Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss, 26. Aug. 2008 - 5 W 131/08 - 45

bei uns veröffentlicht am26.08.2008

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts S. vom 18.4.2008, 5 T 631/07, wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde und über die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde an das Landgericht S. zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Betroffene, eine chinesische Staatsangehörige, gelangte mit Hilfe eines Schleusers mit dem Flugzeug von Peking nach Tschechien, wo sie am 27. / 28.10.2007 erkennungsdienstlich behandelt worden war. Danach reiste sie - wieder mit Hilfe eines Schleusers - über die deutsch- tschechische Grenze nach Deutschland ein. Am 6.12.2007 wurde sie, ohne im Besitz eines Passes/ Passersatzes oder gültigen Visums oder sonstiger Aufenthaltstitel zu sein, bei dem Versuch, von Deutschland aus nach Frankreich auszureisen, von den französischen Grenzbehörden aufgegriffen und der Bundespolizei übergeben. Auf Antrag des Bundespolizeiamtes, Bundespolizeiinspektion S. (Bl. 1 ff d.A.) ordnete das Amtsgericht S. zur Sicherung der Zurückschiebung der Betroffenen nach Tschechien mit Beschluss vom 6.12.2007 unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung Zurückschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten bis zum 5.3.2008 an. Am 8.12.2007 informierte die Bundespolizei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über einen EURODAC- Treffer bezüglich der Betroffenen (erkennungsdienstliche Behandlung in Tschechien) (Bl. 37 d.A.). Auf Anfragen zum Sachstand am 10.12.2007, 12.12.2007 und 7.1.2008 teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11.1.2008 mit, dass die Zustimmung der tschechischen Behörden zur Rückführung vorliege (Bl. 40 d.A.).

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte die Betroffene mit Faxschreiben vom 20.12.2007 sofortige Beschwerde ein (Bl. 15 ff d.A.), weil nicht beachtet worden sei, dass es sich um ein Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - die Betroffene habe nicht nach China, sondern nach Tschechien zurückgeschoben werden sollen – handele. Die nach Art. 20 Abs. 1, b EG-AsylZustVO von dem Mitgliedsstaat, in dem bereits ein Asylantrag gestellt worden sei, zu beachtende Frist von zwei Wochen zur Erklärung der Wiederaufnahme des Asylbewerbers stehe der angeordneten Haftdauer von drei Monaten entgegen, da sie in Tschechien bereits einen Asylantrag gestellt habe. Kommunikationsprobleme der beteiligten Behörden untereinander seien ihr nicht zuzurechnen. Mit einer Rückführung nach Tschechien erkläre sie sich ausdrücklich einverstanden. Mit Schriftsatz vom 9.1.2008 beantragte die Betroffene Prozesskostenhilfe.

Die Betroffene wurde am 24.1.2008 nach Tschechien zurückgeführt.

Mit Schriftsatz vom 5.2.2008 beantragte die Betroffene festzustellen, dass die über den 21.12.2007 hinaus angeordnete Abschiebungshaft rechtswidrig gewesen sei, weil es sich um ein sog. Dublin II- Verfahren gehandelt habe. Aufgrund des Asylantrages in der Tschechien Republik habe eine Rückübernahmeverpflichtung der dortigen Behörden bestanden und seien diese zur Beachtung der Zweiwochenfrist des Art. 20 Abs. 1, b EG-AsylZustVO der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 verpflichtet gewesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.4.2008, auf den Bezug genommen wird (Bl. 42 ff d.A.), die sofortige Beschwerde und den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Zurückschiebungshaft gemäß §§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 S. 1, 50 Abs. 1 AufenthG vorgelegen hätten, weil die Betroffene, ohne im Besitz eines Passes/ Passersatzes oder gültigen Visums oder sonstiger Aufenthaltstitel zu sein, nach Deutschland eingereist sei, die Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie sich nicht der Abschiebung entziehen werde (§ 62 Abs. 2 S. 3 AufenthG) und auch nicht festgestellt werden könne, dass die Anordnung der Haft gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder das Übermaßverbot verstoßen habe. Insbesondere sei die angeordnete Haftdauer auch mit Art. 20 Abs. 1, b EG-AsylZustVO (Verordnung (EG) Nr. 343/2003) vereinbar.

Gegen den ihr am 8.5.2008 zugestellten Beschluss hat die Betroffene mit am 23.5.2008 (Freitag nach Fronleichnam) eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie hat darauf verwiesen, dass nicht nur die in Art. 20 Abs. 1, b EG-AsylZustVO genannte, sondern auch die Monatsfrist zur Rücküberstellung nicht gewahrt worden sei. Ferner sei nicht beachtet worden, dass ein Asylantrag in einem anderen Mitgliedsstaat der Dublin II-Verordnung bereits vor der Inhaftierung gestellt worden sei, so dass § 14 Abs. 3 AsylVfG einer Abschiebungshaft entgegen gestanden habe.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen ist zulässig und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, §§ 3 S. 2, 7 FEVG, §§ 22, 29 FGG).

