Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 05. Apr. 2016 - 6 U 145/15
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.07.2015 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Darlehensverträge zwischen den Parteien zu den Darlehensnummern ...229, ...237 und ...245 durch den mit Schreiben vom 30.04.2015 erfolgten Widerruf jeweils ex nunc in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt worden sind.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
| ||||||||
| ||||||||
|
| |||||||
|
| |||||||
|
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 05. Apr. 2016 - 6 U 145/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 05. Apr. 2016 - 6 U 145/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Stuttgart Urteil, 05. Apr. 2016 - 6 U 145/15 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 28.3.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Unter Abänderung des Urteils der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 28.3.2014 im Kostenpunkt haben die Kläger von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: |
29.000,00 EUR |
Streitwert in erster Instanz: |
212.799,14 EUR |
Gründe
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.
(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,
- 1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags, - 2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder - 3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.
(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Beklagten auferlegt mit Ausnahme der durch die Streithilfe verursachten Kosten, die die Streithelferin trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Darlehens, das ihm die Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (im Folgenden: Beklagte) zur Finanzierung der Beteiligung an einer Immobilienfondsgesellschaft gewährt hat.
- 2
- Der Kläger, ein damals 38 Jahre alter Diplomingenieur, wurde im Dezember 2002 von einem Vermittler geworben, sich über eine Treuhän- derin an der F. GmbH & Co. KG (im Folgenden : Fondsgesellschaft) mit einem Anteil von 40.000 € zuzüglich 5% Agio zu beteiligen. Er leistete am 30. Dezember 2002 eine Eigenkapitalzahlung in Höhe von 10.000 € an die Fondsgesellschaft. Den Restbetrag finanzierte er über ein Darlehen bei der Beklagten, die dem Kläger hierzu ein von ihr am 14. Februar 2003 unterzeichnetes, mit "Darlehensvertrag" überschriebenes und mit einer Widerrufsbelehrung versehenes Darlehensangebot über einen Nettokreditbetrag von 32.000 € unterbreitete. In dem Vertragsformular war die Provision von 1% des Darlehensnennbetrags (323,23 €), die die Beklagte für die Darlehensvermittlung an die Fondsgesellschaft gezahlt hatte, als „Bearbeitungsgebühr“ ausgewiesen.
- 3
- Mit Datum vom 22. Februar 2003 bestätigte der Kläger den Empfang des Vertragsangebots und der beigefügten Widerrufsbelehrung. Diese lautete auszugsweise wie folgt: "Jeder Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (...) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde. … Von dieser Widerrufsbelehrung habe/n ich/wir Kenntnis genommen : ................ ........................................ Ort, Datum Unterschrift R. B. "
- 4
- Am 15. März 2003 unterzeichnete der Kläger den Darlehensvertrag sowie - durch gesonderte Unterschrift - die Erklärung über die Kenntnisnahme der Widerrufsbelehrung. Er übersandte die Vertragsurkunde der Beklagten, erbrachte bis zum 30. Dezember 2005 auf das valutierte Darlehen ratenweise Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 10.065,48 € und erhielt in diesem Zeitraum Fondsausschüttungen in Höhe von 5.600 €. Nachdem die Fondsgesellschaft im Frühjahr 2005 in Insolvenz geraten war, widerrief der Kläger mit Schreiben vom 5. August 2005 seine Darlehensvertragserklärung.
- 5
- Mit seiner Klage hat er die Beklagte auf Rückgewähr der auf das Darlehen geleisteten Zahlungen - hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung seiner Gesellschaftsanteile - sowie auf Ersatz der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen. Zur Begründung hat er sich unter Hinweis auf die für fehlerhaft gehaltene Widerrufsbelehrung auf den Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung gestützt und sich ergänzend auf die Formnichtigkeit des Darlehensvertrags wegen fehlender Pflichtangaben zu den Vermittlungskosten berufen. Auch sei er durch die Fondsverantwortlichen arglistig getäuscht worden. Dies könne er der Beklagten entgegenhalten , da Kreditvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft seien. Sein Anspruch auf Rückzahlung der Annuitätenleistungen sei mit Rücksicht auf die von ihm erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Eigenkapitalleistung nicht um die von ihm empfangenen Ausschüttungen zu kürzen.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Feststellungsklage und der Zahlungsklage im Hauptantrag stattgegeben mit Ausnahme der begehrten Anwaltskosten. Mit der - vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen - Revision erstrebt diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 8
- Berufungsgericht Das hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es der Klage stattgegeben hat, im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Zwar sei der Darlehensvertrag wirksam zustande gekommen und auch nicht wegen fehlender Pflichtangaben zu den Vermittlungskosten nichtig. Der Kläger habe aber seine Darlehensvertragserklärung wirksam widerrufen. Der Widerruf sei insbesondere rechtzeitig gewesen, da der Kläger über sein aus § 495 Abs. 1 BGB folgendes Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß (§ 355 Abs. 2 BGB) belehrt worden sei. Die ihm erteilte Widerrufsbelehrung sei irreführend gewesen. Sie erwecke bei einem unbefangenen und rechtsunkundigen Leser den falschen Eindruck, die Widerrufsfrist beginne unabhängig davon, von wem der "Darlehensantrag" stamme, einen Tag, nachdem der Verbraucher das Angebot der Beklagten mit der beigefügten Widerrufsbelehrung erhalten habe. Zudem sei die Belehrung verfrüht, da sie erteilt worden sei, bevor der Kläger seine bindende Vertragserklärung abgegeben habe. Der Kläger könne als Rechtsfolge seines Widerrufs von der Beklagten die Rückgewähr der Zahlungen verlangen, die er auf die Darlehensschuld erbracht habe. Die empfangenen Fondsausschüttungen, die er sich grundsätzlich anrechnen lassen müsse, minderten den eingeklagten Betrag mit Rücksicht auf die von ihm erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückerstattung der Eigenkapitalzahlung nicht. Auf diesen könne er sich auch gegenüber der Beklagten berufen, da Darlehensvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB seien.
II.
- 10
- Berufungsurteil Das hält rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Rückzahlungsanspruch des Klägers bejaht und festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 14. Februar/15. März 2003 keine Ansprüche mehr zustehen.
- 11
- 1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist sein Rückzahlungsbegehren allerdings nicht bereits wegen Formnichtigkeit des Vertrags gemäß § 494 Abs. 1, § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 BGB gerechtfertigt. Dabei kommt es auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob die Ausweisung der Vermittlungskosten als "Bearbeitungsgebühr" einen Formverstoß darstellt, nicht an. Die von ihm begehrte Rückabwicklung des Vertrags kann der Kläger mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht erreichen , weil - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - der Vertrag durch die Inanspruchnahme des Darlehens gemäß § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB jedenfalls geheilt worden ist.
- 12
- 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Rückabwicklungsbegehren des Klägers jedoch mit Rücksicht auf den von ihm erklärten Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung begründet ist. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1, § 355 BGB zu. Dieses konnte er entgegen der Auffassung der Revision mit seinem am 5. August 2005 erklärten Widerruf noch wirksam ausüben. Eine Widerrufsfrist hatte gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der hier anwendbaren Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2850) nicht zu laufen begonnen, da die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
- 14
- b) Eine den Vorgaben des § 355 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung hat sie - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht erteilt. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 14; BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991).
- 15
- aa) Deren Lauf hängt bei einem Vertrag, der wie der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag schriftlich abzuschließen ist (§ 492 BGB), davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB). Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB trägt insofern dem mit der Belehrung verfolgten Ziel Rechnung, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen zu führen. Nur wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht , kann er die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1992; vgl. auch zu § 7 VerbrKrG Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 18).
- 16
- bb) Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht. Sie belehrt den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig, weil sie - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - das unrichtige Verständnis nahe legt, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Beklagten zu laufen. Durch die Formulierung der in dem von der Beklagten übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung , die Widerrufsfrist beginne „einen Tag“ nach Mitteilung „dieser“ Belehrung und Zurverfügungstellung einer Vertragsurkunde, entsteht aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 16; BGH, Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 224/04, WM 2005, 1166, 1168), der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen. Dies gilt umso mehr, als das Angebot der Beklagten mit "Darlehensvertrag" überschrieben ist, so dass für den unbefangenen Leser der Eindruck entsteht, es handele sich bei dieser Urkunde unabhängig von der Annahmeerklärung des Klägers um die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde , die dem Kläger zur Verfügung gestellt wurde. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob das Berufungsgericht zu Recht in dem Angebot der Beklagten einen "Darlehensantrag" gesehen hat, kommt es daher nicht an. Entscheidend ist, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung der Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entspricht, weil sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem Zugang des Angebots der Beklagten nebst Widerrufsbelehrung.
