Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 15. März 2017 - 22 Ws_Reha 6/17

bei uns veröffentlicht am15.03.2017

Gericht

Oberlandesgericht Rostock

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 23.05.2016 - 41 Rh 98/11 - wird aufgehoben.

2. Die Unterbringung der Betroffenen in den Kinderheimen „M.“ in der Zeit vom 30. Oktober 1954 bis zum 15. August 1955 und “K.“ in der Zeit vom 08. September 1955 bis zum 17. Dezember 1957 wird für rechtsstaatswidrig erklärt und die Betroffene insoweit rehabilitiert.

3. Es wird festgestellt, dass die Betroffene in den genannten Zeiträumen zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.

4. Kosten werden im Rehabilitierungsverfahren nicht erhoben. Die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Die Betroffene erstrebt ihre Rehabilitierung im Hinblick auf ihren Aufenthalt in den Kinderheimen „X.“ (Kreis A.) in der Zeit vom 30. Oktober 1954 bis 15. August 1955 und “Y.“ in B. (Kreis H.) in der Zeit vom 08. September 1955 bis zum 17. Dezember 1957.

2

Zu den Hintergründen der Heimunterbringung führt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 08.03.2017 wie folgt zutreffend aus (Auslassung der Aktenfundstellen durch den Senat):

3

Trotz intensiver Bemühungen ist es der Staatsanwaltschaft Schwerin nicht gelungen, die Entscheidungen, auf deren Grundlage die Heimunterbringung seinerzeit vollzogen wurde, zu ermitteln.

4

Aus den wenigen auffindbaren Unterlagen zur Heimerziehung der Betroffenen, insbesondere des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, ergibt sich lediglich, dass die Betroffene am 12.09.1955 in B. mit dem Aufenthaltsort „Vorschulheim B.-Kinderheim“ und am 15.12.1959 unter der Anschrift „A.,-Straße 42“ (offenbar Wohnanschrift der Mutter) zur Anmeldung gekommen war. Den Unterlagen über ihren Bruder W. U., der ebenfalls im Kinderheim „X.“ untergebracht war, kann entnommen werden, dass die Betroffene und ihre beiden jüngeren Brüder am 30.10.1954 in die Kindergrippe „X.“ aufgenommen und im Dezember 1957 („Ende des Jahres“) zu ihrer Mutter zurückgeführt wurden. Mithin ist davon auszugehen, dass die Betroffene jedenfalls in den von ihr genannten Zeiträumen in Kinderheimen der früheren DDR untergebracht war.

5

Ferner ist davon auszugehen, dass Anlass für den Heimaufenthalt der Betroffenen und ihrer beiden jüngeren Brüder die Inhaftierung der Eltern L. U. und T. U. war. L. U. wurde seinerzeit im Wesentlichen vorgeworfen, für einen Nachrichtendienst der damaligen Bundesrepublik („Organisation Gehlen“) gearbeitet und versucht zu haben, weitere Bewohner der früheren DDR für diese Organisation anzuwerben. T. U. soll ihren Ehemann dabei „aktiv unterstützt“ haben. Wegen dieser Vorwürfe wurden beide Elternteile am 25.10.1954 in Untersuchungshaft genommen und unter dem 19.01.1955 vor dem Bezirksgericht Schwerin angeklagt. Mit dessen Urteil vom 08.02.1955 wurden der Vater der Betroffenen „wegen Verbrechens gegen Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Verbindung mit der Kontrollratsdirektive Nr. 38 Abschnitt II, Artikel III A III“ zu einer Zuchthausstrafe von 12 Jahren und die Mutter der Betroffenen auf derselben gesetzlichen Grundlage zu einer Zuchthausstrafe von 5 Jahren verurteilt. L. U. wurde am 16.11.1964 aufgrund einer Amnestie aus dem Strafvollzug entlassen; T. U. wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts vom 25.11.1957 zum 10.12.1957 „bedingte Strafaussetzung“ gewährt. Beide - inzwischen verstorbenen - Eltern der Betroffenen sind auf Betreiben der Betroffenen rehabilitiert worden.

6

Zum Zeitpunkt der Inhaftierung ihrer Eltern waren die Betroffene 3 Jahre und 4 Monate, ihre beiden jüngeren Brüder 2 Jahre und 3 Monate (W.) bzw. annähernd 2 Monate (R.) alt. T. U. hatte aus ihrer ersten Ehe eine weitere Tochter (J.), die im Zeitpunkt der Inhaftierung 9 Jahre alt war und anschließend von den Pflegeeltern der T. U. (nachfolgend als Großeltern bezeichnet) aufgenommen wurde.

7

Die Betroffene hält ihre Unterbringung in den beiden Kinderheimen für rechtsstaatswidrig, weil seinerzeit diverse Familienangehörige bereit und in der Lage gewesen seien, die Kinder der Eheleute U. aufzunehmen. Von dieser Möglichkeit hätten die Organe der früheren DDR indes keinen Gebrauch gemacht, sondern die drei jüngeren Kinder der T. U. in ein Kinderheim verbracht, um auf diese Weise Druck auf die Kindesmutter auszuüben.