Die Zulässigkeit wird insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die ursprüngliche Haftanordnung nach Einlegung der Erstbeschwerde dadurch erledigt hat, dass die Betroffene nach Tschechien zurückgeführt worden ist. Denn von Verfassung wegen besteht ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen wegen des Gewichts des Eingriffs in das Grundrecht der Freiheit der Person, das der Inhaftierung unter Berücksichtigung der mit ihr verbundenen diskriminierenden Wirkung inne wohnt, fort. Der Betroffene kann daher auch nach zeitlicher Überholung der Anordnung beantragen, die Rechtswidrigkeit des Abschiebungshaftbeschlusses festzustellen (BVerfG, Beschl. v. 24.7.2002, 2 BvR 2266/00; Senat, Beschl. v. 11.5.2006, 5 W 68/06-24, Beschl. v. 21.3.2007, 5 W 55/07-16, und Beschl.v. 5.9.2007, 5 W 201/07, j.m.w.N.).

2. Sie hat nach Maßgabe des Tenors Erfolg.

a. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Haftgrundes des §§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 57 Abs. 1, 50 Abs. 1 AufenthG für gegeben erachtet. Dieser Haftgrund setzt voraus, dass der Ausländer auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist.

Die Betroffene ist unerlaubt eingereist, § 14 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Regelung ist die Einreise eines Ausländers dann nicht erlaubt, wenn er (1) einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt, (2) den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt oder (3) nach § 11 Abs. 1 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2. Die Betroffene verfügte, wie sich dies aus ihrer Anhörung durch die Bundespolizeiinspektion zweifelsfrei ergibt, bei ihrer Einreise nach Deutschland weder über einen Pass/ Passersatz noch über ein gültiges Visum oder einen sonstigen Aufenthaltstitel.

Indes entfällt die Ausreisepflicht, wenn dem Ausländer der Aufenthalt wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet ist, § 55 Abs. 1 AsylVfG. Sie beendet zugleich die Ausreisepflicht mit der Folge, dass eine Inhaftierung zur Sicherung der Abschiebung oder Zurückschiebung nicht in Betracht kommt (BGH, Beschl.v. 21.11.2002, V ZB 49/02, InfAuslR 2003, 202, m.w.N.).

Von daher ist entscheidend, ob auch der im Ausland gestellte (Erst-) Asylantrag zu einer Aufenthaltsgestattung führt mit der Folge, dass die Anordnung einer Sicherungs- oder Zurückschiebungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht in Betracht kommt. Denn die Betroffene hat vorgetragen, bereits in Tschechien einen Asylantrag gestellt zu haben.

b. aa. Soweit ersichtlich ist die Frage, welche Bedeutung einem im Ausland gestellten (Erst-) Asylantrag in Fällen der Rücküberstellung in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zukommt, noch nicht geklärt.

Das Oberlandesgericht Celle hatte über eine sofortige weitere Beschwerde eines serbischen Staatsangehörigen zu entscheiden, der 1995 als Bürgerkriegsflüchtling in das Bundesgebiet eingereist und dessen Aufenthalt fortlaufend geduldet worden war. Nachdem er im Juni 2005 nach Belgien ausgereist war, stellte er einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Auf Anfrage der belgischen Behörden erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Bereitschaft zur Rückübernahme nach den Regeln der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II). Einen Tag vor Rücküberstellung wurde Abschiebungshaft (§ 62 Abs. 2 AufenthG) beantragt. Bei seiner Anhörung am Tag der Festnahme gab der Betroffene an, dass es mit dem Asylantrag in Belgien „nicht geklappt“ habe. Die gegen die Anordnung der Abschiebungshaft eingelegten Rechtsmittel, mit der er geltend gemacht hat, dass eine Inhaftierung mit Blick auf den aus § 14 Abs. 3 S. 1 AsylVfG zu ziehenden Umkehrschluss unzulässig gewesen sei, blieben ohne Erfolg. Das OLG Celle war der Ansicht, das Landgericht habe den Sachvortrag des Betroffenen dahingehend verstehen dürfen, dass der in Belgien gestellte Asylantrag abgelehnt worden sei. Das Bundesverfassungsgericht hob auf die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen den Beschluss des OLG Celle auf, weil der Sachverhalt zu der Frage, ob der Betroffene in Belgien einen Asylantrag gestellt habe, nicht ausreichend ermittelt worden sei und nicht auszuschließen sei, dass das Oberlandesgericht bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer dem Betroffenen günstigeren Entscheidung gelangt wäre, weil unter Umständen der von dem Betroffenen im Ausland gestellte Erst- (Asylantrag) nach Rücküberstellung des Betroffenen in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) der Anordnung von Abschiebungshaft – jedenfalls bis zu einem etwaigen Erlöschen einer auf ihm beruhenden Aufenthaltsgestattung – entgegenstehen könnte.