- 17
- cc) Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung hat schon aus diesem Grund den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Auf die vom Berufungsgericht zusätzlich erörterte Frage, ob die Widerrufsbelehrung auch zu früh erteilt worden war (hierzu BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989 ff.), oder ob es insoweit - wie die Revision geltend macht - ausreichte, dass der Kläger - wie das von ihm bei der Unterschrift angegebene Datum ausweist - von der Widerrufsbelehrung jedenfalls zeitgleich mit der Vertragsannahme Kenntnis genommen hat, kommt es daher nicht an.
- 18
- dd) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass ein Kenntnisnahmevermerk, wie ihn der Kläger hier unterschrieben hat, der Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung nicht entgegen steht. Richtig ist zwar, dass die Widerrufsbelehrung nach § 355 BGB grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten darf, um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1991). Zulässig sind diesem Zweck entsprechend allerdings Ergänzungen, die keinen eigenen Inhalt aufweisen und den Inhalt der Widerrufsbelehrung verdeutlichen (Senatsurteile vom 11. März 2008 - XI ZR 317/06, WM 2008, 828, 829, Tz. 13 und vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 14, jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, aaO). Hierzu gehört auch der Zusatz, der Verbraucher habe von der Widerrufsbelehrung Kenntnis genommen. Ihm kommt kein weiterer Erklärungsinhalt zu, als dass der Darlehensnehmer auf die Widerrufsbelehrung - neben dem eigentlichen Vertragsinhalt - gesondert hingewiesen worden ist und um sein Widerrufsrecht weiß (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 508/07 und XI ZR 509/07, jeweils Umdruck S. 14, Tz. 25). Die vom Kläger erbetene Unterschrift sieht das neue Widerrufsrecht als Wirksamkeitsvoraussetzung der Belehrung zwar nicht mehr vor. Sie ist jedoch auch weiter unbedenklich und aus Beweisgründen empfehlenswert (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 355 Rn. 15; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rn. 51).
- 19
- 3. Durch den wirksamen Widerruf hat sich der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag gemäß § 357 Abs. 1, § 346 BGB ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt.
- 20
- a) Die Beklagte schuldet dem Kläger danach die Rückgewähr der von ihm aus seinem Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsraten (vgl. Senat, BGHZ 172, 147, 153, Tz. 22). Dies zieht auch die Revision als Rechtsfolge eines wirksamen Widerrufs zu Recht nicht in Zweifel. Sie wendet sich jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht den vom Kläger eingeklagten Betrag von 10.065,48 € nicht um die empfangenen Fondsausschüttungen in Höhe von 5.600 € gekürzt hat. Auch insoweit bleibt sie aber ohne Erfolg.
- 21
- aa) Zutreffend ist allerdings, dass sich der Darlehensnehmer nach einem Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung die an ihn oder an die Bank direkt geflossenen Fondsausschüttungen nach den Regeln des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen muss, da er andernfalls besser stünde, als er ohne die Betei- ligung an dem Fonds gestanden hätte (Senat, BGHZ 172, 147, 153, Tz. 22; 167, 252, 267 f., Tz. 41).
- 22
- bb) Dies hat auch das Berufungsgericht richtig gesehen. Zu Recht hat es jedoch angenommen, dass der Kläger gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der ihm zugeflossenen Fondsausschüttungen (5.600 €) wirksam mit seiner Forderung auf Rückzahlung der an den Fonds erbrachten Eigenkapitalzahlung von 10.000 € aufgerechnet hat.
- 23
- Soweit (1) die Revision hiergegen einwendet, der Anspruch auf Rückzahlung der Eigenkapitalleistung sei nicht rechtshängig, übersieht sie, dass der Kläger nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts , gegen die die Revision nichts Erhebliches vorbringt, im Rechtsstreit die unbedingte Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Rückzahlung der Eigenkapitalleistung erklärt hat. Gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, mit dieser Aufrechnungserklärung habe der Kläger seine Rechte aus § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 BGB) geltend gemacht, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern, zumal sie damit in Einklang steht, dass der Kläger bereits in erster Instanz von der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts ausdrücklich die Rückzahlung der erbrachten Eigenkapitalleistung abzüglich der erhaltenen Fondsausschüttungen verlangt hat. Auch die Revision bringt hiergegen nichts Beachtliches vor.
- 24
- (2) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der Kläger mit seinem ursprünglich gegen die Fondsgesellschaft gerich- teten Anspruch auf Rückzahlung seiner Eigenkapitalleistung gegenüber der Beklagten aufrechnen kann.
- 25
- (a) Da es sich nach den von der Revision nicht angegriffenen und aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem Darlehensvertrag und dem Fondsbeitritt um ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 358 BGB handelt, führt der Widerruf der Darlehensvertragserklärung zugleich dazu, dass der Kläger gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 BGB auch nicht mehr an den finanzierten Vertrag , hier also den Beitritt zu der Fondsgesellschaft, gebunden ist. § 358 Abs. 2 BGB gilt auch für den finanzierten Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, sofern - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall - die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts nach § 358 Abs. 3 BGB vorliegen (MünchKommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 358 Rn. 14; Palandt/Grüneberg, aaO, § 358 Rn. 7; ebenso die gefestigte Rechtsprechung zu § 3 HWiG, § 9 VerbrKrG: vgl. BGHZ 156, 46, 50 ff.; 159, 294, 309 f.; 167, 252, 256, Tz. 12).
- 26
- Die (b) Rückabwicklungsansprüche, die dem Kläger infolge der Erstreckung der Widerrufsfolgen auf das finanzierte Geschäft zustehen, kann er - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB der finanzierenden Bank, hier also der Beklagten , entgegenhalten. Sofern - wie hier - das auszuzahlende Darlehen bereits ganz oder teilweise dem Unternehmer zugeflossen ist, sieht § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB eine bilaterale Rückabwicklung allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher vor. Der Darlehensgeber tritt in diesem Fall anstelle des Unternehmers in dessen Rechte und Pflichten aus dem verbundenen Vertrag ein und wird an dessen Stelle Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers im Abwicklungsverhältnis (MünchKomm BGB/Habersack, aaO, Rn. 82; Palandt/Grüneberg, aaO, § 358 Rn. 21; Staudinger/Kessal-Wulf, aaO, § 358 Rn. 67; ebenso zu § 9 VerbrKrG BGHZ 131, 66, 72 f.). Ziel des § 358 BGB ist es, den Verbraucher vor Risiken zu schützen, die ihm durch die Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vertrags in ein Bargeschäft und einen damit verbundenen Darlehensvertrag drohen (Palandt/Grüneberg, aaO, § 358 Rn. 1; Staudinger/Kessal-Wulf, aaO). Der Gesetzgeber hat hiermit die in der Vergangenheit zum Widerruf im Rahmen des Verbraucherkreditgesetzes und des Haustürwiderrufsgesetzes entwickelte Rechtsprechung (vgl. BGHZ 131, aaO; 133, 254, 259 ff.; 152, 331, 337; 167, 252, 256 f., Tz. 12) aufgegriffen, nach welcher der Verbraucher innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist frei und ohne Furcht vor finanziellen Nachteilen die Entscheidung soll treffen können, ob er an seinen eine wirtschaftliche Einheit bildenden Verpflichtungserklärungen festhalten will oder nicht (st. Rspr., Senat, BGHZ 167, 252, 256, Tz. 12 m.w.N.). Dieses Ziel stellt § 358 BGB im Falle des Widerrufs der Darlehensvertragserklärung dadurch sicher, dass der Verbraucher auch an seine auf den Abschluss des mit dem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrags gerichtete Willenserklärung insgesamt nicht mehr gebunden ist und sich im Rahmen der Rückabwicklung beider Verträge hinsichtlich sämtlicher Ansprüche ausschließlich dem Darlehensgeber als Gläubiger und Schuldner gegenüber sieht, der an Stelle des Unternehmers in das Abwicklungsverhältnis eingetreten ist.
