Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 25. Sept. 2018 - 20 Ws 180/18

bei uns veröffentlicht am25.09.2018

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 17.08.2018 (Az. 25 Ns 103/17) aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch und zur anschließenden Nachholung der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landgerichts Stralsund zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Stralsund hat den Angeklagten am 14.11.2017 (Az. 314 Cs 541/17) wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt.

2

Aufgrund der durch den Angeklagten eingelegten Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts fand am 09.08.2018 die Hauptverhandlung statt, zu der der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist. Mit Urteil vom 09.08.2018 hat das Landgericht Stralsund die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 14.11.2017 (Az. 314 Cs 541/17) verworfen.

3

Am 09.08.2018 (nach Beginn der Hauptverhandlung) ging bei dem Landgericht Stralsund das Ablehnungsgesuch sowie die Dienstaufsichtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Vorsitzenden Richter Dr. W... ein. Begründet wurde dies damit, dass seine Anträge vom 02.08.2018 auf Terminsverlegung und Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht entschieden worden seien. Dem Vorsitzenden sei der Gesundheitszustand des Angeklagten aufgrund vorgelegter Unterlagen bekannt gewesen. Da der Vorsitzende den Hauptverhandlungstermin nicht aufgehoben habe, habe er „vorsätzlich beabsichtigt, den Angeschuldigten in lebensgefährliche gesundheitliche Situation, bis hin zur Gefahr seines Ablebens zu bringen“.

4

Mit am 13.08.2018 bei dem Landgericht eingegangenen Schreiben hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

5

Mit Beschluss vom 17.08.2018 hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 09.08.2018 als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der zum Hauptverhandlungstermin ordnungsgemäß geladene und über die Folgen seines Ausbleibens belehrte Angeklagte habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass seinem Verlegungsantrag stattgegeben werde. Der Angeklagte habe grundsätzlich keinen Anspruch auf Terminsverlegung. Die Herzkatheteruntersuchung beim Angeklagten sei erst für den 10.09.2018 vorgesehen gewesen. Aus den vom Angeklagten abgereichten Berichten habe sich lediglich ergeben, dass er sich vom 25.07.2018 bis 31.07.2018 in stationärer Behandlung befunden habe und dann entlassen worden sei. Dass eine Hauptverhandlung für den Angeklagten lebensgefährlich sein könnte, ergäbe sich nicht aus den vorgelegten Unterlagen. Das ärztliche Attest vom 09.08.2018 verhalte sich nicht zu einer eventuellen Reise- und Verhandlungsunfähigkeit. Die vom Angeklagten verfassten umfangreichen Schriftsätze (Ablehnungsgesuch und Dienstaufsichtsbeschwerde) zeigten, dass der Angeklagte durchaus in der Lage sei, umfangreiche Schriftsätze per Telefax zu übermitteln, welches ein gewichtiges Indiz für eine tatsächlich bestehende Reise- und Verhandlungsfähigkeit sei.

6

Eine Entscheidung über das am 09.08.2018 eingegangenen Ablehnungsgesuch hat das Landgericht zuvor nicht getroffen.

7

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 17.08.2018 als unbegründet zu verwerfen.

II.

8

Das Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg.

9

Das Landgericht hat in Person des zuvor zuständigen Richters am Landgericht Dr. W... über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden, ohne dass zuvor - was notwendig gewesen wäre - über das auch angebrachte Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Landgericht Dr. W... befunden worden wäre.

10

Der den Beschluss am 17.08.2018 erlassende, abgelehnte Richter unterlag nämlich der Wartepflicht des § 29 Abs. 1 Satz 1 StPO. Geht das Ablehnungsgesuch ein, bestimmt sich die Befugnis des abgelehnten Richters zur Vornahme richterlicher Handlungen grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt nach § 29 Abs. 1 StPO (h.M. vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl. 2018, § 29 Rdn. 1). Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 StPO hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Unaufschiebbar im Sinne dieser Vorschrift sind Handlungen, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis ein Ersatzrichter eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2002, Az. 4 StR 272/01, zitiert nach Juris; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Rdn. 4). Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 StPO dient primär der Verfahrensförderung. Allein die Anbringung des Ablehnungsgesuchs soll nicht dazu führen, dass der Richter sogleich von jeder Mitwirkung ausgeschlossen ist. Andererseits hat der Ablehnende ein Interesse daran, dass der von ihm für befangen erachtete Richter in dem Verfahren nicht weiter mitwirkt. Der Richter soll deshalb nicht länger als unbedingt nötig auf das Prozessgeschehen einwirken können (vgl. BGH, Beschluss vom 28.07.2015, Az. 1 StR 602/14, zitiert nach Juris).

11

Unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 29 Abs. 1 StPO verstieß der Erlass des Beschlusses am 17.08.2018, mit dem die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wurde, gegen die Wartepflicht. Die am 17.08.2018 ergangene Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht unaufschiebbar im Sinne des § 29 Abs. 1 StPO.

12

Umstritten ist, ob eine auf eine Verletzung von § 29 Abs. 1 StPO ergangene Entscheidung geheilt wird, wenn das Ablehnungsgesuch erfolglos bleibt (so Scheuten in: Karlsruher Kommentar a.a.O.) oder ob ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegt, unabhängig davon, ob das Ablehnungsgesuch der Sache nach unbegründet war oder rechtsfehlerfrei nach § 26a StPO als unzulässig hätte verworfen werden können (so KG Berlin, Beschluss vom 28.09.2012, Az. 3 Ws (B) 524/12, zitiert nach Juris).

13

Für die Annahme der Heilung der Fehlerhaftigkeit durch die endgültige Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wird angeführt, dass es ein bloßer Formalismus wäre, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, um deren Wiederholung durch denselben, da in der Sache nicht befangenen Richter herbeizuführen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20.05.1999, Az. 2 Ws 158/99, 2 Ws 161-164/99, zitiert nach Juris). Gänzliche Unwirksamkeit mit der Folge rechtlicher Unbeachtlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung könne allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. Dies folge aus den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der ihr dienenden Autorität gerichtlicher Entscheidungen sowie aus der Gesamtstruktur des Strafverfahrens mit seinem zur Korrektur fehlerhafter Entscheidungen bestimmten Rechtsmittelsystem (vgl. OLG München, Beschluss vom 05.03.1993, Az. 2 Ws 100, 101/93 mit Hinweis auf BGH, Beschluss vom 16.10.1980, Az. StB 29-31/80, zitiert nach Juris). Auch der Vorschrift des § 338 Nr. 3 StPO sei zu entnehmen, dass ein Urteil, an dem ein abgelehnter Richter mitgewirkt habe, nur fehlerhaft und nicht unwirksam sei, wenn das Ablehnungsgesuch zu Recht verworfen wurde.

14

Nach anderer Auffassung soll der Verstoß gegen § 29 Abs. 1 StPO bei aufschiebbaren Handlungen ohne Rücksicht darauf, wie über das Ablehnungsgesuch entschieden wird, unwirksam sein (vgl. Siolek in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2016, § 29, Rdn. 35; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.07.1994, Az. 5 Ss 274/94-85/94; BayObLG, Beschluss vom 13.10.1997, Az. 1 ObOWi 436/97, jeweils zitiert nach Juris). Die Ablehnung mache amtsunfähig, weshalb aufschiebbare Handlungen stets fehlerhaft seien, auch wenn das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, weil die durch die Ablehnung bewirkte Amtsunfähigkeit nicht rückwirkend beseitigt werden könne; eine Heilung dieses Fehler könne auch bei Erfolglosigkeit des Ablehnungsgesuchs nicht eintreten (vgl. Siolek in: Löwe-Rosenberg, a.a.O. Rdn. 2). Ein solcher Grundsatz lässt sich jedoch den Vorschriften über die Ablehnung nicht entnehmen. Aus § 29 Abs. 1 StPO ergibt sich lediglich eine teilweise Amtsunfähigkeit bezüglich aufschiebbarer Handlungen. Zudem steht der Annahme der Amtsunfähigkeit die Vorschrift des § 26a StPO entgegen, die es dem abgelehnten Richter in bestimmten Fällen erlaubt, selbst über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden (vgl. OLG München, Beschluss vom 05.03.1993, Az. 2 Ws 100-101/93, zitiert nach Juris). Auch überzeugt diese teilweise vertretene Auffassung deshalb nicht, weil sie mit den Grundsätzen des Beschwerde- und Revisionsrechts nicht vereinbar wäre, wonach rechtsfehlerhafte Prozesshandlungen nur anfechtbar sind und erst eine begründete Beschwerde oder Revision zu ihrer Aufhebung bzw. zur Aufhebung des entsprechenden Urteils führen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28.09.2012, Az. 3 Ws (B) 524/12-162 Ss 165/12, zitiert nach Juris).