Das OLG Celle hat sodann mit Beschluss vom 6.2.2008, 22 W 16/06 (InfAuslR 2008, 225), den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde zurückverwiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die erstmalige Stellung eines Asylantrags aus der Freiheit heraus wegen des Umkehrschlusses aus § 14 Abs. 3 AsylVerfG die Anordnung von Abschiebungshaft hindere. Diese für den Fall einer Asylantragsstellung in Deutschland geltende Regelung finde nach Auffassung des Senats auch für Erstasylanträge innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung (EG) 343/06 (Dublin II) Anwendung, wenn aufgrund dieser eine Zuständigkeit deutscher Behörden für die Bearbeitung des Asylverfahrens begründet werde. Zwar sehe innerhalb der Verordnung (EG) 343/06 nur deren Art. 4 Abs. 4 Satz 2 eine ausdrückliche Gleichstellung von Asylanträgen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes vor. Die Stellung eines Asylantrages führe auch nicht automatisch dazu, dass Abschiebungshaft per se unzulässig sei (§ 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVerfG). Allerdings geböten europarechtliche Bewertungen eine Gleichbehandlung der vorliegenden Konstellation mit der innerstaatlichen Regelung. So sehe bereits der EG-Vertrag für den Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts die Annahme von einheitlichen Maßnahmen im Bereich des Asyls vor. Die Harmonisierung des Asylrechts sei ein erklärtes Ziel der Europäischen Union. Entsprechend sehe auch § 22a AsylVerfG eine Gleichstellung eines Ausländers, der auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages zur Durchführung eines Asylverfahrens übernommen werde, mit einem Ausländer, der in Deutschland um Asyl nachsucht, vor.

bb. Im Streitfall ist darüber zu entscheiden, welche Bedeutung einem im Ausland gestellten Erstasylantrag zukommt, wenn eine Rücküberstellung in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) in einen Mitgliedsstaat erfolgen soll, weil dieser für die Prüfung eines von einem Drittstaatenangehörigen gestellten Asylantrages zuständig ist. Dass die Betroffene Drittstaatenangehörige ist und sich die tschechische Republik mit einer Rücknahme der Betroffenen nach den Regeln der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 bereit erklärt hat, steht fest, die Rückübernahme ist am 24.1.2008 erfolgt.

(1) Durch die Stellung des Asylantrages in Tschechien hat die Betroffene eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG, die der Anordnung der Zurückschiebungshaft entgegenstehen könnte, nicht erworben.

Die Aufenthaltsgestattung eines unerlaubt aus einem sicheren Drittland in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers (§§ 19 Abs. 3, 26 a AsylVfG) beginnt nach § 55 Abs. 1 S. 3 AsylVfG erst mit der förmlichen Stellung eines Asylantrages und nicht bereits mit der Anbringung eines der wirksamen Asylantragstellung zeitlich vorgelagerten (formlosen) Asylgesuchs. Eine Vorverlagerung des Aufenthaltsrechtes nach § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG kommt in den Fällen der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat nicht in Betracht (BGH, Beschl. v. 21.11.2002, V ZB 49/02, BGHZ 153, 18= NVwZ 2003, 893; OLG Frankfurt, Beschl.v. 2.3.2006, 20 W 411/05; OLG München, AuAS 2008, 89 ).

Der von der Betroffenen nach ihrem Vorbringen bereits in Tschechien gestellte Asylantrag ändert hieran nichts. Auch dann entsteht die Aufenthaltsgestattung erst mit der Stellung des Asylantrages im Sinne des § 14 Abs. 1 AsylVfG, also durch die Stellung eines Antrages bei der Außenstelle des Bundesamtes, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. Damit wird Art. 16 a II GG und § 19 Abs. 3 AsylVfG Rechnung getragen, die ein Asylrecht bei Einreise aus einem solchen Staat ausschließen und bei unerlaubter Einreise auch die Zurückschiebung erlauben. Ist diese nicht (mehr) möglich, tritt (erst) der Schutz der Aufenthaltsgestattung ein; in der Zwischenzeit herrscht ein Schwebezustand. § 14 Abs. 1 AsylVfG und nicht 55 Abs. 1 AsylVfG greift somit bei unerlaubter Einreise aus einem der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 unterliegenden Mitgliedsstaat ein, und zwar unabhängig von der dann erst notwendigen Prüfung der Zuständigkeit nach dieser Verordnung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Renner, AuslR, 8. Aufl., AsylVfG § 55, Rdnr. 8, m.w.N.) .

(2) Da die Betroffene in Deutschland weder Asylantrag gestellt noch um Asyl nachgesucht hat und sie zudem einen Regelanspruch auf eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, die wegen des Wegfalls der sofortigen Ausreisepflicht ein Hafthindernis darstellt, in dem besonderen Fall der unerlaubten Ersteinreise eines Drittstaatsangehörigen in das Staatsgebietes eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union außerhalb Deutschlands nicht erworben hat, kommt es darauf an, ob der in § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke die Anordnung der Haft hindert.

Dass § 14 Abs. 3 AsylVfG auch auf die Zurückschiebungshaft als besondere Form der Sicherungshaft Anwendung findet, auch wenn diese Haftform dort nicht ausdrücklich genannt ist, unterliegt keinem Zweifel (vgl. OLG München, AuAS 2008, 89 ff, m.w.N.; OLG Brandenburg, Beschl.v. 8.11.2007, 11 Wx 50/07 und v. 15.11.2007, 11 Wx 55/07; OLG Schleswig, OLGR Schleswig 2005, 586).