- 27
- Verbraucher Der hat daher - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - gegen die finanzierende Bank einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an Darlehensgeber und Unternehmer erbrachten Leistungen. Hierzu gehören sowohl die an den Darlehensgeber erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen als auch eine Anzahlung, die der Verbraucher aus eigenen Mitteln an den Unternehmer geleistet hat (Bamberger/Roth/C. Möller, BGB, 2. Aufl., § 358 Rn. 28, 34; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 Rn. 290; Erman/ Saenger, BGB, 12. Aufl., § 358 Rn. 28; MünchKommBGB/Habersack, aaO, Rn. 84 f.; Staudinger/Kessal-Wulf, aaO; ebenso schon zum AbzG: BGHZ 131, 66, 72 f.). Ist also die Beteiligung an der Fondsgesellschaft - wie hier - nicht vollständig fremdfinanziert, hat der Darlehensgeber dem Verbraucher auch dessen aus eigenen Mitteln an die Gesellschaft gezahlten Eigenanteil zu erstatten (Erman/Saenger, aaO; MünchKommBGB /Habersack, aaO, Rn. 85).
- 28
- Dies hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen und hat daher zu Recht die Aufrechnung des Klägers mit seinem Anspruch auf Rückgewähr der von ihm aus eigenen Mitteln geleisteten Bareinlage gegenüber der Forderung der Beklagten auf Anrechung der Fondsausschüttungen für durchgreifend erachtet.
- 29
- b) Zutreffend - und von der Revision unbeanstandet - hat es dem Kläger des weiteren einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuerkannt. Der Anspruch folgt aus § 357, § 346 Abs. 1 BGB. Zwar sind nach § 346 Abs. 1 BGB nur tatsächlich gezogene Nutzungen herauszugeben. Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (vgl. zu § 818 Abs. 1 BGB Senat, BGHZ 172, 147, 157, Tz. 35 m.w.N.).
- 30
- c) Von der Revision zu Recht hingenommen, hat das Berufungsgericht die Beklagte auch nicht lediglich Zug um Zug gegen Abtretung der Fondsanteile des Klägers verurteilt. Die Beklagte hat sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nicht berufen und es war auch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (Senat, BGHZ 174, 334, 344, Tz. 35).
Ellenberger Matthias
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.10.2006 - 5 O 277/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 28.12.2007 - 17 U 397/06 -
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger bestellte am 14. Januar 2014 über die Website der Beklagten, die mit einer "Tiefpreisgarantie" warb, zwei Taschenfederkernmatratzen zum Preis von insgesamt 417,10 € (inklusive Lieferung). Die Matratzen wurden am 24. und 27. Januar 2014 ausgeliefert und vom Kläger bezahlt. In der Folgezeit bat der Kläger unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters zum Preis von 192,06 € je Matratze (zuzüglich 10 € Versand) um Erstattung des von ihm errechneten Differenzbetrags in Höhe von 32,98 €, damit er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe.
- 2
- Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin mit E-Mail vom 2. Februar 2014 und sandte die Matratzen zurück. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe widerrufen, um (unberechtigt) Forderungen aus der "Tiefpreisgarantie" durchzusetzen und sich damit rechtsmissbräuchlich verhalten.
- 3
- Die auf Rückzahlung des Kaufpreises von 417,10 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 6
- Der vom Kläger erklärte Widerruf des Kaufvertrags sei wirksam, so dass ihm gegen die Beklagte der Zahlungsanspruch in Höhe von 417,10 € nebst Zinsen zustehe. Auf den Kaufvertrag fänden die §§ 312b, 312d, 355 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit § 346 BGB Anwendung. Es handele sich um einen Fernabsatzvertrag gemäß § 312b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB aF. Die formellen und materiellen Voraussetzungen des Widerrufs seien, was von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen werde, erfüllt.
- 7
- Die Ausübung des Widerrufsrechts sei nicht aufgrund des mit der Einräumung eines Widerrufsrechts verfolgten Sinns und Zwecks ausgeschlossen.
- 8
- Von diesem Motiv des Gesetzgebers für die Einräumung eines Widerrufsrechts zu trennen sei jedoch die Frage, aus welchen Gründen der Verbraucher von einem ihm zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch machen dürfe. Diesbezüglich habe der Gesetzgeber in § 355 BGB aF bewusst davon abgesehen , vom Verbraucher eine Begründung für den Widerruf zu verlangen. Hiermit hätten insbesondere auch spätere Diskussionen darüber vermieden werden sollen, ob eine vom Verbraucher gegebene Begründung für den Widerruf genügend sei oder nicht.
- 9
- Sei der Verbraucher mithin nicht gehalten, vor Ausübung seines Widerrufsrechts eine Begründung anzugeben, so könne es ihm auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn aus seinem übrigen Verhalten ein Motiv für die Ausübung des Widerrufs zutage trete, welches mit dem Sinn und Zweck der Einräumung des Widerrufsrechts nicht (vollständig) in Einklang zu bringen sei.
- 10
- Dem vom Kläger erklärten Widerruf stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Zwar könne der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) grundsätzlich auch bei Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 355 BGB aF erhoben werden; insoweit seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Unter Abwägung sämtlicher Umstände des Falles erweise sich vorliegend die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger (noch) nicht als rechtsmissbräuchlich. Dass der Kläger mögliche Ansprüche aus der "Tiefpreisgarantie" der Beklagten habe durchsetzen wollen, könne für sich genommen nicht den Einwand unzulässiger Rechtsausübung begründen.
- 11
- Etwas anderes folge hier auch nicht daraus, dass der Kläger die gleichen Matratzen nochmals bei einem anderen Anbieter zu einem günstigeren Kaufpreis bestellt habe. Dass der Kläger dann - unter Berufung auf die von der Beklagten abgegebene Tiefpreisgarantie - unter Hinweis auf das ihm zustehende Widerrufsrecht bei der Klägerin um Erstattung der Kaufpreisdifferenz nachgesucht und insoweit nach Ansicht der Beklagten weiter "Druck ausgeübt" habe, sei keine unzulässige Rechtsausübung.
II.
- 12
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Die Beklagte hat dem Kläger gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis für die Matratzen zu erstatten, nachdem dieser den im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrag wirksam widerrufen hat. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
- 13
- 1. Auf den Kaufvertrag der Parteien finden, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, die vorgenannten Regelungen über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung Anwendung. Dass der Kläger von seinem danach bestehenden Widerrufsrecht form- und fristgerecht Gebrauch gemacht hat, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Insbesondere bedurfte der Widerruf keiner Begründung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF).
- 14
- Aufgrund der Ausübung des Widerrufs ist der Kläger nicht mehr an seine auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Damit hat er Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB).
- 15
- 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dem Anspruch des Klägers stehe der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen, weil er das Widerrufsrecht in sachfremder Weise zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche aus einer "Tiefpreisgarantie" der Beklagten eingesetzt habe.
- 16
- a) Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 17 mwN). Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs beziehungsweise unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) nur ausnahmsweise - unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers - in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (Senatsurteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, aaO Rn. 20).
- 17
- Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Widerruf ergeben sich aber keine Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten des Klägers, etwa dass es ihm darauf angekommen wäre, die Beklagte zu schädigen oder zu schikanieren. Im Gegenteil hat der Kläger lediglich versucht, mit Hilfe der ihm zustehenden (Verbraucher-) Rechte für sich selbst günstigere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Ein sol- ches Verhalten steht im Einklang mit den vorbezeichneten gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht des Verbrauchers.
- 18
- Insbesondere ist es für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, ob der Kläger - wie die Revision geltend macht - die Nichtausübung des Widerrufs von der Gewährung eines nach der "Tiefpreisgarantie" der Beklagten nicht in voller Höhe berechtigten Nachlasses abhängig gemacht hat. Ebenso kommt es auch - anders als das Berufungsgericht offenbar meint - nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Kläger Matratzen bei einem weiteren Anbieter bestellt und dies zum Anlass von Nachverhandlungen mit der Beklagten genommen hat. Mit einem solchen Verhalten nutzt der Käufer schlicht zu seinem Vorteil das ihm eingeräumte und an keine weiteren Voraussetzungen gebundene Widerrufsrecht. Die Grenze zur Arglist oder Schikane ist dabei - offensichtlich - nicht überschritten.
