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1. Im vorliegenden Verfahren, das faktischen Zusammenhang mit dem Verfahren 5 U 207/05 hat, in dem gleichzeitig Urteil des Senats ergeht, klagen die Kläger, die früher zusammen mit dem Beklagten Kommanditisten der B. / S. (Name) Maschinenfabrik GmbH & Co KG waren (der Kläger Ziff. 1 40 % der Anteile haltend; der Kläger Ziff. 2 20 % der Anteile haltend), gegen den Beklagten auf Herausgabe von Geldmitteln, die der Beklagte als Beauftragter erhalten haben soll. Sie klagen auf Zahlung eines Gesamtbetrags von 833.752,80 US-Dollar (entsprechend 677.461,60 EUR), der Kläger Ziff. 1 auf 555.835,20 US-Dollar, der Kläger Ziff. 2 auf 277.917,60 US-Dollar nebst Zinsen seit 1990.
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Bei den Geldern handle es sich um Entnahmen der Gesellschafter, die der Beklagte vereinbarungsgemäß als Kapitalanlage für sich und seine Mitgesellschafter habe verwalten sollen. Zum einen gehe es um einen Betrag von 589.587,08. 90 US-Dollar, der 1990 vom Beklagten auf ein Konto der Firma B. / S. (Name) S.A. (B...), Schweiz, jetzt firmierend als A. (Name) S.A., der Streithelferin, transferiert worden sei, wobei der Beklagte Alleininhaber dieser Gesellschaft sei. Zum anderen gehe es um 800.000 US-Dollar, die ebenfalls im Jahr 1990 an die Streithelferin gegangen seien. Später seien die Gelder möglicherweise auf eine nicht näher bekannte, ebenfalls vom Beklagten beherrschten Firma oder Briefkastenfirma mit dem Namen M. (Name) gegangen. Diese Gelder stünden, da sie aus den ihnen zustehenden Entnahmen stammten, zu 40% bzw. 20% ihnen zu.
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Der Beklagte hält entgegen, die Gelder stünden nicht den Klägern zu, sondern seien Vermögen der KG geblieben. Diese habe der Streithelferin diese Gelder als Darlehen zur Verfügung gestellt. Allenfalls der KG, nicht aber den Klägern, stünden Ansprüche zu. Diese Ansprüche bestünden jedoch keinesfalls gegen ihn, sondern gegen die Streithelferin. Er habe bei der Weitergabe der Gelder nicht persönlich gehandelt, sondern als Organ der KG und sei deshalb nicht persönlich verpflichtet.
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Vorab bestreitet der Beklagte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da er nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz lebe und ein besonderer Gerichtsstand in Deutschland nicht gegeben sei.
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Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages wird auf das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 9. Februar 2006 sowie die gewechselten Schriftsätze nebst den vorgelegten Unterlagen verwiesen.
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2. Das Landgericht hat zunächst auf Grund einer Teilklage in Höhe von je 10% der Ansprüche am 8.12.2004 ein Versäumnisurteil erlassen. Nach Einspruch des Beklagten hat es dieses Versäumnisurteil durch Urteil vom 9.2.2006 bestätigt und des weiteren zur Zahlung der nach der Klageerweiterung geltend gemachten weiteren 90 Prozent des Klaganspruchs, insgesamt also zu 833.752,80 EUR, verurteilt, sowie die Nebenintervention der Streithelferin, die den Einspruch eingelegt hatte, für zulässig erklärt. In seinem Urteil hat das Landgericht sowohl seine internationale Zuständigkeit als auch gehörige Zustellung der Klage an den Beklagten in der Schweiz bejaht und in der Sache der Klage grundsätzlich in vollem Umfang entsprochen (anders das Urteil des Landgerichts im Parallelverfahren 5 U 207/05, in dem durch den dort entscheidenden Richter schon deutsche internationale Zuständigkeit verneint und die Klage aus diesem Grund abgewiesen worden ist).