Der Senat folgt der von dem Oberlandesgericht Celle vertretenen Auffassung aus den im Beschluss vom 6.2.2008, 22 W 16/06, genannten Gründen, dass die für den Fall der Asylantragstellung in Deutschland geltende Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG im Umkehrschluss auch für Erstasylanträge innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) Anwendung findet, wenn aufgrund dieser Regelung eine Zuständigkeit deutscher Behörden für die Bearbeitung des Asylverfahrens begründet ist. In Fortführung dieser Auffassung vertritt der Senat weiter die Auffassung, dass die Regelung auch dann für Erstasylanträge innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Anwendung gelangt, wenn aufgrund der Verordnung die Zuständigkeit eines sonstigen Mitgliedsstaates für die Bearbeitung des Asylverfahrens besteht. Denn Sinn und Zweck der Verordnung, die ohnehin in Art. 4 Abs. 4 S. 2 eine ausdrückliche Gleichstellung von Asylanträgen innerhalb und außerhalb eines Mitgliedsstaates – jedenfalls für ihren Anwendungsbereich - vorsieht, gebieten es, die Wirkungen eines aus der Freiheit heraus gestellten Erstasylantragstellung unabhängig davon, welcher Mitgliedsstaat für die Bearbeitung zuständig ist, eintreten zu lassen, so dass auch in den Fällen, in denen der Ausländer einen Erstasylantrag innerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung (EG) Nr. 343/2003, aber nicht in Deutschland, gestellt hat und aufgrund der Verordnung die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaates (außer Deutschland) für die Bearbeitung des Asylverfahrens begründet ist, der Erstasylantrag der Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Zurückschiebungshaft in Deutschland entgegensteht.

c. Das Landgericht ist auf den Vortrag der Betroffenen, bereits in Tschechien einen Asylantrag gestellt zu haben (Bl. 15, 29 d.A.) nicht eingegangen. Es wird nunmehr, da der Senat auf die Rechtskontrolle beschränkt und zu einer eigenen Sachentscheidung nicht befugt ist, insbesondere mittels Beiziehung der Ausländerakte aufzuklären haben, ob die Betroffene tatsächlich in Tschechien einen Erstasylantrag gestellt hat, der zu einer Unzulässigkeit der Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Zurückschiebungshaft geführt haben könnte.

Soweit die Bundespolizeiinspektion S. mittels einer Überprüfung im Eurodac-System eine erkennungsdienstliche Behandlung der Betroffenen in Tschechien festgestellt hat, lässt dies allein einen zuverlässigen Rückschluss auf eine Asylantragstellung in Tschechien nicht zu. Das Eurodac- System (Verordnung EG 2725/2000 vom 11.12.2000) ermöglicht es den Mitgliedsstaaten, Asylbewerber sowie Personen zu identifizieren, die beim illegalen Überschreiten einer EU –Außengrenze aufgegriffen wurden. Anhand eines Vergleichs der Fingerabdrücke kann ein Mitgliedsstaat feststellen, ob ein Asylbewerber oder ein Ausländer, der sich illegal in seinem Hoheitsgebiet aufhält, bereits in einem anderen Mitgliedsland Asyl beantragt hat oder ob ein Asylbewerber illegal in die EU eingereist ist. Dass die erkennungsdienstliche Behandlung in Tschechien wegen eines von der Betroffenen dort gestellten Asylantrages - wie im Aufgriffsbericht ausgeführt (Bl. 4 d.A.) - und nicht aus anderen Gründen erfolgt ist, ist nicht belegt.

d. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Landgericht auch zu berücksichtigen haben, dass eine Anordnung der Haft in Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht von vorneherein ausgeschlossen ist.

Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 selbst gewährt dem Ausländer in dem Aufenthaltsland der Europäischen Union kein Aufenthaltsrecht, das der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Haft entgegenstehen könnte. Dieses richtet sich allein nach dem innerstaatlichen Recht, nämlich den ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedsstaaten. Nach dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland steht ein aus der Freiheit heraus gestellter Erstasylantrag der Anordnung von Abschiebungs- oder Zurückschiebungshaft entgegen. Dies muss auch gelten, wenn es sich um einen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrag handelt (s.o.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die zuständige deutsche Behörde zuverlässige Kenntnis von einem in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrag wie bei der Entgegennahme eines im Bundesgebiet gestellten Asylantrages beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß §§ 55 Abs. 1 S. 3, 14 Abs. 1 AsylVfG erhält. Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 sieht für diese Fälle ein Konsultationsverfahren vor. Nach Einleitung dieses Verfahrens hat sich, wenn der Ausländer behauptet, in einem Mitgliedsstaat einen Asylantrag gestellt zu haben, gemäß Artikel 20 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 der Mitgliedsstaat, der um Wiederaufnahme des Asylbewerbers ersucht wird, nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Ersuchen befasst wurde, zu erklären, stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac- System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen (Art. 20 Abs. 1 lit. b). Hält der ersuchte Mitgliedsstaat diese Fristen nicht ein, gilt die Wiederaufnahme als akzeptiert (Art. 20 Abs. 1 lit. c). Auch wenn diese Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck dazu bestimmt sind, eine rasche Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrages zuständigen Mitgliedsstaates zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und eine zügige Bearbeitung von Asylanträgen nicht zu gefährden (siehe Begründung vor Kap. I der Verordnung (EG) Nr. 343/2003), können die dort geregelten Fristen für die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein in einem Mitgliedsstaat gestellter Erstasylantrag der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Haft in der Bundesrepublik Deutschland entgegensteht, nicht unberücksichtigt bleiben. Vielmehr ist hieraus zu schließen, dass, wenn Anhaltspunkte für eine frühere Kenntnis von der Stellung eines Asylantrages in einem Mitgliedsstaat fehlen, eine solche jedenfalls mit Eingang der Erklärung, spätestens mit Ablauf dieser Fristen anzunehmen ist.