8

Die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Schwerin ist dem mit Beschluss vom 23.05.2016 nicht gefolgt und hat den Rehabilitierungsantrag der Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen Im Hinblick auf das vorgerückte Alter der Großeltern der Betroffenen sei es naheliegend, dass diese mit einer langfristigen Betreuung dreier derart kleiner Kinder überfordert gewesen seien. Auch belege die Rückkehr der Kinder in den Haushalt ihrer Mutter unmittelbar nach der Haftentlassung, dass gerade kein Druck auf die Kindesmutter ausgeübt worden sei. Im Übrigen spreche gegen eine politisch motivierte Heimunterbringung der Kinder, dass wegen der Linientreue des Großvaters auch im Haushalt der Großeltern eine systemfreundliche Erziehung gewährleistet gewesen sei. Weitere aufnahmebereite Angehörige oder enge Freunde der Eltern habe es ersichtlich nicht gegeben.

9

Der angefochtene Beschluss ist der Betroffenen über ihre Verfahrensbevollmächtigte am 31.05.2016 förmlich zugestellt worden. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Betroffenen vom 19.06.2016, die 20.06.2016 beim Landgericht eingegangen ist.

II.

10

Die gemäß § 13 Abs. 1 StrRehaG statthafte Beschwerde ist innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist angebracht worden, mithin zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

11

Die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Rehabilitierung gemäß den §§ 1, 2 StrRehaG liegen hinsichtlich der Unterbringung der Betroffenen in den o.g. Kinderheimen vor.

12

Dazu führt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer o.g. Zuschrift weiter aus:

13

„1. Nach der Neufassung des Gesetzes im Dezember 2010 (BGBl. I 2010, 1744) findet das StrRehaG gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 auf Anordnungen der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der früheren DDR Anwendung. Voraussetzung ist auch insoweit, dass diese Unterbringung der politischen Verfolgung oder sonstigen sachfremden, d.h. rechtsstaatswidrigen Zwecken gedient hat. Im vorliegenden Fall gibt es Hinweise, dass jedenfalls mit der Heimunterbringung der Beschwerdeführerin rechtsstaatswidrige Ziele verfolgt worden sind.

14

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 25.03.2015 - 4 StR 525/13) hat eine im Wege politischer Verfolgung erfolgte rechtstaatswidrige Inhaftierung der Eltern betreuungsbedürftiger Kinder - wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist - nicht zwangsläufig zur Folge, dass eine daraufhin veranlasste Unterbringung der Kinder in einem Heim ebenfalls der politischen Verfolgung gedient hat und deshalb der Rehabilitierung unterliegt. Dass die Eltern wegen ihrer rechtsstaatswidrigen Inhaftierung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren, begründet demnach für sich allein noch keine eigene politische Verfolgung der betroffenen Kinder. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Heimunterbringung gerade zur (weiteren) politischen Disziplinierung der aus politischen Gründen inhaftierten Eltern angeordnet wurde. Ein weiteres deutliches Indiz für eine rechtsstaatswidrige und deshalb rehabilitierungsfähige Heimunterbringung ist, wenn diese angeordnet worden ist, obwohl es im Zeitpunkt der Unterbringung Familienangehörige gegeben hat, die bereit und in der Lage waren, die betroffenen Kinder bei sich aufzunehmen und für diese zu sorgen. In einem derartigen Fall ist bereits die Entfernung aus der Familie und die damit regelmäßig verbundene Entfremdung wenn nicht politisch motiviert, so doch jedenfalls sachfremd und damit rechtsstaatswidrig. Nur wenn solche nahen Angehörigen oder andere aufnahmebereite Dritte nicht vorhanden waren, gab es eine sachliche Rechtfertigung für eine Heimunterbringung, weil das betroffene Kind selbstverständlich nicht sich selbst überlassen bleiben konnte und durfte.

15

2. Die Erwägungen, mit denen die Rehabilitierungskammer zur Aufnahme bereite und geeignete Dritte als nicht vorhanden angesehen hat, tragen diese Entscheidung nicht. Jedenfalls die Großeltern der Beschwerdeführerin standen zur Verfügung, wobei es ohne jede Bedeutung ist, dass es sich bei diesen offenbar nicht um die leiblichen Großeltern gehandelt hat.