15

Allerdings missachtet ein Richter, der nicht über ein Ablehnungsgesuch trotz Kenntnis eines solchen entscheidet und gleichwohl eine aufschiebbare Handlung vornimmt, die Verfassungsnorm des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter mit dem Ziel, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.07.2005, Az. 2 BvR 497/03; Beschluss vom 10.07.1990, Az. 1 BvR 984-985/87, Beschluss vom 08.04.1997, Az. 1 PBvU 1/95, jeweils zitiert nach Juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, Az. 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01, zitiert nach Juris) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 10.08.2005, Az. 5 StR 180/05 sowie Beschluss vom 14.06.2005, Az. 3 StR 446/04, jeweils zitiert nach Juris) liegt die Entziehung des gesetzlichen Richters und somit ein Verstoß gegen den absoluten Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegrund nach § 338 Nr. 3 StPO dann vor, wenn die Verwerfung eines Ablehnungsantrages nach § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen Rechtsanwendung beruht. Gleiches muss auch gelten, wenn das Gericht einen Ablehnungsantrag ignoriert und keine Entscheidung darüber herbeiführt (vgl. KG Berlin, a.a.O.). In einer derartigen Konstellation kann es nicht darauf ankommen, ob das Ablehnungsgesuch der Sache nach unbegründet gewesen wäre oder rechtsfehlerfrei nach § 26a StPO als unzulässig hätte verworfen werden können, denn eine derartige Prüfung des Beruhens würde im Endeffekt dazu führen, dass auf jeden Fall die Entscheidung über den Ablehnungsantrag dem Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht überlassen wird, was mit der vom Gesetzgeber durch die Regelungen der §§ 26a, 27 StPO aufgestellten Zuständigkeitsverteilung unvereinbar ist und somit unter dem Gesichtspunkt der willkürlichen Richterentziehung einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG begründet (so KG Berlin, a.a.O.).

16

Nach diesen Maßstäben verstößt die Nichtentscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG. Dass der Richter von dem Ablehnungsgesuch Kenntnis erlangt hat, ergibt sich sowohl aus der Akte, insbesondere der richterlichen Verfügung vom 09.05.2018, als auch aus dem Beschluss vom 17.08.2018, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet verworfen wurde. Die Gründe, warum dennoch über das Ablehnungsgesuch nicht entschieden wurde, sind dem Senat indes weder bekannt, noch ergeben sie sich aus dem vorliegenden verfahrengegenständlichen Akteninhalt.

17

Darauf kommt es im Ergebnis nicht an. Entscheidend ist vielmehr angesichts der Bedeutung der Bestimmung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass hier ohne nachvollziehbaren Grund über das Ablehnungsgesuch nicht entschieden worden ist.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 26a Verwerfung eines unzulässigen Ablehnungsantrags


(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn 1. die Ablehnung verspätet ist,2. ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angege

Strafprozeßordnung - StPO | § 27 Entscheidung über einen zulässigen Ablehnungsantrag


(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. (2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheid

Strafprozeßordnung - StPO | § 29 Verfahren nach Ablehnung eines Richters


(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. (2) Die Durchführung der Hauptverhandlung gestattet keinen Aufschub; sie findet bis zur Entscheidung über das A

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 6 0 2 / 1 4 a l t : 1 S t R 6 3 3 / 1 0 vom 28. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

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(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Die Durchführung der Hauptverhandlung gestattet keinen Aufschub; sie findet bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters statt. Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.

(3) Über die Ablehnung ist spätestens vor Ablauf von zwei Wochen und stets vor Urteilsverkündung zu entscheiden. Die zweiwöchige Frist für die Entscheidung über die Ablehnung beginnt

1.
mit dem Tag, an dem das Ablehnungsgesuch angebracht wird, wenn ein Richter vor oder während der Hauptverhandlung abgelehnt wird,
2.
mit dem Tag des Eingangs der schriftlichen Begründung, wenn das Gericht dem Antragsteller gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 aufgegeben hat, das Ablehnungsgesuch innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist schriftlich zu begründen.
Findet der übernächste Verhandlungstag erst nach Ablauf von zwei Wochen statt, so kann über die Ablehnung spätestens bis zu dessen Beginn entschieden werden.

(4) Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muss die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen. Dies gilt nicht für solche Teile der Hauptverhandlung, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 6 0 2 / 1 4
a l t : 1 S t R 6 3 3 / 1 0
vom
28. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2015 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. November 2013 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 5. Mai 2010 wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Soweit ihm in der Anklage darüber hinaus Vergehen der Bestechung und Beihilfe zur Untreue zur Last gelegt worden waren, hatte das Landgericht das Verfahren im Hinblick auf den Vorwurf der Bestechung wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung und hinsichtlich der Beihilfe zur Untreue eingestellt, weil insoweit eine Auslieferung durch Kanada nicht bewilligt worden war. Das Landgericht hatte weiter angeordnet, dass von der in Kanada erlittenen Auslieferungshaft neun Tage auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet werden.
2
Dieses Urteil hob der Senat auf die Revision des Angeklagten – soweit er verurteilt worden war – mit den Feststellungen zur Ansässigkeit des Angeklagten , zu den von ihm erzielten Gewinnen sowie zur Höhe des zu versteuernden Einkommens und der verkürzten Steuern auf. Die weitergehende Revision des Angeklagten wurde verworfen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat das Urteil mit den Feststellungen auf, soweit das Verfahren hinsichtlich des Vorwurfs der Bestechung eingestellt worden war. Ausgenommen waren hiervon die Feststellungen, soweit sie die Einrichtung der Rubrikkonten “Holgart“ und die diesbezüglichen Kontobewegungen zum Gegenstand hatten. Im Umfang der Aufhebung verwies der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück (BGH, Urteil vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10, wistra 2012, 29).
3
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hinsichtlich des Vorwurfs der Bestechung hat es das Verfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt. Zudem hat es ausgesprochen, dass die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung von 166 Tagen im Maßstab 1:1 auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird.
4
Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


5
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen verurteilt, weil er in den Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1993 gewerbliche Einkünfte aus einer Vermittlungstätigkeit nicht gegenüber den Finanzbehörden erklärt und dadurch Steuern in einem Umfang von insgesamt mehr als 17 Mio. DM verkürzt hat.
6
Im Einzelnen hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
7
1. Der Angeklagte erzielte in den Jahren 1988 bis 1993 Einkünfte aus dem gewerbsmäßigen Vermitteln und Vermakeln von Geschäften aller Art. Bei seiner Vermittlungstätigkeit kamen ihm seine zahlreichen Kontakte zu Politik und Wirtschaft zugute.
8
Der Angeklagte entschloss sich, die ihm aus den Vermittlungsgeschäften zufließenden Provisionen gegenüber den deutschen Finanzbehörden zu verheimlichen und dadurch seine Einkommensteuerlast zu vermindern. Zur Verschleierung seiner Einkünfte bediente sich der Angeklagte zweier Tarnfirmen, die nach außen hin als Träger der Vermittlungsgeschäfte auftreten sollten, obwohl sie mangels Personal und Geschäftsausstattung in Wahrheit zu werbender Tätigkeit gar nicht im Stande waren.
9
Tatsächlich wurden die Vermittlungsgeschäfte vom Angeklagten ausgeführt , dem auch die Provisionen zustanden und an den diese – wenn auch verschleiert – ausgezahlt wurden.
10
Bei den Tarnfirmen handelt es sich um die Firma A. Ltd. (im Folgenden: A. ), die in Panama ansässig war, und die Firma I. Ltd. (im Folgenden: I. ) mit Sitz in Liechtenstein. Beide Gesellschaften waren Tochterunternehmen der ebenfalls in Liechtenstein ansässigen K. -Anstalt. Alleiniger Nutznießer und wirtschaftlicher Berechtigter der K. -Anstalt und deren Tochterfirmen war der Angeklagte.
11
Die Tarnfirmen A. und I. unterhielten verschiedene Stamm- und Unterkonten bei Banken in der Schweiz und in Liechtenstein, hinsichtlich derer der Angeklagte und seine Ehefrau verfügungsberechtigt waren. Die eingehenden Provisionszahlungen wurden zunächst den Stammkonten gutgeschrieben. Von dort aus wurden sie auf mit Fantasienamen bezeichneten Unterkonten (sog. Rubrikkonten) weitergeleitet und umverteilt. Die auf den Rubrikkonten separierten Gelder dienten der Leistung von Unterprovisionen an ausgewählte Personen , die sich der Angeklagte im Zusammenhang mit der Vermittlung der Geschäfte gewogen machen wollte. Die Unterprovisionsbeträge wurden für den jeweiligen Empfänger auf dem ihm zugeordneten Rubrikkonto vorgehalten bzw. von dort aus an ihn zugewendet.
12
In den Jahren 1988 bis 1993 erfolgten Provisionszahlungen, u.a. der Firmen T. AG und A. G.I.E, an den Angeklagten in einem Umfang von mehr als 64 Mio. DM. Ihnen lagen Vermittlungstätigkeiten des Angeklagten im Zusammenhang mit Geschäften der vorgenannten Firmen zugrunde , wie Flugzeugverkäufe der A. G.I.E. an kanadische und thailändische Fluggesellschaften und die Lieferung von Panzerfahrzeugen durch die Firma T. AG nach Saudi-Arabien.
13
Der Angeklagte und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau gaben für die Jahre 1988 bis 1993 Einkommensteuererklärungen beim zuständigen Finanzamt Landsberg am Lech ab, in denen sie als Wohnsitz eine Adresse in Kaufering angaben. Hinweise auf einen kanadischen Wohnsitz oder eine Steuerpflicht in Kanada erfolgten nicht. Die vom Angeklagten aus den Vermittlungsgeschäften erzielten Einkünfte wurden in den Einkommensteuererklärungen nicht angegeben. Auch den kanadischen Steuerbehörden, gegenüber denen sich der Angeklagte als „non-resident“ darstellte, erklärte der Angeklagte die Einkünfte nicht.
14
2. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Einkünfte aus der Vermittlungstätigkeit in den Jahren 1988 bis 1993 in Deutschland zu versteuern. Nach den Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern vom 17. Juli 1981 (BGBl. 1982 II S. 801, nachfolgend: DBA Kanada 1981) sei der Angeklagte als in Deutschland ansässig anzusehen. Selbst wenn nach dem DBA Kanada 1981 das Besteuerungsrecht hinsichtlich von Einkünften aus einer kanadischen Quelle Kanada zustehen sollte, sei dieses Recht aufgrund der Rückfallklausel in Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981 an Deutschland zurückgefallen, da in Kanada tatsächlich keine Besteuerung erfolgt sei. Durch das Verschweigen der Einkünfte sei deutsche Einkommensteuer in Höhe von 19.739.220 DM verkürzt worden.
15
3. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht in allenFällen – mit Ausnahme der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 1989 – einen unbenannten besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 1 AO angenommen und dies neben der Höhe der Verkürzungsbeträge jeweils mit der vom Angeklagten aufgewendeten, über das Übliche einer Steuerhinterziehung weit hinausgehenden kriminellen Energie durch Verschleierung der begangenen Taten unter Einschaltung ausländischer Domizilgesellschaften und Implementierung eines schwer überschaubaren Kontensystems im Ausland begründet.
16
4. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat das Landgericht verneint. Die in Kanada verbüßte Untersuchungshaft hat es im Maßstab 1:1 auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet; eine Anrechnung der Zeit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit der Auflage, der Angeklagte dürfe das von ihm bewohnte Grundstück nur mit Genehmigung des Gerichts verlassen, hat es dagegen nicht vorgenommen.