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3. Der Beklagte begründet die Berufung gegen das ihn beschwerende Urteil des Landgerichts damit, die Klage sei wegen mangelhafter Zustellung schon nicht richtig erhoben. Weiter rügt er Verletzung des rechtlichen Gehörs durch fehlerhafte Besetzung des entscheidenden Sprachkörpers bzw. durch fehlerhafte Handhabung von § 348 Abs. 3 S. 2 ZPO; insbesondere wendet er sich erneut gegen die Annahme deutscher internationaler Zuständigkeit für das von den Klägern betriebene Verfahren, schließlich sieht er in sachlichrechtlicher Hinsicht die mit der Klage gegen den Beklagten verfolgten Ansprüche der Kläger nicht bestehen. Das Fehlen deutscher internationaler Zuständigkeit begründet er mit fehlendem inländischem Wohnsitz und deshalb auch fehlendem inländischem Erfüllungsort für die allenfalls aus Auftragsrecht begründbaren Herausgabeansprüche der Kläger. Der Beklagte stellt insoweit anheim, auf seinen von ihm auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals eingeräumten Wohnsitz in D (D. Name, /Schweiz) abzustellen und aus deutscher Sicht für ihn Wohnsitz und Erfüllungsort in der Schweiz und damit dortigen Gerichtsstand zu bejahen. Der Beklagte hält wegen dieses schweizerischen Wohnsitzes für im vorliegenden Verfahren unerheblich, dass er ggf. auch Wohnsitz in Brasilien, wo er Unternehmensgeschäfte betreibe, habe. Auch bei Bestehen solchen Wohnsitzes in Brasilien sei keinesfalls zu einem inländischen Gerichtsstand (ggf. über § 23 ZPO) zu gelangen, da die im Verhältnis zur Schweiz maßgeblichen Zuständigkeitsregeln des Luganer Übereinkommens den Zugriff auf Regelungen der ZPO für die deutsche internationale Zuständigkeit versperrten. Der Bekl. beantragt demgemäß Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Abweisung der Klage insgesamt als unzulässig.
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4. Die Kläger sind der Berufung entgegengetreten und beantragen deren Zurückweisung. Sie sehen das erstinstanzliche Urteil nicht mit Verfahrensmängeln behaftet und bejahen inländische internationale Zuständigkeit. Sie haben insoweit das Bestehen schweizerischen Wohnsitzes und Erfüllungsortes in Zweifel gezogen und sehen den Beklagten sich mit hier maßgeblicher Bedeutung überwiegend in Brasilien aufhalten. Eben deshalb sei deutsche internationale Zuständigkeit anzunehmen, die sich im übrigen auch daraus herleiten lasse, dass sie, die Kläger, mit der Nichtherausgabe der Geldmittel durch den Beklagte Schaden erlitten hätten, um deren Ersatz im inländischen Gerichtsstand zu streiten sei.
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5. Für weitere Einzelheiten wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die Sitzungsniederschriften und den aus den Akten ersichtlichen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Die Akten des Parallelverfahrens S. u. A. / B. ( 5 U 207/07 = LG Heilbronn 4 O 318/03) wurden beigezogen.
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Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Beklagte fehlende inländische internationale Zuständigkeit rügt. Schon inländische Zuständigkeit besteht unter keinem hier erheblich rechtlichen Gesichtspunkt. Auf die weiteren Verfahrensrügen des Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung unter Verweisung auf die Erörterung im Parallelverfahren erörtert worden sind, kommt es deshalb nicht mehr an. Wegen fehlender internationaler Zuständigkeit ist das Urteil des Landgerichts vom 9.2.2006 aufzuheben und die Klage der Kläger als unzulässig abzuweisen.
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1. Die Klage ist ordnungsgemäß erhoben, insbesondere ordnungsgemäß zugestellt.
