Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 06. Mai 2011 - 2 Ausl 18/11 I 16/11

bei uns veröffentlicht am06.05.2011

Tenor

Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 01.04.2011 wird mit Ablauf des 08.05.2011 aufgehoben.

Zugleich wird gegen den Verfolgten ab diesem Zeitpunkt gem. § 34 Abs. 1 IRG die Haft zur Durchführung seiner Auslieferung an die Republik Serbien zum Zweck der Strafverfolgung wegen der ihm im Haftbefehl des Bezirksgerichts Subotica vom 23.03.2009 - Kl. BR 88/08 - zur Last gelegten Tat angeordnet.

Termin zur Haftprüfung durch den Senat wird auf den 20.05.2011 bestimmt.

Gründe

I.

1

Die serbischen Justizbehörden haben über Interpol mit internationalem Fahndungsersuchen vom 03.07.2009 um die vorläufige Festnahme des Verfolgten zur Strafverfolgung wegen der ihm im Haftbefehl des Bezirksgerichts Subotica vom 23.03.2009 - Kl. BR 88/08 - zur Last gelegten Tat ersucht.

2

Der Verfolgte wurde daraufhin am 29.03.2011 in Rostock vorläufig festgenommen. Der Senat hat am 01.04.2011 gegen ihn die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet. Am 15.04.2011 hat sich der Verfolgte zu Protokoll des Amtsgerichts Güstrow mit seiner vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt, die daraufhin von der Bundesregierung mit Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 29.04.2011 - 506-30-531.00/33337 SRB - an die Botschaft der Republik Serbien bewilligt worden ist. Die angekündigten Auslieferungs-unterlagen sind bislang nicht eingegangen.

3

Die serbischen Behörden sind bereits am 02.05.2011 über Interpol um die Mitteilung eines konkreten Termins zur Übernahme des Verfolgten gebeten worden, wobei aus Gründen der Praktikabilität eine Überstellung von Berlin aus auf dem Luftwege in der 18. - 20. Kalenderwoche vorgeschlagen wurde. Eine Antwort von Interpol Belgrad steht derzeit noch aus. Der Verfolgte wurde jedoch bereits am 03.05.2011 vorsorglich in die JVA Berlin-Moabit verlegt.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, gegen den Verfolgten Haftbefehl nach § 34 IRG zu erlassen. Der Verfolgte ist bislang nicht dazu gehört worden.

II.

5

Nachdem die Auslieferungsunterlagen innerhalb der auf Antrag der serbischen Behörden bereits auf 40 Tage verlängerten Höchstfrist des Art. 16 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz EuAlÜbk, die mit der vorläufigen Festnahme des Verfolgten am 29.03.2011 zu laufen begonnen hat, nicht eingegangen sind, kann der Senat nicht mehr rechtzeitig über die Fortdauer der Auslieferungshaft entscheiden. Der Auslieferungshaftbefehl war deshalb mit Ablauf des 08.05.2011 zwingend aufzuheben (BGHSt 28, 31). Der Verfolgte wäre anschließend unverzüglich auf freien Fuß zu setzen gewesen.

6

Indes liegen nunmehr die Voraussetzungen vor, unter denen nach § 34 Abs. 1 IRG gegen den Verfolgten die (weitere) Haft zur Durchführung der Auslieferung angeordnet werden kann.

7

Zwar setzt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraus, dass sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß befindet und die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet ist. Vorliegend befindet sich der Verfolgte noch in vorläufiger Auslieferungshaft. Diese kann aus den genannten Gründen jedoch nicht über dem 08.05.2011 hinaus aufrecht erhalten bleiben. Für diese Fälle führt eine teleologische Auslegung des Merkmals "auf freiem Fuß befindlich" jedenfalls bei - wie hier - vereinfachten Auslieferungsverfahren, dazu, es auch zu bejahen, wenn der Verfolgte nach Bewilligung aber vor der Durchführung der Auslieferung wegen Ablaufs der Höchstdauer der vorläufigen Auslieferungshaft auf freien Fuß zu setzen wäre, sofern keine neue Haftanordnung erginge (OLG Frankfurt NStZ 1985, 128; OLG Karlsruhe Justiz 1985, 58; BGH NJW 1986, 1444; OLG Schleswig, Beschl. v. 08.07.2003 - 1 Ausl (A) 15/03 (12/03) - zitiert nach juris; Wilkitzki in Grützner/Pötz/Kreß, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl. Loseblattsammlung, Stand Februar 2011, § 34 IRG Rdz. 16).

8

Zwar ist auch die ungeschriebene Haftvoraussetzung des alsbaldigen und unmittelbaren Bevorstehens der Auslieferung (vgl. dazu Wilkitzki a.a.O. Rdz. 17) im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sicher erfüllt. Nachdem jedoch von deutscher Seite aus bereits alle Vorkehrungen getroffen worden sind, um eine sofortige Übergabe des Verfolgen sicherzustellen und es allein noch an der Rückmeldung der serbischen Behörden über das genaue Datum seiner Abholung fehlt, erscheint, gemessen an den Übergabefristen des Art. 18 Abs. 4 EuAlÜbk, die Anordnung und der am 09.05.2011 beginnende Vollzug der Durchführungshaft derzeit gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig. Sie ist auch aus den unverändert fortbestehenden Gründen des Auslieferungshaftbefehls vom 01.04.2011 zur Absicherung der Überstellung des Verfolgten geboten.

