Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Aug. 2013 - 3 Wx 27/13

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2013:0812.3WX27.13.0A
bei uns veröffentlicht am12.08.2013

Tenor

1. Den Beteiligten zu 3. bis 6. wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.

2. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3. und 6. wird der Beschluss des Amtsgerichts Norderstedt vom 30. Juli 2012 geändert:

Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 155.000,00 €.

Gründe

I.

1

Die am 20. Juli 2010 verstorbene Erblasserin hatte aus ihrer Ehe mit ihrem 1995 vorverstorbenen Ehemann … zwei Kinder, nämlich den Beteiligten zu 1. (B) und den wenige Wochen vor der Erblasserin – nämlich am …. – vorverstorbenen Herrn A. (Sterbeurkunde Bl. 114 d.A.). Herr A. seinerseits hatte ein einziges leibliches Kind, nämlich den Beteiligten zu 2. (X). Die Beteiligten zu 3. bis 6. sind die Kinder des Beteiligten zu 2., also die Urenkel der Erblasserin.

2

Nach dem Tod der Erblasserin übersandte der Notar … aus … dem Nachlassgericht die Kopie eines gemeinschaftlichen handschriftlichen Testamentes der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes vom 19. März 1975 mit dem Hinweis, er habe diese Kopie in der zu seiner Urkunde …/2002 geführten Akte gefunden (dabei handelt sich um ein notarielles Testament der Erblasserin, siehe sogleich unten). In dem erwähnten gemeinschaftlichen Testament heißt es:

3

„Unser letzter Wille
Wir, die Eheleute …, setzen uns gegenseitig als Vorerben ein.
Der Vorerbe ist berechtigt, ohne Zustimmung der Nacherben, allein über Grund- bzw. Wohnungseigentum zu verfügen. Diese alleinige Verfügungsberechtigung erlischt bei Wiederheirat des Überlebenden, d.h. ein Verkauf des Besitzes ohne Zustimmung der Nacherben wird dann ausgeschlossen. Die Nacherben können jedoch von sich aus den Verkauf eines solchen Besitzes nicht verlangen.
Als Nacherben zu gleichen Teilen bestimmen wir unsere beiden Kinder A (geb. …) und B (beb. …).. .
Die Nacherbfolge soll beim Tode des Überlebenden eintreten. Das soll auch gelten, wenn der Überlebende noch einmal geheiratet hatte.“

4

Zu der genannten UR-Nr. …/2002 des Notars …. vom 14. Mai 2002 erklärte die Erblasserin u.a. wie folgt:

5

„Ich habe zusammen mit meinem inzwischen verstorbenen Ehemann … am 19. März 1975 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem mein Ehemann und ich uns gegenseitig zu Vorerben eingesetzt haben. Zu Nacherben haben wir, untereinander zu gleichen Teilen, unsere beiden Söhne A und B bestimmt. Unser gemeinschaftliches Testament berechtigt den Vorerben, ohne Zustimmung der Nacherben allein über Grund- und Wohnungseigentum zu verfügen.

6

Die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 19. März 1975 getroffenen Verfügungen sind nicht wechselbezüglich, weil der der länger lebende Ehegatte ausdrücklich ohne Zustimmung der Nacherben allein über Grund- bzw. Wohnungseigentum verfügen können soll. Hinzu kommt, dass im Zweifel solche Erbeinsetzungen nicht wechselbezüglich sind, bei denen nach dem Tode des länger lebenden Ehegatten allein die gemeinschaftlichen Kinder ohne weitere testamentarische Anordnungen zum Zuge kommen.

7

Ich möchte das gemeinschaftliche Testament in folgenden Punkten ändern:

8

1. Meinen drei Urenkeln, den Kindern meines Enkels X, nämlich … vermache ich – untereinander zu gleichen Teilen – meine Eigentumswohnung …

9

2. Meinem Enkel X … vermache ich ein lebenslanges unentgeltliches Nutzungsrecht an der Wohnung …

10

5. Im Übrigen bleibt das gemeinschaftliche Testament vom 19. März 1975 unangetastet. Dies betrifft insbesondere die Schlusserbeneinsetzung meiner beiden Söhne A und B zu je der Hälfte des Nachlasses.

11

7. Diese Testamentsänderung soll zusammen mit dem Original des

12

gemeinschaftlichen Testaments vom 19. März 1975 in amtliche Verwahrung genommen werden.

13

Schließlich erklärte die Erblasserin zur UR-Nr. …/2010 des Notars …. vom 8. Juli 2010 u.a. wie folgt:

14

„Ich habe zusammen mit meinem am 4. März 1995 verstorbenen Ehemann … handschriftlich am 19. März 1975 testiert, ich habe dieses Testament zu Protokoll des Notars … am 14. Mai 2002 (UR-Nr. …/2002) geändert. Ich möchte nochmals neu testieren …

15

Frau … erklärte ihren letzten Willen wie folgt:

16

1. Ich hebe mein Testament vom 14. Mai 2002 in vollem Umfang auf.

17

2. Zu meinen Erben setze ich untereinander zu gleichen Teilen, meine Urenkel ein, zurzeit … (es folgen die Namen der Beteiligten zu 3. bis 6.).

18

5. Dieses Testament soll beim Amtsgericht Norderstedt bei den beiden anderen Testamenten hinterlegt werden …

19

Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1. (B) zur UR-Nr. …/2010 des Notars … vom 8. Dezember 2010 die Erteilung eines Erbscheins, wonach die Erblasserin beerbt worden sei von ihm und dem Beteiligten zu 2. zu je 1/2-Anteil. In der Urkunde wird ausgeführt, nach Auffassung des Beteiligten zu 1. richte sich die Erbfolge nach dem handschriftlichen Testament vom 19. März 1975 und seien die nachfolgenden Verfügungen der Erblasserin unwirksam. Die Verfügung in dem handschriftlichen Testament, insbesondere die Erbeinsetzung der Kinder der Erblasser seien wechselbezüglich und es sei mit dem Tod des Herrn … im Jahr 1995 Bindungswirkung eingetreten. Allerdings sei sein Bruder A am … 2010 vorverstorben. Gemäß der Auslegungsregel des § 2069 BGB gehe er davon aus, dass der Abkömmling seines Bruders, nämlich Herr X seinen Bruder in der Erbfolge ersetze.

20

Der Beteiligte zu 2. (X) meldete sich unter dem 10. Dezember 2010 bei dem Amtsgericht Norderstedt und teilte mit, er werde selber den Pflichtteil von 25 % geltend machen. Im Übrigen habe er das hälftige Sorgerecht für seine Kinder, die Beteiligten zu 3. bis 6. und er werde kurzfristig einen Erbscheinsantrag stellen. Er selbst sei als einziger Sohn seines vorverstorbenen Vaters dessen Erbnachfolger.

21

Die Beteiligten zu 3. bis 6., für die jeweils Ergänzungspfleger bestellt worden sind, haben geltend gemacht, die Nacherbeneinsetzung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 19. März 1995 seien nicht wechselbezüglich. Die Erblasserin habe bereits in dem vom Notar … 2002 protokollierten Testament angegeben, dass sie sich durch die 1975 getroffenen Verfügungen nicht gebunden fühle. Erben seien die Beteiligten zu 3. bis 6. geworden. In dem fraglichen Testament sei Schlusserbeneinsetzung nicht erfolgt. Die Auslegung ergebe, dass der Überlebende über seinen eigenen Nachlass verfügungsberechtigt sei und bleiben solle.

22

Zu Protokoll der Rechtspflegerin des Amtsgerichts … vom 26. März 2012 beantragte die Ergänzungspflegerin des Beteiligten zu 6. für diesen einen Erbschein, wonach die Erblasserin beerbt worden sei von den Beteiligten zu 3. bis 6. zu je 1/4-Anteil. Dieser Antrag stütze sich – so weiter in der Urkunde – auf die letzte Verfügung der Erblasserin von Todes wegen vom 8. Juli 2010. Wechselbezüglichkeit in dem handschriftlichen Testament habe nicht bestanden. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden worden.

23

Der für den Beteiligten zu 1. tätig gewordenen Notar teilte dem Amtsgericht Norderstedt auf dessen Frage unter dem 20. April 2012 mit, dass bei Verfassung des Testamentes aus dem Jahr 1975 ein Grundvermögen in Höhe von 70.000,00 DM bestanden habe, wobei Eigentümer der Immobilie Y die Erblasserin und ihr Ehegatte gewesen seien.