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a) Es kann dahinstehen, ob durch Niederlegung der Klage am 15.10.2004 (Bl. 60) in dem Briefkasten der Fa. A. (Name) in C , Schweiz, als Ort der beruflichen Betätigung des Beklagten ordnungsgemäß zugestellt worden ist und ob entsprechendes für die Klagerweiterung vom 28.10.2004 (Bl. 63) gilt, oder ob dem entgegensteht, dass es sich hierbei nicht um die Wohnanschrift des Beklagten (in D. ...) handelt. Ebenso kann dahinstehen, ob die weiteren Zustellungsvorschriften der HZÜ Anwendung finden oder diejenigen eines bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich aus dem Jahre 1910, denn die Kläger haben mit Schriftsatz vom 10.6.2005 die abermalige Zustellung sämtlicher Schriftsätze an den nunmehr legitimierten Beklagtenvertreter beantragt (Bl. 150). Die Zustellung erfolgte gemäß richterlicher Anordnung vom 13.6.2005 ( Bl. 150) an diesen am 15.6.2005. Unabhängig von der in diesem Zusammenhang bestehenden Frage, ob die Zustellung einer das Verfahren eventuell erstmals einleitenden Klagschrift an einen zuvor bevollmächtigten Rechtsanwalt gem. § 172 ZPO im Inland erfolgen kann oder nur an den Beklagten persönlich (in der Schweiz), hat der Beklagtenvertreter in der darauf folgenden mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 1.12.2005 die ordnungsgemäße Klageerhebung ausdrücklich eingeräumt ( Bl. 213; er rügte lediglich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte). Durch diese Einlassung des Beklagtenvertreters wurden eventuell vorhandene Zustellungsmängel zumindest gem. § 295 ZPO geheilt (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 25. Aufl., § 172 Rdnr. 23; § 253 Rdnr. 26 a).
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b) Ob wegen fehlender ordnungsgemäßer Klagerhebung das Versäumnisurteil erster Instanz am 8.12.2004 nicht hätte ergehen dürfen, kann ebenfalls dahinstehen, denn es fehlte aus nachstehenden Gründen die weitere Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte, die dem Erlass des Versäumnisurteils entgegenstand.
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2. Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte gilt folgendes:
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a) Auszugehen ist insoweit von der Geltung der mit völkerrechtlichem Vorrang ausgestatteten Regelung des im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz seit 1.3.1995 in Kraft befindlichen Luganer Übereinkommens (Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 - LugÜ -, BGBl. 1994 II S. 2660) für das vorliegende Verfahren. Das LugÜ ist zeitlich anwendbar und in seiner sachlichen Anwendbarkeit für das vorliegende Verfahren nicht eingeschränkt, da der frühere Vorbehalt der Schweiz zu Art. 5 Nr. 1 LugÜ hier zeitlich nicht mehr erheblich ist. Das LugÜ enthält als einzige im vorliegenden Fall gegebenenfalls auf Deutschland hinführende Zuständigkeitsregelung Art. 5 Nr. 1 LugÜ (Gerichtsstand des Erfüllungsorts); aus Art. 2 Abs. 1 LugÜ lässt sich für das vorliegende Verfahren inländischer Gerichtsstand nicht begründen, da der Beklagte nach der Sicht des Senats wie auch der Verfahrensbeteiligten seit langem und damit auch im Zeitpunkt der Klagerhebung für das vorliegende Verfahren inländischen Wohnsitz nicht mehr gehabt hat.
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b) Ohne Erfolg muss im vorliegenden Verfahren das Bemühen der Kläger bleiben, zu einem inländischen Gerichtsstand, insbesondere gem. Art. 23 ZPO (Gerichtsstand des Vermögens), mit der Begründung zu gelangen, der Beklagte habe ungeachtet seines von ihm eingeräumten schweizerischen Wohnsitzes auch einen Wohnsitz in Brasilien - jetzt wie schon im Zeitpunkt der Klagerhebung. Letzteres mag so sein. Den Klägern kann das die Möglichkeit geben, den Beklagten gegebenenfalls dort nach Maßgabe des autonomen internationalen Zivilverfahrensrechts Brasiliens im Klagewege in Anspruch zu nehmen. Staatsvertragsrecht regelt diese Problematik im Verhältnis Deutschland zu Brasilien nicht (vgl. die Fehlanzeige insoweit im Fundstellenverzeichnis B, Ausgabe 2006, zum BGBl. II, S. 27-29). Zu einem inländischen Gerichtsstand können sie auf diesem Wege indes nicht gelangen, solange für den Beklagten zumindest auch ein für den Zeitpunkt der Klagerhebung relevanter schweizerischer Wohnsitz, der vom Beklagten selber eingeräumt ist, anzunehmen ist. Dies folgt dann aus dem Vorrang der Zuständigkeitsordnung des Luganer Übereinkommens, die den Zugriff auf § 12 ff. ZPO (analog) und insbesondere § 23 ZPO versperrt. Abzustellen ist insoweit auf Art. 3 und 4 LugÜ:
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aa) Art. 3 LugÜ regelt in Abs. 1 und Abs. 2, dass bei Wohnsitz des Beklagten im Vertragsstaat Schweiz eine Klage im Inland im Gerichtsstand des § 23 ZPO nicht zulässig erfolgen kann.