II.


17
Der Verurteilung des Angeklagten steht kein Verfahrenshindernis entgegen. Die Steuerstraftaten sind – worüber der Senat in seinem Urteil vom 6. September 2011 nicht bindend entschieden hat – nicht verjährt.
18
Die Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 1988 durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) war mit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids vom 17. August 1990, in dem die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde, beendet (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. August 2014 – 1 StR 198/14, NStZ-RR 2014, 340). Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung betrug zum damaligen Zeitpunkt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Die Verjährung wurde während des Laufs der Frist mehrfach, unter anderem durch Anordnung der ersten Vernehmung des Beschuldigten am 9. August 1995 (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB), durch Durchsuchungsanordnungen am 14. August 1995 und am 24. August 1995 (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB), durch Haftbefehl vom 2. September 1999 (§ 78c Abs. 1 Nr. 5 StGB) sowie durch Anklageerhebung am 14. März 2000 (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB) unterbrochen. Vor Ablauf der absoluten Verjährung (§ 78c Abs. 3 Satz 2 und 3 StGB) erfolgte am 1. August 2000 eine erneute Unterbrechung durch Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht (§ 78c Abs. 1 Nr. 7 StGB). Ab diesem Zeitpunkt ruhte die Verjährung gemäß des ab 1. März 1993 geltenden § 78b Abs. 4 StGB (BGBl. I S. 50) für einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Verjährung ruhte gemäß dem mit Wirkung vom 11. August 2000 eingefügten § 78b Abs. 5 StGB (BGBl. I S. 2272) erneut ab Zugang des förmlichen Auslieferungsersu- chens bei den kanadischen Behörden spätestens am 17. Oktober 1999 bis zur Übergabe des Angeklagten am 3. August 2009 an die deutschen Strafverfolgungsbehörden. Zudem erhöhte sich die Verjährungsfrist aufgrund Einfügung des § 376 Abs. 1 AO durch Gesetz vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2794, 2828) auf zehn Jahre (§ 376 Abs. 1 AO). Diese Vorschrift gilt für alle bei Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 25. Dezember 2008 noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen für die in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO genannten Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung, und zwar ungeachtet dessen, dass das hier einschlägige Regelbeispiel der Steuerverkürzung großen Ausmaßes (§ 370 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO) zum Zeitpunkt der Tatbeendigung durch das einschränkende Merkmal des Handels aus grobem Eigennutz noch enger gefasst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. März 2013 – 1 StR 73/13, BGHR AO § 376 Abs. 1 Verjährungsfrist 1 und vom 13. Juni 2013 – 1 StR 226/13, NStZ 2014, 105).
19
Das erstinstanzliche Urteil vom 5. Mai 2010 erging damit rechtzeitig vor Eintritt der absoluten Verjährung hinsichtlich der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 1988. Gleiches gilt für die Hinterziehung von Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 1993, die mit der Bekanntgabe der unzutreffenden Steuerbescheide jeweils zu einem noch späteren Zeitpunkt beendet waren, auch wenn für das Jahr 1989 die Vorschrift des § 376 AO mangels einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß nicht eingreift.

III.


