Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 23. Okt. 2007 - 5 W 29/2007; 5 W 29/07

bei uns veröffentlicht am23.10.2007

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 18.05.2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 04.05.2007 - 2 O 115/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 250.- EUR.

Gründe

 
I.
Die Klägerin hat den Beklagten mit der beim Landgericht Rottweil erhobenen Klage vom 27.03.2006 auf Zahlung von 15.330,00 EUR nebst Zinsen und Kosten mit der Begründung in Anspruch genommen, es sei ein Vertrag über die Lieferung von verschiedenen Lamellenelementen zwischen den Parteien zustande gekommen, die Lamellenelemente seien dem Beklagten auch ausgeliefert worden, jedoch habe dieser die Rechnung vom 23.06.2005 nicht beglichen. Gleichzeitig stellte der Kläger den Antrag, eine Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren als europäischen Vollstreckungstitel i. S. von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO) zu bestätigen. Die Klage wurde dem Beklagten nebst Anlagen förmlich durch den niederländischen Gerichtsvollzieher M. , A am 24.07.2006 in der Weise am Wohnsitz des Empfängers zugestellt, dass die Schriftstücke in einem geschlossenen Briefumschlag im Briefkasten des Schuldners hinterlegt wurden (vgl. Bl. 15 a und Bl. 38 d.A.). Mit Verfügung vom 04.09.2006 (Bl. 34 d.A.) wurde Termin zur Güteverhandlung und zur mündlichen Verhandlung auf den 25.01.2007 bestimmt und das persönliche Erscheinen des Beklagten zum Termin angeordnet. Zu diesem Zweck wurde der Beklagte auf einfachem Postweg durch Aufgabe der Ladung zur Post gem. § 184 Abs. 2 ZPO geladen (Bl. 34 a d.A.). Nachdem der Beklagte zum Termin nicht erschienen ist, hat das Landgericht Rottweil den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 31.01.2007 bis auf einen geringen Teil der verlangten Kosten antragsgemäß verurteilt (Bl. 42/46 d.A.). Das Urteil wurde dem Beklagten ebenfalls auf einfachem Postweg durch Aufgabe zur Post zugestellt (Bl. 46 a d.A.).
Mit Beschluss vom 04.05.2007, auf dessen Gründe verwiesen wird (Bl. 67/68 d.A.), wurde der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung des vorerwähnten Versäumnisurteils als europäischer Vollstreckungstitel durch die Rechtspflegerin des Landgerichts zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Klägerin am 07.05.2007 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer beim Landgericht am 21.05.2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 18.05.2007. Die Klägerin macht insbesondere geltend, die Klage und die Ladung hätten den Beklagten erreicht, wie sich aus einem Telefax des Bevollmächtigten des Beklagten vom 29.08.2006 ergebe.
Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten mit Beschluss vom 24.05.2005 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. §§ 1080 Abs. 2, 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässig. Bei einer Ablehnung eines Antrages auf Bestätigung einer Entscheidung als europäischer Vollstreckungstitel gem. Art. 9 EuVTVO durch den Rechtspfleger des Landgerichts im ersten Rechtszug ist die sofortige Beschwerde eröffnet, weil gem. § 1080 Abs. 2. ZPO die gleichen Rechtsbehelfe statthaft sind wie bei der Verweigerung einer Vollstreckungsklausel (vgl. KG FamRZ 1985, 627; KG Rpfleger 1998, 65; Zöller/Stöber, 26. Aufl., Rdnr. 13 zu § 724 ZPO). Das Rechtsmittel hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art.12 ff. EuVTVO liegen nicht vor (1.). Die Nichteinhaltung der Mindestvorschriften wurde nicht nach Art. 18 EuVTVO geheilt (2.).
1. Eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel i.S.v. Art. 9 EuVTVO setzt u.a. voraus, dass das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedsstaat den Mindestvorschriften für das Verfahren über unbestrittene Forderungen genügt hat (Art. 6 Abs. 1 lit. c) EuVTVO). Im vorliegenden Fall wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück entsprechend Art. 14 Abs. 1 lit. c), Abs. 3 EuVTVO im Wege der Ersatzzustellung durch Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners und damit ordnungsgemäß zugestellt. Jedoch muss gem. Art. 13 Abs. 2 EuVTVO auch die Ladung zu einem Gerichtstermin förmlich zugestellt werden, was nicht geschehen ist. Zwar verlangt Art. 13 Abs. 2 EuVTVO keine Zustellung gem. Art. 13 Abs. 1, auch eine Ersatzzustellung nach Art.14 EuVTVO reicht aus (Zöller/Geimer, Anhang II, Rdnr. 9 zu Art. 12 EuVTVO). Jedoch sieht Art. 14 Abs. 1 lit. e) EuVTVO - anders als § 184 Abs. 2 ZPO - eine Zustellung durch einfache Aufgabe zur Post ohne Nachweis einer Bescheinigung der Zustellung gem. Art. 14 Abs. 3 EuVTVO nur dann vor, wenn der Schuldner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat hat, was auf den Beklagten nicht zutrifft. Daraus folgt, dass die verfahrensrechtlichen Mindeststandards der genannten Verordnung nicht erfüllt sind.
2. Eine Heilung käme nach Art. 18 Abs. 1 lit. a) EuVTVO unter der Bedingung in Betracht, dass die Entscheidung dem Schuldner unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Erfordernisse nach Art. 13 und Art. 14 EuVTVO zugestellt worden ist. Dies ist hier nicht der Fall. Denn auch das Versäumnisurteil wurde dem Beklagten nur auf dem einfachen Postwege durch Aufgabe zur Post zugestellt (Bl. 46 a d.A.).
Unter diesen Umständen wäre eine Heilung nach Art. 18 Abs. 2 EuVTVO nur dann möglich, wenn durch das Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen ist, dass er das zuzustellende Schriftstück so rechtzeitig persönlich bekommen hat, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen konnte. Hiervon ist nicht auszugehen. Der Bevollmächtigte des Beklagten spricht in dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 29.08.2006 (Bl. 74 d.A.) zwar davon, dass dem Beklagten eine Ladung am 24.07.2006 zugegangen sei. Dies kann aber nicht zutreffen, ersichtlich war die Zustellung der Klage gemeint. Die Ladung zum Termin vom 25.01.2007 wurde durch das Landgericht erst am 04.09.2006 verfügt (Bl. 34 d.A.) und die Ladung erst am 14.09.2006 zur Post gegeben (Bl. 34 a d.A.). Es ist daher nicht nachgewiesen, dass der Beklagte die Ladung rechtzeitig vor dem Termin erhalten hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i.V.m. Nr. 1812 des Kostennverzeichnisses zum GKG.
Da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, wird von einer Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Rechtspflegergesetz - RPflG 1969 | § 11 Rechtsbehelfe


