Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 01. Apr. 2014 - 4 Ws 79/14

published on 01/04/2014 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 01. Apr. 2014 - 4 Ws 79/14
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Tenor

Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts - 4. Große Jugendkammer - Stuttgart vom 21. Februar 2014 wird als unbegründet

v e r w o r f e n .

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

 
I.
Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. Oktober 2013 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten verurteilt. Die Entscheidung ist seit 31. Oktober 2013 rechtskräftig. In den schriftlichen Urteilsgründen ist zu den persönlichen Verhältnissen des Bf. auf Seite 9, 3. Absatz ausgeführt: „Er wurde von seiner Familie und seiner Partnerin, die im Rotlichtmilieu arbeitete, unterstützt.“
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2014 ließ der Bf. über seinen Verteidiger vortragen, es sei unzutreffend, dass seine Verlobte im Rotlichtmilieu gearbeitet habe oder arbeite, und beantragte, die entsprechende Urteilspassage zu berichtigen. Die Jugendkammer hat diesen Antrag mit Beschluss vom 21. Februar 2014 abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte, der weiterhin die Schwärzung bzw. Entfernung des beanstandeten Relativsatzes begehrt, mit seiner Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist zulässig; der Bf. ist insbesondere hinsichtlich der abgelehnten Berichtigung, wenngleich sie inhaltlich unmittelbar auf seine Verlobte bezogen ist, auch beschwerdebefugt, da offensichtliche Unrichtigkeiten in den Urteilsgründen - auf eine solche beruft sich der Verurteilte - einen Verfahrensbeteiligten wegen der vermeintlichen Dokumentationswirkung und der damit verbundenen Gefahr von Missverständnissen beschweren und er insoweit eine richtige und zweifelsfreie Fixierung des ergangenen Urteils beanspruchen kann (Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 268 Rn. 61).
In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg.
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung sind Berichtigungen in den Urteilsgründen ab dem Zeitpunkt, in dem das schriftliche Urteil aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts hinausgegeben wird, unzulässig, wenn dadurch auch nur der Verdacht einer nachträglichen sachlichen Änderung und somit einer Verfälschung des Urteils entstehen kann (BGH, Beschluss vom 24. April 2007 - 4 StR 558/06 -, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 19. Juni 1998 - 2St RR 91/98 -, juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Februar 1990 - 1 Ws 35/90 -, juris). Die Vornahme sachlicher Änderungen würde im Ergebnis auf einen unzulässigen Widerruf des bereits erlassenen, wirksamen Urteils hinauslaufen (Velten in SK-StPO V, 4. Aufl., § 268 Rn. 17). Eine Berichtigung kommt deshalb nur in sehr engen Grenzen in Betracht. Sie wird in entsprechender Anwendung des § 319 ZPO lediglich insoweit als zulässig angesehen, als es sich um eine offensichtliche, versehentliche Unrichtigkeit des Urteils (BGHSt 12, 374, 376 f.) und damit um ein Versehen handelt, das sich zwanglos aus klar zu Tage tretenden Umständen ergibt (BGH NJW 1991, 1900 f.; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 267 Rn. 39 m.w.N. zur Rspr.). Dies ist insbesondere bei Schreib- und Rechenfehlern sowie sonstigen äußerlichen Unstimmigkeiten, die unmittelbar aus der Urteilsurkunde ersichtlich sind, der Fall. Ein offenkundiges und damit berichtigungsfähiges Fassungsversehen wird aber auch dann angenommen, wenn die Divergenz zwischen erkennbar Gewolltem und mündlich oder schriftlich Formuliertem für die Verfahrensbeteiligten aus anderen Verfahrensvorgängen - beispielsweise der mündlichen Urteilsbegründung - unzweifelhaft auf der Hand liegt (BGH, MDR 1991, 362 ff. m.w.N. zur Rspr.). Hierbei muss jedoch ausgeschlossen sein, dass sich hinter der „Berichtigung“ in Wahrheit eine sachliche Abänderung der beschlossenen Entscheidung verbirgt. Die nachträgliche sachliche Berichtigung von Tatsachen, die der Tatrichter in den Urteilsgründen als erwiesen feststellt, wird grundsätzlich für unzulässig erachtet (BGHSt 2, 248 ff.).
Nach diesen Grundsätzen besteht der vom Bf. geltend gemachte Berichtigungsanspruch nicht.