20
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
21
1. Die Revision rügt die Verletzung der § 24 Abs. 2, § 338 Nr. 3 StPO. Sie macht geltend, dass ein Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende zu Unrecht abgelehnt worden sei. Der Antrag war gestützt auf eine Maßnahme der Vorsitzenden zur Objektivierung der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten, die nach Ansicht der Revision grob unverhältnismäßig und menschenrechtswidrig gewesen sei und die Befangenheit der Vorsitzenden gegenüber dem Angeklagten belege.
22
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
23
Gegen den Angeklagten, der sich von 1999 bis 2009 dem Verfahren durch Flucht entzogen hatte, fand ab dem 17. September 2012 die Hauptverhandlung statt. Wegen eines am 5. März 2012 erlittenen Herzinfarktes des Angeklagten war er nur maximal zweimal zwei Stunden täglich verhandlungsfähig. Nach dem 32. Verhandlungstag erkrankte der Angeklagte am Samstag, dem 20. Juli 2013. Zu diesem Zeitpunkt waren noch fünf Verhandlungstage terminiert , nämlich der 22., 24. und 30. Juli sowie der 2. und 9. August 2013. Die Terminierung gestaltete sich – auch wegen des nachdrücklichen Wunsches der Verteidigung, dass alle drei Verteidiger jeden Termin wahrnehmen können – schwierig.
24
Am Morgen des 22. Juli 2013 legte der Angeklagte ein Attest seines Hausarztes vor, nach dem er an einer Gastroenteritis reiseunfähig erkrankt sei und die voraussichtliche Krankheitsdauer fünf bis acht Tage betrage. Die Vorsitzende beauftragte daraufhin den Sachverständigen S. , der während der Hauptverhandlung anwesend war und den Gesundheitszustand des Angeklagten überwachte, mit der Begutachtung des Angeklagten auf seine Verhandlungsfähigkeit. Nach Rückmeldung des Sachverständigen hob sie den Termin am 22. Juli 2013 auf. Nach Angaben des Sachverständigen bestanden keine Bedenken, den Termin vom 24. Juli 2015 aufrechtzuerhalten. Am Morgen des 24. Juli 2013 teilte der Sachverständige der Vorsitzenden mit, der Angeklagte habe ihm gegenüber telefonisch angegeben, dass die Erkrankung fortdauere. Die vom Angeklagten geschilderten andauernden Symptome – Erbrechen, Schwindel – seien relativ schwer objektiv mittels differenzierter Diagnostik überprüfbar, aber typisch für die Erkrankung. Üblicherweise sei innerhalb von 36 bis 48 Stunden mit einer Besserung zu rechnen. Es seien aber auch bestimmte Viren als Infektionsquellen möglich, die solche Symptome auslösten, bei denen die Krankheit länger andauere. Der Nachweis der Krankheitsursache sei oft schwierig, er gelinge teilweise, indem Erbrochenes und Blut untersucht würden, um eine endgültige Diagnose stellen zu können. Dies werde dann durchgeführt, wenn sich das Krankheitsbild über einen längeren Zeitraum erstrecke und mit üblichen Medikamenten nicht bessern lasse.
25
Daraufhin verfügte die Vorsitzende die Aufhebung des Termins vom 24. Juli 2013. Sie teilte dies dem Sachverständigen im Rahmen eines weiteren Telefonats mit und beauftragte ihn, den Angeklagten an diesem Tag, „gegebenenfalls gegen Abend abermals körperlich zu untersuchen, um die Beschwerden zu objektivieren und eine Einschätzung wegen der Herzthematik zu erlan- gen.“ Des Weiteren bat sie den Sachverständigen, dem Angeklagtenmitzutei- len, er möge für den Fall, dass er sich abermals erbrechen sollte, das Erbrochene aufbewahren. Dies gab der Sachverständige an den Angeklagten weiter, der dem nachkam. Die aufbewahrte Körperausscheidung wurde vom Sachverständigen bei der körperlichen Untersuchung am Abend einem Befund unter- zogen, was zum Ausschluss einer akuten Magen-/Speisenröhrenblutung und dem Verdacht auf eine Schleimhautentzündung führte. Laboruntersuchungen veranlasste der Sachverständige ohne Rücksprache mit der Vorsitzenden jedoch nicht.
26
Mit Schreiben vom 25. Juli 2013 lehnte der Angeklagte die Vorsitzende wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte geltend, die „Anordnung“ , Erbrochenes aufzubewahren, belege ein Misstrauen gegen den Ange- klagten, der dadurch objektiv unwürdig, wie ein Objekt behandelt worden sei. Die Umsetzung der Anordnung sei nur unter Überwindung seines Ekelgefühls möglich gewesen, zudem habe ihn seine Frau dabei unterstützen müssen, was zusätzlich entwürdigend sei. Es trete hinzu, dass die Richterin neben seinem Hausarzt auch dem Sachverständigen, die beide schon die Verhandlungsunfähigkeit festgestellt hätten, nicht vertraut habe. Der Angeklagte habe zu besor- gen, dass die Vorsitzende „dafür eintritt, dass er weiter krank bleibt und sich deswegen übergeben muss, um Erbrochenes zu produzieren oder aber sie ihn nun körperlich und psychisch traktieren will.“
27
Daraufhin gab die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme an, die Maßnahme habe dazu gedient, die geltend gemachten Beschwerden zu objektivieren und gegebenenfalls Folgeuntersuchungen zu ermöglichen.
28
Den auf dieses Geschehen gestützten Ablehnungsantrag hat das Landgericht in der Besetzung nach § 27 StPO – nach weiteren Ablehnungsanträgen, auch die Beisitzerinnen betreffend, über deren Ablehnung zuvor entschieden worden war – durch Beschluss vom 30. Juli 2013 zurückgewiesen. Hierbei hat es darauf abgestellt, dass die Befolgung der Anordnung zwar mit Unannehmlichkeiten verbunden, aber dennoch zur sicheren Feststellung der Erkrankung unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes verhältnismäßig gewesen sei.
29
b) Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO nur gerechtfertigt , wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 f. mwN). Allein das Misstrauen als rein subjektives Empfinden des Ablehnenden genügt demnach nicht (BGH, Urteil vom 13. März 1997 – 1 StR 793/96, BGHSt 43, 16, 18).
30
c) Mit Recht hat hiernach die Strafkammer das Ablehnungsgesuch verworfen. Der Angeklagte konnte, was der Senat nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen hatte, keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit und zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Vorsitzenden Richterin haben.
31
aa) Die beanstandete Vorgehensweise der Vorsitzenden Richterin erweist sich als sachgerecht. Die Erkrankung des Angeklagten hatte die vom Sachverständigen angegebene typische Dauer von 36 bis 48 Stunden am Morgen des 24. Juli 2013 nach Ausbruch am 20. Juli 2013 schon deutlich überschritten. Dass sie daher den Sachverständigen mit der körperlichen Untersuchung beauftragte, diente der Objektivierung der Beschwerden und der Abklärung des Einflusses auf die bestehende Herzerkrankung, wie die Vorsitzende schon in ihrer Verfügung vom 24. Juli 2014 niederlegte. Es gehört gerade vor dem Hintergrund des in Haftsachen – der gegen den Angeklagten bestehende Haftbefehl war nur außer Vollzug gesetzt – geltenden Beschleunigungsgrundsatzes zu den Aufgaben des Vorsitzenden, die behauptete Verhandlungsunfä- higkeit zu überprüfen und damit eine möglichst effektive Durchführung der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Soweit die Revision geltend macht, dies sei nicht erforderlich gewesen, weil zwei eindeutige medizinische Voten für Verhandlungsunfähigkeit vorgelegen hätten, verkennt sie schon die Ausrichtung der Maßnahme auf den nächsten Verhandlungstag, den 30. Juli 2013. Denn für den 22. und 24. Juli 2013 hatte die Vorsitzende, dem Votum des Hausarztes bzw. des gerichtlich bestellten Sachverständigen folgend, die Verhandlung wegen akuter Erkrankung bereits abgesetzt. Dass von der Vorsitzenden die Sicherung der zukünftigen Verhandlungsfähigkeit, die kein medizinisches Zeugnis abdeckte, intendiert war, ergibt sich auch aus dem von ihr in den Blick genommenen abendlichen Untersuchungszeitpunkt. Hinzu kam, dass die Einschätzung des Sachverständigen auf der telefonischen Mitteilung des Angeklagten beruhte, was keine zuverlässige Grundlage für eine Diagnose darstellt.
32
Medizinische Untersuchungen sind aber zumeist mit Eingriffen in die Intimsphäre des zu Untersuchenden – was die Revision beanstandet – verbunden. Dieser Eingriff mag durch die Begutachtung von Körperausscheidungen, die zu diesem Zweck aufzubewahren sind, intensiviert worden sein. Gleichwohl stellt diese Methode zur medizinischen Befunderhebung – üblicher freilich für andere Körperausscheidungen, was die damit verbundene Beeinträchtigung aber nicht entscheidend verändert – angesichts des damit verfolgten Zwecks keine unzumutbare Untersuchung dar und führt nicht dazu, dass die Vorsitzende hiermit den Boden einer ordnungsgemäßen Verhandlungsleitung verlassen hätte. Denn es war zu berücksichtigen, dass der Sachverständige diese Untersuchungsmethode sowohl zur Objektivierung der geschilderten Symptome als auch zum Ausschluss einer viralen und die zukünftige Verhandlungsfähigkeit in Frage stellenden Infektion benannt hat. Dass die Vorsitzende im Rahmen der ihr obliegenden Anleitung des Sachverständigen einen dahingehenden Auftrag erteilt hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Letztlich wurde die Körperausscheidung auch vom Sachverständigen untersucht und diente der diagnostischen Einordnung. Dass der Sachverständige dann keinen Anlass sah, eine Laboruntersuchung zu veranlassen, unterfällt seinem Verantwortungsbereich.
33
bb) Es besteht für einen vernünftigen bzw. verständigen Angeklagten kein Anlass, aufgrund einer solchen sachgerechten Verfahrensweise anzunehmen , der Richter habe ihm gegenüber in der Sache selbst bereits eine innere Haltung angenommen, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Insbesondere die in dem Ablehnungsantrag geltend gemachte Sorge, die Richterin wolle, dass er krank bleibe und ein Erbrechen provozieren, um ihn zu traktieren, entbehrt vor dem Hintergrund, dass die Aufforderung nur für den Fall abermaligen Erbrechens gegolten und der Angeklagte selbst fortdauerndes Erbrechen geltend gemacht hat, jeder vernünftigen Grundlage.
34
cc) Dass das Oberlandesgericht München auf eine für zulässig erachtete Beschwerde des Angeklagten für die „im Rahmen der Verfügung vom 24. Juli 2013 … getroffene Anordnung, wonach der Angeklagte das von ihm an diesem Tag Erbrochene in einem Eimer aufzubewahren und dem Sachverständigen zur Verfügung stellen sollte“, die Rechtswidrigkeit festgestellt hat, ändert an dieser Wertung nichts.
35
Der Senat ist zuständig für die Entscheidung, ob der Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vorliegt. Dabei hat er nach Beschwerdegrundsätzen über die geltend gemachte Befangenheit zu entscheiden. Dass das Oberlandesgericht eine frühere Beschwerdeentscheidung für diesen Sachverhalt – ungeachtet § 305 StPO – getroffen hat, entfaltet keinerlei Bindungswirkung für den Senat.
Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Maßnahme sei nicht zweckdienlich und entwürdigend, nicht auch nur annähernd „verhältnismäßig“ und beeinträchtige tiefgreifend die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angeklagten, teilt der Senat aus den oben dargestellten Gründen nicht. Ob dies auf den Abweichungen im zugrunde gelegten Sachverhalt beruht, kann dahinstehen.