(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. (2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Recht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 184 Zustellungsbevollmächtigter; Zustellung durch Aufgabe zur Post


(1) Das Gericht kann bei der Zustellung nach § 183 Absatz 2 bis 5 anordnen, dass die Partei innerhalb einer angemessenen Frist einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat, falls sie nicht einen Pro

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1080 Entscheidung


(1) Bestätigungen nach Artikel 9 Abs. 1, Artikel 24 Abs. 1, Artikel 25 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 sind ohne Anhörung des Schuldners auszustellen. Eine Ausfertigung der Bestätigung ist dem Schuldner von Amts wegen zuz

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(1) Das Gericht kann bei der Zustellung nach § 183 Absatz 2 bis 5 anordnen, dass die Partei innerhalb einer angemessenen Frist einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat, falls sie nicht einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat. Wird kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so können spätere Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben wird.

(2) Das Schriftstück gilt zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Das Gericht kann eine längere Frist bestimmen. In der Anordnung nach Absatz 1 ist auf diese Rechtsfolgen hinzuweisen. Zum Nachweis der Zustellung ist in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde.

(1) Bestätigungen nach Artikel 9 Abs. 1, Artikel 24 Abs. 1, Artikel 25 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 sind ohne Anhörung des Schuldners auszustellen. Eine Ausfertigung der Bestätigung ist dem Schuldner von Amts wegen zuzustellen. Das gilt nicht, wenn die antragstellende Person Übermittlung an sich zur Zustellung im Parteibetrieb beantragt hat.

(2) Wird der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung zurückgewiesen, so sind die Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entsprechend anzuwenden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Das Gericht kann bei der Zustellung nach § 183 Absatz 2 bis 5 anordnen, dass die Partei innerhalb einer angemessenen Frist einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat, falls sie nicht einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat. Wird kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so können spätere Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben wird.

(2) Das Schriftstück gilt zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Das Gericht kann eine längere Frist bestimmen. In der Anordnung nach Absatz 1 ist auf diese Rechtsfolgen hinzuweisen. Zum Nachweis der Zustellung ist in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.