Die beanstandete Urteilspassage stellt - sowohl inhaltlich also auch nach ihrer Verortung in den Urteilsgründen - eine vom erkennenden Gericht getroffene Feststellung zu den persönlichen Verhältnissen des Bf. dar. Sie ist damit denknotwendig Ergebnis eines Überzeugungsbildungsprozesses des erkennenden Gerichts, so dass die diesbezügliche Urteilsabänderung auch eine - wie ausgeführt unzulässige - sachliche Veränderung des Urteils zur Folge hätte. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn die Kammer einer Verwechslung erlegen wäre, in deren Ergebnis sie irrtümlich die getroffene Feststellung der Verlobten des Verurteilten zugeschrieben hätte. Eine Abweichung vom Gewollten läge hinsichtlich der beantragten Berichtigung nur dann nicht vor, wenn die getroffene Feststellung lediglich versehentlich in einen Kontext mit dem Bf. geraten wäre, obwohl sie auf eine andere Person abzielte. Dies erscheint jedoch schon angesichts der grammatikalischen Konstruktion in Form eines Relativsatzes zu einer auf den Verurteilten bezogenen Feststellung fernliegend. Im Übrigen waren Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen derjenigen Angeklagten, bzgl. derer es nach dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung zu einer Verwechslung gekommen sein könnte, angesichts der insoweit ergangenen Freisprüche gar nicht veranlasst und wurden im Urteil auch nicht ausgeführt, so dass ein reines „Lokalisierungsversehen“ innerhalb der schriftlichen Urteilsgründe nahezu ausgeschlossen erscheint.
In jedem Fall fehlt es - ein Fassungsversehen unterstellt - an der erforderlichen Offenkundigkeit des Versehens und des vom erkennenden Gericht tatsächlich Gewollten. Auch wenn hierfür die Sicht eines Verfahrensbeteiligten maßgeblich ist, lässt sich das erforderliche offen und zwanglose Zutagetreten des Versehens entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht darauf stützen, dass sich weder aus den Ermittlungsakten noch aus dem Inhalt der Hauptverhandlung etwas ergeben habe, womit sich die vom Gericht getroffene Feststellung stützen ließe. Eine Offenkundigkeit kann nicht vorliegen, wenn sich das behauptete Versehen nur im Wege einer inhaltlichen Rekonstruktion der Beweisaufnahme - für die schon das zur Überprüfung eines Urteils vorgesehene Revisionsverfahren keinen Raum bietet (BGH NStZ-RR 1998, 17) - feststellen ließe. Im Übrigen wäre auf diese Weise auch nicht auszuschließen, dass eine Feststellung zwar unter Verstoß gegen den Mündlichkeitsgrundsatz, aber dennoch willentlich getroffen worden ist, so dass kein bloßes Fassungsversehen vorläge.
Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdevorbringen geltend gemachten Grund- und Menschenrechtsverletzungen keine Veranlassung, von den in der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine nachträgliche Berichtigung der Urteilsgründe abzuweichen. Dies gilt selbst insoweit, als sich der Verurteilte darauf beruft, dass die beantragte Berichtigung keinerlei Auswirkung auf die vom Gericht getroffene Entscheidung habe und die beanstandete Passage vollkommen unnötig sei.
10 
Eine Abgrenzung zwischen entscheidungserheblichen und nicht entscheidungserheblichen Feststellungen ist nicht praktikabel. Ob sich das erkennende Gericht von einem - vordergründig nur wenig relevant erscheinenden - Umstand bei der Beweiswürdigung oder bei der Strafzumessung auch nur geringfügig hat leiten lassen, liegt außerhalb der Beurteilungsmöglichkeiten eines Rechtsmittelgerichts, da die Ausführungen zur Strafzumessung gem. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden - nicht etwa sämtliche (BGH, Urteil vom 07. November 2007 - 1 StR 164/07 -, juris) - Zumessungsgründe erkennen lassen müssen. Ob eine Partnerin „im Rotlichtmilieu“ tätig ist, kann für die Stabilität der Lebensverhältnisse eines Angeklagten und damit für eine Prognoseentscheidung nach § 56 StGB - die angesichts der letztlich festgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten nicht von vornherein außer Betracht bleiben konnte - durchaus von Bedeutung sein. Eine Ausnahme von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu den Voraussetzungen für eine Urteilsberichtigung in Bezug auf „nicht entscheidungserhebliche“ Festsetzungen war deshalb zu verwerfen.