36
d) Dass mit dieser Verfahrensrüge (auch) eine Verletzung des Art. 101 Abs. 2 GG im Ablehnungsverfahren geltend gemacht werden soll, lässt sich dem Revisionsvorbringen schon nicht entnehmen (zum Erfordernis der Klarstellung der Angriffsrichtung insoweit BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 461/08). Jedenfalls ist die gewählte Reihenfolge nicht willkürlich (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. April 2014 – 1 StR 13/13). Denn die Ablehnung der Beisitzerinnen war zwar auf die Mitwirkung an der Aufforderung gestützt, in der Entscheidung über den Antrag ist aber eine solche Mitwirkung ausgeschlossen worden, weswegen kein Entscheiden in eigener Sache erfolgte.
37
2. Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 29 StPO bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
38
a) Dem liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde :
39
Am ersten Verhandlungstag, dem 17. September 2012, lehnte der Angeklagte die drei Berufsrichterinnen der Strafkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Hierüber ist – nachdem auch Mitglieder der Besetzung nach § 27 StPO erfolglos abgelehnt worden waren – am 20. September 2012 entschieden worden. Mit Antrag vom 18. September 2012, der bei Gericht am Vormittag des 19. September 2012 einging, ist sodann ein „ergänzender Be- fangenheitsantrag“ gegen die Vorsitzende gestellt worden; die Revision spricht insoweit von der zweiten „Befangenheitskaskade“. Der Antrag hatte zum Ge- genstand, dass sich „aus der Akte“ Anhaltspunkte dafür ergäben, dass die Vor- sitzende die Akten unvollständig führe, „Vorgänge aus der Akte herausgehalten werden und die Verteidigung nicht umfassend informiert“ werde. Dies belege ein Schreiben des Finanzamtes, das an die Vorsitzende persönlich gerichtet gewesen sei, mithin einen nicht dokumentierten Vorkontakt offensichtlich mache. Der Vorgang sei der Verteidigung am 7. September 2012 durch Akteneinsicht bekannt geworden.
40
Der Beginn des zweiten Verhandlungstages, des 21. September 2012, ist um 9.55 Uhr von 10.00 Uhr auf 14.00 Uhr vertagt worden, da noch nicht über den zuletzt genannten Antrag entschieden worden war. Der Verteidigung ist von der nach § 27 StPO besetzten Strafkammer mit Bekanntgabe der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden eine einstündige Frist bis 11.00 Uhr zur Stellungnahme gesetzt worden. Daraufhin lehnte die Verteidigung auch diese Richter um 10.56 Uhr wegen einer zu kurzen Fristsetzung ab. Um 10.58 Uhr ging ihre Stellungnahme zur dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden ein. Gegen 12.35 Uhr wurden der Verteidigung die Namen der über den zuletzt erfolgten Antrag entscheidenden Richter und die Frist zur Stellungnahme zu den dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter bis 13.15 Uhr durch eine Verfügung der Richterin am Landgericht G. bekannt gemacht.
41
Um 13.00 Uhr beantragte die Verteidigung eine Fristverlängerung bis „wenigstens 15.00 Uhr“. In dem Schriftsatz heißt es zudem: „Desweiteren be- absichtigt die Verteidigung einen zweiten unaufschiebbaren Antrag bezüglich Frau Ri’inLG G. zu stellen. Auch dieser wird bis 15.00 Uhr … einge- hen“. Die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags ist der Verteidigung um 13.35 Uhr bekannt gemacht worden. Um 13.34 Uhr war die Entscheidung über den Ablehnungsantrag von 10.56 Uhr an die Geschäftsstelle übergeben worden. Um 13.50 Uhr hat die Verteidigung den Ablehnungsantrag bezüglich Richterin am Landgericht G. gestellt. In der Folge ist der Ablehnungsantrag vom 18. September 2012 gegen die Vorsitzende als unbegründet verworfen worden. Die um 14.10 Uhr begonnene Hauptverhandlung ist alsbald wegen Unwohlseins des Angeklagten bis zum nächsten Verhandlungstag unterbrochen worden. Nachdem die Verteidiger im Nachgang erklärt hatten, dass der Antrag aufrechterhalten werde, ist am 16. November 2012 durch das Gericht mitgeteilt worden, dass zur Entscheidung die Richterinnen am Landgericht Li. , Se. und K. berufen seien. Eine Entscheidung in dieser Besetzung ist erst am 10. April 2014 erfolgt.
42
b) Die Revision beanstandet, dass die abgelehnte Richterin am Landgericht G. durch die Entscheidung über den Befangenheitsantrag gezielt einem bereits angekündigten Ablehnungsantrag zuvorgekommen sei. Zwar sei der Anwendungsbereich des § 29 StPO nicht eröffnet, es liege aber durch das Nichtabwarten des angekündigten Antrags und der unangemessen kurzen Fristsetzung „faktisch eine Aushebelung des § 29 StPO“ vor,was einen Fairnessverstoß darstelle. Jedenfalls in der Zusammenschau mit der Entscheidung über den schließlich gestellten Befangenheitsantrag eineinhalb Jahre nach der Antragstellung und über vier Monate nach Erlass des Urteils und dadurch, dass die entscheidenden Richter „letztlich eine Situation schufen, die derjenigen der ‚Entscheidung in eigener Sache‘ entspricht“ und dem Angeklagten nicht mitge- teilt worden sei, dass die Strafkammer in ihrer ursprünglichen Besetzung entscheide , wiege der Fairnessverstoß so schwer, dass er die Revision begründe.
43
c) Es liegt kein die Revision begründender Verfahrensfehler vor.
44
aa) Zunächst ist der Anwendungsbereich des § 29 StPO nicht eröffnet, da die Richterin am Landgericht G. zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht abgelehnt war, was die Revision auch nicht verkennt. Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 StPO dient primär der Verfahrensförderung: Allein die Anbringung des Ablehnungsgesuchs soll nicht dazu führen, dass der Richter sogleich von jeder Mitwirkung ausgeschlossen ist. Andererseits hat der Ablehnende ein Interesse daran, dass der von ihm für befangen erachtete Richter in dem Verfahren nicht weiter mitwirkt. Der Richter soll deshalb nicht länger als unbedingt nötig auf das Prozessgeschehen einwirken können (BGH, Beschluss vom 3. April 2003 – 4 StR 506/02, BGHSt 48, 264, 266). Jedenfalls angesichts der hier obwaltenden Umstände führt auch zur Vermeidung rechtsmissbräuchlichen Vor- gehens allein der Hinweis auf die Absicht, einen „unaufschiebbaren Antrag“ zu stellen, nicht zu einer vergleichbaren Interessenlage.
45
Der Antrag auf eine Fristverlängerung begründet kein schützenswertes Vertrauen auf die Gewährung derselben. Es ist auch weder nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich, was den Angeklagten innerhalb der Frist von der Stellung des Antrags abgehalten hat. Schon für sich genommen verfängt der Hinweis, dass der Angeklagte seit 8.30 Uhr ohne Pause gewesen sei, vor dem Hintergrund des dargestellten Geschehens nicht. Dass diese Zeit zum Überlegen und zur Abfassung des Ablehnungsgesuchs (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 315) nicht ausgereicht hätte, ist vielmehr durch den Inhalt des dann tatsächlich eingegangenen Ablehnungsgesuchs, das im Wesentlichen auf das noch fristgemäß erfolgte Vorbringen im Antrag auf Fristverlängerung Bezug nimmt, entkräftet. Auch der einfach gelagerte und darzustellende Ablehnungsgrund, den der Angeklagte zudem etwa zwei Stunden zuvor schon gegen eine andere Besetzung geltend gemacht hatte, vermag nicht zu belegen, dass die Frist zu kurz bemessen worden ist, um dem Angeklagten eine effektive Wahrnehmung seines Ablehnungsrechts zu ermöglichen.
46
bb) Die weitere Behandlung des Befangenheitsantrags gegen Richterin am Landgericht G. zeigt keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und auch sonst keinen Verfahrensfehler auf, auf dem das Urteil beruht.
47
Zweifel an der Zulässigkeit der Rüge – so wird einerseits vorgetragen, es sei nicht mitgeteilt worden, dass die 10. Strafkammer in ihrer ursprünglichen Besetzung für die Entscheidung zuständig sei (RB S. 448 f.), andererseits wird aber genau diese Mitteilung vorgetragen (RB S. 440) – kann der Senat dahingestellt sein lassen. Denn dass die Strafkammer schließlich in der ursprünglichen Besetzung über die Befangenheit der Richterin am LandgerichtG. entschieden hat, die – vermittelt durch weitere Glieder in der durch die Anträge eröffneten Ablehnungskette – über ihre eigene Befangenheit befinden sollte, begründet keinen durchgreifenden Fairnessverstoß.
48
Dies gilt schon deswegen, weil diese Entscheidung – die für sich genommen zutreffend einen berechtigten Befangenheitsgrund nicht anerkennt – erst nach Erlass des Urteils erfolgte, so dass ein Einfluss auf das Urteil ausgeschlossen ist. Aber auch der Umstand, dass erst so spät über diesen Antrag entschieden worden ist, hat keinen Einfluss auf das Urteil. Da die Richterin am Landgericht G. erst nach Erlass der von ihr zu treffenden Entscheidung abgelehnt worden ist, liegt insoweit ein unzulässiger Antrag vor (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 2 ARs 357/13). Das Ablehnungsrechterlischt – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 2 BvR 2655/06) – bei Entscheidungen außerhalb einer Hauptverhandlung spätestens mit Erlass der Entscheidung (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2005 – 5 StR 269/05; vom 1. Februar 2005 – 4 StR 486/04, NStZ-RR 2005, 173 f. und vom 11. Juli 2001 – 3 StR 462/01, NStZ-RR 2001, 333).
49
Zudem war zu beachten, dass der ursprüngliche Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende vom 18. September 2012 verspätet war. Denn der Antrag ist nach der Frist des § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO gestellt worden. Die Verteidigung trägt in dem Antrag selbst vor, dass ihr das Schreiben vor Beginn der Hauptverhandlung bekannt gemacht worden war, mithin waren die Umstände, auf die die Ablehnung gestützt wird, schon bekannt. Der Antrag hätte also gleichzeitig mit dem ersten in der Hauptverhandlung gestellten Befangenheitsantrag am 17. September 2012 geltend gemacht werden müssen. Jedenfalls hatte der Angeklagte keinen Grund zu der Annahme, die Vorsitzende sei ihm gegenüber befangen.
50
3. Auch die Beanstandung der Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung der beantragten Vernehmung des kanadischen Steuerberaters des Angeklagten gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO versagt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen. Angesichts der auch auf Nachfrage des Gerichts nicht maßgeblich konkretisierten Tatsachenbehauptungen – im Wesentlichen, dass der Zeuge von einer Steuer- pflicht in Kanada ausgegangen sei und „diese Thematik“ bei der beratenden Tätigkeit im Hinblick auf Ertragssteuern für die Jahre 1988 und 1993 mit dem Angeklagten besprochen habe – gebot die Aufklärungspflicht keine weitergehenden Ausführungen im ablehnenden Beschluss. Dass die Strafkammer dabei maßgeblich darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte die Einkünfte auch in Kanada nicht der Besteuerung unterworfen hat, ist nicht zu beanstanden.