Unter Berücksichtigung dessen war im Falle eines gestellten und weiterhin wirksamen Asylantrages der Betroffenen in Tschechien die Anordnung der Haft bis zu einer Frist von zwei Wochen möglich. Da nach dem Eurodac-System verfahren wurde, hatte die Erklärung der tschechischen Behörden innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erfolgen und galt die Wiederaufnahme des Asylbewerbers mit Ablauf dieser Frist als akzeptiert. Spätestens ab diesem Zeitpunkt bestand Kenntnis von einem in Tschechien gestellten Asylantrag, der der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Haft entgegensteht.

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

(2) Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Ist über die Fortdauer der Zurückweisungshaft oder der Abschiebungshaft zu entscheiden, so kann das Amtsgericht das Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss an das Gericht abgeben, in dessen Bezirk die Zurückweisungshaft oder Abschiebungshaft jeweils vollzogen wird.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 49/02
vom
21. November 2002
In der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AsylVfG §§ 13 Abs. 1, 14, 55 Abs. 1 S. 3

a) Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat in die
Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers setzt einen förmlichen Asylantrag
voraus.

b) Ein Asylgesuch setzt mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus;
hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen oder sonstige tatsächliche Umstände
, die erkennen lassen, daß er Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen
politischen Verfolgung sucht.
BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 49/02 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. November 2002 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2002 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Antrag des Betroffenen vom 15. Juli 2002 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 22. April 2002 in einem Waldgebiet nahe W. ohne gültige Papiere festgenommen. Nach seinen Angaben war er über Italien nach Deutschland eingereist. Bei seiner Vernehmung durch die Polizei erklärte er unter anderem:
"Jetzt bin ich hier und jetzt bleib ich auch hier. Wo ich genau hinwollte , ist mir egal. ... Wenn ich Arbeit bekomme, dann arbeite ich auch. N. hat mir gesagt, wenn ich in Deutschland bin, dann bekomme ich auch Asyl. Deshalb bin ich jetzt hier.“
Nach Anhörung des Betroffenen, bei der dieser seine gegenüber der Polizei gemachten Angaben als richtig bestätigte, hat das Amtsgericht gegen ihn mit Beschluß vom 23. April 2002 Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Mai 2002 Beschwerde eingelegt. Am 8. Mai 2002 wurde der Ausländerbehörde der Antragstellerin vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mitgeteilt, daß der Betroffene dort einen Asylantrag gestellt habe. Aus diesem Grunde wurde der Betroffene am 16. Mai 2002 aus der Haft entlassen. Daraufhin hat er im Beschwerdeverfahren die Feststellung beantragt, daß die Anordnung der Haft rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluß vom 25. Juni 2002, dem Betroffenen zugestellt am 1. Juli 2002, hat das Landgericht festgestellt, daß die Fortdauer der Haft vom 9. Mai 2002 bis zum 16. Mai 2002 rechtswidrig gewesen sei; im übrigen hat es den Feststellungsantrag und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 15. Juli 2002 beim Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die das Oberlandesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002, 16 Wx 58/02, gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist gemäß § 28 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 3 Satz 2 FEVG zulässig, da das vorlegende Gericht bei der Auslegung der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG von dem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002 abweichen will.

Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß ein Ausländer auch im Fall der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat durch das gegenüber einer mit ausländerrechtlichen Fragen befaßten amtlichen Stelle geäußerte Asylgesuch eine der Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 AuslG entgegenstehende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG erwerben kann, wenn und weil die betreffende Stelle – Polizei, Ausländerbehörde oder Haftrichter – zur Aufnahme und Weiterleitung des Gesuchs an die zuständige Behörde, die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, verpflichtet ist. Ein zur Weiterleitung verpflichtendes Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG liege allerdings nicht vor, wenn sich der Betroffene – wie hier - ohne weitere Begründung auf Asyl berufe und sein Begehren nicht erkennen lasse, daß er politische Verfolgung fürchtet. Demgegenüber meint das Oberlandesgericht Köln, bereits die Verwendung des Wortes "Asyl“ lasse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle; eine weitergehende Begründung sei nicht erforderlich.
Die im Beschwerdeverfahren zu prüfende Rechtmäßigkeit der Haftanordnung hängt damit nach der für die Zulässigkeit der Vorlage maßgeblichen rechtlichen Beurteilung des vorlegenden Gerichts (vgl. Senat, Beschl. v. 28. Februar 2001, V ZB 8/01, NVwZ-Beilage I 7/2001, 62 m. w. Nachw.) von der streitigen Rechtsfrage ab, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Asylgesuchs zu stellen sind. Zwar haben beide Oberlandesgerichte ein übereinstimmendes Verständnis von dem in § 13 Abs. 1 AsylVfG im Sinne eines formlosen Asylgesuchs (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 13 AsylVfG Rdn. 3) verwendeten Begriff des Asylantrags. Insbesondere gehen sie davon aus, daß
ein Asylgesuch im Rechtssinn nur dann vorliegt, wenn sich dem geäußerten Willen des Ausländers entnehmen läßt, daß er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Meinungsunterschiede bestehen jedoch bei der Subsumtion des Sachverhalts, nämlich der nicht näher begründeten Berufung auf Asyl, unter die gesetzliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG. Damit betrifft der Streit die Auslegung dieser Rechtsnorm (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1956, II ZB 11/56, NJW 1957, 19, 20; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 28 Rdn. 13; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 28 Rdn. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 28 Rdn. 6).

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluß vom 25. Juni 2002 zurückgewiesen hat, ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG statthaft. Sie wurde vom Betroffenen form- und fristgerecht eingelegt (§§ 29 Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Zwar hat der Senat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme verneint, wenn sich in einer Abschiebungshaftsache die Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat (Senat, BGHZ 139, 254). Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen anerkannt (BVerfG,
Beschl. v. 5. Dezember 2001, NJW 2002, 2456). Dem ist das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß zu Recht gefolgt.
2. In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg , da die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht rechtmäßig war.

a) Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AuslG ist ein Ausländer zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn er aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ausweislich der Antragsschrift vom 23. April 2002 beabsichtigte die Ausländerbehörde der Antragstellerin, den Betroffenen nach Italien zurückzuschieben. Von dort aus war der Betroffene ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und ohne Paß und damit unerlaubt eingereist (§ 58 Abs. 1 AuslG). Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Durch die gegenüber der Polizei erfolgte Berufung auf "Asyl" hat der Betroffene keine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob die Erklärung des Betroffenen als Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG zu verstehen ist. Da der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylVfG) unerlaubt eingereist war, setzte die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einen förmlichen Asylantrag im Sinne von § 14 AsylVfG voraus, den der Betroffene jedoch erst nach der Haftanordnung gestellt hat. Soweit das vorlegende Gericht annimmt, bereits das – formlose – Asylgesuch könne eine Aufenthaltsgestattung begründen, wenn die Stelle, der gegenüber es geäußert wird, zu seiner Aufnahme und Weiterleitung
an die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet sei, findet dies in § 55 Abs. 1 AsylVfG keine Stütze. Die an das Asylgesuch anknüpfende Aufenthaltsgestattung nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der wirksamen Asylantragstellung zeitlich vorgelagert, um den durch die verfassungsrechtliche Asylgarantie geforderten Abschiebungs- und Verfolgungsschutz effektiv zu gewährleisten (Marx, AsylVfG, 3. Aufl., § 55 Rdn. 4). Der aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereiste Ausländer genießt aber nach Art. 16 a Abs. 2 GG kein Asylrecht, so daß in diesen Fällen für eine Vorverlagerung des Aufenthaltsrechts keine Veranlassung besteht. Darüber hinaus schreibt das Asylverfahrensgesetz eine Weiterleitung nur für schriftliche Asylanträge vor, die bei der Ausländerbehörde eingereicht werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Die Aufnahme eines mündlichen Antrags zur Niederschrift und dessen Weiterleitung , zumal durch die Polizei oder den Haftrichter, ist weder im Verwaltungsverfahrensgesetz noch im Asylverfahrensgesetz vorgesehen. Mündliche Anträge sind danach nur bei der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge möglich (Renner, a. a. O., § 14 Rdn. 5, 14; Marx, a. a. O., § 14 Rdn. 10). War dem Betroffenen damit der Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Haftanordnung – noch – nicht gestattet, dann bestehen an deren Rechtmäßigkeit keine Zweifel.