- 19
- b) Der Einwand der Revision, der Ausübung des Widerrufsrechts im vorliegenden Fall seien mit Rücksicht auf dessen (eingeschränkten) Schutzzweck nach § 242 BGB Schranken gesetzt, geht schon im Ansatz fehl. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung beschränkt sich der Zweck des bei Fernabsatzgeschäften vorgesehenen Widerrufsrechts nicht darauf, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Ware zu prüfen und bei Nichtgefallen zurückzugeben.
- 20
- Denn das Gesetz knüpft die Ausübung des Widerrufsrechts - wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) zeigt - nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers (etwa an das Nichtgefallen der Ware nach Überprüfung), sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft. Nur dieses Verständnis wird dem oben genannten Sinn des Widerrufsrechts beim Fernab- satzvertrag, dem Verbraucher ein einfaches und effektives Recht zur Lösung von einem im Fernabsatzgeschäft geschlossenen Vertrag an die Hand zu geben , gerecht.
- 21
- Dass ein Verbraucher - wie hier der Kläger - nach der Bestellung Preise vergleicht und mit dem Verkäufer darüber verhandelt, bei Zahlung einer Preisdifferenz vom Widerruf des Vertrages Abstand zu nehmen, ist lediglich eine Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation. Diese darf der Verbraucher zu seinen Gunsten nutzen, ohne sich dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auszusetzen. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Bünger Kosziol
AG Rottweil, Entscheidung vom 30.10.2014 - 1 C 194/14 -
LG Rottweil, Entscheidung vom 10.06.2015 - 1 S 124/14 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen vom 17. August 2005 wird zurückgewiesen , soweit über die Klage entschieden worden ist.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind Nachbarn. Den Beklagten gehört das Grundstück Flur 4, Flurstück 330/79, K. str. 13, in R. . Sie besitzen das mit Notarvertrag vom 13. Juli 1978 von ihnen gekaufte Grundstück seit dem 11. März 1978 und wurden am 21. August 1978 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
- 2
- Das Grundstück grenzt an seiner nördlichen Seite an das Flurstück 330/78. Das 58 qm große Flurstück 330/78 ist auf Blatt 1780 des Grundbuchs unter Nr. 2 gebucht. Das seinerzeit unter Treuhandverwaltung stehende, im Grundbuch als K. str. 6 bezeichnete Flurstück war mit einer Scheune bebaut (im Folgenden: Scheunengrundstück). Seit der Übergabe ihres Grundstücks nutzen es die Beklagten als Zugang zu dem Hof auf ihrem Grundstück. 1980 bauten sie die Scheune zu einer Garage um.
- 3
- 1985 wurden das Scheunengrundstück und das als Nr. 1 auf demselben Grundbuchblatt gebuchte, ebenfalls als K. str. 6 bezeichnete Grundstück enteignet. Den Klägern wurde ein Nutzungsrecht zum Bau eines Einfamilienhauses auf den Grundstücken verliehen. Mit Vertrag vom 30. September 1990 kauften sie die Grundstücke von der Gemeinde R. . Sie wurden am 28. Juli 1992 in das Grundbuch eingetragen.
- 4
- Im Mai 2002 machten sie gegenüber den Beklagten ihr Eigentum an dem Scheunengrundstück geltend. Mit der am 26. März 2003 erhobenen Klage verlangen sie dessen Räumung und Herausgabe. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben, die Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche eingewandt und im Wege der Hilfswiderklage die Bestellung eines Wege- und Überfahrtsrechts an dem Scheunengrundstück gemäß § 116 SachenRBerG verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Landgericht meint, der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks unterliege als Anspruch aus dem im Grundbuch eingetragenen Eigentum der Kläger zwar nicht der Verjährung, er sei jedoch verwirkt. Zumindest ab 1960 sei die Scheune als Bestandteil des später von den Beklagten erworbenen Grundstücks genutzt worden, ohne dass dies beanstandet worden sei. Die Beklagten hätten, ohne dass ihnen ein Vorwurf zu machen sei, gemeint, die Scheune sei Bestandteil ihres Grundstücks. So sei es ihnen verkauft worden. Der Wert der Scheune sei in das zur Ermittlung des Kaufpreises für das Grundstück erstellte Gutachten einbezogen worden. Im Vertrauen auf den Erwerb der Scheune hätten die Beklagten die Geltendmachung von Ansprüchen wegen des ausgebliebenen Erwerbs der Scheune unterlassen , diese zu einer Garage umgebaut und sich bei der Gemeinde R. nicht um einen Erwerb des Scheunengrundstücks bemüht. Auch die Kläger hätten ihr Eigentum nicht sogleich nach dem Erwerb des Scheunengrundstücks gegenüber den Beklagten geltend gemacht, sondern bis zur Erhebung der Klage noch bis zu der 2002 vorgenommen Vermessung der Grundstücke der Parteien zugewartet, durch die alle Beteiligten Klarheit über die Eigentumsverhältnisse gewonnen hätten.
II.
- 6
- Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Der Anspruch des eingetragenen Eigentümers auf Herausgabe des Grundstücks unterliegt gemäß § 902 Abs. 1 BGB nicht der Verjährung. Ebenso verhielt es sich gemäß § 479 Abs. 1 ZGB während der Dauer der Geltung des Zivilgesetzbuchs in der DDR mit dem § 985 BGB entsprechenden Anspruch aus § 33 Abs. 2 ZGB. Der von den Klägern geltend gemachte Herausgabeanspruch ist daher nicht verjährt. Ebenso wenig ist er verwirkt.
- 8
- a) Die Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Dabei kommt es nicht auf den Willen des Berechtigten an. Verwirkung kann auch gegen den Willen des Berechtigten eintreten, da die an Treu und Glauben ausgerichtete objektive Beurteilung, nicht aber der Willensentschluss des Berechtigten entscheidend ist. Verwirkung kann daher selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGHZ 25, 47, 53). Notwendig für die Verwirkung ist jedoch immer, dass sich der Verpflichtete mit Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen werde, dass es mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, dass der Berechtigte später doch mit dem ihm zustehenden Recht hervortritt (RGZ 158, 100, 107 f.) und dass unter diesem Gesichtspunkt die Leistung für den Verpflichteten unzumutbar ist (BGHZ 25, 47, 52).
- 9
- b) Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls (Soergel/Teichmann , BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 316), wobei der Art und der Bedeutung des Rechts, um dessen Verwirkung es geht, besondere Bedeutung zukommt (Erman /Hohloch, BGB, 11. Aufl. § 242 Rdn. 124). Soweit dem Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten wird, ist bei der gebotenen Würdigung zu berücksichtigen, dass dieser Anspruch Kernbestandteil des Eigentums ist und seine Verwirkung deshalb nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann (MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., Bd. 2a, § 242 Rdn. 300). Die Verneinung des Herausgabeanspruchs bedeutet wirtschaftlich die Enteignung des Eigentümers. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem nichtberechtigten Besitzer ist durch §§ 987 ff. BGB in einer Weise geregelt, die die Interessen und den Schutz von Eigentümer und Besitzer gegeneinander abwägt und grundsätzlich keiner Korrektur durch die Verneinung des Anspruchs aus § 985 BGB bedarf. Dem Irrtum des Eigentümers über den Umfang seines Eigentums kann grundsätzlich auch keine andere Bedeutung zukommen als dem entsprechenden Irrtum des Besitzers. Der Irrtum des Eigentümers ist ebenso wenig rechtsvernichtend, wie der Irrtum des Besitzers rechtsbegründend wirkt.