IV.


51
Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
52
1. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen ist nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat in den von ihm eingereichten Einkommensteuererklärungen der Veranlagungszeiträume 1988 bis 1993 die aus einer Vermittlungstätigkeit erzielten Einkünfte wahrheitswidrig nicht angegeben, wodurch es zu einer Verkürzung von Einkommensteuer gekommen ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
53
a) Das Landgericht ist auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zutreffend davon ausgegangen, dass die nach den aufrecht erhaltenen Feststellungen aus dem Urteil vom 5. Mai 2010 dem Angeklagten wirtschaftlich zuzurechnenden gewerblichen Einkünfte aus der Vermittlungstätigkeit (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) in Deutschland der Einkommensteuer unterliegen.
54
Da der Angeklagte auf der Grundlage der jetzt getroffenen Feststellungen sowohl in Deutschland als auch in Kanada einen Wohnsitz hatte und er deshalb i.S.v. Art. 4 Abs. 1 DBA Kanada 1981 sowohl in Deutschland als auch in Kanada unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war (vgl. § 1 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 AO bzw. Part I Division A Subsection 2 des Kanadischen Income Tax Act), ist für die Frage, welchem der beiden Staaten das Besteuerungsrecht zusteht , maßgeblich, wo der Angeklagte im Sinne von Art. 4 Abs. 2 DBA Kanada 1981 ansässig war. Auf Grundlage der Feststellungen ist das Landgericht im Rahmen einer umfangreichen Gesamtwürdigung zu Recht davon ausgegangen , dass sich jedenfalls der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Angeklag- ten in Deutschland befindet, so dass dieser als in Deutschland ansässig gilt. Nach Art. 7 DBA Kanada 1981 steht das Besteuerungsrecht für Gewinne eines Unternehmens grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat (Deutschland) zu, es sei denn, das Unternehmen verfügte in dem jeweils anderen Staat (Kanada) über eine Betriebsstätte (sog. Quellenstaat). Demnach unterliegen Gewinne, die durch den Angeklagten in Deutschland erzielt werden, von vorneherein der deutschen Einkommensteuer. Aber auch Gewinne einer kanadischen Betriebsstätte , die grundsätzlich dem Besteuerungsrecht des Quellenstaats Kanada unterliegen, sind in den verfahrensgegenständlichen Jahren in Deutschland zu besteuern. Da eine Besteuerung in Kanada unterblieben ist, ist nach der Rückfallklausel des Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981 (BGH, Urteil vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10, wistra 2012, 29; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. Oktober 2007 – I R 96/06, BFHE 219, 534) das Besteuerungsrecht für die zunächst freigestellten Einkünfte an Deutschland als Ansässigkeitsstaat zurückgefallen.
55
b) Die Annahme eines direkten Vorsatzes des Angeklagten hinsichtlich der Hinterziehung deutscher Einkommensteuer ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
56
Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass der Angeklagte in Kenntnis aller Umstände, die zum Vorliegen des Mittelpunkts der Lebensinteressen in Deutschland führten, unter Einschaltung von Tarnfirmen und eines schwer durchschaubaren Kontensystems im Ausland umfangreiche Verschleierungsmaßnahmen getroffen hat, um eine Besteuerung der Einkünfte zu verhindern. Der aufgrund einer Gesamtwürdigung gezogene Schluss des Landgerichts, der Angeklagte sei davon ausgegangen, die Einkünfte aus der Vermittlungstätigkeit seien insgesamt in Deutschland zu versteuern, ist auch hinsichtlich der Einkünfte aus kanadischen Quellen, für die sich das Besteuerungsrecht Deutschlands erst aufgrund der Rückfallklausel des Art. 23 Abs. 3 DBA Kanada 1981 ergibt, tragfähig. Hierfür durfte es sich darauf stützen, dass der Angeklagte sich gegenüber den deutschen Steuerbehörden – ohne Hinweis auf ausländischen Wohnsitz und in Kanada erzielte Einkünfte – als unbeschränkt steuerpflichtig dargestellt und zugleich die Einkünfte auch nicht in Kanada der Besteuerung unterworfen hat.
57
2. Das Landgericht hat auch den Schuldumfang zutreffend bestimmt.
58
a) Es hat den Gewinn aus Gewerbebetrieb in den jeweiligen Jahren zutreffend durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) ermittelt. Da der Angeklagte weder eine Eröffnungsbilanz aufgestellt, eine kaufmännische Buchführung eingerichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss erstellt noch Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben gefertigt hat, hat er keine wirksame Wahl hinsichtlich der Gewinnermittlungsmethode – Betriebsvermögensvergleich einerseits, EinnahmeÜberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG andererseits – getroffen. Es bleibt daher bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform der Gewinnermittlung (vgl. BFH, Urteil vom 19. März 2009 – IV R 57/07, BFHE 224, 513 mwN).
59
b) Die vom Landgericht durchgeführte Gewinnermittlung weist keinen Rechtsfehler auf.
60
aa) Das Landgericht hat – soweit dies möglich war – konkrete Feststellungen zur Höhe der gewinnerhöhenden und gewinnmindernden Positionen getroffen und diese in den zeitlich zutreffenden Gewinnermittlungszeiträumen berücksichtigt. Soweit es darüber hinaus einzelne Positionen im Wege der Schätzung ermittelt hat, ist dies im Hinblick darauf, dass es in den Urteilsgründen nachvollziehbar dargelegt hat, wie es zu den Schätzungsergebnissen gelangt ist, nicht zu beanstanden (zur Zulässigkeit der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233; Beschlüsse vom 6. Oktober 2014 – 1 StR 214/14, NStZ 2015, 281; vom 29. Januar 2014 - 1 StR 561/13, NStZ-RR 2014, 179 und vom 24. Mai 2007 – 5 StR 58/07, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 3).
61
bb) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die im Jahr 1992 im Zusammenhang mit der Anschubfinanzierung eines Geschäfts mit Russland über den Bau von Fertig-Holzhäusern erfolgte Übergabe eines Schecks über 8,5 Mio. DM an den Zeugen L. zu Recht nicht gewinnmindernd berücksichtigt. Auf Grundlage der Einlassung des Angeklagten, er habe durch die Zahlung jedenfalls auch ein Projekt der Firma B. GmbH (im Folgenden: B. ), deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Angeklagte war, fördern wollen, und des Umstands , dass am 18. September 1992 ein Vertrag zwischen der Firma B. und der R. über die Lieferung von mindestens 10.000 Fertig-Holzhäusern geschlossen wurde, hat das Landgericht in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise ein Geschäft der Firma B. angenommen, das damit sowohl bei der Ermittlung der tatbestandlichen Steuerverkürzung i.S.v. § 370 Abs. 4 AO als auch bei der Strafzumessung außer Acht zu bleiben hat. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob ein etwaiger Rückzahlungsanspruch gegen den Zeugen L. werthaltig gewesen sei, kommt es damit nicht an.
62
3. Auch der Rechtsfolgenausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
63
a) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei in allen Fällen – mit Ausnahme der Hinterziehung von Einkommensteuer für das Jahr 1989 – aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände, insbesondere der Höhe der Steuerverkürzungen und der umfangreichen Verschleierungsmaßnahmen des Angeklagten einen unbenannten besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 1 AO angenommen. Zutreffend hat es diejenigen Umstände, die es zur Einstufung des Falls als besonders schwer herangezogen hat, im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne nicht nochmals erschwerend berücksichtigt (BGH, Urteil vom 6. September 2011 – 1 StR 633/10, wistra 2012, 29 mwN).
64
b) Die Anrechnungsentscheidung gemäß § 51 StGB erfolgte ohne einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler.
65
Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Zeit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit der Auflage, der Angeklagte dürfe das von ihm bewohnte Grundstück nur mit Genehmigung des Gerichts verlassen , nicht auf die Freiheitsstrafe angerechnet hat.
66
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob es zur Geltendmachung, es habe eine gemäß § 51 Abs. 1 StGB anrechenbare Freiheitsentziehung vorgelegen , grundsätzlich einer Verfahrensrüge bedarf. Denn die Urteilsgründe enthalten hinreichende Feststellungen zur Ausgestaltung der den Angeklagten insoweit beschwerenden Maßnahmen, so dass dem Revisionsgericht allein auf dieser Grundlage die materiell-rechtliche Überprüfung der Versagung der Anrechnung möglich ist.
67
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, es liege kein § 51 Abs. 1 StGB gleichstehender Sachverhalt vor. Zwar habe der Angeklagte das von ihm be- wohnte Grundstück nur mit richterlicher Genehmigung verlassen dürfen, es seien ihm jedoch zahlreiche solche Genehmigungen erteilt worden. Diese seien für private Anlässe, aber auch für regelmäßige Arzt- und Rehabilitationsmaßnahmen gewährt worden. Zudem sei dem Angeklagten ein täglicher zweistündiger Spaziergang gestattet worden.
68
Auf dieser Grundlage ist die Wertung, die Auflagen führten nicht zu so erheblichen Einschränkungen, dass eine Freiheitsentziehung bzw. eine damit vergleichbare Belastung vorliege, nicht zu beanstanden.
69
So hat das Landgericht zutreffend auf die konkrete Ausgestaltung der belastenden Maßnahmen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 17. September 1953 – 4StR 791/53, BGHSt 4, 325, 326 f. und vom 13. Juni 1978 – 1 StR 108/78; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15. Oktober 1974 – Ws 341/74, NJW 1975, 509) und der Intensität des dadurch ausgelösten Eingriffs in die körperliche Bewegungsfreiheit abgestellt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2002 – 2 BvR 2292/00, NJW 2002, 3161). Es hat hingegen nicht – wie es die Revisi- on besorgt und was fehlerhaft gewesen wäre – eine Freiheitsentziehung deswegen ausgeschlossen, weil der Betroffene nicht durch unmittelbar wirkenden physischen Zwang am Verlassen des Grundstücks gehindert war (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 1999 – 2 BvR 1368/98; NStZ 1999, 570; BGH, Beschluss vom 7. November 2013 – 5 StR 487/13, NStZ-RR 2014, 59 f.). Denn hätte es nicht zugrunde gelegt, dass Freiheitsentziehung auch dann vorliegen kann, wenn der Betroffene am Verlassen eines bestimmten Ortes durch psychischen Zwang gehindert wird – wie hier im Falle des Verstoßes gegen die Auflagen durch die dann drohende Invollzugsetzung des Haftbefehls – so hätte es einer Erörterung der Auswirkungen der konkreten Ausgestaltung der Auflagen auf die Fortbewegungsfreiheit nicht bedurft.
70
Dass es diese nicht als so erheblich angesehen hat, dass eine Freiheitsentziehung (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, 198 Rn. 114) vorliegt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. So durfte es darauf abstellen, dass der Angeklagte sich auf dem von ihm bewohnten Grundstück aufhalten konnte. Hieraus lässt sich nämlich entnehmen, dass sich der Angeklagte weder einer Anstaltsordnung unterwerfen musste noch durch aufgezwungene Gemeinschaft belastet war (vgl. zu diesen Aspekten BGH, Urteil vom 17. September 1953 – 4 StR 791/53, BGHSt 4, 325, 326 f.), sondern nur Ausgangsbeschränkungen zu gewärtigen hatte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Juni 1978 – 1 StR 108/78), die zudem durch zahlreiche Ausgangsgenehmigungen , so u.a. ein täglicher zweistündiger Spaziergang, abgemildert waren.
71
Dass diese Freiheitsbeschränkung strafmildernde Wirkung haben kann, hat das Landgericht erkannt und diesen Umstand in die Strafzumessung zugunsten des Angeklagten eingestellt.
72
c) Die Nichtanerkennung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Rothfuß Cirener Radtke
Mosbacher Fischer

