Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 27. Okt. 2010 - 9 UF 73/10

bei uns veröffentlicht am27.10.2010

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Saarbrücken vom 5. Mai 2010 – 9 UF 535/09 EAGS – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen eine auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erlassene einstweilige Anordnung.

Die Antragsteller sind die Eltern des M. B., der während bestimmter Zeiten seiner Drogenabhängigkeit Kontakte zum Antragsgegner pflegte. Die Antragsteller und auch deren Sohn, der jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung bei den Antragstellern wohnte, untersagten dem Antragsgegner jegliche Kontaktaufnahme.

Mit dem am 27. November 2009 eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren haben die Antragsteller unter Bezugnahme auf bestimmte – näher dargelegte – Vorkommnisse - auf den Erlass vorläufiger Schutzmaßnahmen angetragen und, nachdem die Beschwerde gegen den das Befangenheitsgesuch des Antragsgegners gegen die in erster Instanz tätige Richterin zurückweisenden Beschluss des Familiengerichts vom 16. Dezember 2009 durch Beschluss des erkennenden Senats vom 3. Februar 2010 zurückgewiesen worden ist, ihren Antrag auch auf Vorkommnisse in der Zeit ab März 2010 gestützt, nämlich das wiederholte Hochklappen der Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragsteller durch den Antragsgegner.

Durch den nach wiederholter Anhörung der Parteien und Abspielen von seitens der Antragsteller mittels einer von ihnen im Esszimmer installierten Videokamera, die einen Straßenabschnitt vor dem Hausanwesen der Antragsteller erfasst, aufgezeichneten Videosequenzen in der Sitzung vom 15. April 2010 hat das Familiengericht mit dem angefochtenen Beschluss dem Antragsgegner befristet untersagt, das Haus oder das dazugehörende Grundstück der Antragsteller zu betreten, sich dem Haus oder dem dazugehörenden Grundstück der Antragsteller in der in bis auf eine Entfernung von 5 Metern zu nähern, sich dem Fahrzeug der Antragstellerin zu 2. bis auf eine Entfernung von 3 Metern zu nähern, Verbindung zu den Antragstellern, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen und ein Zusammentreffen mit den Antragstellern herbeizuführen; sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, wurde der Antragsgegner verpflichtet, einen Abstand von 25 Metern herzustellen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsgegner die Aufhebung dieses Beschlusses.

II.

Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1, 57 S. 2 Nr. 4 FamFG statthafte und im Übrigen gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1, 65, 59 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Familiengericht die in dem angefochtenen Beschluss enthaltenen Gewaltschutzanordnungen im Wege – nach §§ 214 Abs. 1 S. 1, 49 FamFG i.V.m. § 1 GewSchG statthafter – einstweiliger Anordnung erlassen.

Zur im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichenden Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung – auch im Sinne von §§ 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG – bedarf es nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung, sondern genügt nach allgemeinem Verständnis ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung, der bereits vorliegt, sofern bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH, MDR 2007, 669; Senat, Beschl.v. 26. April 2010, 9 UF 18/10, m.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschl.v. 12. Juli 2010, 6 UF 42/10, m.w.N.).