- 10
- Soweit es um die Verwirkung des Herausgabeanspruchs aus dem in das Grundbuch eingetragenen Eigentum geht, ist darüber hinaus zu berücksichtigen , dass die Ansprüche aus dem eingetragenen Eigentum nach der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers in § 902 Abs. 1 BGB als unverjährbar ausgestaltet sind und die Verwirkung des Herausgabeanspruchs das Eigentum als "Rechtskrüppel" (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2002], § 902 Rdn. 1) zurücklässt , das gegen die Eintragung im Grundbuch noch nicht einmal im Wege der Ersitzung nach § 900 Abs. 1 BGB erstarken kann. Für die Verneinung des Herausgabeanspruchs des im Grundbuch eingetragenen Eigentümers unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung folgt daraus, dass eine Verwirkung nur ange- nommen werden kann, wenn sich die Verpflichtung zur Herausgabe für den Besitzer als schlechthin unerträglich darstellt.
- 11
- c) So verhält es sich hier nicht. Zu dieser Festsstellung ist der Senat in der Lage, weil weiterer Vortrag der Beklagten nicht in Betracht kommt.
- 12
- Die Herausgabe des Grundstücks beeinträchtigt die Beklagten nicht in unerträglicher Weise. Ob die Scheune, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, seit 1960 als Bestandteil des Grundstücks der Beklagten genutzt worden ist, oder ob, wie die Beklagten behaupten, eine solche Nutzung schon seit 1937 stattgefunden hat, ist im Rahmen der Würdigung der Situation der Beklagten ohne Bedeutung. Der Wert der Scheune ist mit 450 M/DDR und damit mit einem objektiv geringen Betrag in den Kaufpreis für ihr Grundstück eingeflossen. Auf die Nutzung des Gebäudes als Scheune haben die Beklagten keinen nachhaltigen Wert gelegt, sondern die Scheune schon bald nach deren vermeintlichem Erwerb zu einer Garage umgebaut und diese mehr als zwanzig Jahre genutzt. Ob die Kosten für den Umbau nach dem Recht der früheren DDR von den Klägern zu erstatten sind, kann dahin gestellt bleiben. Auch wenn die Beklagten den Irrtum über die Größe ihres Grundstücks früher erkannt und sich um einen Erwerb des Scheunengrundstücks bemüht hätten, hätten sie dieses nicht unentgeltlich erwerben können. Eine Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten durch den Rat der Gemeinde R. als Treuhänder der Eigentümer durfte nur durch einen Verkauf zum Verkehrswert erfolgen. Nachdem das Grundstück in Volkseigentum überführt und den Klägern ein Nutzungsrecht an ihm verliehen worden war, kam sein Verkauf an die Beklagten nicht mehr in Betracht. Die zwischen der Aufklärung des Irrtums der Parteien und der gerichtlichen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch die Kläger verstrichene Zeit ist so kurz, dass ihr keine Bedeutung zukommt.
- 13
- d) Sofern die Beklagten zur Bewirtschaftung ihres Grundstücks auf einen Zugang über das Scheunengrundstück angewiesen sind, können sie von den Klägern gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG die Bewilligung einer entsprechenden Dienstbarkeit verlangen. Dieser Anspruch ist Gegenstand der hilfsweise erhobenen Widerklage.
- 14
- 2. Der geltend gemachte Anspruch auf Räumung der Garage folgt aus § 1004 Abs. 1 BGB. Für diesen Anspruch gilt § 902 Abs. 1 BGB nicht (Senat, BGHZ 60, 235, 238).
- 15
- Gegenstand des Räumungsanspruchs ist der Anspruch auf Entfernung der beweglichen Sachen, die von den Beklagten oder auf ihre Veranlassung in die Garage verbracht worden sind. Soweit dies nach dem Wiederinkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der früheren DDR geschehen ist, ist der Anspruch der Kläger schon deshalb nicht verjährt, weil der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB der regelmäßigen Verjährung unterliegt (BGHZ 98, 235, 241; 125, 56, 63), die bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltende 30jährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 nicht abgelaufen war und die seither geltende kürzere Frist bei Zustellung der Klage nicht verstrichen war, Art 229 Abs. 1 EGBGB.
- 16
- Ob § 479 Abs. 1 ZGB auf den Anspruch aus § 33 Abs. 1 ZGB Anwendung findet, bedarf keiner Entscheidung. Dass einzelne Gegenstände, die heute noch in der Garage sind, schon vor dem 3. Oktober 1990 dorthin gebracht worden sind, tragen die Kläger nicht vor.
- 17
- Für eine Verwirkung des Räumungsanspruchs ist nichts ersichtlich.
III.
- 18
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. An einer den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung ist der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht über die Widerklage - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht entschieden hat. Dies ist nachzuholen, (vgl. BGH, Urt. v. 6. März 1996, VIII ZR 12/94, NJW 1996, 2165, 2167).
Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Sangerhausen, Entscheidung vom 17.08.2005 - 1 C 157/03 (II) -
LG Halle, Entscheidung vom 28.07.2006 - 1 S 153/05 -
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 11.9.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden den Streithelfern auferlegt.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 60.000,- EUR
Gründe
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
|
| |||
| ||||
|
| |||
| ||||
|
| |||
|
| |||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
|
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 12. 6. 2014 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 64/13 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert wird – auch für das erstinstanzliche Verfahren sowie das Beschwerdeverfahren 6 W 217/13 – wie folgt festgesetzt:
bis zum 19. 9. 2013 200.000 EUR,
danach 100.000 EUR.
1
G r ü n d e :
2(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
3I.
4Die Parteien vertreiben Blutzuckermessgeräte und zugehörige Teststreifen. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine jedenfalls auf der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im Mai 2013 zum Einsatz gekommene Präsentation der Antragsgegnerin für Tablet-PCs, wobei das genaue Ausmaß des Einsatzes zwischen den Parteien streitig ist. Mit dieser Präsentation stellte die Antragsgegnerin ein von ihr vertriebenes Blutzuckermesssystem vor; unter anderem wurde dort im Zusammenhang mit einem Vergleich der konkurrierenden Produkte der Parteien eine – im Mai 2013 noch nicht veröffentlichte – NACT (North American Comparator Trial) -Studie erwähnt.
5Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht Köln der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 10. 6. 2013 durch einstweilige Verfügung untersagt,
6„geschäftlich handelnd die Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten bzw. Blutzuckerteststreifen mit dem Ergebnis der NACT-Studie zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, solange die Studie nicht so zugänglich ist, dass die durchgeführte Untersuchung und das daraus abgeleitete, in der Werbung angegebene Ergebnis nachvollzogen werden kann, insbesondere, wenn dies im Zusammenhang mit dem Vergleich mit der B.-D. Blutzuckermessgeräte bzw. B.-D.-Teststreifen betreffenden Messgenauigkeit geschieht, wie in der nachstehend eingelichteten eidesstattlichen Versicherung beschrieben:
7- Grafik „Eidesstattliche Versicherung“ nur in Originalentscheidung ersichtlich -
8Die Antragsgegnerin hat gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt. Am 5. 9. 2013 wurde die NACT-Studie in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Daraufhin hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 19. 9. 2013 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat sich dieser Erklärung angeschlossen und anschließend beantragt, über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Die Antragstellerin ist dem entgegengetreten und hat erklärt, die Aufhebung könne erst ab Ausspruch der Erledigungserklärung beansprucht werden.
9Mit einem am 10. 10. 2013 verkündeten Beschluss hat das Landgericht die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt und im Tenor klargestellt, dass die einstweilige Verfügung für den Zeitraum vor der Erledigungserklärung bestehen bleibe. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat der Senat mit Beschluss vom 4. März 2014 – 6 W 217/13 – (WRP 2014, 1093 = GRUR 2014, 1032) die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache insgesamt an das Landgericht zurückverwiesen, da der Rechtsstreit lediglich teilweise für erledigt erklärt worden sei. In dieser prozessualen Konstellation sei eine Entscheidung allein nach § 91a ZPO, wie sie das Landgericht getroffen habe, nicht möglich; vielmehr sei über den nicht erledigten Teil der einstweiligen Verfügung durch Urteil zu entscheiden.
10Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht daraufhin die einstweilige Verfügung bestätigt, soweit der Rechtsstreit nicht mit Wirkung ab dem 19. 9. 2013 übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beanstandete Werbung sei irreführend gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf berufe, auf die NACT-Studie sei mit dem Hinweis „data on file“ verwiesen worden, der branchenüblich dahingehend verstanden werde, dass die Daten bei dem Unternehmen vorhanden und dort anzufordern seien, so folge aus den vorgelegten Mitteln der Glaubhaftmachung nicht, dass dieser Hinweis im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verweis auf die NACT-Studie erfolgt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
11Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Antragsgegnerin weiter das Ziel der Aufhebung der einstweiligen Verfügung und der Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags. Das Landgericht habe über einen anderen Gegenstand als den Streitgegenstand entschieden, da die Antragstellerin beanstandet habe, dass die in Bezug genommene Studie nicht veröffentlicht sei, nicht aber den unterlassenen Hinweis auf die fehlende Veröffentlichung. Antrag und Tenor seien zu unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig. Ferner fehle es an einer Wiederholungsgefahr; schließlich sei der Antrag rechtsmissbräuchlich. Die Antragstellerin verteidigt das Urteil.
12II.
13Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
141. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist fernliegend. Zu den Voraussetzungen, unter denen die Geltendmachung wettbewerblicher Ansprüche gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich ist (vgl. zusammenfassend Senat, GRUR-RR 2013, 466, 467 – Bach-Blüten; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 8 Rn. 4.10 ff., jeweils m. w. N.) fehlt es an jeglichem Sachvortrag. Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Umstände, die darauf hinauslaufen, die Antragstellerin habe den Sachverhalt unzutreffend vorgetragen, sind ersichtlich nicht geeignet, rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin zu belegen.
152. Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot hält sich im Rahmen des von der Antragstellerin geltend gemachten Streitgegenstandes.
16Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, GRUR 2011, 521, 522 – TÜV I). Der Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung bildet, wird durch alle Tatsachen gebildet, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. In Fällen, in denen sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGHZ 194, 314 = GRUR 2013, 401 Tz. 19, 24 – Biomineralwasser).
17Im vorliegenden Fall wird der Streitgegenstand daher durch die Werbemaßnahme bestimmt, die in der in den Tenor eingeblendeten eidesstattlichen Versicherung des Zeugen C2 näher beschrieben wird. Der Umstand, dass nach der vorangestellten Verbalisierung die Antragstellerin in erster Linie beanstandete, dass die erwähnte Studie nicht veröffentlicht war, während das Landgericht die Werbemaßnahme unter dem Gesichtspunkt untersagt hat, dass es an ausreichenden Hinweisen auf die fehlende Veröffentlichung der Studie fehlte, führt aus diesem Streitgegenstand nicht heraus. Die Antragstellerin hat sich bereits in der Antragsschrift auch darauf berufen, dass die Werbung irreführend sei. Eine Irreführung besteht regelmäßig aus zwei Elementen: Einer bestimmten Äußerung und einem objektiven Sachverhalt, auf den diese Äußerung bezogen ist, wobei die Irreführung gerade darin besteht, dass der Erklärungswert der Äußerung und der Sachverhalt auseinanderfallen.
18Die Irreführung kann daher immer sowohl unter dem Aspekt beanstandet werden, dass der Sachverhalt nicht mit der Äußerung übereinstimmt (hier: dass die Studie nicht veröffentlicht war), oder unter dem Aspekt, dass die Äußerung den Sachverhalt nicht zutreffend wiedergibt (hier: dass in der Werbung nicht auf die fehlende Veröffentlichung hingewiesen wurde). Dementsprechend führen aus dem Verbot irreführender Äußerungen immer zwei Wege heraus: Der Sachverhalt kann der Äußerung angepasst werden (hier: die Studie wird veröffentlicht), oder die Äußerung kann dem Sachverhalt angepasst werden (hier: in der Werbung wird auf die fehlende Veröffentlichung hingewiesen). Das ändert nichts daran, dass sich das Verbot auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt bezieht (hier: die Werbung unter Bezug auf eine unveröffentlichte Studie, ohne dass auf die fehlende Veröffentlichung hingewiesen wird).
193. Der Antrag ist hinreichend bestimmt.
20a) Ein bestimmter Antrag ist erforderlich, um den Streitgegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) festzulegen, sowie die Tragweite des begehrten Verbots zu erkennen und die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festzulegen (BGH, GRUR 2011, 521 Tz. 9 – TÜV I). Der Verbotsantrag darf daher nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, GRUR 2010, 749 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet; GRUR 2011, 152 Tz. 22 – Kinderhochstühle im Internet; GRUR 2011, 539 Tz. 11 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; Senat, GRUR 2015, 75, 78 – 50 De-Mails inklusive). Zur Umschreibung des zu unterlassenden Verhaltens ist allerdings vielfach die Verwendung mehr oder weniger unbestimmter oder mehrdeutiger Begriffe und damit in gewissem Umfang die Vornahme von Wertungen durch das Vollstreckungsgericht bei der Prüfung eines Verstoßes nicht zu vermeiden, soll nicht wirksamer Rechtsschutz verweigert werden (BGH, WRP 2009, 1076 = GRUR 2009, 977 Tz. 22 – Brillenversorgung; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 12 Rn. 2.35).
21b) Die Antragsgegnerin beanstandet zunächst die Formulierung „solange die Studie nicht so zugänglich ist, dass die durchgeführte Untersuchung und dass das abgeleitete, in der Werbung angegebene Ergebnis nachvollzogen werden kann“, da sich daraus nicht ergebe, welche Form der Zugänglichmachung ausreichend sein solle.
22Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist dabei unproblematisch, in welchem Ausmaß die Studie zugänglich sein muss, um aus dem Verbotstenor herauszuführen. Die Werbung mit unveröffentlichten Studien, ohne diesen Umstand offenzulegen, ist wettbewerbswidrig, da diese dem angesprochenen Fachpublikum nicht ohne weiteres zur selbstständigen Überprüfung zur Verfügung stehen (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 365 f. – Quellenangaben). Diese Nachprüfung ist nur möglich, wenn die gesamte Studie zugänglich ist. Es genügt nicht, wenn nur das Studiendesign, einzelne Teile oder nur eine Zusammenfassung („Abstract“) zugänglich gemacht werden. Ebenso genügt der als Anlage AG 3 vorgelegte Text, den die Antragsgegnerin ausdrücklich als „Zusammenfassung“ bezeichnet hat, nicht als Zugänglichmachen „der Studie“. So fehlen zum Beispiel in der Zusammenfassung sämtliche Tabellen und grafischen Auswertungen der als Anlage AG 11 vorgelegten Studie.
23Hinsichtlich des Begriffs des „Zugänglichmachens“ besteht zwar ein gewisser Auslegungsbedarf. Dieser ist jedoch nicht so groß, dass er nicht im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen wäre. So ist es aufgrund des beiderseitigen Sachvortrags nicht zweifelhaft, dass die vollständige Studie zum Zeitpunkt der Werbung nicht zugänglich war, da es keine Möglichkeit gab, sich über ihren Inhalt aus öffentlich zugänglichen Quellen zu informieren. Dass dies nicht der Fall war, hat die Antragsgegnerin selber vorgetragen, da in dem Fall, dass die Studie insgesamt vorveröffentlicht worden wäre, sie von einer Fachzeitschrift nicht mehr zur Veröffentlichung angenommen worden wäre. Nur die Herausgabe einzelner Informationen gegenüber Dritten sei insoweit unschädlich gewesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich die Antragsgegnerin noch in der Widerspruchsbegründung vom 22. 7. 2013 (dort S. 4) auf den Standpunkt gestellt hat, sie sei nicht verpflichtet, „dem Wettbewerber eigene Studiendaten ohne Grund auf Anfrage zur Verfügung zu stellen“, weshalb der Zeuge Dr. H auf eine entsprechende Anfrage seitens eines Mitarbeiters der Antragstellerin lediglich auf die bevorstehende Veröffentlichung der Studie hingewiesen habe. Die Antragsgegnerin hat daher nicht einmal auf Anfrage die Studie oder Teile daraus ohne weiteres herausgegeben. Ob diese Anfrage im Zusammenhang mit der beanstandeten Werbemaßnahme der Antragsgegnerin erfolgte, ist unerheblich; hier steht allein die „Zugänglichkeit“ der Studie für den wissenschaftlichen Diskurs in Rede, die bis zu ihrer Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift nicht uneingeschränkt gegeben war.