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Art. 4 Abs. 1 LugÜ lässt eine Zuständigkeitsbegründung im Inland (Deutschland) nach Regelungen der ZPO und sonstigen deutschen inländischen Zuständigkeitsregelungen nur zu, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz im Vertragsstaat Schweiz hat.
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Nichts anderes gilt bei „mehrfachem“ Wohnsitz des Beklagten, wenn einer dieser Wohnsitze in einem Vertragsstaat, die anderen bzw. der andere in einem „Drittstaat“ außerhalb der Zahl der Vertragsstaaten des LugÜ und - was hier keine Rolle spielt - der Mitgliedstaaten der EuGVÜ bzw. der Vertragsstaaten des früheren EuGVÜ liegen. Von Art. 4 Abs. 1 LugÜ auszugehen ist, wenn ein Wohnsitz in einem Vertragsstaat besteht (vgl. Kropholler, europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, Art. 4, Rdnr. 1 - in der Mitte der Kommentierung -; Kropholler a.a.O. Art. 3 Rdnr. 2; Bericht Jenard zum EuGVÜ Kap. IV A.3 (4)). Besteht solcher Wohnsitz in einem Vertragsstaat, kann wegen des Vorrangs der zwischen den „betroffenen“ Vertragsstaaten bestehenden Regelung des LugÜ im Vertragsstaat des angegangenen Gerichts nicht mit der Begründung, es bestehe mehrfacher Wohnsitz des Beklagten und ein solcher sei auch in einem Nichtvertragsstaat (Drittstaat) gegeben, auf das „autonome“ Zuständigkeitsrecht zurückgegriffen werden. Entscheidend ist, dass
ein
Wohnsitz des Beklagten im Vertragsstaat besteht. Ob dann noch Wohnsitz im „Drittstaat“ besteht, kann das mit der Zuständigkeitsproblematik befasste Gericht offenlassen. Es kommt darauf nicht an, soweit es um die von Art. 4 Abs. 1 LugÜ eröffnete Möglichkeit, bei „keinem“ Wohnsitz zum „autonomen“ Recht der Zuständigkeitsregelung zu greifen, geht.
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bb) Aus vorstehenden Darlegungen folgt für den vorliegenden Fall: Der Senat ist für die Prüfung seiner Zuständigkeit auf Art. 2 Abs. 1 und 5 ff. LugÜ beschränkt, wenn der Beklagte Wohnsitz in der Schweiz hat (bzw. zum relevanten Zeitpunkt gehabt hat; zur perpetuatio fori bei Bestehen der Zuständigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Klagerhebung, siehe Kropholler a.a.O. vor Art. 2 Rdnr. 14 m.w.N.). Ob der Beklagte dann noch Wohnsitz in Brasilien begründet hat, kann der Senat insoweit dahinstehen lassen. Selbst wenn es so ist, kann dies, wie ausgeführt, Art. 4 Abs. 1 LugÜ nicht aushebeln; auf diesem Weg ist im vorliegenden Verfahren nicht zur autonomen deutschen Regelung der deutschen internationalen Zuständigkeit auf der Basis von ZPO-Vorschriften (siehe gegebenenfalls § 23 ZPO) zu gelangen.
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c) Erheblich für eine Entscheidung des Senats ist vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, ob der Beklagte Wohnsitz in der Schweiz hat. Ein solcher - vom Beklagten schon eingeräumter Wohnsitz in der Schweiz - ist auf der Grundlage der dafür maßgebenden Rechtsvorschriften für den Zeitpunkt der Klagerhebung und danach zu bejahen.
