Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 20. Dez. 2011 - 4 W 74/11

bei uns veröffentlicht am20.12.2011

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Ravensburg vom 2.11.2011 (6 O 171/10) abgeändert und der Streitwert wie folgt neu festgesetzt:

a) Bis zum 1.8.2011 verbleibt es bei dem Streitwertbeschluss des Landgerichts Ravensburg vom 30.6.2010.

b) Ab dem 1.8.2011 wird der Streitwert auf 6.000,- EUR festgesetzt.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten über die zutreffende Festsetzung des Streitwerts in einem ohne mündliche Verhandlung durch Klagrücknahme beendeten Rechtsstreit.
Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 29.3.2010 von der nach Teilrücknahme gegen den weiteren Beklagten Ziffer 2 schlussendlich noch allein verbliebenen Beklagten Ziffer 1 Unterlassung einer von dieser in einem von ihr verfassten Buch aufgestellten Behauptung begehrt und diesen Unterlassungsantrag in der Folge des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 12.4.2010 auf insgesamt 6 Behauptungen erweitert, mit Schriftsatz vom 19.4.2010 den Antrag aber wieder auf 5 Behauptungen beschränkt.
Mit Beschluss vom 30.6.2010 hatte das Landgericht bereits den Streitwert auf 13.500,- EUR bis 13.4.2010 und ab da auf 11.250,- EUR festgesetzt und war bei den einzelnen Anträgen von einem Streitwert in Höhe von je 2.250,- EUR ausgegangen. Einwendungen hiergegen wurden von den Parteien in der Folge nicht erhoben.
Mit Schriftsatz vom 29.7.2011 hat der Kläger unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 263 ZPO mit der ergänzenden Bemerkung, es handle sich um eine „klageauswechselnde Klageänderung“, statt der Unterlassung eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 1.200,- EUR (die konkrete Höhe wurde von ihm in da Ermessen des Gerichts gestellt) für jede aufgestellte Behauptung geltend gemacht.
Mit Schriftsatz vom 4.8.2011 hat der Kläger auf Nachfrage durch das Gericht ausdrücklich erklärt, bei der Klagänderung vom 29.7.2011 habe es sich um einen „zulässigen Übergang von einer Klage auf Unterlassung zu einer Klage auf Schmerzensgeld“ gehandelt.
Mit Beschluss vom 2.11.2011 hat das Landgericht den Streitwert auf 19.500,- EUR festgesetzt und ist dabei unter Berufung auf die Kommentierung von Herget in: Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 5 ZPO, RN 3) von einer Addition der Streitwerte sowohl der Unterlassungsanträge als auch des Zahlungsantrags ausgegangen.
Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers, der eine Wiederherstellung des Beschlusses vom 30.6.2010 bzw. eine Festsetzung des Streitwerts auf 6.000,- EUR für die Zeit nach der Klagänderung anstrebt.
II.
Die gemäß § 68 GKG zulässige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg.
Gemäß § 39 GKG ist der Streitwert nicht aus einer Addition aller in der zurückgenommenen Klage geltend gemachter Anträge zu errechnen.
10 
Eine solche Addition findet nur statt, wenn Ansprüche gleichzeitig und nebeneinander geltend gemacht werden.
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Dem Landgericht ist zuzugestehen, dass es sich mit seiner Entscheidung im Einklang befindet mit Entscheidungen des OLG Koblenz vom 28.12.2005, 5 W 829/05 (WuM 2006, 45), OLG Celle vom 28.11.1985, 14 W 6/85 (JurBüro 1986, 741 f), OLG Hamm vom 25.1.2007, 21 W 50/06 (OLGR Hamm 2007, 324) und des Kammergerichts vom 27.8.2007, 8 W 53/07 (JurBüro 2008, 148) sowie mit einem Teil der Kommentarliteratur, wie sie in der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 16.9.2010, I-24 W 9/10 (JurBüro 2010, 648) zitiert wird, u.a. auch der Kommentierung von Herget in Zöller (aaO).
12 
Gleichwohl ist dieser Ansicht nicht zu folgen, weil mit der wohl überwiegenden Meinung in der insbesondere auch neueren obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur die besseren Gründe dafür sprechen, von einer Addition abzusehen, wenn mehrere Ansprüche nie gleichzeitig, sondern nur nacheinander geltend gemacht wurden (vgl. OLG Düsseldorf, aaO, mwN zur Kommentarliteratur; OLG Nürnberg vom 27.9.2010, 8 W 1685/10; OLG Dresden vom 29.12.2006, 5 W 1517/06, JurBüro 2007, 315 f; OLG Frankfurt vom 4.3.2009, 3 W 3/09, NJW-RR 2009, 1078 f). Soweit ersichtlich wird - wenn überhaupt - zur Begründung der erstgenannten Ansicht angeführt, die nicht gleichzeitige Anhängigkeit könne es nicht rechtfertigen, dass Gerichte und Anwälte sich mit einem Teil des Streitgegenstands im Ergebnis unentgeltlich befassen müssen (vgl. OLG Hamm, aaO). Dass die Arbeit von Richtern und Anwälten kein durchschlagendes Argument im Hinblick auf die Höhe des Streitwerts ist, belegen schon die Regelungen in § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG, da in beiden Fällen Arbeit auch wegen Ansprüchen entfaltet wird, über die letztlich keine (der Rechtskraft fähige) Entscheidung ergeht.
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Hinzu kommt neben dem Wortlaut des § 39 GKG auch die Entstehungsgeschichte des § 39 GKG, die in der Entscheidung des OLG Düsseldorf (aaO, Rz 24 ff nach juris) eingehend dargelegt ist. Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.
III.
14 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 45 Klage und Widerklage, Hilfsanspruch, wechselseitige Rechtsmittel, Aufrechnung


(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Zivilprozessordnung - ZPO | § 263 Klageänderung


Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 5 Mehrere Ansprüche


Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

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Tenor Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.975,57 € festgesetzt. Ein überschießender Vergleichswert besteht nicht. Gründe I. Die Parteien haben im Berufungsverfahren über Schadenser

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Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.