24Ebenso ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Studie nach der Veröffentlichung in einer medizinischen Fachzeitschrift zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht allgemein zugänglich war. Allein der Umstand, dass sich hypothetische Fälle konstruieren lassen, in denen es zweifelhaft sein könnte, ob die Studie „zugänglich“ war, rechtfertigt es nicht, der Antragstellerin den begehrten Rechtsschutz zu versagen.
25c) Unbedenklich ist ferner die Formulierung „im Zusammenhang mit einem Vergleich mit der B.-D. Blutzuckermessgeräte bzw. B.-D.-Teststreifen betreffenden Messgenauigkeit“. Aus der in den Tenor als konkrete Verletzungsform eingeblendeten eidesstattlichen Versicherung wird hinreichend deutlich, dass sich die Antragstellerin gegen eine Bezugnahme auf die unveröffentlichte Studie im Zusammenhang mit einem Vergleich der Produkte der Parteien wendet. Unter welchen Bedingungen eine solche Bezugnahme ohne Hinweis darauf, dass die betreffende Studie unveröffentlicht ist, zulässig sein solle, zeigt auch die Antragsgegnerin nicht auf. Welches konkrete Produkt der Antragsgegnerin dabei beworben wird, ist unerheblich; das Charakteristische des beanstandeten Verhaltens liegt in der Werbung unter Bezugnahme auf eine unveröffentlichte Studie, ohne dies offenzulegen.
26d) Schließlich führt auch die Formulierung „Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten bzw. Blutzuckerteststreifen“ im Tenor nicht zu dessen Unbestimmtheit. Blutzuckermessgeräte und Blutzuckerteststreifen sind zusammengehörige Produkte, die üblicherweise auch gemeinsam beworben werden. Die Antragsgegnerin weist selber darauf hin, dass „beziehungsweise“ im allgemeinen Sprachgebrauch die Bedeutung von „oder“ haben kann. Aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung wird hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin die beanstandete Bewerbung sowohl in Bezug auf Messgeräte als auch auf Teststreifen untersagen möchte.
27e) Nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass die konkrete Verletzungsform in Gestalt einer eidesstattlichen Versicherung in den Tenor eingeblendet worden ist. Dass die Antragstellerin einen Ausdruck der beanstandeten Werbung bei der hier in Rede stehenden Werbeform nicht vorlegen kann, liegt in der Natur der Sache. Ob die Mitarbeiter der Antragsgegnerin es geduldet hätten, wenn Mitarbeiter der Antragstellerin die Präsentation bei ihrer Vorführung abfotografiert oder gefilmt hätten, erscheint zweifelhaft; zumutbar war dies den Mitarbeitern der Antragstellerin jedenfalls nicht. Unüberwindliche Zweifel, welches Verhalten der Antragsgegnerin verboten ist, können bei dieser Fassung des Tenors nicht aufkommen; jedenfalls hat die Antragsgegnerin während des gesamten Verfahrens keinen Zweifel daran gelassen, dass ihr bewusst war, welche Werbemaßnahme die Antragstellerin beanstandet hat. Beim Einsatz eines flüchtigen Werbemediums in individuellen Gesprächen, wie bei der hier in Rede stehenden Präsentation auf einem Tablet-PC, kann vom Anspruchsteller nicht verlangt werden, die fragliche Werbung 1:1 in seinen Antrag als konkrete Verletzungsform aufzunehmen, da sonst nicht hinzunehmende Rechtsschutzlücken entstehen würden.
28Soweit die Antragsgegnerin beanstandet hat, die Formulierung „C data on file“ sei in der eingeblendeten eidesstattlichen Versicherung nicht enthalten, so führt dies nicht zur Unbestimmtheit des Antrags, sondern könnte allenfalls – wegen Verfehlung der konkreten Verletzungsform – zu seiner Unbegründetheit führen (vgl. BGH, WRP 2014, 424 = GRUR 2014, 393 Tz. 47 – wetteronline.de).
29f) Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin wird ihr durch die einstweilige Verfügung die beanstandete Werbung nicht in Bezug auf „jedwedes Medium“ untersagt. Das Verbot bezieht sich in erster Linie auf die in der eingeblendeten eidesstattlichen Versicherung genannte Präsentation auf einem Tablet-Computer (iPad). Inwieweit Werbemaßnahmen in anderen Medien in den Kernbereich des so definierten Verbots fallen, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.
304. Der Antrag ist auch begründet.
31a) Die Werbung für Arzneimittel oder Medizinprodukte mit einer unveröffentlichten Studie, ohne auf den Umstand der fehlenden Veröffentlichung hinzuweisen, ist grundsätzlich irreführend und wettbewerblich unzulässig (§§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, 3 S. 1 HWG; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: Juni 2011, § 6 HWG Rn. 8, 21; Ring, in: Bülow u. a., HWG, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 14; vgl. BGH, GRUR 2013, 649 Tz. 17 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil: „Die Irreführung ergibt sich vielmehr bereits daraus, dass die durch die uneingeschränkt aufgestellte werbliche Behauptung in Bezug genommene Studie selbst die Aussage nicht oder nicht uneingeschränkt trägt und der Arzt in seinem Vertrauen enttäuscht wird, die durch eine Studie angeblich wissenschaftlich belegte Aussage unmittelbar durch diese Studie überprüfen zu können, ohne gewärtigen zu müssen, dass die als Beleg aufgeführte Studie nur teilweise, mittelbar oder nur im Zusammenhang mit anderen, nicht genannten Studien (möglicherweise) valide ist und die Werbebehauptung stützen kann“, Hervorhebung nicht im Original). Eine Studie, die in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden ist, hat im Regelfall nicht nur vor der Veröffentlichung einen Peer-Review-Prozess durchlaufen, sondern stellt sich durch die Veröffentlichung auch der wissenschaftlichen Diskussion. Sie hat daher ein höheres Maß an fachlicher Überzeugungskraft als eine Studie, die nicht veröffentlicht worden ist, selbst wenn sie in Einzelfällen an Interessierte herausgegeben wird.
32b) Auch die Antragsgegnerin stellt nicht in Abrede, dass in der Präsentation mit Messergebnissen geworben wurde, für die als Quelle die NACT-Studie angegeben wurde. Dies folgt nicht nur aus der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen C2 (Anlage ASt 3), sondern auch aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Zeugin Dr. L (Anlage AG 13). Eine solche Werbung ohne ausdrücklichen und unmissverständlichen Hinweis darauf, dass die Studie noch nicht veröffentlicht ist, ist nach den vorstehenden Ausführungen irreführend. Auch die Antragsgegnerin stellt nicht in Abrede, dass die Präsentation jedenfalls gegenüber dem Zeugen C2 verwendet worden ist. In welchem Ausmaß sie sonst zum Einsatz gekommen ist, ist unerheblich, da bereits ein einmaliger Einsatz einen Verstoß darstellt und geeignet ist, die Wiederholungsgefahr zu begründen.
33c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin genügte der – seitens der Antragstellerin bestrittene – Hinweis „data on file“ nicht, um für die Adressaten der Werbung hinreichend deutlich zu machen, dass es sich bei der Studie um eine unveröffentlichte Studie handelt. Es kann dabei dahinstehen, ob ein solcher Hinweis von Ärzten in diesem Sinne verstanden würde, wie es das OLG Hamburg in der von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung MD 2010, 1204 = juris Tz. 81 in Erwägung gezogen hat. Auch nach dem dort wiedergegebenen Verständnis besagt der Hinweis – seinem Wortlaut entsprechend – lediglich, dass ein bestimmter „Datenbestand“ bei einem Unternehmen verfügbar sei. Der vorliegende Fall betrifft dagegen eine komplette Studie (also nicht nur Daten, sondern auch deren Auswertung und Diskussion), die nicht einmal vollständig „verfügbar“ (im Sinne von zugänglich) war, sondern – bis zur Veröffentlichung – allenfalls einzelnen Dritten auszugsweise zugänglich gemacht worden ist.