An diesem Maßstab gemessen haben die Antragsteller durch eidesstattliche Versicherung, so insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2009, glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie jedenfalls in der Zeit ab November 2009 durch die von den Antragstellern im Einzeln geschilderten und von dem Antragsgegner jedenfalls zum Teil in dieser Verhandlung nicht in Abrede gestellten Vorkommnisse – Passieren der Straße, in der die Antragsteller wohnen, Betreten des Grundstücks der Antragsteller, Aufsuchen einer Gaststätte, in der sich die Antragstellerin zu 2. mit dem Sohn B. aufhielt, permanente Telefonanrufe – belästigt hat. Hinreichende oder gar zwingende Anhaltpunkte, die geeignet sind, die in den eidesstattlichen Versicherungen der Antragsteller enthaltenen Angaben in Zweifel zu ziehen, liegen nicht vor. Insbesondere hat der Antragsgegner weder durch eigene eidesstattliche Versicherung noch in sonstiger Weise glaubhaft gemacht, die Antragsteller nicht in der beschriebenen Art und Weise belästigt zu haben. Ferner haben die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie jedenfalls ab März 2010 als dem Zeitpunkt, den das Familiengericht seinen tragenden Feststellungen zu Grunde gelegt hat, belästigt hat, indem er die Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragsteller respektive der Antragstellerin zu 2. hochgeklappt hat. In Übereinstimmung mit dem Familiengericht hat der Senat keine Zweifel, dass es sich bei der auf den Video- und Bildaufzeichnungen erkennbaren Person um den Antragsgegner handelt. Unzweifelhaft ist der Antragsgegner auf den von den Antragstellern zu den Akten gereichten, auf einem digitalen Medium (USB-Stick) gespeicherten Bildern und Videoaufzeichnungen, so insbesondere auf den Aufzeichnungen vom 14. März 2010, zu erkennen, wie er sich an den Scheibenwischern eines Fahrzeugs zu schaffen macht. Dass es sich hierbei um das vor dem Hausanwesen der Antragsteller abgestellte Fahrzeug der Antragstellerin zu 2. handelt, wird von dem Antragsgegner nicht bestritten.

Der Antragsgegner vermag sich insoweit nicht mit Erfolg auf ein Beweisverwertungsverbot betreffend die von den Antragstellern gefertigten Bildnisse, auch nicht in Form von Videoaufzeichnungen, zu stützen. Grundsätzlich kann niemand allgemein Schutz davor verlangen, außerhalb seines befriedeten Besitztums, insbesondere auf öffentlichen Wegen, durch andere beobachtet zu werden. Andererseits muss der einzelne auch in diesem Bereich keineswegs generell dulden, dass jedermann von ihm Bildnisse, insbesondere Filmaufnahmen mittels einer Videokamera, fertigt. Die spezialgesetzliche, der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild dienende Regelung des § 22 KUG gewährt keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Indes kann die Herstellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in dessen nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht bedeuten. Dabei wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht nur im Fall einer "Bildniserschleichung" verletzt, indem etwa Abbildungen einer Person in deren privatem Bereich gefertigt werden in der Absicht, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Ob und in welchem Umfang bereits die Fertigung derartiger Bilder rechtswidrig und unzulässig ist oder aber vom Betroffenen hinzunehmen ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden (BGH, Urt. v. 25. April 1995, VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955).

Nach Maßgabe dessen ist, entgegen der Auffassung der Beschwerde, das Familiengericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die von den Antragstellern nach ihren Möglichkeiten durchgeführte Überwachung des Bereichs der Straße vor ihrem Hausanwesen, auf dem das Fahrzeug der Antragstellerin zu 2. in der Regel abgestellt wird, mittels Videoaufzeichnungen nicht zu einer den Antragsgegner in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzenden Herstellung von Bildaufnahmen führt. Die Rechte des Antragsgegners treten insoweit in Konflikt mit dem berechtigten Interesse der Antragsteller an einem Schutz vor weiteren Belästigungen in Form des Nachstellens, in dem hier relevanten Zeitraum auch durch wiederholtes Hochklappen der Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragstellerin zu 2., sowie ihrem anerkennenswerten Bestreben, den Verantwortlichen für diese Belästigungen ausfindig zu machen. Diese Belange sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Antragsteller gegeneinander abzuwägen. Der Senat tritt hierbei der Wertung des Familiengerichts bei, dass das Recht des Antragsgegners hinter den Rechten der Antragsteller, die seit geraumer Zeit durch Nachstellungen in ihren grundrechtlich geschützten Rechtspositionen, namentlich ihrem Persönlichkeitsrecht, beeinträchtigt werden und denen ein erhebliches berechtigtes Interesse an einer Beweissicherung, Klärung der Täterschaft und Überführung des Täters nicht abgesprochen werden kann, unter den obwaltenden Umständen zurückzutreten hat. In diesem Zusammenhang vermag der Senat dem Einwand des Antragsgegners, die Antragsteller zielten mit der Überwachung auf eine Identifizierung der von dem Antragsgegner bemühten – indes zu keinem Zeitpunkt benannten - Kontaktperson in der , die er aufsuche, ab, nicht zu folgen. Auf eine solche Intention lassen weder, worauf der Antragsgegner insbesondere abhebt, der aus den Aufnahmen erkennbare Ausschnitt des Straßenabschnitts noch sonstige Umstände schließen.