16

a) Es gibt keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass Personen in vorgerücktem Alter von 65 bzw. 60 Jahren nicht in der Lage sind, für Kinder im Alter von 3 Jahren angemessen zu sorgen. Soll im Einzelfall das Gegenteil angenommen werden, muss es hierfür konkrete Anhaltspunkte geben. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich. Ebenso wenig gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Großeltern nicht bereit gewesen sein könnten, die Beschwerdeführerin bei sich aufzunehmen bzw. zu behalten. Nach den nachvollziehbaren, jedenfalls unwiderlegten Angaben der Beschwerdeführerin lebten sie und ihre Geschwister bis zur Inhaftierung der Mutter gemeinsam mit dieser im Haus der Großeltern. Es muss mithin in Ermangelung entgegenstehender Hinweise davon ausgegangen werden, dass das Verhältnis zwischen den Großeltern einerseits und der Kindesmutter sowie deren Kinder andererseits gut war, was grundsätzlich für eine Aufnahmebereitschaft spricht. Für eine generelle Aufnahmebereitschaft der Großeltern streitet ferner, dass die älteste Tochter der Kindesmutter aus deren erster Ehe im Haushalt der Großeltern verblieben ist. Zudem belegt der Ermittlungsbericht vom 26.04.1958, der in den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Erwähnung findet, hinreichend deutlich, dass beide Großeltern ihre Verantwortung gegenüber den Kindern wahrnehmen wollten und im Rahmen der verbliebenen Möglichkeit auch tatsächlich wahrgenommen haben.

17

b) Es mag sein, dass die Großeltern mit der Sorge für drei weitere Kinder und insbesondere für einen Säugling im Alter von zwei Monaten überfordert waren. Im Hinblick darauf wird die Entscheidung der zuständigen Behörde, nicht sämtliche Kinder im Haushalt der Großeltern zu belassen, nicht als von vornherein sachfremd und rechtsstaatswidrig angesehen werden können, wovon die Rehabilitierungskammer im Ansatz zutreffend ausgeht. Die Kammer lässt dabei aber außer Betracht, dass es im vorliegenden Fall ausschließlich um die Rehabilitierung der damals 3-jährigen Beschwerdeführerin geht, nicht aber auch ihrer beiden jüngeren Geschwister. Die maßgebliche Frage kann mithin nur sein, ob es für die Entscheidung, auch für die Beschwerdeführerin die Heimunterbringung anzuordnen, einen sachlichen, nachvollziehbaren Grund gegeben haben könnte. Ein solcher Grund ist nicht ersichtlich. Es spricht nichts dagegen, dass die Großeltern neben der 9-jährigen ältesten Tochter der Kindesmutter auch noch für die Beschwerdeführerin sorgen konnten und wollten. Vielmehr streitet die grundsätzlich anzunehmende Bereitschaft von Großeltern, sich unter Ausschöpfung aller ihrer Möglichkeiten selbst um ihre Enkelkinder zu kümmern, für eine solche Bereitschaft auch im vorliegenden Fall.

18

Dass sich die Behörden der DDR seinerzeit im wohlverstandenen Interesse der Kinder von der Vorstellung leiten ließen, es könne für die drei kleineren Geschwister seelisch zu belastend und damit sachwidrig sein, diese zu trennen, kann angesichts der Altersunterschiede der Kinder, vor allem aber im Hinblick der seinerzeit herrschenden Umstände und Sichtweisen ausgeschlossen werden. Eine solche Trennung war, insbesondere wenn sie unvermeidlich war, für das Kindeswohl allemal besser als eine gemeinsame Heimunterbringung unter den damaligen Bedingungen.

19

c) Den zur Verfügung stehenden Akten zum damaligen Strafverfahren gegen die Eltern kann nichts entnommen werden, was gegen eine Bereitschaft der Großeltern, auch für die Beschwerdeführerin zu sorgen, streiten könnte. Die Kinder hatten in dem Strafverfahren offenbar keine wesentliche Bedeutung. Sie werden zwar in Formularen und auch in einigen Vernehmungsprotokollen kurz angesprochen; Vermerke zu ihrem Verbleib während der Inhaftierung finden sich jedoch nicht in den Akten. In der Anklageschrift vom 19.01.1955 heißt es allerdings zu den Personalien des angeklagten Kindesvaters: „Er hat drei Kinder, überließ die Sorge um die Kinder jedoch seinen Schwiegereltern.“. Dies ist Beleg dafür, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe vor der Inhaftierung ihrer Mutter mit dieser und ihren Geschwistern bei den Großeltern gelebt, zutrifft. Wenn die Großeltern bereits vor der Inhaftierung der Mutter ersichtlich bereit waren, für die Kinder zu sorgen, ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Bereitschaft danach nicht mehr gegeben gewesen sein könnte.

20

3. Darüber hinaus gibt es auch deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die weitere Behauptung der Beschwerdeführerin, ihre Mutter habe durch die Heimunterbringung der Kinder unter Druck gesetzt und aus politischen Gründen diszipliniert werden sollen und sie habe sich vor diesem Hintergrund dem Druck gebeugt, zutrifft. Zwar wird dieses Argument in Rehabilitierungsverfahren häufig bemüht, um die Rechtsstaatswidrigkeit der Heimunterbringung zu begründen. Im vorliegenden Fall spricht für die Behauptung allerdings, dass die Beschwerdeführerin hierzu immerhin eine für ihre Mutter durchaus ehrenrührige Tatsache, deren spätere Tätigkeit als IM für den Staatssicherheitsdienst der früheren DDR, mitteilt. Ferner findet diese Behauptung auch in den Haftdaten Bestätigung. Die Kindesmutter ist bereits nach Verbüßung von 3 Jahren und einem Monat auf Antrag der Staatsanwaltschaft aus der Haft entlassen worden. In dem hierzu ergangenen Beschluss wird ihr eine einwandfreie Führung während der Strafhaft bescheinigt. Hierfür spricht schließlich, dass die Kinder unmittelbar nach der Haftentlassung der Kindesmutter übergeben worden sind. Unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände streitet gerade dieser Umstand eher für die Sichtweise der Beschwerdeführerin als für die Bedeutung, die das Landgericht dem Umstand beimisst. Die sofortige Rückgabe der Kinder ist dann kein Beleg für fehlenden Druck, wenn diese Wohltat mit mindestens gleicher Plausibilität die Gegenleistung dafür sein kann, dass sich die Kindesmutter dem Druck gebeugt hat.