34Die beanstandete Werbung ist (mindestens) auf der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2013 zum Einsatz gekommen. Mitglieder dieser Gesellschaft sind nicht nur Ärzte, sondern sie wendet sich ausdrücklich auch an Angehörige medizinischer Assistenzberufe und Studenten mit Interesse an Diabetologie (http://www.XXX.html, abgerufen am 8. 1. 2015). Dementsprechend richten sich auch die Diabeteskongresse der DDG unter anderem an „Krankenschwestern, Pflegepersonal, Podologen, Arzthelfer/-innen, Diabetesberater/-innen, Diätassistent/-innen, Diabetesassistent/-innen“ (Flyer des Diabeteskongresses 2015, zugänglich unter http://www.XXX abgerufen am 8. 1. 2015). Auch die Antragstellerin hat sich darauf berufen, dass davon auszugehen sei, dass die Werbung beispielsweise gegenüber Diabetesberatern zum Einsatz komme. Es handelt sich dabei mithin um Fachkreise, bei denen gewisse medizinische Kenntnisse vorausgesetzt werden können, die aber nicht über eine abgeschlossene fachwissenschaftliche Ausbildung verfügen. Bei diesem Personenkreis kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass er die Formulierung „data on file“ im Zusammenhang mit einer als Beleg herangezogenen Studie dahingehend versteht, dass es sich um eine unveröffentlichte Studie handelt, der aufgrund dieses Umstands nur eine verminderte wissenschaftliche Aussagekraft zukommt. Glaubhaft gemacht hat die Antragsgegnerin jedenfalls einen derartigen Kenntnisstand der Adressaten ihrer Werbung nicht.
35Die Antragsgegnerin hat auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass bei der Werbung gegenüber Fachkreisen mit unveröffentlichten Studien dies „branchenüblich“ durch die Formulierung „data on file“ gekennzeichnet würde. Hierzu genügen weder die denkbar allgemeinen Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin Dr. M die vereinzelten Werbetexte (allein) der Antragstellerin aus den Jahren 2009 und 2011, die die Antragsgegnerin als Beleg für die von ihr behauptete Branchenübung vorgelegt hat. Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Werbemittel der Antragstellerin ist an dieser Stelle nicht zu beurteilen.
36Unabhängig davon wäre die Bezugnahme auf die Studie nur dann zulässig gewesen, wenn der Hinweis auf ihre fehlende Veröffentlichung so unmissverständlich und eindeutig erfolgt wäre, dass er von den Adressaten der Werbung ohne weiteres wahrnehmbar gewesen wäre. In der eidesstattlichen Versicherung ASt 3 des Zeugen C2 ist ein solcher Hinweis jedenfalls nicht erwähnt worden; ihr lässt sich vielmehr entnehmen, dass ihrem Verfasser nicht positiv bekannt war, dass die Studie nicht veröffentlicht war, da er anschließend nach ihr recherchiert hat. Der von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Zeugin Dr. L (Anlage AG 13) lassen sich Einzelheiten zur Gestaltung der Fußnote, in der der Hinweis enthalten sein soll, nicht entnehmen. Weder wird in ihr die konkrete Darstellung der Überschrift und des zugehörigen Fußnotenzeichens wiedergegeben, noch wie der Betrachter der Präsentation zu ihr geführt wird. Bedenklich wäre es bereits (wie es die eidesstattliche Versicherung nahelegt), wenn das Fußnotenzeichen nicht direkt auf die Fußnote verweisen würde, sondern deren Text erst angezeigt würde, wenn der in der eidesstattlichen Versicherung angesprochene „Button“ „Literatur“ betätigt würde, wobei in der eidesstattlichen Versicherung auch keine Einzelheiten zur Ausgestaltung und Lokalisierung dieser Schaltfläche genannt werden.
37Bei dieser Sachlage hätte es der Antragsgegnerin oblegen, die beanstandete Werbung dem Landgericht und dem Senat zur Beurteilung vorzulegen, um eine Überprüfung zu ermöglichen, ob der Hinweis in einer hinreichend wahrnehmbaren Form erfolgt ist. Dies ist, obwohl es vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich beanstandet worden ist (S. 5 UA), auch im Berufungsverfahren nicht geschehen. Auch wenn die Antragstellerin für die eine Irreführung begründenden Umstände grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet ist, trifft die Antragsgegnerin in der vorliegenden Konstellation, in der sie sich darauf beruft, dass eine an sich gegebene Irreführungsgefahr durch einen aufklärenden Hinweis in der nur ihr in Einzelheiten bekannten Werbung beseitigt worden sei, eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Hinweises.
38d) Die Wiederholungsgefahr wurde – für den Zeitraum vor der übereinstimmenden Erledigungserklärung – durch die Verletzungshandlung indiziert.
395. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Aus dem Zusammenhang der Antragsschrift wird hinreichend deutlich, dass sich die Antragstellerin von vornherein nur gegen die in der eidesstattlichen Versicherung (Anlage ASt 3) beschriebene konkrete Werbemaßnahme gewendet hat. Die Aufnahme dieser eidesstattlichen Versicherung in den Tenor, die das Landgericht in der einstweiligen Verfügung unter Hinweis auf § 938 Abs. 1 ZPO vorgenommen hat, stellt daher lediglich eine Konkretisierung des Begehrens der Antragstellerin, nicht aber eine teilweise Zurückweisung des Antrags dar, wie es das Landgericht in dem Beschluss vom 10. 6. 2013 (unter 4.) ausdrücklich klargestellt hat. Ob der so gefassten Tenor auf den Einsatz der Präsentation auf einer Messe beschränkt ist, oder ob ihre Verwendung durch einen Vertreter in einer Arztpraxis in den Kernbereich des Verbots fallen würde, bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung.
406. Der Streitwert war, wie von der Antragstellerin in der Berufungserwiderung beantragt, entsprechend der Wertangabe in der Antragsschrift abweichend von der niedrigeren Festsetzung des Landgerichts bis zum 19. 9. 2013 auf 200.000 EUR, anschließend (und damit insgesamt sowohl für das Beschwerdeverfahren 6 W 217/13 als auch das Berufungsverfahren) allerdings nur auf 100.000 EUR festzusetzen.
41Gemäß den §§ 51 Abs. 2 und 4 GKG, 3 ZPO ist der Gegenstandswert für das Verfahren nach der sich aus dem Antrag des Anspruchstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt (BGH, GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung). Einer Streitwertangabe in der Anspruchsbegründung – zu einem Zeitpunkt, in dem der Ausgang des Verfahrens noch ungewiss ist – kommt dabei indizielle Bedeutung zu (Senat, OLGR Köln 1993, 242 f.). Im vorliegenden Fall entspricht der Ansatz von 200.000 EUR der Größenordnung, in der auch der Senat in vergleichbaren Fällen den Wert festgesetzt hat (Beschluss vom 27. 2. 2013 – 6 W 41/13: 150.000 EUR für angeblich irreführende Werbung für Diabetesarzneimittel; Beschluss vom 16. 7. 2013 – 6 W 111/13: 180.000 EUR für unzutreffende Werbung mit Auszeichnungen für Blutzuckermessgeräte). Eine begrenzte Reichweite der beanstandeten Werbemaßnahme kann in diesem Zusammenhang nicht angenommen werden. Für die Festsetzung des Streitwerts ist allein auf den (streitigen) Vortrag der Antragstellerin abzustellen, nach dem die Präsentation auch durch Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin in Arztpraxen eingesetzt worden sei. Eine solche Werbung wäre hinsichtlich ihrer Reichweite und ihrem Gefährdungsgrad der Werbung in einer Fachzeitschrift vergleichbar.
42Allerdings führt der Umstand, dass die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht mit Wirkung ab dem 19. 9. 2013 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, zu einer Reduzierung des Streitwerts. Im – hier gegebenen – Fall der teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärung bestimmt sich der Streitwert allein nach dem Wert des nicht erledigten Teils des Rechtsstreits (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 3 Rn. 16 Stw. „Erledigung der Hauptsache: Übereinstimmende Erledigungserklärung“, m. w. N.). Im Hinblick darauf, dass der Rechtsstreit mit Wirkung für die Zukunft für erledigt erklärt worden ist, erscheint eine Reduzierung auf die Hälfte des ursprünglichen Streitwerts angezeigt.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.