Daran, dass die Bild- und Videoaufzeichnungen zu den auf dem Speichermedium dokumentierten Zeiten aufgenommen worden sind, bestehen keine begründeten Zweifel. Solche hat auch der Antragsgegner, der lediglich pauschal darauf verweist, dass im Zeitalter von Computer und Bildbearbeitungssoftware nicht ausgeschlossen sei, dass die - erkennbar zu verschiedenen Jahreszeiten gefertigten - Aufnahmen zu einem erheblich früheren Zeitpunkt (beispielsweise in der „Hexennacht“) gemacht worden seien, auch nicht ansatzweise oder gar hinreichend plausibel dargetan.

Auch hat der Antragsgegner bis heute weder durch eigene eidesstattliche Versicherung noch in sonstiger Weise glaubhaft gemacht, zu den dokumentierten Zeiten nicht die Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragsteller / Antragstellerin zu 2. hochgeklappt zu haben.

Bei dieser Sachlage ist die Wertung des Familiengerichts, dass die dokumentierten Aufnahmen, auf denen der Antragsgegner zweifelsfrei zu erkennen ist, den Schluss zulassen, dass auch in den anderen Fällen, in denen der Täter beim Hochklappen der Scheibenwischer nicht eindeutig zu identifizieren ist, allein der Antragsgegner als Täter in Frage kommt, nicht zu beanstanden. Bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes, bei der nicht außer acht gelassen werden kann, dass der Antragsgegner auch vor dem in Rede stehenden Zeitraum, wie die Antragsteller durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht haben, häufig die passiert hat, sich in eine Gaststätte begeben hat, in der sich die Antragstellerin zu 2. mit ihrem Sohn befunden hat, sich auf ihr Grundstück – wie auch von einem Nachbarn beobachtet – begeben und sie wiederholt angerufen hat, besteht jedenfalls unter den gegebenen Umständen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Tatsachenbehauptung der Antragsteller auch bezüglich des Hochklappens der Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragsteller zutrifft. Hierfür sprechen nicht zuletzt auch die von den Antragstellern im Beschwerdeverfahren vorgelegten Aufnahmen, auf denen der Antragsgegner beim Passieren der in der Nähe des Hausanwesens der Antragsteller zu erkennen ist.

Diese permanenten Nachstellungen sind insbesondere in Anbetracht des sich nach dem gesamten Akteninhalt erschließenden Hintergrundes – dem Antragsgegner untersagter Kontakte zu dem Sohn der Antragsteller - als Belästigungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 b GewSchG zu werten, so dass das Familiengericht zu Recht die beantragte einstweilige Anordnung erlassen hat.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat von einer erneuten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz abgesehen, weil hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 51 Abs. 4, 84 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes in der Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 40 Abs. 1, Abs. 2, 41 S. 2, 49 Abs. 1 FamGKG.

Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde nicht statt (§ 70 Abs. 4 FamFG).

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Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 27. Okt. 2010 - 9 UF 73/10 zitiert 10 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde


(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 63 Beschwerdefrist


(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet: 1

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 40 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist,

Gewaltschutzgesetz - GewSchG | § 1 Gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen


(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforde

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 51 Verfahren


(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu mach

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 214 Einstweilige Anordnung


(1) Auf Antrag kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Regelung nach § 1 oder § 2 des Gewaltschutzgesetzes treffen. Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden liegt in der Regel vor, wenn eine Tat nach § 1 des Gewal

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Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 12. Juli 2010 - 6 UF 42/10

bei uns veröffentlicht am 12.07.2010

Tenor 1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarbrücken vom 5. März 2010 – 39 F 477/09 EAGS – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in diesem Beschluss getroffenen Gewaltschutzanordn

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(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:

1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder
2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.

(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

(1) Auf Antrag kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Regelung nach § 1 oder § 2 des Gewaltschutzgesetzes treffen. Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden liegt in der Regel vor, wenn eine Tat nach § 1 des Gewaltschutzgesetzes begangen wurde oder auf Grund konkreter Umstände mit einer Begehung zu rechnen ist.