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Der Begriff des Wohnsitzes in einem Vertragsstaat gem. Art. 3 und 4 LugÜ folgt aus Art. 52 LugÜ. Im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um Wohnsitz des Beklagten im Forumstaat Deutschland, so dass Art. 52 Abs. 1 LugÜ, der auf das deutsche Recht (§ 7 BGB) verweisen würde, außer Betracht bleiben kann. Es geht um den Wohnsitzbegriff des Vertragsstaats Schweiz, so dass Art. 52 Abs. 2 LugÜ gilt. Dieser verweist auf den Wohnsitzbegriff des schweizerischen Rechts. Nach im Inland zur Auslegung von Art. 52 Abs. 2 LugÜ herrschender Auffassung enthält die Norm eine „Sachnormverweisung“ auf das materielle Wohnsitzrecht des in Frage stehenden Vertragsstaats, hier also auf das im SchweizZGB (Art. 23-26 SchweizZGB) geregelte Wohnsitzrecht der Schweiz (s. Kropholler, a.a.O. Art. 59 Rdnr. 7 m.w.N.). Im schweizerischen Schrifttum zum LugÜ findet sich freilich die damit formell nicht ohne weiteres zu vereinbarende Auffassung, Art. 52 LugÜ verweise auf den Wohnsitzbegriff des Art. 20 Abs. 1 a des SchweizIPRG (s. Siehr, Das internationale Privatrecht der Schweiz [2002] S. 240, 241). Die eben genannte Auffassung ist nicht richtig, doch kommt es vorliegend auf genauere Problemerörterung nicht an, da Art. 20 Abs. 1 SchweizIPRG und Art. 23 SchweizZGB übereinstimmenden Wortlaut und übereinstimmende Bedeutung haben. Art. 20 Abs. 1 Buchstabe a SchweizIPRG hat insoweit den Wortlaut „(1) im Sinne dieses Gesetzes hat eine natürliche Person: a) ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält“; … Art. 23 SchweizZGB lautet insofern inhaltsgleich: „(1) der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält …“Entscheidend ist für den Senat also, ob der Beklagte sich im prozessual erheblichen Zeitpunkt in der Schweiz „mit der Absicht dauernden Verbleibens“ aufhält, bzw. aufgehalten hat. Dass Art. 23 Abs. 2 SchweizZGB wie Art. 20 Abs. 2 SchweizIPRG mehrfachen Wohnsitz verneint, spielt für den Senat im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Die Schweiz kann nicht allein bestimmen, ob Art. 4 LugÜ mehrfachen Wohnsitz nicht zulässt; schon gar nicht kann die Schweiz, wenn nach schweizerischem Recht Wohnsitz zu bejahen ist, Brasilien die Begründung dortigen Wohnsitzes in seinem Recht verwehren.
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bb) Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist von einem schweizerischen Wohnsitz des Beklagten in D.(D. ...) im Kanton J. ... im Zeitpunkt der Klagerhebung auszugehen. Er hat solchen Wohnsitz dort auch heute noch. Er hat für dort Aufenthaltsbewilligung („Fremdenbüchlein C“) und ist dort lt. Mitteilung des „Tribunal de Premiere Instance“ von P. vom 16.6.2004 gemeldet (siehe Bl.44). Auch hat er durch ein unter seiner schweizer Anschrift am 1.6.2004 an das J. Einwohnermeldeamt gerichtetes Schreiben, in dem er zur Vermeidung des Verlustes seiner Aufenthaltsbewilligung mitteilt, sich für etwa 9 Monate in Brasilien aufzuhalten (K 29), deutlich gemacht, lediglich aus beruflichen Gründen vorübergehend die Schweiz verlassen, seinen Wohnsitz in der Schweiz jedoch beibehalten zu wollen. Die „fremdenpolizeiliche Bewilligung“ ist in schweizerischer Sicht „Indiz“ für einen nach zivilrechtlichen Kriterien bestimmten Wohnsitz (Art. 20 Abs. 1 SchweizIPRG, Art. 23 SchweizZGB, s. Schweiz Bundesgericht BGE 99 V 209 E. 2.; Keller/Kren-Kostkiewicz, in: Züricher Kommentar zum IPRG (2. Aufl. 2004) Art. 20 Rdnr. 23). Es bedarf dann des „Aufenthalts“, das heißt der Bildung des Lebensmittelpunktes dort (Schweiz Bundesgericht BGE 85 II 321 u. st. Rspr), der freilich durch Auslandsaufenthalte in anderen Ländern unterbrochen werden