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Die Durchführung der Hauptverhandlung gestattet keinen Aufschub; sie findet bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters statt. Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.

(3) Über die Ablehnung ist spätestens vor Ablauf von zwei Wochen und stets vor Urteilsverkündung zu entscheiden. Die zweiwöchige Frist für die Entscheidung über die Ablehnung beginnt

1.
mit dem Tag, an dem das Ablehnungsgesuch angebracht wird, wenn ein Richter vor oder während der Hauptverhandlung abgelehnt wird,
2.
mit dem Tag des Eingangs der schriftlichen Begründung, wenn das Gericht dem Antragsteller gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 aufgegeben hat, das Ablehnungsgesuch innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist schriftlich zu begründen.
Findet der übernächste Verhandlungstag erst nach Ablauf von zwei Wochen statt, so kann über die Ablehnung spätestens bis zu dessen Beginn entschieden werden.

(4) Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muss die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen. Dies gilt nicht für solche Teile der Hauptverhandlung, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Die Durchführung der Hauptverhandlung gestattet keinen Aufschub; sie findet bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters statt. Entscheidungen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung ergehen können, dürfen nur dann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffen werden, wenn sie keinen Aufschub gestatten.

(3) Über die Ablehnung ist spätestens vor Ablauf von zwei Wochen und stets vor Urteilsverkündung zu entscheiden. Die zweiwöchige Frist für die Entscheidung über die Ablehnung beginnt

1.
mit dem Tag, an dem das Ablehnungsgesuch angebracht wird, wenn ein Richter vor oder während der Hauptverhandlung abgelehnt wird,
2.
mit dem Tag des Eingangs der schriftlichen Begründung, wenn das Gericht dem Antragsteller gemäß § 26 Absatz 1 Satz 2 aufgegeben hat, das Ablehnungsgesuch innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist schriftlich zu begründen.
Findet der übernächste Verhandlungstag erst nach Ablauf von zwei Wochen statt, so kann über die Ablehnung spätestens bis zu dessen Beginn entschieden werden.

(4) Wird die Ablehnung für begründet erklärt und muss die Hauptverhandlung nicht deshalb ausgesetzt werden, so ist ihr nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegender Teil zu wiederholen. Dies gilt nicht für solche Teile der Hauptverhandlung, deren Wiederholung nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand möglich ist.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Ein Ablehnungsgesuch ist auch dann im Sinne von § 338
Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung
des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung
gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen
oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf
die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt
es in diesem Fall nicht an (Abkehr von BGHSt 23, 265;
im Anschluss an BVerfG [Kammer], Beschluss vom
2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01).
BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05
LG Hamburg-

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. August 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Einbeziehung verschiedener Einzelfreiheitsstrafen aus einer vorangegangenen Verurteilung – wegen Vergewaltigung (Einsatzfreiheitsstrafe sechs Jahre) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Der Angeklagte hat den Vorsitzenden der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat seine Ablehnung auf die Mitwirkung des Richters in einem vorangegangenen Verfahren gegen einen anderen Angeklagten unter anderem wegen weiterer Vergewaltigungen desselben Opfers und wegen Menschenhandels gestützt: Der Richter habe aufgrund der Angaben der in beiden Verfahren als Hauptbelastungszeugin auftretenden Geschädigten Feststellungen zu dem Vorwurf des hiesigen Verfahrens – einer zuvor verübten Vergewaltigung – getroffen, die nach Auffassung des Angeklagten in jenem Verfahren nicht zwingend erforderlich gewesen wären.
Aufgrund des Ausmaßes der vorangegangenen Festlegung zum Tatgeschehen sowie zur Glaubwürdigkeit der Zeugin gebe es für den Angeklagten begründeten Anlass, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Die Feststellungen im Vorverfahren zum Tatvorwurf im hiesigen Verfahren stünden weder notwendig noch untrennbar mit den zuvor verhandelten Vorwürfen gegen den damaligen Angeklagten in Zusammenhang, so dass ein Sonderfall vorliege, der ausnahmsweise die Ablehnung wegen Vorbefassung rechtfertige.

b) Die Strafkammer hat das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen : Die angegebene Begründung sei aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet, was dem Fehlen einer Begründung im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO gleichstehe; für einen in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefall vom Grundsatz, dass eine Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht begründe, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
2. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO liegt vor. Bei dem angegriffenen Urteil hat ein Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen wurde. Die Strafkammer durfte nicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verfahren; damit hat sie die Grenzen dieser Norm in einer die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Weise überschritten.