(2) Der Beschluss nach Absatz 1 ist von Amts wegen zuzustellen. Die Geschäftsstelle beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung gilt im Fall des Erlasses ohne mündliche Erörterung zugleich als Auftrag zur Vollstreckung; auf Verlangen des Antragstellers darf die Zustellung nicht vor der Vollstreckung erfolgen.

(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1.
die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2.
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3.
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4.
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5.
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung widerrechtlich gedroht hat oder
2.
eine Person widerrechtlich und vorsätzlich
a)
in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b)
eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarbrücken vom 5. März 2010 – 39 F 477/09 EAGS – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in diesem Beschluss getroffenen Gewaltschutzanordnungen bis zum 5. September 2010 befristet werden.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Bezüglich der Kosten des ersten Rechtzuges bleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung.

3. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

4. Beiden Beteiligten wird – der Antragstellerin mit Wirkung vom 3. Mai 2010 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin Kunz, Saarbrücken, dem Antragsgegner mit Wirkung vom 25. März 2010 unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt Akkaya, Saar-brücken – ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen eine auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erlassene einstweilige Anordnung.

Aus der am 4. September 2002 geschlossenen Ehe der türkischen Antragstellerin und des deutschen Antragsgegners sind die Kinder B, geboren am …, und E, geboren am …, hervorgegangen. Die Antragstellerin hat aus erster Ehe zwei weitere Kinder, M, geboren am …, und Me, geboren am …. Die Beteiligten trennten sich im Herbst 2008. Das Scheidungsverfahren ist sowohl beim Familiengericht Saarbrücken als auch bei einem türkischen Gericht anhängig.

In dem vorliegenden, am 23. Dezember 2009 eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren hat die Antragstellerin auf den Erlass vorläufiger Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz angetragen. Der Antragsgegner hat um Zurückweisung des Antrags gebeten.

Durch den nach umfangreicher Beweisaufnahme aufgrund mündlicher Verhandlung erlassenen angefochtenen Beschluss vom 5. März 2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Antragsgegner – ohne Befristung – untersagt, Kontakt zur Antragstellerin aufzunehmen, das von ihr bewohnte Haus zu betreten oder sich auf der Straße vor diesem Haus aufzuhalten, sich der Antragstellerin auf eine Entfernung von weniger als 50 Metern zu nähern; sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, wurde der Antragsgegner verpflichtet, unverzüglich diesen Abstand herzustellen und einzuhalten. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld von bis zu 3.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. Die Geltung dieser Anordnungen wurde ausgeschlossen, soweit eine Kontaktaufnahme und räumliche Nähe zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit der Gewährleistung des Umgangs des Antragsgegners mit den beiden gemeinsamen Kindern der Beteiligten erforderlich ist.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsgegner die Aufhebung dieses Beschlusses.

Die Antragstellerin trägt unter dessen Verteidigung auf Zurückweisung der Beschwerde an.

Beide Beteiligten suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Dem Senat haben die Akten 39 F 14/09 GS, 39 F 180/09 UG und 39 F 387/09 S des Amtsgerichts Saarbrücken sowie die Akten 8 Js 1926/09, 4 Js 1903/09 = 16 Js 275/09 und 4 Js 1469/09 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vorgelegen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§§ 58 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1, 57 S. 2 Nr. 4 FamFG) und auch im Übrigen zulässig (§§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1, 65, 59 Abs. 1 FamFG).

In der Sache hat die Beschwerde des Antragsgegners nur insoweit Erfolg, als sie zu einer Befristung der im angefochtenen Beschluss ausgesprochenen Gewaltschutzanordnungen führt; im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

Zu Recht hat das Familiengericht – stillschweigend – seine internationale Zuständigkeit angenommen, die in Ermangelung einschlägiger Regelungen in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder Regelungen in ratifizierten völkerrechtlichen Vereinbarungen (§ 97 Abs. 1 S. 2 bzw. S. 1 FamFG) aus §§ 105 i.V.m. 211 Nr. 1 und Nr. 3 FamFG folgt. Zutreffend hat das Familiengericht auch – konkludent – in Abwesenheit anwendbarer internationaler Rechtsinstrumente(Art. 3 EGBGB) deutsches Sachrecht angewandt, wobei dahinstehen kann, ob die einzelnen vom Familiengericht erkannten Schutzmaßnahmen nach Art. 17 a EGBGB oder nach Art. 40 EGBGB zu qualifizieren sind (vgl. zum Streitstand etwa Staudinger/Mankowski, Neubearbeitung 2003, Art. 17a EGBGB, Rz. 17 bis 26 m.w.N.; jurisPK-BGB/Ludwig, 4. Aufl., Art. 17a EGBGB, Rz. 13 f.), nachdem hier beide Normen das deutsche Recht zur Sachentscheidung berufen.

Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Familiengericht die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Gewaltschutzanordnungen im Wege – nach §§ 214 Abs. 1 S. 1, 49 FamFG i.V.m. § 1 GewSchG statthafter – einstweiliger Anordnung erlassen.

Zur im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichenden Glaubhaftmachung einer Tatsachenbehauptung – auch im Sinne von §§ 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG – bedarf es nicht der vollen gerichtlichen Überzeugung, sondern genügt nach allgemeinem Verständnis ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung, der bereits vorliegt, sofern bei freier Würdigung des gesamten Verfahrensstoffs eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH MDR 2007, 669; 2004, 172; Senatsbeschluss vom 10. Juni 2010 – 6 UF 36/10 –; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 26. April 2010 – 9 UF 18/10 – m.w.N.).

An diesem Maßstab gemessen hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie vorsätzlich und widerrechtlich körperlich misshandelt, sie beleidigt sowie ihr gedroht hat, sie umzubringen, und ihr nachgestellt hat.

Zwar bestehen erhebliche Bedenken dagegen, ob sich das Familiengericht hinsichtlich der Beleidigungen auf die Aussagen der Zeugen P A, G Y und M Y stützen durfte, die bekundet haben, sie hätten in verschiedenen Fällen telefonisch durch den Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin geäußerte Beleidigungen – "Nutte" – mitgehört.

Ob im Lichte des dem Antragsgegner grundrechtlich in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Gestalt des Rechts am gesprochenen Wort, das verfassungsgerichtlich (vgl. BVerfG 106, 28; NJW 2003, 2375; Beschluss vom 10. Juni 2003 – 1 BvR 2080/02 –) und höchstrichterlich (siehe BGH NJW 2003, 1727; FamRZ 2005, 340; BB 2010, 1175) ausgeprägt wurde, ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, kann indes dahinstehen. Denn das übrige, unbedenklich verwertbare Ergebnis der Beweisaufnahme genügt, um die – für die Annahme eines Anordnungsgrundes ausreichende – überwiegende Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der vorstehenden Vorwürfe der Antragstellerin zu begründen.

Gegen die insoweit vom Familiengericht vorgenommene Würdigung der Aussagen der Zeugen M und Me bestehen keine Bedenken. Das Familiengericht hat die Nähe dieser Zeugen zur Antragstellerin ausführlich gewürdigt und berücksichtigt. Wenn das Familiengericht auf dieser Grundlage und gestützt auf den von ihm gewonnenen persönlichen Eindruck die Überzeugung gewonnen hat, dass diese Zeugen glaubwürdig sind, so ist dies nicht zu beanstanden, zumal beide Aussagen durchaus differenziert sind.

Soweit der Antragsgegner erinnert, die Antragstellerin habe zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Handlung des Antragsgegners substantiiert dargelegt, geht diese Rüge ins Leere. Der Antragsgegner verkennt, dass jedenfalls der tätliche Übergriff vom 3. Mai 2009 von der Antragstellerin mit eidesstattlicher Versicherung vom 21. Dezember 2009 auch hinsichtlich des Datums des Vorfalls glaubhaft gemacht worden ist. Außerdem hat die Antragstellerin eine Liste zahlreicher Anrufe des Antragsgegners vorgelegt, die dieser nicht gehaltvoll in Frage gestellt hat.

Die vom Familiengericht auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts vorgenommene rechtliche Bewertung und die hiernach im Einzelnen getroffenen Gewaltschutzanordnungen nach § 1 Abs. 1 S. 4 GewSchG begegnen keinen Bedenken und werden von der Beschwerde im Hinblick auf die rechtliche Qualifikation der Vorfälle auch nicht bekämpft.

Das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung außerdem vorausgesetzte dringende Bedürfnis (§ 49 Abs. 1 FamFG) liegt, nachdem hier eine schwerwiegende Tat nach § 1 GewSchG begangen wurde, bereits gemäß § 214 Abs. 1 S. 2 FamFG vor.

Soweit der Antragsgegner beanstandet, das Familiengericht habe zu Unrecht seinen Beschluss nicht befristet, kann dieser Rüge ein Erfolg allerdings nicht versagt bleiben. Sie führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Ergänzung des angefochtenen Beschlusses um eine Befristung der darin zu Gunsten der Antragstellerin erkannten Gewaltschutzanordnungen bis zum 3. September 2010.

Nach § 1 Abs. 1 S. 2 GewSchG, auf den auch § 1 Abs. 2 GewSchG verweist, sollen Gewaltschutzanordnungen befristet werden; die Frist kann verlängert werden.

Die Sollvorschrift des § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GewSchG – grundsätzlich Befristung – ist Ausfluss des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; denn die gerichtliche Anordnung greift stets – jedenfalls – in die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Täters ein. Steht nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Rede, gilt das Befristungserfordernis umso mehr, weil das Familiengericht bereits nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 214 Abs. 1 FamFG auf Antrag eines Beteiligten durch einstweilige Anordnung nur eine „vorläufige“ Regelung nach § 1 oder § 2 GewSchG treffen kann, sofern ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Von einer „vorläufigen“ Regelung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn diese von ihrem Regelungsgehalt her hinter der im Hauptsacheverfahren möglichen Regelung zurückbleibt. Die vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 214 FamFG vorgenommene Beschränkung der einstweiligen Anordnung auf eine bloß vorläufige Regelung ist Ausfluss des auch in Ansehung der Neuregelung des § 51 Abs. 3 FamFG weiterhin geltenden Grundsatzes, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – auch wenn diese nun nicht mehr von der Einleitung eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens abhängig ist – in der Regel nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen darf und sich auf eine aufgrund summarischer Prüfung zu treffende, vorläufige Regelung zu beschränken hat. Die Richtigkeit dieses – vom Senat geteilten – Verständnisses zeigt sich auch darin, dass der Gesetzgeber in § 49 Abs. 1 FamFG am grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ausdrücklich festhalten wollte (siehe dazu BT-Drucks. 16/6308, S. 199 und BT-Drucks. 16/10144, S. 92) und dass das FamFG Ausnahmen von diesem Verbot jeweils gesondert regelt, so etwa für die einstweilige Unterhaltsanordnung in § 246 Abs. 1 FamFG.

Damit steht die vom Gesetzgeber – sowohl bezüglich einstweiliger Anordnungen als auch hinsichtlich von Hauptsacheentscheidungen – in § 1 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GewSchG eröffnete Möglichkeit der – erforderlichenfalls mehrmaligen – Fristverlängerung, wenn auch nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist weitere Verletzungen der Rechtsgüter des Verletzten zu befürchten sind (vgl. BT-Drucks. 14/5429, S. 28), in Einklang, zumal der Gesetzgeber durch den Begriff der „Vorläufigkeit“ in § 49 Abs. 1 FamFG den Gesichtpunkt des Außerkrafttretens der einstweiligen Maßnahme besonders betonen wollte (so ausdrücklich BT-Drucks. 16/6308, S. 199), was auch in § 56 Abs. 1 FamFG Niederschlag gefunden hat.

Die grundsätzlich erforderliche Befristung einer einstweiligen Anordnung trägt aber nicht nur dem – bereits der Verhältnismäßigkeit gerichtlicher Maßnahmen geschuldeten – Hauptsachevorwegnahmeverbot Rechnung, das darauf beruht, dass einstweilige Anordnungen leicht vollendete Tatsachen schaffen und regelmäßig auf der Grundlage eines noch nicht zuverlässig aufgeklärten Sachverhalts ergehen, weshalb bereits die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit mit der Eingriffsmaßnahme nicht bis zu einer besseren Aufklärung des Sachverhalts abgewartet werden kann, am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen ist (vgl. dazu BVerfGE 67, 43; 69, 315). Sie ist vielmehr auch und gerade in Gewaltschutzsachen von besonderer Bedeutung. Denn die im Wege einstweiliger Anordnung getroffenen Schutzmaßnahmen kommen aus Gründen des gebotenen effektiven Opferschutzes in ihrer persönlichen, örtlichen und gegenständlichen Reichweite meist den in einer deckungsgleichen Hauptsache zu erlassenden zumindest sehr nahe, wenn nicht gleich. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot kann daher zumeist nur (noch) im Wege der Befristung der vorläufigen Maßnahmen überhaupt Wirkkraft entfalten. Bleibt aber nur dieser Weg, um die erforderlichen Einschränkungen der Grundrechte des Täters möglichst gering zu halten, bedarf es von Verfassungs wegen umso dringenderer Gründe, um gleichwohl von einer zeitlichen Beschränkung abzusehen (siehe zum Ganzen Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 – 6 UF 38/10 – m.z.w.N.).

Ob hiernach für das Absehen von einer Befristung etwa im Falle schwerster Gewalt-delikte Raum bleiben kann (vgl. dazu Senatsbeschluss a.a.O. m.w.N. zum Streit-stand), zumal im Rahmen einer einstweiligen Anordnung, kann jedoch dahinstehen.

Denn ein solcher Ausnahmefall, der nach der Gegenauffassung bei besonderen Einzelfallumständen – jedenfalls im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung – eine unbefristete Gewaltschutzanordnung zu rechtfertigen vermag – wofür auch die Gesetzesmaterialien streiten, denen zufolge der Gesetzgeber zumindest die Möglichkeit eines unbefristeten Verbotes nicht ausgeschlossen sehen wollte (BT-Drucks. 14/5429, S. 28: „Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird es daher im Regelfall geboten sein, die ausgesprochenen Verbote zu befristen“; siehe auch hierzu Senatsbeschluss a.a.O.) –, lag weder im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung vor, noch ist er nach dem sich in der Beschwerdeinstanz darbietenden Sach- und Streitstand gegeben.

Muss folglich die vom Familiengericht erlassene einstweilige Anordnung befristet werden, so ist bei der Bestimmung der Frist zu berücksichtigen, ob der Täter schon wiederholt die Rechtsgüter des Opfers verletzt oder dieses über einen längeren Zeitraum unzumutbar belästigt hat. In diesen Fällen kann eine längere Dauer der Schutzmaßnahmen angeordnet werden als bei einer einmaligen Rechtsgutsverletzung, deren Schwere ebenfalls eine längere Dauer der Verbote rechtfertigen kann. Je geringer die Intensität und Dauer der Verletzungshandlungen ist, desto kürzer wird in der Regel die Frist zu bemessen sein (vgl. Senatsbeschluss a.a.O.).

Die Geltungsdauer der einstweiligen Gewaltschutzanordnung des Familiengerichts bemisst der Senat bei den gegebenen Umständen auf sechs Monate seit ihrem Erlass. Dabei hat sich der Senat von der Annahme leiten lassen, dass unbeschadet der erheblichen Rechtsverstöße des Antragsgegners dieser sich in Ansehung der wechselseitig geführten Strafverfahren die erlassene einstweilige Anordnung zur Warnung gereichen lassen wird. Sollte der Antragsgegner gegen die einstweilige Anordnung verstoßen, steht es der Antragstellerin frei, auf eine Verlängerung der hier angefochtenen einstweiligen Anordnung anzutragen oder beizeiten das Hauptsacheverfahren anhängig zu machen.

Nach alledem ist die Beschwerde mit der Maßgabe der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Befristung zurückzuweisen.

Der Senat hat von einer erneuten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz abgesehen, weil hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 4 i.V.m. § 81 FamFG. Es entspricht angesichts der Gesamtumstände billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben, nachdem die Beschwerde einen Teilerfolg hat.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes in der Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 40 Abs. 1 und Abs. 2, 41 S. 2, 49 Abs. 1 Fall 1 FamGKG.

Beiden Beteiligten ist für den zweiten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen (§§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO und § 78 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 4 Nr. 1 FamFG).

Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde nicht statt (§ 70 Abs. 4 FamFG).

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.