21

4. Der angefochtene Beschluss weist abschließend zwar zutreffend darauf hin, dass im Rehabilitierungsverfahren etwaige Zweifel - anders als im Strafverfahren - zu Lasten des jeweiligen Antragstellers gehen. Es muss sich dabei aber um Zweifel von Gewicht handeln. Derartige Zweifel sehe ich aus den genannten Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände nicht.

22

Auf die in der angefochtenen Entscheidung und in der Beschwerdebegründung vertiefte Frage, ob neben den Großeltern weitere aufnahmebereite Verwandte zur Verfügung standen und aus welchen Gründen diese seinerzeit nicht zu ihrer Aufnahmebereitschaft befragt wurden, kommt es aus den genannten Gründen nicht an. Die in der Beschwerdebegründung vermissten weiteren Ermittlungen sind deshalb nicht veranlasst.

23

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Nach alldem hat die Betroffene durch den zwangsweisen Aufenthalt in den o.g. Kinderheimen zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten; sie war deshalb insoweit zu rehabilitieren.

III.

24

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 14 StrRehaG.

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(1) Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben. (2) Wird dem Antrag ganz oder teilweise stattgegeben, fallen die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse zur Last. Im Übrigen kann das Gericht die notwendigen Auslagen des Antragsteller

Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG | § 1 Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen


(1) Die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ist auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erkl

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(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere für ein

Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG | § 13 Beschwerde


(1) Gegen den Beschluss kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Beschwerde eingelegt werden. (2) Der Beschluss unterliegt nicht der Beschwerde, soweit 1. einem Rehabilitierungsantrag stattgegeben worden ist und kein Verfahrensbeteiligt

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. März 2015 - 4 StR 525/13

bei uns veröffentlicht am 25.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR525/13 vom 25. März 2015 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StrRehaG § 2 Abs. 1 Satz 2 Die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem

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(1) Gegen den Beschluss kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Beschwerde eingelegt werden.

(2) Der Beschluss unterliegt nicht der Beschwerde, soweit

1.
einem Rehabilitierungsantrag stattgegeben worden ist und kein Verfahrensbeteiligter dem Antrag widersprochen hat,
2.
das Gericht einstimmig und auf Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist,
a)
entschieden hat, dass die Rechtsfolgen der angegriffenen Entscheidung nicht in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen, oder
b)
einen Antrag nach § 1 Abs. 6 als unzulässig verworfen hat.
Satz 1 Nr. 2 gilt nicht, soweit die erfolgreiche Anfechtung zur Verkürzung einer noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe führen würde.

(3) Über die Beschwerde entscheidet das Bezirksgericht oder das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat, in Berlin das Kammergericht. Das Beschwerdegericht entscheidet durch besondere Beschwerdesenate für Rehabilitierungssachen. § 9 gilt entsprechend.

(4) Will der Beschwerdesenat bei der Entscheidung einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Bezirksgerichts oder eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen, hat er die Sache dem Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 121 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorzulegen.

(1) Die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ist auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben (Rehabilitierung), soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil

1.
die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat; dies gilt in der Regel für Verurteilungen nach folgenden Vorschriften:
a)
Landesverräterische Nachrichtenübermittlung (§ 99 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
b)
Staatsfeindlicher Menschenhandel (§ 105 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
c)
Staatsfeindliche Hetze (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
d)
Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (§ 219 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
e)
Ungesetzlicher Grenzübertritt (§ 213 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 Nr. 3 bis 6, oder Abs. 4 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33);
f)
Boykotthetze gemäß Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. I Nr. 1 S. 5);
g)
Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung (§ 256 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder § 43 des Gesetzes über den Wehrdienst in der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 12 S. 221);
h)
nach Vorschriften, die den unter den Buchstaben a bis g genannten Vorschriften inhaltlich entsprechen, sowie
i)
Hochverrat, Spionage, Anwerbenlassen zum Zwecke der Spionage, Landesverräterische Agententätigkeit, Staatsverbrechen, die gegen einen verbündeten Staat gerichtet sind, Unterlassung der Anzeige einer dieser Straftaten, Geheimnisverrat (§§ 96, 97, 98, 100, 108, 225 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit diesen Vorschriften, §§ 245 oder 246 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder nach inhaltlich entsprechenden Vorschriften, wenn die Tat für die Bundesrepublik Deutschland, einen mit ihr verbündeten Staat oder für eine Organisation begangen worden sein soll, die den Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet ist, oder
2.
die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen.