a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bislang anerkannt , dass die fehlerhafte Ablehnung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO für sich keinen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO eröffnet, sondern das Revisionsgericht auch in diesen Fällen nach Beschwerdegrundsätzen prüft, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet war oder nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 18, 200, 203; 23, 265; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 1, 3, 9). Mit dem Gene- ralbundesanwalt, der seinen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO vor der nachfolgend genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestellt hat, liegt es nahe anzunehmen, dass das in Frage stehende Ablehnungsgesuch als unbegründet zu bewerten gewesen wäre und die entsprechende Rüge der Revision deshalb nach dem Maßstab der bisherigen Rechtsprechung nicht zum Erfolg verholfen hätte.
Diese Rechtsprechung kann indes nicht mehr in vollem Umfang aufrecht erhalten werden. Ein Ablehnungsgesuch ist jedenfalls auch dann im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO „mit Unrecht verworfen“, wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an.
aa) Nach der Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01 – (vgl. auch schon BVerfG [Kammer ] StraFo 2005, 109; BGH NStZ 2005, 218, 219) darf die Anwendung von § 26a StPO nicht dazu führen, dass der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten beurteilt und damit „Richter in eigener Sache“ wird. Werden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO in sachlich nicht nachvollziehbarer Weise dahingehend ausgelegt, dass das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters in der Sache auf seine Begründetheit überprüft wird, entzieht dies dem Beschuldigten im Ablehnungsverfahren seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Zugleich kann ein solches Vorgehen den Anspruch des Beschuldigten auf Wahrung rechtlichen Gehörs verletzen (BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625 und 638/01).
bb) Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, darf das Revisionsgericht sich demnach nicht darauf beschränken, die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO) zu prüfen; vielmehr muss das Revisionsgericht zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden (vgl. BVerfG aaO). Jedenfalls bei einer willkürlichen oder die Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erheblich missachtenden Überschreitung des durch § 26a StPO abgesteckten Rahmens hat das Revisionsgericht – eine ordnungsgemäße Rüge des Verfahrensfehlers gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorausgesetzt – das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG aaO).
cc) Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkennt. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.
dd) Für die Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO hat dies insbesondere folgende Konsequenzen: Grundsätzlich ist die Gleichsetzung eines Ablehnungsgesuchs, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, mit einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StPO) – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht – unbedenklich (BVerfG aaO; BGH NStZ 1999, 311). Entscheidend für die Abgrenzung zu „offensichtlich unbegründeten“ Ablehnungsgesuchen, die von § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht erfasst und damit nach § 27 StPO zu behandeln sind (BGH StraFo 2004, 238; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 9), ist die Frage, ob das Ablehnungsgesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist (BVerfG aaO). Über diese bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe im Rahmen von Entscheidungen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO zum „Richter in eigener Sache“ machen. Dabei muss die Auslegung des Ablehnungsgesuchs darauf ausgerichtet sein, es seinem Inhalt nach vollständig zu erfassen, um nicht im Gewande der Zulässigkeitsprüfung in eine Begründetheitsprüfung einzutreten (BVerfG aaO).
Bleiben bei der Abgrenzung Zweifel, ist einem Vorgehen nach § 27 StPO der Vorzug zu geben. Dieses hat zudem den Vorteil, dass der abgelehnte Richter durch seine dienstliche Stellungnahme gemäß § 26 Abs. 3 StPO mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen vermag. Das Fehlen einer Stellungnahme beim Vorgehen gemäß § 26a StPO kann bereits nach bisheriger Rechtsprechung der Revision nach § 338 Nr. 3 StPO zum Erfolg verhelfen, wenn es deshalb an einer Grundlage für die sachliche Überprüfung des Ablehnungsgesuchs mangelte (vgl. BGHSt 23, 200, 202 f.) oder das im Befangenheitsgesuch enthaltene tatsächliche Vorbringen der Revisionsentscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen war (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität 1; BGH NStZ 2005, 218, 219).
ee) Nach diesen Kriterien unbedenklich ist die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nach § 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 StPO, das lediglich damit begründet wird, der Richter sei an einer Vorentscheidung zu Lasten des Angeklagten – etwa Eröffnungsbeschluss, Haftentscheidungen, Zurückweisungen vorangegangener Ablehnungsgesuche, den Umfang der Beweisaufnahme bestimmende Beschlüsse, Urteil über dieselbe Tat gegen einen daran Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren – beteiligt gewesen. Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Ge- richtsverfassungsrecht ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche – abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und Nr. 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO genannten Ausschließungstatbeständen – die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Auch (vermeintliche) Rechtsfehler bei der Vorentscheidung können für sich genommen eine Ablehnung nicht ohne weiteres rechtfertigen (BGH NStZ 1999, 311). Unzulässig wäre auch der Versuch, einen Streit über das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme zum Gegenstand des Ablehnungsverfahrens zu machen, weil der Ort, um den entscheidungserheblichen Inhalt der Beweisaufnahme festzustellen, das Urteil ist (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 10 m.w.N.). Wird das Ablehnungsgesuch allein auf solche Umstände der Vorbefassung gestützt, kann es ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO verworfen werden, weil eine solche Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist und dies dem Fehlen einer Begründung gleichsteht (BGH aaO).
Anders verhält es sich allerdings beim Hinzutreten besonderer Umstände , die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen sowie d ie übrigen genannten Aspekte hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Äußerungen in früheren Urteilen nach der Sachlage unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten (BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt) oder wenn ein Richter sich bei einer Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (vgl. BGH StV 2002, 116; NStZ 2005, 218).
Allerdings darf auch hinsichtlich der hinzutretenden besonderen Umstände die Besorgnis der Befangenheit nur aus Tatsachen, nicht aus bloßen Vermutungen des Antragstellers abgeleitet werden (vgl. BGH NStZ 1998, 422, 424; StV 1996, 355); insbesondere haltlose Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage können deshalb ein im übrigen allein auf Vorbefassung gestütztes Ablehnungsgesuch nicht zulässig begründen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2). Unabhängig hiervon bleibt dem Tatrichter in jedem Fall die Möglichkeit unbenommen, die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs auf § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu stützen, wenn mit haltloser Begründung versucht wird, das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur Durchsetzung genehmer oder Verhinderung unangenehmer Entscheidungen zu missbrauchen; gerade die völlige Abwegigkeit der Ablehnungsgründe kann die Sachfremdheit des angebrachten Gesuchs im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO deutlich machen (vgl. BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 7).
Für die Frage, ob auf Vorbefassung gestützte Ablehnungsanträge nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen werden können oder nach § 27 StPO zu behandeln sind, kommt es damit entscheidend darauf an, ob der Antragsteller neben der Vorbefassung und den damit notwendig einhergehenden inhaltlichen Aussagen besondere Umstände konkret vorträgt und glaubhaft macht (vgl. hierzu BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 2; BGH NStZ 1999, 311), die eine inhaltliche Prüfung erfordern und den abgelehnten Richter bei einer Beteiligung an der Entscheidung nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO deshalb zum „Richter in eigener Sache“ machen würden.

b) Den genannten Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird die von der Revision gerügte Verwerfung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht gerecht.
Das Ablehnungsgesuch hat gerade solche zur Vorbefassung hinzutretenden besonderen Umstände vorgetragen, die eine inhaltliche Prüfung erforderten. Die im vorangegangenen Verfahren unter maßgeblicher Mitwirkung des abgelehnten Richters getroffenen Festlegungen zum Tatbeitrag des Revisionsführers waren vom dortigen Verfahrensstoff nicht zweifelsfrei unbedingt erfordert (vgl. hierzu BGHR StPO § 338 Nr. 3 Strafkammer 1, insoweit in BGHSt 43, 96 nicht abgedruckt). Zudem ging es in beiden Verfahren entscheidend um die Frage der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin. Beide Aspekte zusammen hätten eine inhaltliche Prüfung erfordert, ob diese Umstände ausnahmsweise geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung zu begründen. Statt in einer dienstlichen Stellungnahme nach § 26 Abs. 3 StPO seine trotz der konkreten Vorbefassung verbliebene Offenheit für die Beurteilung der Schuldfrage in Bezug auf den Angeklagten herauszustellen und danach die Entscheidung über die Frage berechtigter Bedenken an seiner erforderlichen Unvoreingenommenheit nach § 27 StPO von anderen Richtern entscheiden zu lassen, hat sich der abgelehnte Richter mit dem Vorgehen nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO unter eigener Beteiligung zum „Richter in eigener Sache“ gemacht; damit sind im Verwerfungsbeschluss die Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt worden.

c) Bei derartigen Verfassungsverstößen im Ablehnungsverfahren obliegt es dem Revisionsgericht, diese durch Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen zu beheben. Nach der Systematik des Revisionsrechts ist eine solche Aufhebung und Zurückverweisung jedoch nicht isoliert in der Weise möglich, dass lediglich erneut über das Ablehnungsgesuch in der Besetzung des § 27 StPO entschieden werden könnte (missverständlich daher BVerfG aaO unter IV. 3. c am Ende). Vielmehr muss in Fällen, in denen der Angeklagte im Rahmen einer willkürlichen Verwerfung des Ablehnungsgesuchs nach § 26a StPO seinem gesetzlichen Richter entzogen wurde, der Anwendungsbereich des § 338 Nr. 3 StPO mit der Folge der Urteilsaufhebung auch dann eröffnet sein, wenn die Ablehnung womöglich sachlich nicht begründet gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 338 Rdn. 28).

d) Einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG bedarf es nicht. Die bisherigen entgegenstehenden Entscheidungen der übrigen Senate des Bundesgerichtshofs sind mit der genannten Entscheidung der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts überholt (vgl. Hannich in KK 5. Aufl. § 132 GVG Rdn. 8; vgl. auch BGHSt 44, 171, 173 zu § 121 GVG). Nach § 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG steht die Kammerentscheidung der Entscheidung eines Senats des Bundesverfassungsgerichts gleich; ihr kommt damit auch die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG zu (vgl. BVerfG [Kammer] NJW 1991, 2821; Graßhof in Maunz/SchmidtBleibtreu /Klein/Bethge BVerfGG § 93c Rdn. 34). Demnach ist die rechtliche Grundlage der früheren anders lautenden Entscheidungen in Fällen wie dem vorliegenden entfallen (vgl. BGHSt 46, 17, 20).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Wird die Ablehnung nicht als unzulässig verworfen, so entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein richterliches Mitglied der erkennenden Strafkammer abgelehnt, so entscheidet die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung.

(3) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der Abgelehnte das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(4) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlußunfähig, so entscheidet das zunächst obere Gericht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.