b) Unabhängig hiervon ist dem vorlegenden Gericht allerdings darin zuzustimmen , daß die Erklärung des Betroffenen gegenüber der Polizei nicht als Asylgesuch verstanden werden kann. Die vom Oberlandesgericht Köln vertretene Auffassung, allein die Verwendung des Wortes "Asyl" lasse darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle, verkennt , daß der Asylbegriff keinen vorgegebenen allgemeingültigen Inhalt hat, sondern als Rechtsbegriff der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
und die Rechtsprechung unterliegt. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß derjenige, der diesen Begriff verwendet, ihn gerade in dem durch § 13 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Sinn versteht. Denkbar ist weiterhin , daß dem jeweils Betroffenen die Bedeutung des Wortes "Asyl" überhaupt nicht bekannt ist (vgl. den der Entscheidung OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 390 zugrundeliegenden Sachverhalt). Ein Asylgesuch setzt daher mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus (OVG Münster, a. a. O; Marx, a. a. O, § 13 Rdn. 3). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucks. 9/875, S. 15). Hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen, insbesondere eine kurze Begründung seines Asylbegehrens, oder sonstige tatsächliche Umstände, die erkennen lassen, daß der Betroffene Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen politischen Verfolgung sucht (KG, FGPrax 1997, 116; Renner, a. a. O., § 13 AsylVfG, Rdn. 4 f; GK-AsylVfG, Stand: Juli 1998, § 13 Rdn. 38 f). Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Den Angaben des Betroffenen gegenüber der Polizei läßt sich lediglich entnehmen, daß er bereit ist zu arbeiten. Dies deutet eher darauf hin, daß seine Einreise wirtschaftlich motiviert war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 3 FEVG.
4. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über die sofortige weitere Be- schwerde war mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 114 ZPO i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG, § 14 FGG).
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 49/02
vom
21. November 2002
In der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AsylVfG §§ 13 Abs. 1, 14, 55 Abs. 1 S. 3

a) Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat in die
Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers setzt einen förmlichen Asylantrag
voraus.

b) Ein Asylgesuch setzt mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus;
hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen oder sonstige tatsächliche Umstände
, die erkennen lassen, daß er Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen
politischen Verfolgung sucht.
BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 49/02 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. November 2002 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2002 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Antrag des Betroffenen vom 15. Juli 2002 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 22. April 2002 in einem Waldgebiet nahe W. ohne gültige Papiere festgenommen. Nach seinen Angaben war er über Italien nach Deutschland eingereist. Bei seiner Vernehmung durch die Polizei erklärte er unter anderem:
"Jetzt bin ich hier und jetzt bleib ich auch hier. Wo ich genau hinwollte , ist mir egal. ... Wenn ich Arbeit bekomme, dann arbeite ich auch. N. hat mir gesagt, wenn ich in Deutschland bin, dann bekomme ich auch Asyl. Deshalb bin ich jetzt hier.“
Nach Anhörung des Betroffenen, bei der dieser seine gegenüber der Polizei gemachten Angaben als richtig bestätigte, hat das Amtsgericht gegen ihn mit Beschluß vom 23. April 2002 Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Mai 2002 Beschwerde eingelegt. Am 8. Mai 2002 wurde der Ausländerbehörde der Antragstellerin vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mitgeteilt, daß der Betroffene dort einen Asylantrag gestellt habe. Aus diesem Grunde wurde der Betroffene am 16. Mai 2002 aus der Haft entlassen. Daraufhin hat er im Beschwerdeverfahren die Feststellung beantragt, daß die Anordnung der Haft rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluß vom 25. Juni 2002, dem Betroffenen zugestellt am 1. Juli 2002, hat das Landgericht festgestellt, daß die Fortdauer der Haft vom 9. Mai 2002 bis zum 16. Mai 2002 rechtswidrig gewesen sei; im übrigen hat es den Feststellungsantrag und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 15. Juli 2002 beim Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die das Oberlandesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002, 16 Wx 58/02, gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist gemäß § 28 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 3 Satz 2 FEVG zulässig, da das vorlegende Gericht bei der Auslegung der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG von dem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002 abweichen will.

Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß ein Ausländer auch im Fall der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat durch das gegenüber einer mit ausländerrechtlichen Fragen befaßten amtlichen Stelle geäußerte Asylgesuch eine der Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 AuslG entgegenstehende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG erwerben kann, wenn und weil die betreffende Stelle – Polizei, Ausländerbehörde oder Haftrichter – zur Aufnahme und Weiterleitung des Gesuchs an die zuständige Behörde, die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, verpflichtet ist. Ein zur Weiterleitung verpflichtendes Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG liege allerdings nicht vor, wenn sich der Betroffene – wie hier - ohne weitere Begründung auf Asyl berufe und sein Begehren nicht erkennen lasse, daß er politische Verfolgung fürchtet. Demgegenüber meint das Oberlandesgericht Köln, bereits die Verwendung des Wortes "Asyl“ lasse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle; eine weitergehende Begründung sei nicht erforderlich.
Die im Beschwerdeverfahren zu prüfende Rechtmäßigkeit der Haftanordnung hängt damit nach der für die Zulässigkeit der Vorlage maßgeblichen rechtlichen Beurteilung des vorlegenden Gerichts (vgl. Senat, Beschl. v. 28. Februar 2001, V ZB 8/01, NVwZ-Beilage I 7/2001, 62 m. w. Nachw.) von der streitigen Rechtsfrage ab, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Asylgesuchs zu stellen sind. Zwar haben beide Oberlandesgerichte ein übereinstimmendes Verständnis von dem in § 13 Abs. 1 AsylVfG im Sinne eines formlosen Asylgesuchs (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 13 AsylVfG Rdn. 3) verwendeten Begriff des Asylantrags. Insbesondere gehen sie davon aus, daß
ein Asylgesuch im Rechtssinn nur dann vorliegt, wenn sich dem geäußerten Willen des Ausländers entnehmen läßt, daß er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Meinungsunterschiede bestehen jedoch bei der Subsumtion des Sachverhalts, nämlich der nicht näher begründeten Berufung auf Asyl, unter die gesetzliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG. Damit betrifft der Streit die Auslegung dieser Rechtsnorm (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1956, II ZB 11/56, NJW 1957, 19, 20; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 28 Rdn. 13; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 28 Rdn. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 28 Rdn. 6).