kann, wenn nur die Absicht des dauernden Verweilens vorhanden und manifestiert bleibt. Dafür ist wesentlich z.B., dass der schweizerische Wohnplatz Mittelpunkt der Lebens- und Berufsbeziehungen ist (Schweiz. Bundesgericht BGE 120 III 7; 119 II 64; w.N. bei Keller/Kren-Kostkiewicz, a.a.O. Art. 20 Rdnr. 20/21). Klar ist auch nach schweizerischem Recht, dass ständige Präsenz am schweizerischen Wohnplatz nicht erforderlich ist (s. Berner Kommentar/Bucher, ZGB-Personenrecht (1976) Art. 23 Rdnr. 21 ff. und 36, 38 (für Ausländer). Eingesehen wird auch dort, dass z.B. „Finanzleute“, Industrielle etc. ihre beruflichen und finanziellen Interessen außerhalb verfolgen können, ohne dadurch ihres Wohnsitzes in der Schweiz verlustig zu gehen (Berner Kommentar/Bucher, a.a.O. Art. 23 ZGB Rdnr. 38; Basler Kommentar/Staehelin, ZGB I [2. Aufl. 2003] Art. 23 Rdnr. 20 m.w.N.; Tuor/Schnyder[-Schmid], das schweizerische Zivilgesetzbuch 12. Aufl. 2002 S. 91-93 m.w.N.). Im Ergebnis ist so schweizerischer Wohnsitz gegeben. Indiziell spricht hierfür neben der Aufenthaltsbewilligung, den angeführten Mitteilungen von und an schweizerische Behörden und den früheren unschädlichen Wechseln des örtlichen Aufenthalts innerhalb der Schweiz, die mittlerweile nach Beklagtenvortrag erfolgte Beantragung des schweizerischen Staatsbürgerrechts und die Verfolgung dortiger und von dort aus gesteuerter Unternehmensinteressen (Berner Kommentar/Bucher, a.a.O. Art. 23 Rdnr. 36, 38). Keine dem entgegenstehende Bedeutung misst der Senat hingegen dem Vorbringen der Kläger zu, der Beklagte habe bei den Versuchen, die Zustellung an ihn in der Schweiz zu bewirken, sich auf die Behauptung zurückgezogen, er „wohne jetzt“ in Brasilien. Die Angabe eines aktuellen Aufenthalts ist bei der gegebenen Sachlage auch nach schweizerischem Recht nicht ohne weiteres geeignet, einen vorher begründeten Wohnsitz zu beenden. Im vorliegenden Fall bietet sich dem Senat überdies die Annahme an, der Beklagte habe mit diesen Vorträgen auf eben diesen Aufenthalt und nicht auf den rechtlich ausgeformten Wohnsitz hinweisen wollen, den er in der Schweiz begründet hatte, wobei auch nicht fern liegt, dass dieser Vortrag entsprechend dem Klägervortrag in 1. Instanz dazu dienen sollte, die Zustellung der Klage in der Schweiz zu erschweren. Der Wohnsitz konnte nicht schon damit beendet werden, dass geschäftspolitisch oder sonst veranlasster faktischer Wegzug auch von längerer Dauer unternommen worden ist (s. Basler Kommentar/Staehelin a.a.O. Art. 23 Rdnr. 20 m.w.N.). Es gilt danach Art. 4 LugÜ, demgemäß Senatszuständigkeit nur aus Art. 2 ff LugÜ, nicht aus anderen Regelungen (der ZPO oder eines anderen deutschen Gesetzes) folgen kann.
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d) Senatszuständigkeit besteht auch über Art. 5 Nr. 1 LugÜ, Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVÜ, Gerichtsstand des Erfüllungsorts, deshalb nicht.
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Der allgemeine Wohnsitzgerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ weist auf die Zuständigkeit der schweizer Gerichte hin. Eine besondere Gerichtsstandsvereinbarung ist weder vorgetragen noch ersichtlich noch besteht ein ausschließlicher Gerichtsstand.
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Ebenso wenig greift der Gerichtsstand der Vermögensverwaltung gem. § 31 ZPO Platz, denn diese Vorschrift findet im sachlichen und räumlichen Geltungsbereich der EuGVÜ/LugÜ keine Anwendung (Wieczorek, Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 31 Rdnr. 8; Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl., § 31 Rdnr. 2; Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 6).
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Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ umfasst alle vertraglichen Ansprüche und unterliegt einer autonomen weiten Regelung. Insbesondere findet er auch Anwendung, wenn die Parteien darüber streiten, ob überhaupt zwischen ihnen streitige Beziehungen bestehen und er erfasst Primär- und Sekundär-(Schadensersatz-) Ansprüche (Kropholler, a.a.O., Art. 5 EuGVÜ, Rdnr. 5, 10).
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Abzustellen ist hierbei auf die jeweilige Hauptvertragspflicht. Bei mehreren Hauptvertragspflichten aus einem Vertragsverhältnis ist für jede von ihnen gesondert der Gerichtsstand des Erfüllungsortes zu prüfen (Kropholler a.a.O. Art. 5 Rdnr. 16).
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bb) Die Bestimmung des Erfüllungsorts richtet sich nach der sog. „lex causae“, das heißt dem Recht desjenigen Staates, das nach den Kollisionsnormen Platz greift. Das ist vorliegend deutsches materielles Recht gem. Art. 27, 28 EGBGB. Eine ursprüngliche Rechtswahl der Parteien gem. Art. 27 EGBGB liegt nicht vor. Jedoch hat die Klagseite den Anspruch immer auf deutsches materielles Recht (ausdrückliche Benennung der Anspruchsgrundlage des § 667 BGB) gestützt, was auch nahe liegt, da die Parteien Deutsche sind. Hiergegen hat der Beklagte keinerlei Einwendungen erhoben, weshalb von einer konkludenten Rechtswahl der Parteien im Rahmen der Prozessführung erster Instanz auszugehen ist.
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cc) Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ stellt auf den Ort ab, an dem die Vertragspflicht zu erfüllen wäre. Der streitgegenständliche Herausgabeanspruch der Kläger richtet sich hier nur nach § 667 1. Alternative BGB. Dieser Herausgabeanspruch entsteht nach herrschender Meinung jedoch nicht schon mit Abschluss des Auftrags selbst, sondern erst nach Durchführung des Auftrags dann, wenn der Beauftragte das zur Ausführung des Auftrags Erlangte nicht mehr benötigt, also in der Regel mit der Beendigung der Geschäftsbesorgung oder des Auftrags selbst (vgl. § 271 Abs. 1, 2. Alternative BGB; Seiler in Münchener Kommentar § 667 Rdnr. 22; Steffen in RGRK, Kommentar zum BGB 12. Aufl., § 667 Rdnr. 21; Wittmann in Staudinger Kommentar zum BGB § 667 Rdnr. 8; Beuthin in Sörgel, Kommentar zum BGB § 667 Rdnr. 19; Ehmann in Erman Kommentar zum BGB § 667 Rdnr. 7). Die Richtigkeit dieser herrschenden Meinung erschließt sich vorliegend deutlich: Aufgrund des Klagvortrags selbst haben die Kläger dem Beklagten Gelder anvertraut zwecks Vermögensverwaltung und Vermögenssicherung für das Alter, also langfristig. Hierbei haben sie ihm aufgrund großen Vertrauensverhältnisses völlige Freiheit gelassen. Der Durchführung und dem Zweck dieses Auftrags widerspräche es jedoch, wenn bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Auftrags selbst, d.h. zur Zeit der Übergabe der jeweiligen Geldbeträge bzw. der ermächtigten Annahme der Gelder durch den Beklagten selbst, sogleich der Herausgabeanspruch nach § 667 1. Alternative BGB entstanden wäre. Vorliegend handelte es sich bei dem Vermögensverwaltungsauftrag daher um ein Dauerschuldverhältnis und zwar unabhängig von der Frage, ob man in jeder einzelnen Geldhingabe einen getrennten Auftrag sieht oder die einzelnen Geldübergaben durch einen generellen Auftrag zusammengefasst wurden. Immer war nach dem Klagvortrag Sinn und Zweck eine langfristige Geld- und Vermögensverwaltung durch den Beklagten geschuldet. Dauerschuldverhältnisse enden jedoch regelmäßig durch Widerruf des Auftraggebers oder Kündigung des Beauftragten. Erst in diesem Zeitpunkt endet der Zweck der Vermögensverwaltung und die überlassenen Gelder sind herauszugeben. Gleiches gilt, wenn die Parteien, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist, entweder einen Endzeitpunkt der Vermögensverwaltung vereinbart hätten oder sich ein solcher, was ebenfalls nicht der Fall war, aus den Umständen ergeben würde. Ebenso fehlt hier jeglicher Anhaltspunkt für eine periodenweise Abrechnung und damit eine eventuell periodenweise geschuldete Auskehrung überlassener Gelder.
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Da jedoch vor April 1996 keinerlei Kündigung oder Widerruf des Generalauftrags bzw. der Einzelaufträge (pro Geldtranche) erfolgt war, war vorliegend der Herausgabeanspruch erst deutlich nach April 1996 entstanden, wohl im Zusammenhang mit der Störung der Beziehungen der Parteien und dem Auskunftsschreiben der Kläger aus dem Jahr 2003. Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch der Beklagte unstreitig keinen inländischen deutschen Wohnsitz mehr.
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dd) Eine Vorverlegung der Entstehung des Herausgabeanspruchs gem. § 667 1. Alternative BGB ist auch nicht entsprechend den vom BGH in BGH WM 78, 115 herausgearbeiteten Kriterien der sog. „Besorgnis des Mittelmissbrauchs“ möglich. Der BGH hat in der dortigen Entscheidung keinerlei Stellungnahme zum Zeitpunkt der Entstehung des Herausgabeanspruchs gem. § 667 1. Alternative BGB getroffen. Vielmehr diente das Kriterium der „Besorgnis des Mittelmissbrauchs“ hauptsächlich zur Begründung eines Auftragsverhältnisses und damit dem Grund für den Herausgabeanspruch gem. § 667 (dort die 2. Alternative) BGB selbst. Besteht die Besorgnis des Mittelverwendungsmissbrauchs, so ist dies auch stets Anlass für einen Widerruf des Auftrags durch den Auftraggeber gem. § 671 BGB. Nicht möglich ist es jedoch, die Besorgnis des Mittelmissbrauchs hier auf den Zeitraum vor April 1996 vorzuverlagern, wenn, so der Vortrag der Kläger, der Anlass für diese Besorgnis den Klägern erst im Zeitraum nach April 1996 bekannt geworden ist und Offenlegungsansprüche erst wesentlich später geltend gemacht worden sind.
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ee) Ein Erfüllungsort im Inland kann auch nicht damit begründet werden, dass, was der Beklagte bestreitet, er vor den Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und der Steuerbehörden im Jahr 1996 seinen Wohnsitz im Inland hatte und Ermittlungsmaßnahmen nicht vorhersehbar waren. Diese Umstände reichen für eine konkludente Vereinbarung eines § 269 Abs. 1 BGB erübrigenden inländischen Erfüllungsortes nicht aus. Die Kläger bringen keine hinreichende Substantiierung zur Frage, ob der Beklagte in Missachtung des Auftraggeberwillens (vor 1996) vorgegangen ist. Das aber wäre entscheidend für den Erfüllungsort im Inland. Auch geht es bei der Klage um originäre Herausgabeansprüche, die nicht durch Prüfung von Schadensersatzansprüchen ersetzt werden können.
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e) Für die Begründung eines inländischen Gerichtsstands der unerlaubten Handlung fehlt aus entsprechenden Gründen substantiierter Sachvortrag, insbesondere zur erforderlichen subjektiven Tatseite des Beklagten.
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f) Damit haben die Kläger sowohl eine Erfüllungsortvereinbarung zugunsten des Inlands als auch eine vor 1996 liegende Entstehung eines fälligen Herausgabeanspruchs nicht schlüssig dargelegt. Es fehlt damit an der hinreichenden Darlegung eines inländischen Erfüllungsorts. Das führt im Ergebnis zur internationalen Unzuständigkeit deutscher Gerichte und Zurückweisung der Berufung.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, wobei angesichts der unterschiedlichen Beteiligungen der Kläger am Rechtsstreit gemäß § 100 Abs. 2 ZPO die Kosten zu quoteln sind und keine Haftung nach Kopfteilen gem. § 100 Abs. 1 ZPO auszusprechen ist.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 Satz 1 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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