Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 01. Sept. 2015 - 18 UF 117/15

bei uns veröffentlicht am01.09.2015

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Reutlingen - Familiengericht - vom 17.06.2015, Az.: 2 F 1310/13, wird

verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Beschwerdewert: bis zu 5.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Das Familiengericht hat durch Scheidungsverbundbeschluss vom 17.06.2015 den Versorgungsausgleich zwischen den Beteiligten geregelt. Wegen zweier ausländischer Anwartschaften des Antragstellers, die im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich noch nicht ausgeglichen werden konnten, hatte das Familiengericht im Tenor den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. In den Gründen waren dazu keine Ausführungen enthalten.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Mit der Beschwerde macht sie geltend, dass entgegen § 224 Abs. 4 FamFG die ausländischen Anwartschaften in den Gründen nicht benannt seien.
Nach einem Hinweis des Senats, dass die Beschwerde unzulässig sei, machte die Antragsgegnerin folgende weitere Ausführungen. Soweit in den einschlägigen Kommentierungen darauf hingewiesen sei, dass die Hinweispflicht keine konstitutive Wirkung entfalte, beziehe sich diese Kommentierung auf die Rechtsprechung des BGH zu dem bis 31.08.2009 geltenden Recht. Auch die Zitierung der Entscheidung des BGH FamRZ 2007, 526 in den Kommentarstellen sei ungeeignet, um nachzuweisen, dass die Hinweispflicht keine konstitutive Wirkung habe, weil es dort um die Rechtskraftwirkung einer Entscheidung zum öffentlichen Versorgungsausgleich gehe. Vorliegend werde jedoch ein Feststellungsbegehren zum Wertausgleich nach der Scheidung geltend gemacht. Es gehe um die Einhaltung der gesetzlich geregelten Dokumentationspflicht durch das Familiengericht. Dies sei eine geschützte Rechtsposition und sei eine bindende gesetzliche Vorschrift. Darin liege ein subjektiv geschütztes Recht jedes Ehegatten i.S.d. § 59 Abs. 1 FamFG. Dass ein subjektives Recht vorliege, ergebe sich auch daraus, dass vergessene Anrechte grundsätzlich auch nicht im Wege des Wertausgleichs nach der Scheidung gemäß §§ 20 ff VersAusglG ausgeglichen werden könnten. Es bestehe insoweit die Gefahr, dass im nachfolgenden Verfahren der Einwand der Rechtskraft der früheren Entscheidung zum Versorgungsausgleich erhoben werde, weil die beiden ausländischen Anrechte nicht erwähnt worden seien. Die Tenorierung, dass im Übrigen der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten sei, ändere daran nichts.
Wegen der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz vom 24.08.2015, Bl. 129 verwiesen.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde war zu verwerfen, weil sie gemäß §§ 58 ff FamFG unzulässig ist.
Die Antragsgegnerin wird durch Entscheidung des Familiengerichts in ihren Rechten nicht beeinträchtigt, weshalb es gemäß § 59 FamFG an der Beschwerdeberechtigung mangelt. Einhellig wird in den entsprechenden Kommentaren zitiert, dass die Benennung der dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehaltenen Anrechte in den Gründen für den später durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht konstitutiv ist (Zöller/Lorenz, ZPO, 30. Aufl., § 224 FamFG Rn. 18; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl., § 224 Rn. 8). Die Kommentarstellen leiten dieses Ergebnis auch nicht aus einer Rechtsprechung des BGH zu dem früher geltenden Recht ab, sondern auch aus den Gesetzesmaterialien u. a. Bundestagsdrucksache 16/10144, S. 96. Im letzten Satz wird dort ausgeführt, dass der Hinweis in den Gründen gemäß § 224 Abs. 4 FamFG selbstverständlich keine konstitutive Wirkung habe.
Dies folgt auch aus der gesetzlichen Regelung. Hätte die Feststellung konstitutive Wirkung für den nachfolgenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, hätte das Gesetz anordnen müssen, dass darüber im Tenor Feststellungen getroffen werden.
Der Hinweis der Antragsgegnerin, dass in den Kommentarstellen eine Entscheidung zum früheren Recht des BGH zitiert worden sei (BGH FamRZ 2007, 536) verfängt nicht. Zwar ist diese Entscheidung noch zum alten Recht ergangen, jedoch wird diese Entscheidung deshalb zitiert, weil der BGH dort in seiner Begründung ausgeführt hat, dass die Gründe einer Entscheidung keine präjudizielle Bedeutung haben, sofern sie für die Entscheidung nicht tragend sind und es sich deshalb nur um Vorfragen handelt. Insoweit hat der BGH dort nur einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verfahrensrechtes klargestellt, der unabhängig davon gilt, ob altes oder neues Recht zum Versorgungsausgleich Anwendung findet.
10 
Die weiteren von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen des BGH (BGH FamRZ 95, 157; FamRZ 2004, 1024) beziehen sich auf einen anderen Sachverhalt. In diesen Entscheidungen wurde lediglich die Selbstverständlichkeit festgehalten, dass über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich noch nicht mit der Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs zu entscheiden ist. In den dort angegriffenen Entscheidungen waren Feststellungen im Tenor der Gerichte enthalten und nicht lediglich in den Gründen.
11 
Der Hinweis der Antragsgegnerin, dass hier der Gesetzgeber ein subjektiv geschütztes Recht auf Benennung eingeräumt habe, vermag für den Nachweis einer Beschwerdeberechtigung nicht zu überzeugen. Eine Beschwer besteht in der Regel nur dann, wenn die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da in der Entscheidung des Familiengerichts nach der Gesetzeslage keine Feststellungen zu den im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichenden Rechten getroffen werden konnten. Mit der Beschwerde kann die Antragsgegnerin daher keine abweichende Entscheidung des Senats erreichen, weshalb eine Beschwer nicht vorliegt. Allein die Überprüfung des erstinstanzlichen Verfahrens, ob dieses gesetzeskonform abgelaufen ist, kann mit der befristeten Beschwerde nicht erreicht werden, sofern keine andere Entscheidung möglich ist. Eine Entscheidung liegt nur dann vor, wenn eine sachliche Regelung des Gerichts mit Außenwirkung getroffen wird. Eine solche Entscheidung ergibt sich nicht allein aus der Begründung des Gerichts.
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Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass auch die Gefahr bestehe, dass im späteren Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich der Einwand der Rechtskraft der Entscheidung aus dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich erhoben wird, vermag diese Begründung der Antragsgegnerin nicht zu überzeugen. Eine Entscheidung des Familiengerichts über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich liegt nicht vor, insoweit besteht keine Bindungswirkung. Im späteren Verfahren gemäß § 20 ff VersAusglG hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob Anrechte vorliegen, die dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterliegen. Insoweit muss lediglich geprüft werden, ob es sich um Anrechte handelt, die nicht im früheren öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich hätte ausgeglichen werden können. Insoweit unterliegt das spätere Gericht keinen Bindungen. Eine Gefährdung der Antragsgegnerin besteht daher nicht. Eine Gefährdung kann sich in diesem Fall lediglich daraus ergeben, dass Anrechte im öffentlichen Versorgungsausgleich nicht ausgeglichen wurden, die dort hätten ausgeglichen werden müssen. Dies muss die Antragsgegnerin jedoch mit der Beschwerde gegen den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich geltend machen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen BGH FamRZ 2013, 1548, FamRZ 2014, 1614. In diesen Entscheidungen wurde lediglich ausgeführt, dass im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich vergessene Anrechte nicht später im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichen werden dürfen. Eine Gefährdung der Antragsgegnerin kann durch die unterbliebene Benennung der Anrechte in den Gründen daher unter keinen Umständen eintreten, weil es sich um Anrechte handelt, die nicht öffentlich rechtlich ausgeglichen werden konnten. Insoweit geht dies auch konform mit den Gesetzesmaterialien, die diese Benennung in § 224 Abs. 4 nur als Erinnerung für den ausgleichsberechtigten Ehepartner vorgesehen haben. Sofern eine Gefährdung des ausgleichsberechtigten Ehepartners bestehen würde, hätte die gesetzliche Regelung anders erfolgen müssen. Dies war nicht erforderlich, weil eine Gefährdung aufgrund der Prüfungsbefugnis des Gerichts, das den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich durchführt, nicht eintreten kann.
13 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Es gibt keine abweichende Rechtsprechung zu § 224 Abs. 4 FamFG und die Rechtssache hat keine grundsätzlich Bedeutung und auch zur Fortbildung des Rechts ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich. Es ist hinreichend geklärt und es bestehen auch keine Zweifel darüber, dass durch die unterlassene Benennung der Anrechte i.S.v. § 224 Abs. 4 FamFG keine Rechtsbeeinträchtigung eintreten kann.
14 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde


(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 20 Anspruch auf schuldrechtliche Ausgleichsrente


(1) Bezieht die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht, so kann die ausgleichsberechtigte Person von ihr den Ausgleichswert als Rente (schuldrechtliche Ausgleichsrente) verlangen. Die auf den

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 224 Entscheidung über den Versorgungsausgleich


(1) Endentscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden erst mit Rechtskraft wirksam. (2) Die Endentscheidung ist zu begründen. (3) Soweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nach § 3 Abs. 3, den §§ 6, 18 Abs. 1 oder Abs. 2 oder

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(1) Endentscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden erst mit Rechtskraft wirksam.

(2) Die Endentscheidung ist zu begründen.

(3) Soweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nach § 3 Abs. 3, den §§ 6, 18 Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes nicht stattfindet, stellt das Gericht dies in der Beschlussformel fest.

(4) Verbleiben nach dem Wertausgleich bei der Scheidung noch Anrechte für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung, benennt das Gericht diese Anrechte in der Begründung.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Endentscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden erst mit Rechtskraft wirksam.

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(3) Soweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nach § 3 Abs. 3, den §§ 6, 18 Abs. 1 oder Abs. 2 oder § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes nicht stattfindet, stellt das Gericht dies in der Beschlussformel fest.

(4) Verbleiben nach dem Wertausgleich bei der Scheidung noch Anrechte für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung, benennt das Gericht diese Anrechte in der Begründung.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.