(2) Mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind die Entscheidungen des Landgerichts Chemnitz, Außenstelle Waldheim, aus dem Jahr 1950 ("Waldheimer Prozesse").

(3) Ist eine Entscheidung auf die Verletzung mehrerer Strafvorschriften gestützt und liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nur hinsichtlich eines Teiles der Strafvorschriften vor, kann die Entscheidung insgesamt aufgehoben werden, wenn die übrigen Gesetzesverletzungen für die Anordnung der Rechtsfolgen von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.

(4) Kommt eine vollständige Aufhebung der Entscheidung nicht in Betracht, hebt das Gericht den Teil der Entscheidung auf, für den die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

(5) Für strafrechtliche Maßnahmen, die keine gerichtlichen Entscheidungen sind, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend.

(6) Ein Antrag nach Absatz 1 ist unzulässig, soweit nach dem 2. Oktober 1990 über einen auf denselben Sachverhalt gestützten zulässigen Antrag auf Rehabilitierung oder Kassation rechtskräftig entschieden worden ist. Dies gilt nicht, soweit dargelegt wird, dass der frühere Antrag nach den Vorschriften dieses Gesetzes Erfolg gehabt hätte.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere für eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat.

(2) Der Freiheitsentziehung werden Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen gleichgestellt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR525/13
vom
25. März 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem Heim für Kinder
oder Jugendliche hat nicht allein deshalb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2
StrRehaG der politischen Verfolgung gedient, weil sie aus Anlass des Umstandes
erfolgte, dass die Eltern des Betroffenen infolge ihrer Inhaftierung als Opfer
politischer Verfolgung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren.
BGH, Beschluss vom 25. März 2015 - 4 StR 525/13 - Thüringer OLG
in der Rehabilitierungssache
der
hier: Vorlagebeschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 7. Mai 2013
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 25. März 2015 beschlossen:
Die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem Heim für Kinder oder Jugendliche hat nicht allein deshalb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG der politischen Verfolgung gedient, weil sie aus Anlass des Umstandes erfolgte, dass die Eltern des Betroffenen infolge ihrer Inhaftierung als Opfer politischer Verfolgung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren.

Gründe:


I.


1
Die Betroffene begehrt ihre Rehabilitierung wegen der Unterbringung in einem Kinderheim der ehemaligen DDR.
2
Die zum damaligen Zeitpunkt geschiedene Mutter der Betroffenen wurde durch Urteil des Bezirksgerichts Erfurt vom 20. Oktober 1961 wegen staatsgefährdender Hetze gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Strafrechtsergänzungsgesetzes der DDR zu der Gefängnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Sie befand sich vom 9. September 1961 bis zum 9. Mai 1963 in Untersuchungsund Strafhaft. Mit Beschluss vom 6. Oktober 1992 hob das Bezirksgericht Erfurt das Urteil desselben Gerichts vom 20. Oktober 1961 auf und rehabilitierte die Mutter der Betroffenen.
3
Nach ihren im Rehabilitierungsverfahren als zutreffend zugrunde gelegten Angaben wurde die damals 7-jährige Betroffene am Tag der Inhaftierung ihrer Mutter in das Normalkinderheim „ “ in S. verbracht, wo sie vom 9. September 1961 bis Anfang Juli 1963 verblieb.
4
Das Landgericht Erfurt erklärte mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 die vom Rat des Kreises N. – Jugendhilfeausschuss – vorgenommene Anordnung der Unterbringung der Betroffenen in Heimerziehung für rechtsstaatswidrig , hob sie auf und stellte – unter Zurückweisung des Rehabilitierungsantrags im Übrigen – fest, dass die Betroffene vom 9. September 1961 bis 9. Mai 1963 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft, die dem Rehabilitierungsantrag der Betroffenen entgegengetreten war, mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde.

II.


5
Das Thüringer Oberlandesgericht möchte die Beschwerde der Staatsanwaltschaft verwerfen. Es ist der Auffassung, dass in Fällen, in denen Kinder oder Jugendliche von den Jugendbehörden der DDR nur deshalb in Heimen untergebracht wurden, weil ihre Eltern als Opfer politischer Verfolgung inhaftiert worden waren und deshalb als Betreuungspersonen nicht mehr zur Verfügung standen, die Anordnung der Heimunterbringung gleichfalls Ausdruck politischer Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG sei und es keiner weiteren Prüfung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit bedürfe. Denn das Handeln der Verwal- tungs- bzw. Jugendbehörde sei eine notwendige Folge des rechtsstaatswidrigen Handelns der Justizbehörden, dessen Unrechtsgehalt damit auf die Bewertung des Handelns der Jugendbehörde durchschlage (Thüringer OLG, ZOV 2013, 124; vgl. auch ZOV 2012, 274; ZOV 2012, 134).
6
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Thüringer Oberlandesgericht durch den Beschluss des Kammergerichts vom 13. Dezember 2011 – 2 Ws 443/11 REHA – gehindert. In dieser Entscheidung hat das Kammergericht eine wegen einer Heimunterbringung in der DDR begehrte Rehabilitierung versagt und dies – entscheidungstragend – damit begründet, dass sich die Einweisung eines Betroffenen in ein Kinderheim nicht schon deshalb als Maßnahme politischer Verfolgung darstelle, weil sie Folge der Verhaftung und Verurteilung seiner Eltern aus Gründen politischer Verfolgung gewesen sei. Die Einweisung in ein Kinderheim sei in diesen Fällen keine unmittelbare, sondern mittelbare Folge der politischen Verfolgung der Eltern. Deshalb müsse sie, um der Rehabilitierung zugänglich zu sein, ihrerseits politisch begründetes Unrecht sein und sachfremden Erwägungen folgen, die nicht durch den üblichen rechtskonformen Zweck der Einweisung – hier: fürsorgerische Erwägungen – gedeckt seien (vgl. auch KG, ZOV 2011, 166; ZOV 2011, 211; VIZ 1997, 663).
7
Das Thüringer Oberlandesgericht hat daher mit Beschluss vom 7. Mai 2013 (ZOV 2013, 124) die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 13 Abs. 4 StrRehaG dem Bundesgerichtshof zur Beantwortung folgender Rechtsfrage vorgelegt: „Ist es in den Fällen der Einweisung in ein Kinderheim in der ehemaligen DDR für die Rehabilitierung des/der Betroffenen gemäß § 2 StrRehaG ausreichend, wenn die Heimunterbringung ausschließlich deshalb erfolgt, weil die Eltern ihrerseits Opfer politischer Verfolgung und deshalb inhaf- tiert wurden (sog. ‚mittelbare‘ politische Verfolgung) oder bedarf es der Feststellung einer darüber hinausgehenden (‚unmittelbaren‘) eigenen politischen Verfolgung des betroffenen Kindes/Jugendlichen bzw. weiterer sachfremder Erwägungen, die – über den haftbedingten Ausfall der bisherigen Erziehungsberechtigten hinaus – für die Heimunterbringung ursächlich geworden sind?“
8
Der Generalbundesanwalt ist im Ergebnis der Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts beigetreten und hat beantragt zu beschließen: „Die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Ju- gendliche in der ehemaligen DDR ist mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar und damit nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 StrRehaG für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben, wenn sie ausschließlich deshalb erfolgte, weil die Eltern als Opfer politischer Verfolgung inhaftiert wurden.“

III.


9
Die Rechtsansicht des vorlegenden Thüringer Oberlandesgerichts wird von den Oberlandesgerichten Dresden (ZOV 2013, 63; ZOV 2012, 140) und Naumburg (OLGSt StrRehaG § 2 Nr. 4) geteilt.

IV.


10
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 13 Abs. 4 StrRehaG sind erfüllt. Die Vorlegungsfrage betrifft die – hier entscheidungserhebliche – Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung in § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG, mithin einer Rechtsfrage, die bereits durch ein anderes Oberlandesgericht entschieden worden ist. Das Thüringer Oberlandes- gericht kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Entscheidung des Kammergerichts abzuweichen.
11
Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlegungsfrage wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Thüringer Oberlandesgericht keine Feststellungen zu den Unterbringungsbedingungen während des Heimaufenthalts der Betroffenen getroffen hat. Das vorlegende Oberlandesgericht ist insoweit der Ansicht , dass bei der Entscheidung über die Rehabilitierung einer Heimunterbringung infolge der Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG durch das am 9. Dezember 2010 in Kraft getretene Vierte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 2. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1744), durch welche die Vorschrift um die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche erweitert worden ist, nicht mehr zu prüfen sei, ob sich diese Unterbringung im konkreten Fall als Freiheitsentziehung darstellte oder zumindest unter haftähnlichen Bedingungen erfolgte, weil der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung zum Ausdruck gebracht habe, dass jede Heimeinweisung als Freiheitsentziehung zu behandeln sei. Diese in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung einhellig vertretene Rechtsansicht (vgl. Thüringer OLG, ZOV 2012, 134; KG, ZOV 2014, 21; OLG Naumburg, OLGSt StrRehaG § 2 Nr. 4; OLG Brandenburg, OLGSt StrRehaG § 1 Nr. 11; OLG Rostock, Beschluss vom 14. November 2011 – I Ws RH 24/11; Mützel, ZOV 2013, 98, 100; aA LG Erfurt, ZOV 2011, 212; Toberer/Plöger, NJ 2012, 328), die sich darauf stützen kann, dass mit der Aufnahme der Heimeinweisung in die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche mit der Einweisung in eine psychiatrische Anstalt gleichgestellt worden ist, für die eine gesetzliche Vermutung ihres freiheitsentziehenden Charakters angenommen wird (vgl. BVerfG, ZOV 2014, 237 [bei juris Rn. 50]; Thüringer OLG, ZOV 2012, 134; Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht, BR-Drucks. 92/93, S. 149; Mützel aaO), ist zumindest vertretbar und damit für den Senat im Vorlegungsverfahren bindend (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1974 – 1 StR 366/73, BGHSt 25, 325, 328).
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Im Hinblick darauf, dass die für das Vorlegungsverfahren maßgebliche rechtliche Divergenz die Auslegung des Merkmals der politischen Verfolgung in § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG betrifft, hat der Senat die Vorlegungsfrage wie folgt präzisiert und neu gefasst: „Hat die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem Heim für Kinder oder Jugendliche allein deshalb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG der politischen Verfolgung gedient, weil sie aus Anlass des Umstands erfolgte, dass die Eltern des Betroffenen infolge ihrer Inhaftierung als Opfer politischer Verfolgung an der Ausübung der elter- lichen Sorge gehindert waren?“

V.


13
Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus dem Tenor ersichtlich.
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1. Nach § 1 Abs. 1 StrRehaG ist die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben , soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist. Mit der Anknüpfung an wesentliche Grundsätze einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung wollte der Gesetzge- ber dasjenige Staatsunrecht erfassen, das als „Systemunrecht“ den Einzelnen unter Missachtung seiner Individualität und Menschenwürde zum Objekt gesellschaftspolitischer Zielsetzungen degradierte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Ersten Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht, BT-Drucks. 12/1608, S. 16). Der in § 1 Abs. 1 StrRehaG im Sinne einer Generalklausel geregelte Maßstab für die strafrechtliche Rehabilitierung wird durch die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StrRehaG normierten Regelbeispiele dahin konkretisiert, dass eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung insbesondere dann gegeben ist, wenn die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat oder die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen.
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Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG finden die Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG insbesondere für eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat. Aufgrund der in § 2 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG enthaltenen Verweisung auf die Generalklausel des § 1 Abs. 1 StrRehaG setzt die Rehabilitierung wegen einer Heimunterbringung voraus, dass die gerichtliche oder behördliche Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar war. Durch die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG, die ausweislich ihres die Formulierung „insbesondere“ verwendenden Wortlauts und der Intentionen des Gesetzgebers (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz der Bereinigung von SED-Unrecht, BR-Drucks. 92/93, S. 149) als Regelbeispiel ausgestaltet ist, wird klargestellt, dass die materiellen Rehabilitierungsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Anordnung der Heimunterbringung der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat.
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2. Der Begriff der politischen Verfolgung wird in den Bestimmungen des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht näher definiert. Die Gesetzesmaterialien beschränken sich insoweit auf den pauschal gehaltenen Hinweis auf eine politisch-ideologisch motivierte Verfolgung Andersdenkender (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum Ersten Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht, BT-Drucks. 12/1608, S. 16). Zur Auslegung kann indes auf die zum Asylrecht ergangene Rechtsprechung rekurriert werden (vgl. Schröder in Bruns/Schröder/ Tappert, StrRehaG, § 1 Rn. 80 f.). Danach wohnt dem Begriff der politischen Verfolgung ein finales Element inne (vgl. BVerwGE 87, 141, 145 mwN). Erfasst werden Maßnahmen, die ihrem inhaltlichen Charakter nach erkennbar darauf gerichtet sind, den Betroffenen wegen seiner – tatsächlich oder vermeintlich gegebenen – politischen Überzeugung, religiösen Grundentscheidung oder eines anderen für ihn unverfügbaren persönlichen Merkmals zu diskriminieren (vgl. BVerfGE 80, 315, 333 ff. mwN; BVerwG aaO; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl., Art. 16a Rn. 19). Erforderlich ist eine dem Einzelnen in Anknüpfung an eines der genannten Merkmale zielgerichtet zugefügte Rechtsverletzung (vgl. BVerfG aaO). Das mithin bereits aus dem Begriff der politischen Verfolgung abzuleitende Erfordernis einer auf die Benachteiligung aus politischen Gründen abzielenden Zweckbestimmung der Maßnahme wird für die hier in Rede stehende rehabilitierungsrechtliche Bewertung der Anordnung einer Heimunterbringung durch eine grammatikalische und systematische Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG bestätigt. Denn gemäß dem Wortlaut der Vorschrift muss die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung gerade „gedient“ haben und nachdem Regelungsgefüge des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG handelt es sich bei dem Merkmal der politischen Verfolgung lediglich um einen benannten Unterfall eines mit der Unterbringungsanordnung verfolgten sachfremden Zwecks. Schließlich gehen auch die Gesetzesmaterialien zum Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz für die Auslegung der gleichgelagerten Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz StrRehaG davon aus, dass die Qualifizierung einer Entscheidung als Akt politischer Verfolgung eine politisch-ideologische Zwecksetzung erfordert, die in der Entscheidung erkennbar geworden sein muss (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/1608, S. 17).
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Die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche hat nach den dargelegten Maßstäben nur dann im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG der politischen Verfolgung gedient, wenn sie nach der ihr erkennbar innewohnenden Zweckbestimmung zumindest auch darauf abzielte , eine politische intendierte Benachteiligung herbeizuführen. Da die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG nicht auf die Verfolgung gerade des von der Unterbringung Betroffenen abstellt, ist dabei unerheblich, ob sich der mit der Anordnung der Unterbringung verfolgte Verfolgungszweck gegen die unterzubringende Person selbst oder Dritte richtete. Auch die zur politischen Disziplinierung von Eltern oder Verwandten angeordnete Heimunterbringung stellt sich als politische Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG dar (vgl. KG, ZOV 2014, 21; OLG Dresden, ZOV 2011, 259; VerfGH Berlin, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 88/13; Mützel, ZOV 2013, 98, 102). Der bloße ursächliche Zusammenhang mit einer gegen die Eltern gerichteten Verfolgungsmaßnahme , der bestehen kann, wenn die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche durch die Inhaftierung der die elterliche Sorge ausübenden Eltern veranlasst wurde, reicht dagegen nicht aus, um die Unterbringungsanordnung selbst als Akt der politischen Verfolgung zu qualifizieren.
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3. Die gegenteilige Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts ist zudem mit dem Regelungskonzept des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht zu vereinbaren. Anknüpfend an die in Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889) geregelte fortbestehende Wirksamkeit von Entscheidungen der Gerichte und der Verwaltungsbehörden der DDR hat sich der Gesetzgeber mit dem durch das Erste SEDUnrechtsbereinigungsgesetz vom 29. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814) geschaffenen Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz für eine Konzeption der Rehabilitierung entschieden, die eine einzelfallbezogene Überprüfung der vom Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz formell erfassten Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Gerichte und Behörden der DDR auf Antrag des Betroffenen anhand gesetzlich festgelegter materieller Kriterien vorsieht (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/1608, S. 17). Eine die angegriffene Entscheidung aufhebende und den Betroffenen rehabilitierende Entscheidung kann nur ergehen, wenn im Einzelfall festzustellen ist, dass hinsichtlich der konkret in Rede stehenden Entscheidung die materiellen Rehabilitierungsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. zu dem aus § 10 Abs. 2 StrRehaG resultierenden Beweismaß BVerfG, ZOV 2014, 237 [bei juris Rn. 55]). Die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht zu Lasten des Antragstellers ; der strafprozessuale Zweifelssatz findet keine Anwendung (vgl. BVerfG aaO und VIZ 2000, 376). Dieses auf eine einzelfallbezogene Überprüfung einzelner Entscheidungen und Maßnahmen abstellende Regelungskonzept des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes schließt es aus, für die Anwendung des Regelbeispiels des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG auf ein nicht näher konkretisiertes unteilbares Verfolgungsschicksal der Familie abzustellen (so OLG Naumburg, OLGSt StrRehaG § 2 Nr. 4) oder den Unrechtscharakter der politischen Verfolgung der Eltern allein deshalb auf die Anordnung der Heimunter- bringung „durchschlagen“ zu lassen, weil die Heimeinweisung der durch die Inhaftierung der Eltern entstandenen tatsächlichen Situation Rechnung trug.
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4. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Mützel, ZOV 2013, 98, 103; Wapler in Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer , Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR – Expertisen, 5, 95) kann die Einstufung einer in der Folge der politisch intendierten Inhaftierung der Eltern erfolgten Heimeinweisung als Akt politischer Verfolgung schließlich nicht unter Rückgriff auf die in der asylrechtlichen Rechtsprechung anerkannte, unter bestimmten Voraussetzungen für die minderjährigen Kinder eines Verfolgten geltende Vermutung einer eigenen politischen Verfolgung (vgl. BVerwGE 75, 304, 312; 79, 244, 245 f.; Randelzhofer in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 16a Abs. 1 Rn. 64 [Stand: März 2007]; Jarass aaO Rn. 12) begründet werden. Denn einer Übertragung dieser asylrechtlichen Vermutung in das Recht der Rehabilitierung stehen die unterschiedlichen Zielrichtungen des Asylrechts einerseits und des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes andererseits entgegen. Während im Asylrecht die Frage der Gewährung von Schutz vor staatlicher Verfolgung im Fokus steht und die widerlegbare Vermutung einer eigenen politischen Verfolgung der minderjährigen Kinder in diesem Kontext dazu dient, den personellen Schutzbereich des Asylrechts zu erweitern, um einer prognostisch zu berücksichtigenden potentiellen Gefährdungslage Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG aaO), geht es im Rahmen des Rehabilitierungsrechts um die Wiedergutmachung für staatliches Unrecht der DDR und die in diesem Zusammenhang vorzunehmende retrospektive Bewertung von durch Gericht und Behörden der DDR getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen.
Mutzbauer RinBGH Roggenbuck ist infolge Cierniak Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
Franke Bender

(1) Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben.

(2) Wird dem Antrag ganz oder teilweise stattgegeben, fallen die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse zur Last. Im Übrigen kann das Gericht die notwendigen Auslagen des Antragstellers ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn es unbillig wäre, den Antragsteller damit zu belasten.

(3) Die Entscheidung nach Absatz 2 Satz 2 ist unanfechtbar.

(4) Für die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gilt § 473 Abs. 1 bis 4 der Strafprozessordnung entsprechend.