24

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. bis 6. teilte unter dem 4. Juni 2012 mit, die Eigentumswohnung der Erblasserin in … sei erst nach dem Tode des Herrn … von der Erblasserin erworben worden. Zu Lebzeiten seien die Eheleute Eigentümer einer Immobilie Y gewesen, die noch zu Lebzeiten der Erblasserin verkauft worden sei, der Kaufpreis sei auf einen Notaranderkonto hinterlegt (Kaufvertragsurkunde vom ...). Zur Frage der Fortgeltung des nicht mehr auffindbaren gemeinschaftlichen Testamentes solle nicht weiter vorgetragen werden. Der Inhalt des gemeinschaftlichen Testamentes zeige aber, dass die Testierenden genaue Vorstellungen über die Wirkung der Vor- und Nacherbschaft gehabt hätten. Dadurch, dass sie bewusst darauf verzichtet hätten, eine Erbfolgeregelung für den Fall des Todes des Überlebenden zu treffen, hätten sie zu erkennen gegeben, dass sie den Überlebenden in seinem Recht, über seinen eigenen Nachlass zu verfügen, nicht hätten einschränken wollen. Dafür streite nicht zuletzt die Tatsache, dass gerade die Frage der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament bei der Errichtung des Testament am 14. Mai 2002 Gegenstand der Überlegungen der Erblasserin gewesen sei. Diese sei nicht von der Wechselbezüglichkeit ausgegangen. Die Auslegungsregel des § 2102 BGB greife nicht, weil die Testierenden die Söhne im gemeinschaftlichen Testament nur als Vorerben und nicht als Schlusserben eingesetzt hätten.

25

Mit Beschluss vom 30. Juli 2012 hat das Amtsgericht die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins des Beteiligten zu 1. erforderlich seien, für festgestellt erachtet. Es hat weiter mitgeteilt, es beabsichtige, dem Beteiligten zu 1. einen Erbschein dahin zu erteilen, dass die Erblasserin beerbt worden sei zu jeweils 1/2-Anteil von den Beteiligten zu 1. und 2.. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses werde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.

26

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es habe keinen Zweifel daran, dass das am 19. März 1975 von der Erblasserin und ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtete Testament nicht wirksam aufgehoben worden sei, auch wenn nur eine Kopie vorliege. Dies genüge hier zum Nachweis der Existenz des Testamentes. Dass es nicht aufgehoben worden sei, folge aus den Erklärungen der Erblasserin in ihrem Testament vom 14. Mai 2002.

27

Dieses Testament sei durch die Testamente der Erblasserin vom 14. Mai 2002 und 8. Juli 2010 nicht wirksam widerrufen worden. Die Erblasserin und ihr Ehemann hätten den Fall des Vorversterbens des Vorerben nicht ausdrücklich geregelt und keine ausdrückliche Regelung dahin getroffen, dass die Nacherben zugleich als Ersatzerben für den Fall des Überlebens eines Ehegatten eingesetzt werden sollten. Dass die Eheleute dieses hätten ausdrücklich ausschließen wollen, sei dem Testament aber nicht zu entnehmen. Es sei daher die Zweifelsregel des § 2102 Abs. 1 BGB anzuwenden, wonach der Nacherbe im Zweifel auch als Ersatzerbe eingesetzt sei. Diese Regelung sei auch auf den Fall anzuwenden, wonach sich Eheleute gegenseitig als Vorerben eingesetzt hätten und einen Dritten als Nacherben. Die Regelung hinsichtlich der Befreiung des Vorerben hätte diesen lediglich in die Lage versetzen sollen, über den fraglichen Gegenstand – damals sei nur Grundeigentum Y vorhanden gewesen – zu verfügen. Daraus folge aber nicht, dass der Überlebende auch frei sein sollte über den Nachlass (von Todes wegen) zu verfügen. Die Erblasserin sei gemäß § 2271 Abs. 2, Satz 1, Halbsatz 1 BGB daran gehindert, diese Ersatzerbenregelung zu widerrufen, weil auch diese wechselbezüglich sei. Das folge nach der Beurteilung des Gerichts zum Einen aus der Formulierung zur Wiederheirat. Läge diese nicht vor, wäre jedenfalls nach der Regelung des § 2270 Abs. 2 BGB Wechselbezüglichkeit anzunehmen. Die Erbfolge des Beteiligten zu 2. sei gemäß § 2069 BGB eingetreten.

28

Gegen diesen dem Ergänzungspfleger der Beteiligten zu 3. bis. 5. am 3. August 2012 und dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 6. am 6. August 2012 zugestellten Bescheid (Bl. 163, 165 d.A.) hat der Ergänzungspfleger der Beteiligten zu 3. bis 5. am 3. September 2012 (Bl. 168 d.A.) und der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3. bis 6. auch für den Beteiligten zu 6. am 4. September 2012 (Bl. 170 d.A.) Beschwerde eingelegt und zugleich Verfahrenskostenhilfe für die Beteiligten zu 3. bis 6. im Beschwerdeverfahren unter seiner Beiordnung beantragt.

29

Zur Begründung der Beschwerde und des Verfahrenskostenhilfeantrags ist ausgeführt worden:

30

Das Amtsgericht habe der Tatsache zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen, dass das Testament vom 19. März 1975 schon beim ersten Erbfall nicht mehr vorhanden gewesen sei. Die Existenz dieses Testamentes sei weder mit den strengen von der Rechtsprechung geforderten Beweismitteln nachgewiesen, noch überhaupt nachzuweisen. In dem Testament vom 14. Mai 2002 sei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass das gemeinschaftliche Testament aufgehoben worden sei. Eine solche Erklärung hätte die Erblasserin aber auch nicht abgeben können, weil sie mit dem nicht in Urschrift existenten gemeinschaftlichen Testament den Erbschein nach ihrem Ehemann beantragt hätte. Deshalb sei die Frage der Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments in der Urkunde am 14. Mai 2002 weder erörtert noch geklärt worden.

31

Zu Unrecht gehe das Amtsgericht davon aus, dass die Erblasserin an der Einsetzung der Enkelkinder gemäß § 2271 Abs. 2, Satz 1, Halbsatz 1 BGB gehindert gewesen sei. Ohne Wechselbezüglichkeit könne bei einem gemeinschaftlichen Testament aber keine Bindung eintreten. Andererseits sei eine Wechselbezüglichkeit ohne Bindung sehr wohl zulässig. Es müsse deshalb – wolle man von der Unwirksamkeit der von der Erblasserin nachträglich geschlossenen Testamente ausgehen – sowohl die Wechselbezüglichkeit als auch die Bindung des gemeinschaftlichen Testamentes geprüft und festgestellt werden. Das Gericht hätte insbesondere die Zölibatsklausel darauf prüfen müssen, ob die Testierenden sich 1975 vorgestellt hätten, dass der Nachlass des Erstversterbenden und das Eigenvermögen des Überlebenden voneinander getrennt würden und damit der Nachlass auch getrennt vererbt werden könne. Dafür spreche einerseits die eingeräumte Verfügungsbefugnis über den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz, die dem Überlebenden größtmögliche Entscheidungsfreiheit gewähren solle und andererseits der Hinweis in dem notariellen Testament vom 14. Mai 2002, dass die Testierenden keine wechselbezüglichen Verfügungen hätten treffen wollen. Das deute darauf hin, dass die Erblasserin auf jeden Fall über ihr eigenes Vermögen hätte frei verfügen können sollen.

32

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. haben im Beschwerdeverfahren unter Hinweis auf einen Beschluss des OLG Hamm vom 29. März 2011, 10 U 112/10, erklärt, es bestehe eindeutig eine Bindungswirkung der Erblasserin an ihr ursprünglich am 19. März 1975 errichtetes Testament.

II.

33

Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

34

Über die Beschwerde kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. Senat Beschluss vom 14. Januar 2010, 3 Wx 92/09, FGPrax 2010, 106 ff = FamRZ 2010, 1178 ff; zustimmend KG, Beschluss vom 29. Juni 2010, 1 W 161/10, bei juris Rn. 10 ff) worauf die Beteiligten mit Verfügung vom 1. März 2013 hingewiesen worden sind, ohne dass sie Bedenken erhoben haben.

35

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zwar dürfte der Beteiligte zu 1. (der Antragsteller) testamentarischer Erbe nach der Erblasserin zu ½ geworden sein, jedenfalls aber nicht ebenso der Beteiligte zu 2. Dann kann der Erbschein nicht wie beantragt erlassen werden und ist der Antrag mithin zurückzuweisen, denn das Nachlassgericht kann nicht von sich aus einen anderen Erbschein als beantragt erlassen.

36

Das ergibt sich aus folgenden Gründen:

1.

37

Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1., wonach die Erblasserin von diesem und dem Beteiligten zu 2. zu je 1/2 beerbt worden ist, kann ersichtlich nur auf der Grundlage des Testamentes aus dem Jahr 1975, also des handschriftlichen Ehegattentestamentes, Erfolg haben. Von dessen Existenz noch beim ersten Erbfall (Ehegatte der Erblasserin) und dessen Inhalt gemäß der vorliegenden Kopie ist der Senat überzeugt, auch wenn das Original fehlt.

38

Weil es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt und der Ehegatte der Erblasserin bereits 1995 verstorben ist, hätte eine Eröffnung anlässlich des Todes des Ehemannes erfolgen müssen. Ob das geschehen ist, lässt sich aber nicht mehr feststellen. Ausweislich Bl. 29 der Testaments-Beiakte hat der Ehemann der Erblasserin in Hamburg gelebt. Deswegen hat das Amtsgericht Norderstedt bei dem zuständigen Hamburger Amtsgericht Nachfrage gehalten, dort aber die (aufgestempelte) Antwort „Vorgang nicht vorhanden“ erhalten. Es ist daraufhin nach der Erblasserin die Testamentskopie eröffnet worden, die sich bei den Akten zur UR-Nr. …/2002 des Notars … befand. In dieser Urkunde des Notars … wird das Testament vom 19. März 1975 nicht nur in Bezug genommen, sondern heißt es in dessen letzten (7.) Punkt, dass die Testamentsänderung zusammen mit dem Original des gemeinschaftlichen Testamentes vom 19. März 1975 in amtliche Verwahrung genommen werden solle. Der Verwahrungsschein findet sich nach Bl. 12 der Testamentsakte in Kopie, enthält aber keinen Hinweis auf ein beigefügtes gemeinschaftliches Testament.

39

Erstinstanzlich haben sich die beteiligten Anwälte nicht ausdrücklich dagegen gewandt, von der Existenz des gemeinschaftlichen Testamentes im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes der Erblasserin auszugehen. Erstmals ist der Beschwerdebegründung (Bl. 174 d.A.) zu entnehmen, dass das fragliche Testament offenbar schon beim ersten Erbfall nicht mehr vorhanden gewesen sein soll. Die Erblasserin habe deshalb in ihrem Testament vom 14. Mai 2002 nicht ausdrücklich darauf hinweisen können, dass das gemeinschaftliche Testament aufgehoben worden sei, weil sie mit dem nicht in Urschrift existenten gemeinschaftlichen Testament den Erbschein nach ihrem Ehemann beantragt habe. Für diese Darstellung der Beteiligten zu 3. bis 6. – also der Urenkel der Erblasserin – lassen sich der Akte und den Beiakten allerdings keine Hinweise entnehmen.

40

Am 22. September 1996 (ausweislich Bl. 83 der Beiakte 33 VI 565/12) ist indes wegen des Grundeigentums auf Fehmarn in das dortige Grundbuch eingetragen worden:

41

„Die Erbbauberechtigte Abteilung I Nr. 2 ist befreite Vorerbin. Die Befreiung erlischt mit ihrer Wiederheirat. Nacherben sind A und B. Der Nacherbfall tritt ein mit dem Tode der Vorerbin.“

42

Es handelt sich hier um die Immobilie Y, die schon zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes im Jahr 1975 im Miteigentum der Erblasserin und ihres Ehegatten stand (Bl. 119 d.A.). Hat offensichtlich eine Umschreibung allein auf die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes stattgefunden, muss dort gegenüber dem Grundbuchamt gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ein Erbschein vorgelegt worden sein. Die Grundbucheintragung ist mithin ein Indiz dafür, dass das Ehegattentestament nach dem Tod des Ehemannes der Erblasserin im Jahr 1995 noch existiert hat. Weitere Indizien sind die beiden notariellen Einzeltestamente der Erblasserin aus den Jahren 2002 und 2010, wo jeweils von der Existenz des Ehegattentestamentes ausgegangen wird.

43

Zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts ist gemäß den §§ 2355, 2356 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Originalurkunde vorzulegen, auf die der Antragsteller sein Erbrecht stützen möchte. Bei Unauffindbarkeit des Testamentes besteht zwar keine Vermutung dafür, dass es der Erblasser vernichtet hat. Wer sich aber auf ein unauffindbares Testament beruft, muss die formgültige Errichtung und den Inhalt des Testaments beweisen und trägt im Erbscheinsverfahren insoweit die Feststellungslast. An den Nachweis sind wegen der für die Errichtung des Testaments geltenden Formvorschriften strenge Anforderungen zu stellen (Senatsbeschluss vom 12. September 2011, 3 Wx 44/10, FamRZ 2012, 903 ff; BayObLG FamRZ 2005, 138 f; OLG München NJW-RR 2010, 1664; OLG Saarbrücken, FamRZ 2001, 1313 ff).

44

Mit dem Amtsgericht kann sich der Senat im vorliegenden Fall eine Überzeugung von der Existenz, dem Inhalt und der Formgültigkeit des Ehegattentestamentes aus den Jahren 1975 bilden. Der Grundbucheintrag aus dem Jahr 1996 setzt voraus, dass der Erblasserin ein Erbschein erteilt worden ist. Der Grundbucheintrag gibt gerade den zentralen Inhalt des in Kopie vorliegenden Ehegattentestamentes wieder, nämlich die Vorerbschaft der Erblasserin, die Befreiung von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft - die allerdings mit Wiederheirat erlischt -, den Eintritt des Nacherbfalles beim Tode der Vorerbin und die Bestimmung des Beteiligten zu 1. (B) sowie seines vorverstorbenen Bruders A zu Nacherben. Ein Erbschein kann nur erteilt worden sein, nachdem sich das dort zuständige Nachlassgericht von der Existenz, dem Inhalt und der Formgültigkeit des fraglichen Testamentes überzeugt hat.

45

Ein weiteres erhebliches Indiz ist im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Erblasserin selbst bei ihrem notariellen Testament aus dem Jahr 2002 ohne weiteres von der Existenz und auch dem Fortbestand des Ehegattentestamentes ausgegangen ist. Ein Widerruf des gemeinschaftlichen Testamentes wäre nur durch ein anderes gemeinschaftliches Testament der Eheleute oder durch einseitige notarielle Erklärung eines der Eheleute jeweils mit notwendigen Zugang bei dem anderen möglich, wie sich aus den §§ 2271 Abs.1 Satz 1, 2296 BGB ergibt. Ein anderes Ehegattentestament oder ein derartiger notarieller Widerruf sind nicht bekannt und davon ist die Erblasserin auch 2002 bzw. 2010 ersichtlich nicht ausgegangen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass seitens des Ehemannes der Erblasserin bzw. der Erblasserin irgendeine Veranlassung bestanden hätte, das gemeinschaftliche Testament zu widerrufen. Auch ist nicht ersichtlich, dass sich die Erblasserin wider besseres Wissen auf ein nicht mehr gültiges Ehegattentestament berufen hat. Vielmehr liegt hier ein Selbstzeugnis der Erblasserin betreffend die Existenz des Ehegattentestamentes im Zeitpunkt des ersten Erbfalles vor, das durch das jedenfalls in Fotokopie in der Notarakte vorhandene Exemplar ergänzt wird.

46

Nach allem kann der Senat auch die Überzeugung von dem Inhalt und der Formgültigkeit des Testamentes gewinnen.

2.

47

Das Ehegattentestament aus dem Jahr 1975 enthält eine Einsetzung der beiden Söhne der Ehegatten als Erben zu je 1/2 nach dem Überlebenden.

48

Zwar kann dies dem Wortlaut des Testamentes nicht entnommen werden. Denn das Testament regelt ausdrücklich nur die gegenseitige Einsetzung der Eheleute als Vorerben und die Bestimmung der beiden gemeinsamen Kinder als Nacherben zu gleichen Teilen, wobei die Nacherbfolge beim Tode des Überlebenden eintreten soll. Damit wäre dem Wortlaut folgend die Erbfolge nach dem Überlebenden nicht geregelt.

49

Allerdings findet sich in der Rechtsprechung eine Vielzahl von Fällen, wo sich Eheleute jeweils in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Vorerben bestimmt und die gemeinsamen Kinder als Nacherben berufen haben, ohne eine ausdrückliche Regelung für die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten zu treffen, und wo sich dennoch aus diesen Testamenten die Erbfolge nach dem Letztversterbenden ergibt, nämlich entweder durch – vorrangig zu prüfende – individuelle Auslegung oder aber durch Heranziehung der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB (OLG Frankfurt NJW-RR 2012, 776 ff; OLG Hamm, FamRZ 2005, 1592 ff; OLG Celle FamRZ 2003, 887 f; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 582 f; BayObLG FamRZ 1992, 476 f).

50

Betrachtet man im vorliegenden Fall den Wortlaut des Ehegattentestamentes, ergibt sich aus der Regelung über die Wiederverheiratung ein Hinweis darauf, dass die Eheleute die Vorstellung hatten, mit diesem Testament auch die Erbfolge nach dem Überlebenden dahin zu regeln, dass die eingesetzten Nacherben insoweit Ersatzerben sein sollen. Denn zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Testamentes gab es allein das Grundeigentum Y, wo die Eheleute aber Miteigentümer waren. Hätten die Eheleute bei Testamentserrichtung die Vorstellung gehabt, dass sie nur die Erbfolge nach dem Erstversterbenden regeln, dann hätte es nahegelegen, hinsichtlich des Grundeigentums anzugeben, dass sich die Bestimmungen dort jeweils nur auf den Miteigentumsanteil des Erstversterbenden beziehen.

51

Neben diesem Anhalt aus dem Testamentswortlaut ist zu fragen, ob sich nicht aus den sonstigen Umständen weitere Anhaltspunkte für die seinerzeitige Vorstellung der Ehegatten ergeben. Insoweit kann von Bedeutung sein, wie der jeweilige Überlebende das Testament verstanden hat (so auch im Fall des OLG Frankfurt NJW-RR 2012, 776 ff bei juris Rn. 25). Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Erblasserin ausweislich ihres Testamentes aus dem Jahr 2002 ausdrücklich nicht nur geregelt hat, dass das gemeinschaftliche Testament im Übrigen unangetastet bleiben solle, sondern zusätzlich bestimmt hat, dass dies „insbesondere die Schlusserbeneinsetzung meiner beiden Söhne … zu jeder Hälfte des Nachlasses“ betrifft. Die Erblasserin hat in diesem Testament aus dem Jahr 2002 nur Vermächtnisse geregelt und ist im Übrigen ohne weiteres davon ausgegangen und hat bestätigt, dass sie das gemeinschaftliche Testament dahin versteht, dass dort auch eine Regelung der Erbfolge nach ihr selbst als Überlebende enthalten ist, nämlich dahingehend, dass ihre beiden Söhne „Schlusserben“ sein sollten.

52

Dabei kann sich nicht nur um eine juristische Interpretation des beurkundeten Notars handeln. Diesem lag der Text des Ehegattentestamentes mindestens in Kopie vor und er muss ihn auch ausweislich des übrigen Inhaltes der Urkunde aus dem Jahr 2002 mit der Erblasserin besprochen haben. Die Erblasserin aber hat keine Veranlassung gesehen, 2002 eine Erbeinsetzung zu verfügen, denn sie ist ohne weiteres davon ausgegangen und hat dies ausdrücklich bestätigt, dass die Erbeinsetzung nach ihr – der Überlebenden – eben aus ihrer Sicht schon in dem Testament von 1975 vorhanden war. Das ist ein deutlicher Hinweis auch auf das gemeinschaftliche Verständnis der Eheleute anlässlich der Beurkundung 1975.

53

Der Senat kommt mithin bereits im Wege der individuellen Auslegung zu dem Ergebnis, dass sich aus dem Testament von 1975 eine Berufung der beiden Söhne zu Miterben zu je 1/2 nach dem Überlebenden ergibt. Es bedarf mithin nicht der Heranziehung der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB, die hier allerdings zu dem gleichen Ergebnis führen würde (für die Anwendbarkeit dieser Norm in derartigen Fallkonstellation vgl. die bereits zitierte obergerichtliche Rechtsprechung und Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auflage 2013, § 2102 Rn. 3; Schneider in jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, § 2102 Rn. 6; Litzenburger in Bamberger/Roth, BGB, 2. Auflage 2008, § 2102 Rn. 5).

3.

54

An die Stelle des in dem Testament als Miterben nach dem Überlebenden berufenen, aber wenige Wochen vor dem Tod der Erblasserin vorverstorbenen Sohnes A, wäre dessen einziger Sohn, nämlich der Beteiligte zu 2. (X), nur unter Heranziehung der Auslegungsregel des § 2069 BGB getreten.

55

Davon geht der Beteiligte zu 1. in seinem Erbscheinsantrag aus, ebenso das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss. Beide berufen sich ausdrücklich auf die Heranziehung der Auslegungsregel des § 2069 BGB.

56

Vor Heranziehung der Auslegungsregel ist indes zu fragen, ob sich durch individuelle Auslegung ergibt, dass nach dem Willen der testierenden Eheleute anstelle eines vorverstorbenen Kindes dessen Abkömmlinge treten sollen. Die Fragestellung ist hier deshalb von Bedeutung, weil es – wenn die Berufung des Beteiligten zu 2. zum Erben nur auf § 2069 BGB beruht – im Folgenden möglicherweise bei der unten zu diskutierenden Frage der Wechselbezüglichkeit zu einer Kumulation mit der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB kommen könnte, was nach der BGH-Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, nicht möglich ist und zu dem zwangsläufigen Ergebnis führt, dass die letztlich auf Anwendung der Zweifelregel in § 2069 BGB beruhende Berufung des Beteiligten zu 2. nicht wechselbezüglich ist, eine etwa bestehende Bindung der Erblasserin jedenfalls mit dem Tode des Sohnes A in Wegfall gekommen ist, mithin in Bezug auf diese Hälfte ihres Nachlasses wieder Testierfreiheit eintritt und das Testament aus dem Jahr 2010 zur Anwendung kommen würde.

57

Durch individuelle Auslegung des Testamentes aus dem Jahre 1975 lässt sich die Berufung des Enkels – nämlich des Beteiligten zu 2. – nicht erkennen. Zwar war der Enkel zu diesem Zeitpunkt bereits geboren, denn sein Geburtsdatum ist der … 1973 (Bl. 113 d.A.). Indes gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute sich im Testierzeitpunkt 1975 konkrete Vorstellungen darüber gemacht haben, was passieren würde, wenn einer ihrer Söhne vorversterben würde. Das OLG Hamm hat zwar (in FamRZ 2004, 662 f) für eine individuelle Auslegung ausreichen lassen, dass es eine besondere Intensität der familiären Bindungen zwischen den testierenden Großeltern und den Enkelkindern festgestellt hat. Indes greift in solchen Fällen letztlich nur die allgemeine Lebenserfahrung, dass Testierende bei guten familiären Bindungen an Stelle ihres Kindes die Enkelkinder berufen hätten, wenn sie denn von dem Vorversterben ausgegangen wären. Diese allgemeine Lebenserfahrung liegt gerade der Auslegungsregel des § 2069 BGB zugrunde (vgl. ähnlich bereits die Argumentation des OLG Schleswig im Beschluss vom 25. Juni 2010, ZErb 2010, 264 ff mit zustimmender Anmerkung von Lange, jurisPR-FamR 21/2010, Anm. 6).

4.

58

Es ist weiter zu prüfen, ob die Berufung des Beteiligten zu 1. (durch individuelle Auslegung) und des Beteiligten zu 2. (unter Heranziehung von § 2069 BGB) als Erben der Erblasserin in dem Testament von 1975 wechselbezüglich ist und insofern auch eine Bindung der Erblasserin nach den §§ 2270, 2271 Abs. 2 BGB mit dem Tod ihres Ehemannes und ihrer Annahme der Erbschaft eingetreten ist. Das ist aber hinsichtlich des Beteiligten zu 2. nicht der Fall.

59

Auch hier ist vorrangig zu fragen, ob sich eine Wechselbezüglichkeit und eine Bindung bereits durch individuelle Auslegung ergibt oder ob sie durch individuelle Auslegung auszuschließen ist. Ausdrücklich ist in dem fraglichen Testament zur Frage der Wechselbezüglichkeit aber nichts erwähnt. Durch individuelle – auch ergänzende Auslegung – lassen sich Wechselbezüglichkeit und Bindung für die Berufung des Beteiligten zu 2. nicht feststellen.

a.

60

Die Beteiligten zu 3. bis 6. sehen einen wesentlichen Hinweis gegen eine von den Erblassern seinerzeit gewollte Wechselbezüglichkeit in der Erklärung der Erblasserin in dem Testament aus dem Jahr 2002. Dort heißt es nämlich, die in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen seien nicht wechselbezüglich, weil der länger lebende Ehegatte ohne Zustimmung der Nacherben allein über Grund- bzw. Wohnungseigentum hätte verfügen können sollen. Es komme hinzu, dass im Zweifel solche Erbeinsetzungen nicht wechselbezüglich seien, bei denen nach dem Tode des länger lebenden Ehegatten die gemeinschaftlichen Kinder ohne weitere testamentarische Anordnungen zum Zuge kommen würden.

61

Die von den Beteiligten zu 3. bis 6. hier in Bezug genommene Passage ist in der Urkunde von 2002 zwar als Erklärung der erschienen Erblasserin aufgenommen worden. Dieser Erklärung lassen sich aber keine konkreten Hinweise auf gemeinschaftliche Vorstellungen der beiden Ehegatten bei der Testierung 1975 entnehmen. Die in der Erklärung liegende Interpretation ist hinsichtlich der dort genannten angeblichen Zweifelsregel ersichtlich falsch und widerspricht gerade der gesetzlichen Auslegungsregel in § 2270 Abs. 2 BGB. Sie ist aber auch hinsichtlich der Bezugnahme auf die im Testament geregelte Verfügungsmöglichkeit des Überlebenden über Grund- und Wohnungseigentum nicht richtig. Denn diese Passage regelt keine Verfügungsmöglichkeit von Todes wegen und kann deshalb auch nichts darüber aussagen, ob und inwieweit Verfügungen von Todes wegen in dem Ehegattentestament wechselbezüglich sein sollen und eine Bindung des Überlebenden vorliegt. Danach soll der Vorerbe nämlich nur berechtigt sein, „ohne Zustimmung der Nacherben“ allein über Grund- bzw. Wohnungseigentum zu verfügen. Diese alleinige Verfügungsberechtigung soll bei Wiederheirat des Überlebenden erlöschen, „d.h. ein Verkauf des Besitzes ohne Zustimmung der Nacherben wird dann ausgeschlossen“. Die Wortwahl macht deutlich, dass die Testierenden bei diesen Sätzen betreffend die Verfügungsmöglichkeit des Überlebenden über das Grundeigentum nur eine Verfügung unter Lebenden geregelt haben, nicht aber die Möglichkeit auch einer Verfügung von Todes wegen.

62

Aus der genannten Passage in dem Testament von 2002 ergibt sich mithin kein Anhalt dafür, dass die Eheleute eine Wechselbezüglichkeit der Berufung ihrer beiden Söhne und eine Bindung des Überlebenden nicht gewollt haben.

b.

63

Das Amtsgericht hat argumentiert, dass sich die Wechselbezüglichkeit der „Ersatzerbenregelung“ und damit die zwischenzeitlich eingetretene Bindung der Erblasserin „aus der Formulierung zur Wiederheirat“ und deshalb in erster Linie aus individueller Auslegung ergeben solle. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Der Passage über den Fall der Wiederheirat lässt sich nichts Konkretes zum Problem des Ersatzerben entnehmen.

64

Allerdings wird im klassischen Fall eines Ehegattentestaments, wo sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzen, zwischen der Erbeinsetzung des Überlebenden und dessen Schlusseinsetzung der Kinder Wechselbezüglichkeit bereits ohne Heranziehung der Auslegungsregel angenommen (vgl. etwa Schmidt in Erman, BGB, 13. Auflage 2011, § 2270 Rn. 2). Hinsichtlich des Beteiligten zu 2. ist hier aber zu bedenken, dass es sich bei ihm – für den sich eine Berufung zum Ersatzerben nur über § 2069 BGB ergibt, s.o. – um einen Enkel der Eheleute handelt. Insoweit ist kein Anhalt ersichtlich, um über eine individuelle Auslegung zur Wechselbezüglichkeit und Bindung zu kommen. Allerdings folgt dieses Ergebnis aus der Heranziehung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 Hs. 2 Alt. 1 BGB.

c.

65

Damit aber kommt es hinsichtlich des Beteiligten zu 2. zu einer Kumulation der beiden Auslegungsregeln aus § 2270 Abs. 2 BGB und § 2069 BGB, die nach der Rechtsprechung des BGH nicht möglich ist (BGH NJW 2002, 1126; ebenso OLG Schleswig a.a.O.; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2270 Rn. 10 m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass eine Bindung hinsichtlich der Ersatzerbenberufung des Beteiligten zu 2. nicht vorliegt und die Erblasserin insoweit abweichend vom Ehegattentestament testieren konnte. Mit dem Versterben ihres im Testament genannten Sohnes A wenige Wochen vor ihrem eigenen Tod ist die ursprünglich wechselbezügliche und bindende Verfügung hinsichtlich dieses Sohnes gegenstandslos geworden und hat die Erblasserin ihrer Testierfreiheit wiedererlangt (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2271 Rn. 13).

66

Dann aber dürfte – was hier allerdings letztlich nicht weiter zu entscheiden ist – hinsichtlich der Hälfte des Nachlasses der Erblasserin, für die nach dem Ehegattentestament der Beteiligte zu 2. als Ersatzerbe berufen gewesen wäre, das spätere notarielle Testament der Erblasserin aus dem Jahre 2010 mit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3. bis 6. zum Zuge kommen, so dass sie im Ergebnis von dem Beteiligten zu 1. zu ½ und von den Beteiligten zu 3. bis 6. zu je 1/8 beerbt worden ist. Der hier fragliche Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. - Erbschein mit dem Inhalt beantragt, dass der Erblasser von den Beteiligten zu 1. und 2. zu je ½ beerbt worden ist – kann jedenfalls keinen Erfolg haben.

5.

67

Die Gerichtskostenfreiheit für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO. Kostenerstattung war unter Heranziehung von § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht anzuordnen. Bei der Ermessensentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 3. bis 6. zwar formell Erfolg hat, als der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen worden ist, nicht aber in vollem Umfang in der Begründung insoweit, als die Beteiligten zu 3. bis 6. geltend gemacht haben, sie allein seien Erben der Erblasserin geworden.

68

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren war in Höhe des reinen Nachlasswertes festzusetzen (§§ 131 Abs. 4, 107 Abs. 1 u. 2, 30 KostO). Der reine Nachlasswert von rund 155.000 € ergibt sich aus dem Nachlassverzeichnis der Nachlasspflegerin vom 20. Januar 2013, Bl. 74 ff der Beiakte 33 VI 565/12.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Aug. 2013 - 3 Wx 27/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Aug. 2013 - 3 Wx 27/13

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Aug. 2013 - 3 Wx 27/13 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde


(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd

Grundbuchordnung - GBO | § 35


(1) Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2270 Wechselbezügliche Verfügungen


(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2271 Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen


(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2069 Abkömmlinge des Erblassers


Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten wür

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2102 Nacherbe und Ersatzerbe


(1) Die Einsetzung als Nacherbe enthält im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe. (2) Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Aug. 2013 - 3 Wx 27/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Aug. 2013 - 3 Wx 27/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 12. Sept. 2011 - 3 Wx 44/10

bei uns veröffentlicht am 12.09.2011

Tenor Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Norderstedt vom 15. Februar 2010 aufgehoben. Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1. den beantragten Erbschein, der sie als

Referenzen

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Die Einsetzung als Nacherbe enthält im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe.

(2) Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins oder des Europäischen Nachlasszeugnisses die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen.

(2) Das Bestehen der fortgesetzten Gütergemeinschaft sowie die Befugnis eines Testamentsvollstreckers zur Verfügung über einen Nachlaßgegenstand ist nur auf Grund der in den §§ 1507, 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Zeugnisse oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses als nachgewiesen anzunehmen; auf den Nachweis der Befugnis des Testamentsvollstreckers sind jedoch die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Zur Eintragung des Eigentümers oder Miteigentümers eines Grundstücks kann das Grundbuchamt von den in den Absätzen 1 und 2 genannten Beweismitteln absehen und sich mit anderen Beweismitteln, für welche die Form des § 29 nicht erforderlich ist, begnügen, wenn das Grundstück oder der Anteil am Grundstück weniger als 3 000 Euro wert ist und die Beschaffung des Erbscheins, des Europäischen Nachlasszeugnisses oder des Zeugnisses nach § 1507 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur mit unverhältnismäßigem Aufwand an Kosten oder Mühe möglich ist. Der Antragsteller kann auch zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Norderstedt vom 15. Februar 2010 aufgehoben. Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1. den beantragten Erbschein, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist, zu erteilen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben. Eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert beträgt 40.000,00 €.

Gründe

I.

1

Der am … verstorbene Erblasser ist Vater der Beteiligten zu 2. und 3. Er war insgesamt … verheiratet, die … Ehefrau … verstarb am …. Die beiden Söhne des Erblassers entstammen früheren Ehen des Erblassers.

2

Im Dezember … lernte der Erblasser die Beteiligte zu 1. kennen.

3

Die Beteiligte zu 1. hat am 06.08.2009 bei dem Amtsgericht Norderstedt einen Erbschein beantragt, wonach sie Alleinerbin des Erblassers sei.

4

Zur Begründung hat die Beteiligte zu 1. ausgeführt, der Verstorbene habe sie durch eine handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung zu seiner alleinigen Erbin bestimmt. Der Erblasser habe das Testament selbst geschrieben und über eine Mitarbeiterin Y zu dem Notar X gebracht, der das Testament sodann dem Erblasser wieder habe zukommen lassen.

5

Nunmehr könne das Testament nach dem Tod des Erblassers nicht mehr in seiner Wohnung aufgefunden werden. Die Beteiligte zu 1. habe den Inhalt des Testaments aber gekannt. Es habe folgenden Wortlaut gehabt:

6

Testament

7

Im Vollbesitz meiner geistigen Verfassung setze ich, …, geboren am … in …, Frau …, geboren am … in … zu meiner Alleinerbin ein. Über Frau … wird Frau … dafür Sorge tragen, dass meine Enkelkinder bedacht werden.

8

Nach dem Ableben des Erblassers habe der Notar X, der das Testament also gekannt habe, die Beteiligte zu 1. darauf hingewiesen, sie sei Alleinerbin und demnach berechtigt, die Nachlassangelegenheiten zu besorgen.

9

Die Beteiligte zu 1. trägt zu den persönlichen Verhältnissen vor, sie habe sich am … mit dem Erblasser verlobt, eine Hochzeit sei für Juni … geplant gewesen. Die Beziehung zwischen ihr und dem Erblasser sei bis zu seinem Tod gleich geblieben, so dass das Testament nicht geändert worden sei.

10

Der Erblasser habe die gesetzliche Erbfolge ausschließen wollen. Zu dem Beteiligten zu 2. hätte er ursprünglich zwar eine gute Beziehung gehabt, das habe sich aber nach dem Tod der … Ehefrau, …, geändert…. Im Verlauf der Beratungsgespräche mit dem Notar X habe der Erblasser mehrmals betont, seinen Sohn … von seinem Nachlass ausschließen zu wollen. Mit dem Beteiligten zu 3. habe der Erblasser zwar keinen Konflikt, aber über einen langen Zeitraum keinen Kontakt gehabt.

11

Am 14.08.2009 haben die Beteiligten zu 2. und 3. beim Amtsgericht Norderstedt die Erteilung eines auf sie ausgestellten gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt. Am 22.10.2009 haben sie beantragt, den Antrag der Beteiligten zu 1. zurückzuweisen.

12

Sie haben bestritten, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1. durch handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung zur Alleinerbin eingesetzt habe. Ein notarielles Testament habe nicht vorgelegen und selbst wenn ein anderes Testament existiert hätte, so hätte der Verstorbene es wieder vernichtet, da es nicht seinem Willen entsprochen hätte. Das könne aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Erblasser das Testament von dem Notar heraus verlangt habe. Das mache nur Sinn, wenn er es habe vernichten wollen.

13

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben ein Verlöbnis des Erblassers mit der Beteiligten zu 1. bestritten. Es sei durchaus möglich, dass der Erblasser der Beteiligten zu 1. etwas versprochen und sie in dem Glauben gelassen habe, ihr etwas zuzuwenden, ohne dieses Versprechen tatsächlich einhalten zu wollen….

14

Das Amtsgericht hat in nichtöffentlicher Sitzung am 26.11.2009 die Beteiligte zu 1. gehört und die Zeugen Z, A und B vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll vom …

15

Mit Beschluss vom 15.02.2010 hat das Amtsgericht den Antrag der Beteiligten zu 1. auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beteiligte zu 1. Erbin des Erblassers geworden sei. Es sei nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellbar, dass ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit dem beantragten Inhalt jemals formgültig bestanden habe. Zwar habe der Erblasser mehrfach bekundet, die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin einsetzen zu wollen. Das ergebe sich aus den Anhörungen der Beteiligten zu 1. und den Angaben der Zeugen. Auch habe der Erblasser Kontakt mit dem Notar X gehabt. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass dieser konkrete Wille in ein formwirksames Testament geflossen sei. Die mehrfachen Kontakte zu dem Notar sprächen dafür, dass der Willensbildungsprozess bzw. die genaue Ausformulierung des Willens, auch hinsichtlich seiner Söhne und Enkel, noch angedauert habe. Nicht frei von Zweifeln bleibe, dass der Notar ein privatschriftliches Testament angeregt und jenes nach der Abfassung formell und inhaltlich kontrolliert und sodann an den Erblasser zurückgegeben habe. Eine eigenhändige Erbeinsetzung bedürfe nämlich keiner Richtigkeitskontrolle. Die Beteiligte zu 1. habe für das ungewöhnliche Verfahren auch keine plausible Begründung angeben können. Ein Notar hätte schließlich darauf hingewirkt, das Testament in gerichtliche Verwahrung zu nehmen. Da das nicht geschehen sei, spreche viel dafür, dass noch Klärungsbedarf bestanden habe. Wenn der Notar die Angelegenheit zurück in die Hände des Erblassers gelegt hätte, sei seine Bemerkung gegenüber der Beteiligten zu 1., sie sei Alleinerbin geworden, nachvollziehbar. Der Wille hierfür habe schließlich bestanden und sei dem Notar auch bekannt gewesen.

16

Es spreche zwar viel dafür, dass das Verhältnis des Erblassers zu dem Beteiligten zu 2. schwer gestört gewesen sei, jedoch habe kein Grund bestanden, den Beteiligten zu 3. zu enterben. Selbiges gelte auch für die Enkel. Vielmehr habe es sich bei dem Erblasser um einen konservativ geprägten Mann gehandelt, der sich seiner Verantwortung gegenüber den Beteiligten stets bewusst gewesen sei.

17

Die Anhörung der Beteiligten zu 1. überzeuge das Gericht nicht völlig….Schließlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Erblasser den Testamentsentwurf selbst wieder vernichtet und somit unwirksam gemacht habe. Nur so ließe sich ein Verschwinden des Testaments erklären. Der Beteiligte zu 2. habe schließlich keinen Schlüssel zur Wohnung des Erblassers und soweit er mit dem Verschwinden des Testaments in Verbindung gebracht werde, handele es sich um Vermutungen und Wahrnehmungen vom Hörensagen.

18

Gegen diesen ihr am 25.02.2010 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1. am 25.03.2010 Beschwerde eingelegt.

19

Zur Begründung hat sie ausgeführt, es müsse als Tatsache gelten, dass der Erblasser ein eigenhändiges Testament zu ihren Gunsten errichtet habe. Der Willensbildungsprozess des Erblassers sei abgeschlossen gewesen. Der Erblasser habe die Beteiligte zu 1. noch an seinem Todestag als seine Alleinerbin bezeichnet. Das Testament habe weiter gegolten….

20

Die Beteiligten zu 2. und 3. sind dem entgegengetreten und verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts. Es sei nicht nachvollziehbar, wo das angebliche Testament geblieben sei; es befinde sich weder beim Notar noch in der Wohnung des Erblassers….

21

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

22

Der Senat hat die Beteiligten zu 1. und 2. persönlich angehört, sowie als Zeugen den Notar X, Frau Y und Frau Z vernommen. Auf die Protokolle vom 22. März 2011 und 16. August 2011 wird Bezug genommen.

II.

23

Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie ist auch begründet. Die Beteiligte zu 1. ist nach der Überzeugung des Senats testamentarische Alleinerbin aufgrund eines am 19. April 2009 von dem Erblasser formwirksam errichteten handschriftlichen Testamentes geworden, auch wenn dieses Testament bislang nicht aufgefunden werden konnte.

24

1. Zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts ist gemäß den §§ 2355, 2356 I BGB grundsätzlich die Originalurkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Das ist hier nicht geschehen. Vielmehr hat die Beteiligte zu 1. behauptet, ein Testament mit dem von ihr wiedergegebenen Inhalt habe tatsächlich existiert, sei aber unauffindbar.

25

Grundsätzlich besteht bei Unauffindbarkeit eines Testaments zwar keine Vermutung dafür, dass es der Erblasser vernichtet hat. Wer sich auf ein unauffindbares Testament beruft, muss aber die formgültige Errichtung und den Inhalt des Testaments beweisen und trägt im Erbscheinsverfahren insoweit die Feststellungslast. Die Errichtung eines nicht mehr vorhandenen Testamentes kann mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. An den Nachweis sind wegen der für die Errichtung des Testaments geltenden Formstrenge (§§ 2231 ff. BGB) hohe Anforderungen zu stellen (BayObLG FamRZ 2005, 138 f; OLG München NJW-RR 2010, 1664; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 1313 ff; Hagena, in: MüKo BGB, 5. Auflage, § 2255, Rn. 16).

26

Der Senat ist von der formgültigen Errichtung des Testamentes des Erblassers im April 2009 mit dem Inhalt, dass die Beteiligte zu 1. zur Alleinerbin berufen worden ist, aufgrund des gesamten Akteninhalts, der Anhörung der Beteiligen zu 1. und 2. sowie der Zeugenvernehmung I. und II. Instanz überzeugt. Die hohen Beweisanforderungen können hier vor allem deshalb erfüllt werden und tragen die Überzeugung des Senats, weil ein mit den Anforderungen an eine wirksame Testamentserrichtung vertrauter Fachmann, nämlich der Zeuge Notar X, dieses Testament nach Vorlage durch den Erblasser gerade in seiner beruflichen Eigenschaft gesehen und darüber mit dem Erblasser gesprochen hat. Der Notar konnte gerade darüber auch eine Aussage machen. An die Beteiligung des Notars im Zusammenhang mit der etwaigen Errichtung des Testamentes knüpft das Nachlassgericht in seinem angefochtenen Beschluss eine Reihe von Vermutungen, die letztlich zu dem Ergebnis führen, dass trotz gegenteiliger Hinweise aus der dortigen Beweisaufnahme Zweifel am Vorliegen eines formgültigen Testamentes verblieben seien. Insoweit ist das Amtsgericht indes seiner Aufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, weil es den Notar zwar geladen aber nicht gehört hat, nachdem er auf seine Verschwiegenheitspflicht verwiesen hat.

27

Indes war die Vernehmung des Notars bei dem vorliegenden Sachverhalt im Rahmen der Amtsermittlungspflicht aus den §§ 2358 Abs. 1 BGB, 26 FamFG – denen das Nachlassgericht, aber in zweiter Instanz auch der Senat unterliegt – ersichtlich notwendig und liegt hier auch eine Konstellation vor, wo der Notar nach dem Versterben des Rechtssuchenden gerade in dessen Interesse, um nämlich seinen letzten Willen feststellen zu können, von seiner Verschwiegenheitspflicht nach § 18 Abs. 2, 2. Hs. BNotO befreit werden kann. Insoweit haben die Nachlassgerichte, vor denen der Notar aussagen soll, ein eigenes Antragsrecht (Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. A. 2008, § 18 Rn. 111). Der Senat hat demgemäß bei der für die Notaraufsicht zuständigen Präsidentin des Landgerichts Kiel unter Darstellung des Sachverhalts um Befreiung von der notariellen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 Abs. 2, 2. Hs. BNotO für den Notar gebeten, die von dort unter dem 4. Januar 2011 erteilt worden ist (Bl. 136 d.A.).

28

Der Zeuge Notar X hat aber in jeder Hinsicht glaubhaft bekundet, dass der Erblasser in seinem Büro ein handschriftliches Testament in einem offenen Briefumschlag abgegeben hat, worüber er mit ihm, als er ein oder zwei Tage später wieder im Büro erschienen war, auch persönlich gesprochen habe. Der Zeuge hat deutlich gemacht, dass der Erblasser die Vorstellung oder Frage hatte, der Notar könne dieses privatschriftliche Testament in Verwahrung nehmen. Er – der Zeuge - habe ihm erklärt, dass ein Notar aber keine Verwahrstelle sei und welche andere Möglichkeiten insoweit bestünden. Der Erblasser habe das Testament dann wieder an sich genommen. Diese konkreten Hintergründe, warum nämlich einerseits das privatschriftliche Testament in die Hand des Notars gekommen und von dort andererseits an den Erblasser zurückgelangt ist, sprechen keinesfalls dafür, dass es sich bei dem Testament um einen bloßen Entwurf gehandelt haben und die Willensbildung des Erblassers nicht abgeschlossen gewesen sein könnte, wie das Amtsgericht noch ohne Kenntnis der konkreten Einzelheiten vermutet hat.

29

Der Erblasser hat mit dem Notar nach dessen weiterer Aussage sodann besprochen, dass der Beteiligte zu 2. vor dem Hintergrund bestehender Differenzen auf keinen Fall Erbe sein sollte. Alleinerbin solle seine Lebensgefährtin, die Beteiligte zu 1., werden. Der Notar hat weiter angegeben, er meine sich zu erinnern, dass dies der Inhalt des Testamentes gewesen sei. Wenn er weiter ausgesagt hat, dass ihm das Testament allerdings nicht mehr genau vor Augen stehe, ist für den Senat aber von Bedeutung, dass er insoweit ein zeitnah zu dem Gespräch gefertigtes Schreiben an den Erblasser vom 6. Mai 2009 vorlegen konnte, in dem es u.a. heißt: „1. Das mir seinerzeit handschriftliche Testament habe ich Ihnen im Original wieder ausgehändigt. 2. Sie waren sich noch nicht schlüssig darüber, wer schlussendlich ihr Erbe werden soll. Die von ihnen in dem handschriftlichen Testament Bedachte hat Bedenken geäußert, denen sie Rechnung tragen wollten…“.

30

Unter Berücksichtigung dieses Schreibens und der sonstigen Aussage bestehen für den Senat keine Zweifel, dass dem Notar ein formgültiges handschriftliches Testament vorgelegen hat, in dem die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin eingesetzt worden ist. Der Notar hat dazu auch unzweideutig auf Nachfrage ausgesagt, es habe sich nicht etwa um einen Entwurf gehandelt. Der Notar hat auch in dem zeitnah zur Vorlage des handschriftlichen Testamentes gefertigten Schreiben keinerlei Hinweise gegeben, dass der ihm vorgelegte Text als Testament etwa nicht formgültig sei. Wäre dies der Fall gewesen, hätte sich ein Hinweis etwa in dem Schreiben vom 6. Mai 2009 aufgedrängt und wäre der Notar zu einem solchen Hinweis angesichts des Hintergrundes seiner Befassung mit der Angelegenheit auch verpflichtet gewesen.

31

Der Notar hat bei seiner Vernehmung als Zeuge in diesem Zusammenhang aber auch deutlich werden lassen, dass das ihm vorgelegte handschriftliche Testament auch nicht im Hinblick auf die in dem Schreiben vom 6. Mai 2009 angesprochenen Bedenken der dort Bedachten etwa als Entwurf zu verstehen war. Vielmehr war von Seiten des Erblassers der dort niedergelegte Wille, dass die Lebensgefährtin Alleinerbin werden solle, eindeutig, wie in dem Gespräch des Erblasser mit ihm - von dem Zeugen insoweit sicher erinnert – auch noch einmal bestätigt worden sei. Der Erblasser habe allerdings noch einmal in einen Dialog mit der Beteiligten zu 1. eintreten wollen, nämlich im Hinblick auf deren geäußerte Bedenken, ob sie sich in eine etwaige Auseinandersetzung mit dem Sohn des Erblassers, nämlich dem Beteiligten zu 2., hineinbegeben sollte. Dann aber war der Willensbildungsprozess des Erblassers selbst zunächst abgeschlossen und ging es nur um die Frage, ob die Beteiligte zu 1. die Berufung zur Erbin annehmen wolle. Deshalb lag auch nach Angaben des Zeugen Notar X gerade nicht nur ein bloßer Entwurf eines Testamentes vor.

32

Die Beteiligte zu 1. hat aber bei ihrer Anhörung plausibel und glaubwürdig angegeben, im Gespräch mit dem Erblasser letztlich gesagt zu haben, dass sie das Erbe annehmen wolle. Die Richtigkeit dieser Angabe wird – wenn auch nur als Zeugin vom Hörensagen – von der Zeugin Y bestätigt. Sie hat ausgesagt, die Beteiligte zu 1. habe ihr gesprächsweise zunächst ca. 5 Wochen vor dem Tod – es könnte auch 2 Monate davor gewesen sein - mitgeteilt, sie solle etwas erben, wolle das aber wegen befürchteten Streits in der Familie nicht. Später habe sie dann aber gerade berichtet, es gebe nun doch ein Testament und dass sie begünstigt worden sei.

33

Die Überzeugungsbildung des Senats im Hinblick auf die Angaben des Zeugen Notar X zu einem formgültigen Testament mit Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. wird gestützt durch die Aussage der Zeugin Z, der Nichte des Erblassers, die ihm nahe stand. Diese hat sehr anschaulich und detailreich die besondere Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 1. in den letzten Lebenswochen des Erblassers geschildert, insbesondere seinen Bericht anlässlich eines gemeinsamen Restaurantbesuches über die vorausgegangene Verlobung mit der Beteiligten zu 1. Sie hat aber vor allem glaubwürdig aussagen können, dass der Erblasser ihr noch vier Tage vor seinem Tod berichtet habe, er habe ein Testament gemacht und die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin eingesetzt. Der Notar X habe dies geprüft. Danach hat der Erblasser noch vier Tage vor seinem Tod die Fortexistenz gerade des von dem Zeugen Notar X eingesehenen Testamentes gegenüber dieser Zeugin bestätigt.

34

Der Senat hat an der Glaubwürdigkeit der Zeugin Z keine Zweifel….

35

2. Der Senat hat nicht verkannt, dass im Grundsatz allerdings eine letztwillige Verfügung ihrem vollen Umfang nach feststehen muss, wenn Rechte aus ihr hergeleitet werden sollen. Ist nur ein Teil der testamentarischen Verfügung feststellbar, so ist wegen Ungewissheit über den Inhalt und Umfang einer der mehreren Verfügungen der Umfang auch der bekannten Verfügung zum mindesten in wirtschaftlicher Beziehung unbestimmt. Das gilt auch dann, wenn feststellbar ist, dass der Erblasser eine bestimmte Person zum Alleinerben eingesetzt hat, weil ohne Kenntnis der weiteren Verfügungen – etwa von Vermächtnisanordnungen – nicht zu ermitteln ist, wie der Erblasser seinen Nachlass wirtschaftlich aufteilen wollte. Eine Ausnahme greift aber dann ein, wenn trotz der mangelnden Feststellbarkeit eines Teils des Testamentes der Gesamtwille des Erblassers insoweit erkennbar ist, dass ohne Rücksicht auf den Inhalt und Umfang des nicht festgestellten Teils des Testamentes der feststellbare Teil Bestand haben soll und dieser Teil durch die Unbestimmtheit der nicht bekannten Verfügungen seinem Umfang nach nicht wesentlich berührt wird (BGH Urt. v. 9.12.1954, IV ZR 92/54, LM § 2085 BGB Nr. 1; BayObLGZ 1967, 197, 206 f).

36

Indes hat der Senat im vorliegenden Fall keinen Anhalt, dass das Testament außer der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. eine andere, die Alleinerbin bindende und ihr Erbe in wirtschaftlicher Hinsicht seinem Umfang nach wesentlich berührende Anordnung, insbesondere eine Vermächtnisanordnung, enthält. Der Notar X hat als Zeuge bestätigt, dass es sich bei dem Testament nach seiner Erinnerung um einen kürzeren Text handelte. Er könne nicht sagen, ob dort Enkel oder sonstige Personen angesprochen oder bedacht worden seien. Der Zeuge hat jedenfalls keinen Anhalt nach seiner Erinnerung wiedergeben können, dass die Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. durch andere testamentarische Anordnungen wirtschaftlich wesentlich berührt worden wäre. Es liegt aber nahe, dass solche Anordnungen angesichts des kurzen Textes des Testamentes und der durchaus vorhandenen Kenntnis des Notars von der Lebenssituation des Erblassers von ihm erinnert worden wären, wenn sie sich denn in dem Testament befunden und die Einsetzung der Beteiligten zu 1. zur Alleinerbin in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich berührt, nämlich eingeschränkt hätten.

37

Die Aussage des Notars passt auch insoweit jedenfalls zu den Angaben der Beteiligten zu 1. zu dem kurzen Text des Testamentes. Die Beteiligte zu 1. hat erstinstanzlich vorgetragen, der zweite – letzte - Satz des Testamentes nach ihrer Alleinerbeneinsetzung habe dahin gelautet, dass sie – die Beteiligte zu 1. – Sorge tragen werde, dass die Enkelkinder des Erblassers bedacht würden. Die Beteiligte zu 1. hat bei ihrer Anhörung vor dem Senat auf Frage allerdings gesagt, sie wisse heute nicht mehr sicher, ob dort etwas über die Enkel gestanden habe. Das erscheint dem Senat nachvollziehbar angesichts des Zeitablaufs und des erkennbaren Bemühens der Beteiligten zu 1., nur das wiederzugeben, was sie auch noch in diesem Moment sicher erinnert. Sie hat allerdings in Übereinstimmung mit den Angaben I. Instanz angegeben, der Erblasser habe mit ihr mündlich besprochen, dass sie selbst entscheiden sollte, ob die Enkel etwas erhalten sollten.

38

Das passt zu der besonderen Vertrauenssituation zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 1., die sich am Ende des Lebens des Erblassers entwickelt hatte. Es passt aber auch zu dem Umstand, dass der Nachlass nach damaliger Sicht des Erblassers aus der – teilweise belasteten – Eigentumswohnung bestehen würde und im Übrigen im Wesentlichen aus einer mit vielen Unsicherheiten behafteten sehr streitigen Forderung gegen seinen Sohn. Der Erblasser hatte sich darüber von dem Rechtsanwalt und Notar X rechtlich beraten lassen. Vor diesem Hintergrund war gerade ungewiss, ob der Nachlass umfangreich sein würde. Auch dieser wirtschaftliche und rechtliche Hintergrund lässt nachvollziehbar erscheinen, dass der Erblasser es der Beteiligten zu 1. als seiner Alleinerbin überlassen hat, selbst zu entscheiden, was die Enkel erhalten sollten und dass es insoweit eben keine sie bindende Vermächtnisanordnung in dem Testament gab. Die Beteiligte zu 1. hat mit Schriftsatz vom … im Übrigen vorgetragen, dass die Enkel im Herbst 2008 bereits jeweils 5.000 € erhalten hätten.

39

Der Senat hat deshalb keinen Hinweis, dass die Angaben der Beteiligten zu 1. zum Inhalt des Testamentes, wie sie bereits erster Instanz vorgetragen worden sind, nicht zutreffend wären. Er hat sich vor diesem gesamten Hintergrund die Überzeugung gebildet, dass das Testament als bindende Anordnung nur die Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. enthielt.

40

3. Ist bewiesen, dass der Erblasser ein formgültiges Testament mit dem Inhalt errichtet hat, dass die Beteiligte zu 1. seine Alleinerbin sein soll, so ist hingegen der spätere Widerruf dieses Testamentes durch Vernichtung nicht bewiesen. Die Feststellungslast hinsichtlich einer absichtlichen Vernichtung des Testaments als Widerruf gemäß § 2255 BGB trifft denjenigen, der sich auf die Ungültigkeit des Testaments zur Begründung seines Erbrechts beruft (Palandt/Weidlich, BGB, 70. A. 2010, § 2255 Rn. 11 m.w.N.), hier also die Beteiligten zu 2. und 3. Der Nachweis des Testamentswiderrufs durch Vernichtung darf angesichts der Beweisschwierigkeiten nach dem Ableben des Erblassers allerdings nicht zu sehr erschwert werden, wenn die Testamentsurkunde nicht auffindbar ist. Es gibt aber keine Vermutung dafür, dass das Original in einem solchen Fall von dem Erblasser selbst vernichtet sein müsse. Es müssen zumindest Indizien vorliegen, etwa der Nachweis einer Willensänderung des Erblassers, um den Beweis der Vernichtung des Testamentes zu erbringen (OLG Zweibrücken a.a.O., bei juris Rn. 20 mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).

41

Die spätere Vernichtung des Testamentes haben die Beteiligten zu 2. und 3. unter das Zeugnis der Zeugin Y gestellt. Der Beweis ist nicht erbracht worden. Denn die Zeugin Y hat zwar gesehen, dass der Erblasser ein handgeschriebenes Schriftstück, das am Vortag noch auf seinem Schreibtisch lag, zerrissen hat. Sie war sich aber selbst nur zu 90 % sicher, dass es wohl ein Testament gewesen sei. Eine solche 90%ige Sicherheit reicht bereits nicht zur richterlichen Überzeugungsbildung. Indes vermochte die Zeugin dem Senat auch nicht begreiflich zu machen, warum sie überhaupt einen solchen Grad von Sicherheit zu haben glaubt. Denn die Zeugin hat unmissverständlich angegeben, dieses zuvor auf dem Schreibtisch liegende Schriftstück nicht gelesen zu haben. Auch habe ihr der Erblasser nichts zu dem Inhalt gesagt. Schließlich konnte die Zeugin auch nicht sagen, ob das Papier ganz- oder halbseitig beschrieben gewesen ist.

42

Es gibt im Übrigen auch keinen deutlichen Hinweis auf eine Willensänderung des Erblassers in Bezug auf das Testament mit der Einsetzung der Beteiligten zu 1. als Alleinerbin. Die Zeugin Y hat lediglich aussagen können, sie habe mitbekommen, dass sich der Erblasser am Tag vor dem Zerreißen jenes Schriftstücks mit der Beteiligten zu 1. während eines Telefonates gestritten habe. Worum es dabei genau gegangen sei, konnte sie nicht sagen…Der Annahme einer Willensänderung steht im Übrigen deutlich die Bekundung der Zeugin Z für den Zeitpunkt vier Tage vor dem Tod des Erblassers entgegen.

43

Nicht aufzuklären ist, warum das Testament letztlich nicht aufgefunden worden ist. Die Angaben aller Beteiligten stimmen insoweit überein, dass in den Tagen nach dem Tod des Erblassers nicht nur die Beteiligte zu 1. und der Beteiligte zu 2., sondern auch weitere Personen die Wohnung des Erblassers aufgesucht und aus dieser Wohnung auch teilweise etwas mitgenommen haben. Es gibt aber keinen Nachweis oder auch nur ein deutliches Indiz, dass einer dieser Personen dort vorsätzlich ein Testament entnommen hat.

44

Nicht ausgeschlossen bleibt, dass dieses Testament zufällig und nicht vom Erblasser schon vor seinem Tod oder auch danach von einer Person ohne Erkenntnis seiner Bedeutung etwa im Rahmen von Aufräumarbeiten vernichtet worden ist oder der Erblasser es derart versteckt hat, dass es bisher nicht gefunden wurde.

45

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG und § 131 Abs. 3 KostO. Es ist nicht ermessensgerecht, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1. im Beschwerdeverfahren den Beteiligten zu 2. und 3. aufzuerlegen, denn der Erfolg der Beschwerde beruht weitgehend auf der Aussage des erstinstanzlich nicht gehörten Zeugen Notar X, dessen Inhalt aber auch die Beteiligten zu 2. und 3. nicht voraussehen konnten…


(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

(2) Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.

(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(1) Die Einsetzung als Nacherbe enthält im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe.

(2) Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzerbe.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

(2) Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.

(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

(3) Auf andere Verfügungen als Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und die Wahl des anzuwendenden Erbrechts findet Absatz 1 keine Anwendung.

Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.