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Grundrechtsverletzungen kommen sowohl hinsichtlich des Bf. als auch seiner Verlobten nur in Bezug auf das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebende allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des sogenannten sozialen Geltungsanspruchs (Di Fabio in Maunz-Dürig, GG, 2001, Art. 2 Abs. 1, Rn. 169) in Betracht. Darüber hinaus gehende Menschenrechte aus Art. 6, 8 und 14 EMRK sind hingegen ersichtlich nicht tangiert. Insbesondere betrifft der geltend gemachte Berichtigungsanspruch nicht die nach Art. 6 Abs. 1 EMRK gebotene Fairness des Verfahrens in Bezug auf den gegen den Bf. erhobenen Anklagevorwurf. Im Hinblick auf Strafprozesse sind nichtangeklagte Personen - wie seine Verlobte - vom Schutzbereich der Vorschrift nicht erfasst. Nach der diesbezüglichen Argumentation im Beschwerdevorbringen dürften Feststellungen in Bezug auf Nichtangeklagte - z.B. Zeugen, Geschädigte, Angehörige - in Strafurteilen überhaupt nicht getroffen werden, da sie nicht am Verfahren beteiligt sind und keinen Einfluss auf den Verfahrensgang haben, was ersichtlich abwegig ist. Personen, die nicht Prozesssubjekt sind, erfahren schon dadurch ausreichenden Schutz in Bezug auf sie betreffende nachteilige Feststellungen der Strafgerichte, dass diese keine Rechtskraft entfalten und ihnen nicht wirksam entgegengehalten werden können. Aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergibt sich lediglich eine Verpflichtung des Gerichts, seine getroffene Entscheidung zu begründen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Art. 6 MRK, Rn. 11a). Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Berichtigung der schriftlichen Urteilsgründe besteht, lässt sich aus dieser Vorschrift hingegen nichts herleiten. Ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK scheidet schon deshalb aus, weil die beanstandete Urteilspassage keine Aussage über die Begehung einer Straftat enthält. Inwiefern durch diese Passage bzw. die Ablehnung ihrer Berichtigung ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK begründet sein soll, erschließt sich nicht.
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Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass die gerügte Feststellung die Qualität eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG - ein weitergehender Schutz ergibt sich vorliegend auch aus Art. 8 EMRK nicht - hat. Schließlich ist der Name der Verlobten des Bf. nicht genannt und eine Einsichtnahme in das Urteil für Nichtverfahrensbeteiligte nach den Vorgaben der §§ 474 ff. StPO nur sehr eingeschränkt möglich. Eine vom Verurteilten losgelöste Weitergabe des schriftlichen Urteils innerhalb seines sozialen Nahbereichs drängt sich zumindest nicht auf. Im Übrigen entfaltet das - zumindest hinsichtlich des Bf. - rechtskräftige Urteil keine Rechtskraft und damit auch keine Bindungswirkung in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen (BGH NStZ 2010, 529; Meyer-Goßner, aaO., Einl. Rn. 170 m.w.N. zur Rspr.). Soweit ungeachtet dessen von einer zumindest reflexartigen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auszugehen wäre, ist diese bei entsprechender Abwägung mit dem Interesse an der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege, die ein wesentlicher Bestandteil des in der Verfassung verankerten Rechtsstaatsprinzips ist, hinzunehmen. Schließlich wird es bei der Abfassung der Gründe eines Strafurteils regelmäßig geboten sein, Feststellungen in Bezug auf Personen zu treffen, die die Entscheidung selbst nicht anfechten können. Diese Feststellungen besitzen - nicht zuletzt im Interesse eines Angeklagten, der hieraus nicht selten schuld- und strafmindernde Umstände ableiten kann - häufig ehrabträglichen Charakter. Würde in all diesen Fällen die nicht unter den Vorbehalt eines offenkundigen Fassungsversehens gestellte Möglichkeit einer Urteilsberichtigung nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss eröffnet, wäre eine Befassung der erkennenden und der Rechtsmittelgerichte mit entsprechenden Begehren in so empfindlichem Maße zu befürchten, dass sie ihrer originären Aufgabe der Strafrechtspflege nur noch eingeschränkt nachkommen könnten.
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Das Berichtigungsbegehren wurde somit zu Recht abgelehnt.
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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese
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published on 07/11/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 164/07 vom 7. November 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzender
published on 24/04/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 558/06 vom 24. April 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. April 2007 gemäß § 206 a Abs. 1
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Annotations

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.