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluß vom 25. Juni 2002 zurückgewiesen hat, ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG statthaft. Sie wurde vom Betroffenen form- und fristgerecht eingelegt (§§ 29 Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Zwar hat der Senat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme verneint, wenn sich in einer Abschiebungshaftsache die Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat (Senat, BGHZ 139, 254). Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen anerkannt (BVerfG,
Beschl. v. 5. Dezember 2001, NJW 2002, 2456). Dem ist das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß zu Recht gefolgt.
2. In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg , da die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht rechtmäßig war.

a) Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AuslG ist ein Ausländer zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn er aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ausweislich der Antragsschrift vom 23. April 2002 beabsichtigte die Ausländerbehörde der Antragstellerin, den Betroffenen nach Italien zurückzuschieben. Von dort aus war der Betroffene ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und ohne Paß und damit unerlaubt eingereist (§ 58 Abs. 1 AuslG). Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Durch die gegenüber der Polizei erfolgte Berufung auf "Asyl" hat der Betroffene keine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob die Erklärung des Betroffenen als Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG zu verstehen ist. Da der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylVfG) unerlaubt eingereist war, setzte die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einen förmlichen Asylantrag im Sinne von § 14 AsylVfG voraus, den der Betroffene jedoch erst nach der Haftanordnung gestellt hat. Soweit das vorlegende Gericht annimmt, bereits das – formlose – Asylgesuch könne eine Aufenthaltsgestattung begründen, wenn die Stelle, der gegenüber es geäußert wird, zu seiner Aufnahme und Weiterleitung
an die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet sei, findet dies in § 55 Abs. 1 AsylVfG keine Stütze. Die an das Asylgesuch anknüpfende Aufenthaltsgestattung nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der wirksamen Asylantragstellung zeitlich vorgelagert, um den durch die verfassungsrechtliche Asylgarantie geforderten Abschiebungs- und Verfolgungsschutz effektiv zu gewährleisten (Marx, AsylVfG, 3. Aufl., § 55 Rdn. 4). Der aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereiste Ausländer genießt aber nach Art. 16 a Abs. 2 GG kein Asylrecht, so daß in diesen Fällen für eine Vorverlagerung des Aufenthaltsrechts keine Veranlassung besteht. Darüber hinaus schreibt das Asylverfahrensgesetz eine Weiterleitung nur für schriftliche Asylanträge vor, die bei der Ausländerbehörde eingereicht werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Die Aufnahme eines mündlichen Antrags zur Niederschrift und dessen Weiterleitung , zumal durch die Polizei oder den Haftrichter, ist weder im Verwaltungsverfahrensgesetz noch im Asylverfahrensgesetz vorgesehen. Mündliche Anträge sind danach nur bei der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge möglich (Renner, a. a. O., § 14 Rdn. 5, 14; Marx, a. a. O., § 14 Rdn. 10). War dem Betroffenen damit der Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Haftanordnung – noch – nicht gestattet, dann bestehen an deren Rechtmäßigkeit keine Zweifel.

b) Unabhängig hiervon ist dem vorlegenden Gericht allerdings darin zuzustimmen , daß die Erklärung des Betroffenen gegenüber der Polizei nicht als Asylgesuch verstanden werden kann. Die vom Oberlandesgericht Köln vertretene Auffassung, allein die Verwendung des Wortes "Asyl" lasse darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle, verkennt , daß der Asylbegriff keinen vorgegebenen allgemeingültigen Inhalt hat, sondern als Rechtsbegriff der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
und die Rechtsprechung unterliegt. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß derjenige, der diesen Begriff verwendet, ihn gerade in dem durch § 13 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Sinn versteht. Denkbar ist weiterhin , daß dem jeweils Betroffenen die Bedeutung des Wortes "Asyl" überhaupt nicht bekannt ist (vgl. den der Entscheidung OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 390 zugrundeliegenden Sachverhalt). Ein Asylgesuch setzt daher mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus (OVG Münster, a. a. O; Marx, a. a. O, § 13 Rdn. 3). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucks. 9/875, S. 15). Hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen, insbesondere eine kurze Begründung seines Asylbegehrens, oder sonstige tatsächliche Umstände, die erkennen lassen, daß der Betroffene Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen politischen Verfolgung sucht (KG, FGPrax 1997, 116; Renner, a. a. O., § 13 AsylVfG, Rdn. 4 f; GK-AsylVfG, Stand: Juli 1998, § 13 Rdn. 38 f). Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Den Angaben des Betroffenen gegenüber der Polizei läßt sich lediglich entnehmen, daß er bereit ist zu arbeiten. Dies deutet eher darauf hin, daß seine Einreise wirtschaftlich motiviert war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 3 FEVG.
4. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über die sofortige weitere Be- schwerde war mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 114 ZPO i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG, § 14 FGG).
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch