vorausgesetzt in BGH, Beschluss vom 19.1.2016 - XI ZR 200/15 -, juris Rn. 12, wo, wäre die dortige, der hiesigen vergleichbare Widerrufsbelehrung nicht als unzureichend zu beurteilen gewesen, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht entscheidungserheblich, die Klage vielmehr abweisungsreif gewesen wäre). |
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| Die in der Fußnote enthaltene Belehrung über die Monatsfrist nach § 355 Abs. 2 S.2 BGB genügt bereits für sich genommen nicht dem Deutlichkeitsgebot. In der Formulierung „wird bzw. werden kann“ liegt ein Zusatz, der gemessen am Gesetz zumindest überflüssig, nicht eindeutig und daher missverständlich ist. |
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| Die Fußnote nennt zwei Anknüpfungspunkte, in welchen Fällen die Monatsfrist Anwendung finde: Zum einen, dass die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt „wird“, zum anderen, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt „werden kann“. Die Verknüpfung dieser beiden Aspekte mit dem Bindewort „beziehungsweise“ lässt aber unterschiedliche Deutungen zu: Zum einen lässt sich „beziehungsweise“ im Sinne von „oder“ verstehen; dann würde die Variante, wonach erst nach Vertragsschluss belehrt werden kann, nur einen von alternativ möglichen Gründen benennen, warum die Belehrung erst nach Vertragsschluss erfolgt. Gleichermaßen möglich und nicht fernliegend ist aber ein Verständnis des Zusatzes „bzw. werden kann“ als präzisierende Erläuterung (“beziehungsweise“ im Sinne von „und, genauer gesagt“) mit der Folge, dass die Monatsfrist nur dann gelten würde, wenn die Beklagte erst nach Vertragsschluss belehren kann, ihr also eine frühere Belehrung nicht möglich ist. Das zuletzt genannte Verständnis entspricht dabei aber nicht dem Gesetz, denn nach § 355 Abs. 2 S.1 und 2 BGB kommt es für die Unterscheidung, ob die Widerrufsfrist zwei Wochen oder einen Monat beträgt, nicht darauf an, ob dem Unternehmer eine Belehrung bei Vertragsschluss unmöglich ist. Ein mit dem Gesetz nicht vertrauter Leser kann die Aussage, dass die Monatsfrist gilt, wenn der Unternehmer die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitteilen kann, zuletzt so verstehen, dass die Widerrufsfrist bereits dann einen Monat beträgt, wenn es dem Unternehmer rechtlich freisteht, die Belehrung erst zu diesem Zeitpunkt mitzuteilen („werden kann“ im Sinne von „werden darf“), ungeachtet der Frage, ob er tatsächlich vor oder nach Vertragsschluss belehrt hat. |
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| Indem in der Belehrung der gesetzliche Tatbestand des § 355 Abs. 2 S.2 BGB in nicht eindeutiger Weise mit dem Umstand verknüpft wird, dass die Belehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt werden kann, wird demnach für den Verbraucher ein Interpretationsspielraum eröffnet, der mit dem Gebot, deutlich zu belehren, nicht zu vereinbaren ist. |
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| Unabhängig davon ist die Belehrung auch deshalb nicht deutlich, weil darin neben der Zweiwochenfrist, die für eine Belehrung bei Vertragsschluss gilt, auch auf die für die Nachbelehrung maßgebliche Monatsfrist hingewiesen wird und dem Verbraucher die unter Umständen schwierige Subsumtion überlassen bleibt, ob ihm die Belehrung nach Vertragsschluss erteilt wurde. |
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| Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung auch bezüglich der Dauer der Widerrufsfrist. Das Gesetz sieht in § 355 Abs. 2 BGB unterschiedliche Widerrufsfristen vor, abhängig davon, ob der Unternehmer die Widerrufsbelehrung beim Vertragsschluss oder später als Nachbelehrung erteilt. Indem die Beklagte die vom Gesetz getrennt behandelten Belehrungskonstellationen in einem einheitlichen Belehrungstext kombiniert, stellt sie den Verbraucher vor das Problem, zutreffend zu beurteilen, ob ihm die Belehrung nach Vertragsschluss erteilt wurde. |
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| Auch für einen verständigen Verbraucher birgt aber die Subsumtion, ob die Belehrung nach Vertragsschluss erteilt wurde, das Risiko einer fehlerhaften Beurteilung. Erfolgt der Vertragsschluss unter Anwesenden, kann der Verbraucher vor die Frage gestellt sein, ob es für die zeitliche Einordnung entscheidend darauf ankommt, ob ihm die Belehrung unmittelbar vor oder nach der Vertragsunterzeichnung ausgehändigt wird oder ob diese eher zufällige Reihenfolge nichts daran ändert, dass die Belehrung bei Abschluss des Vertrages erteilt wurde, sodass die Zweiwochenfrist gilt. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten sind mit dem Deutlichkeitsgebot nicht vereinbar. Sie beruhen ausschließlich darauf, dass die Beklagte – ohne dass dies erforderlich wäre – die Belehrung zur gesetzlichen Regelfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB mit der Nachbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB verbunden hat. |
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| Ob eine Belehrung, in der der Verbraucher sowohl über die regelmäßige Widerrufsfrist als auch über die Monatsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB informiert wird, in jedem Fall dem Deutlichkeitsgebot nicht genügt, also auch dann, wenn die mit der vorliegenden Gestaltung verbundenen Subsumtionsschwierigkeiten nicht bestehen, kann damit offen bleiben. |
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| Auf den Vertrauensschutz des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV kann sich die Beklagte nicht berufen, da sie die Musterbelehrung gemäß Anl. 2 nicht vollständig inhaltlich übernommen hat; davon geht sie auch selbst aus. |
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| Die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger verstößt nicht gegen Treu und Glauben. |
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| Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Widerruf der Darlehensverträge sei rechtsmissbräuchlich oder verwirkt (§ 242 BGB), weil der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Vertrag regelmäßig erfüllt habe, zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Wirksamkeit des Vertragsschlusses habe aufkommen lassen und jetzt aus wirtschaftlichen und damit erkennbar sachfremden Erwägungen den Widerruf erkläre. |
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| Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Wirksamkeit des Widerrufs zunächst nicht voraus, dass der Mangel der Belehrung ursächlich dafür war, dass der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz knüpft unabhängig davon, ob der Verbraucher durch die unzureichende Belehrung tatsächlich einer Fehlvorstellung über das Bestehen und die Modalitäten der Ausübung eines Widerrufsrechts unterlag, allein an die objektive Gesetzeswidrigkeit der Widerrufsbelehrung die Sanktion eines nicht befristeten Widerrufsrechts des Verbrauchers. Entscheidend ist, dass die erteilte Belehrung generell geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, Urteil vom 23.6.2009 - XI ZR 156/08 -, juris Rn. 25). Das Widerrufsrecht besteht selbst dann, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig ausgesprochen worden wäre, weil andernfalls das Ziel des Gesetzes unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht anzuhalten (BGH, Urteil vom 13.1.1983 - III ZR 30/82 -, juris). |
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| Wie bei anderen Gestaltungsrechten kommt es außerdem grundsätzlich nicht auf die Motive und Beweggründe des Verbrauchers an. Es soll seinem freien Willen überlassen bleiben, ob er seine Vertragserklärung wirksam werden lassen will oder nicht (BGH, Urteil vom 19.2.1986 - VIII ZR 113/85 -, juris; BGH, Urteil vom 16.3.2016 - VIII ZR 146/15). Es stellt danach keinen Rechtsmissbrauch dar, sondern ist von der beschriebenen Ausgestaltung des Widerrufsrechts durch das Gesetz und die Rechtsprechung gedeckt, wenn ein Verbraucher dieses Recht nach längerer Zeit ausübt, obwohl er nicht konkret durch den Mangel der Belehrung an der fristgerechten Ausübung gehindert war oder wenn er, nachdem er von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hat, eine mittlerweile eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass nimmt, sich durch Widerruf von dem Vertrag zu lösen. |
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| Der Kläger hat sein Widerrufsrecht auch nicht verwirkt. |
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| Bei der Verwirkung handelt es sich um einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), die in der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt. Der Einwand ist berechtigt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urteil vom 23.1.2014 - VII ZR 177/13; Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11). |
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| Ein in dem Sinne illoyales Verhalten des Klägers, dass dieser in Kenntnis ihres Widerrufsrechts über lange Zeit an dem Darlehensvertrag festgehalten und den Widerruf erst nach dem Fehlschlagen der finanzierten Kapitalanlage erklärt hätte, lässt sich nicht feststellen. Es ist nicht ersichtlich, dass bzw. wie lange der Kläger vor Ausübung des Widerrufs Kenntnis von seinem Recht hatte. |
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| Und zwar ist eine Verwirkung auch ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis und Willensrichtung des Berechtigten möglich, wenn der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten schließen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauchte und sich entsprechend darauf einrichten durfte (BGH, Urteil vom 16.3.2007 - V ZR 190/06; Urteil vom 27.6.1957 - II ZR 15/56). |
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| Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Der Umstand, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Anspruch unbekannt war, steht der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fällt. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 352/02 -, juris). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt hat, indem er eine fehlerhafte Belehrung erteilt hat (BGH, Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11 -, juris Rn. 30). Der Unternehmer, der gegen seine Pflicht verstoßen hat, dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, darf nicht darauf vertrauen, er habe durch seine Belehrung die Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Er muss erkennen, dass dem Verbraucher nach dem Gesetz ein zeitlich nicht befristetes Widerrufsrecht zusteht, und darf folglich allein aus dem Umstand, dass der Darlehensvertrag über lange Zeit erfüllt wird, nicht schließen, der Verbraucher werde sein Widerrufsrecht nicht ausüben. Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte ist vielmehr zu unterstellen, dass der Verbraucher zunächst keine Kenntnis von seinem unbefristeten Widerrufsrecht hat, so dass der Widerruf auch noch nach langer Zeit erfolgen kann, sollte der Verbraucher später von der Rechtslage Kenntnis erlangen. Gegen die Schutzwürdigkeit des Unternehmers spricht zudem, dass er den Schwebezustand durch eine Nachbelehrung beenden kann (Senat, Urteile vom 21.4.2015 - 6 U 148/12; vom 29.5.2015, 6 U 110/14). |
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| Darüber hinaus ist hier weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass sich die Beklagte im Vertrauen auf den Bestand dieser Vereinbarung so eingerichtet hätte, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. |
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| Soweit demgegenüber angenommen wird, eine Verwirkung komme in Betracht, wenn der Darlehensvertrag bereits seit längerer Zeit vollständig abgewickelt ist und eine Belehrung erteilt wurde, die zwar fehlerhaft ist, den Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts aber nicht im Unklaren lässt (etwa OLG Köln, Urteil vom 25.1.2012 - 13 U 30/11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.1.2014 - 14 U 55/13; KG, Urteil vom 16.8.2012 - 8 U 101/12; OLG Hamburg, Urteil vom 26.2.2014 - 13 U 71/13 -, BeckRS 2015, 10772), liegt ein solcher Fall hier nicht vor. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. |
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