9

Eine vorherige Anhörung des Verfolgten war ohne Gefährdung des Zwecks der Anordnung nicht möglich (§ 77 Abs. 1 IRG, § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO). Über die Verhängung der Durchführungshaft konnte der Senat erst unmittelbar vor Ablauf der Höchstfrist der vorläufigen Auslieferungshaft entscheiden, weil vorher die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 IRG - wie dargelegt - nicht vorgelegen haben. Auch war bis zum Ende dieser Frist nicht absehbar, ob es überhaupt der Anordnung von Durchführungshaft bedürfen würde, oder ob die Auslieferungsunterlagen noch so rechtzeitig eingehen würden, dass der Senat vor Fristablauf über die Verhängung der "endgültigen" Auslieferungshaft entscheiden könnte (§ 16 Abs. 3 IRG). Der Verfolgte ist damit jedoch nicht rechtlos gestellt. Er kann nach § 23 IRG jederzeit Einwendungen gegen die Anordnung der Durchführungshaft bzw. ihre Fortdauer beim Oberlandesgericht erheben.

10

Zudem hat der Senat das bisher zögerlichen Vorgehen der serbischen Behörden in dieser Sache zum Anlass genommen, in Anlehnung an die 15tägige Übergabefrist des Art. 18 Abs. 4 EuAlÜbk gemäß § 34 Abs. 3, § 26 Abs. 1 Satz 3 IRG Termin zur Überprüfung der Fortdauer der Haft bereits auf den 20.05.2011 festzusetzen. Sollte auch bis dahin keine verbindliche Absprache eines genauen Zeitpunkts für eine zeitnahe Übernahme des Verfolgten zustande gekommen sein, wird die Haft aufzuheben sein, weil dann die Auslieferung nicht mehr im vorstehenden Sinne unmittelbar bevorsteht.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 06. Mai 2011 - 2 Ausl 18/11 I 16/11 zitiert 6 §§.

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(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführ

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(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführung der Auslieferung an, sofern nicht der Vollzug eines bestehenden Auslieferungshaftbefehls (§ 17) angeordnet werden kann.

(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen

1.
der Verfolgte,
2.
die Entscheidung, durch welche die Auslieferung bewilligt worden ist, sowie
3.
der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen er sich ergibt.

(3) Die §§ 18 bis 20 und 23 bis 27 gelten entsprechend.

(1) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und seines Einführungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, der Abgabenordnung und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß.

(2) Bei der Leistung von Rechtshilfe für ein ausländisches Verfahren finden die Vorschriften zur Immunität, zur Indemnität und die Genehmigungsvorbehalte für Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Räumen eines Parlaments Anwendung, welche für deutsche Straf- und Bußgeldverfahren gelten.

(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.

(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.

(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.

(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.

(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführung der Auslieferung an, sofern nicht der Vollzug eines bestehenden Auslieferungshaftbefehls (§ 17) angeordnet werden kann.

(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen

1.
der Verfolgte,
2.
die Entscheidung, durch welche die Auslieferung bewilligt worden ist, sowie
3.
der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen er sich ergibt.

(3) Die §§ 18 bis 20 und 23 bis 27 gelten entsprechend.

(1) Die Auslieferungshaft kann unter den Voraussetzungen des § 15 schon vor dem Eingang des Auslieferungsersuchens angeordnet werden, wenn

1.
eine zuständige Stelle des ersuchenden Staates darum ersucht oder
2.
ein Ausländer einer Tat, die zu seiner Auslieferung Anlaß geben kann, auf Grund bestimmter Tatsachen dringend verdächtig ist.

(2) Der Auslieferungshaftbefehl ist aufzuheben, wenn der Verfolgte seit dem Tag der Ergreifung oder der vorläufigen Festnahme insgesamt zwei Monate zum Zweck der Auslieferung in Haft ist, ohne daß das Auslieferungsersuchen und die Auslieferungsunterlagen bei der in § 74 bezeichneten Behörde oder bei einer sonst zu ihrer Entgegennahme zuständigen Stelle eingegangen sind. Hat ein außereuropäischer Staat um Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft ersucht, so beträgt die Frist drei Monate.

(3) Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens und der Auslieferungsunterlagen entscheidet das Oberlandesgericht unverzüglich über die Fortdauer der Haft.

Über Einwendungen des Verfolgten gegen den Auslieferungshaftbefehl oder gegen dessen Vollzug entscheidet das Oberlandesgericht.

(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführung der Auslieferung an, sofern nicht der Vollzug eines bestehenden Auslieferungshaftbefehls (§ 17) angeordnet werden kann.

(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen

1.
der Verfolgte,
2.
die Entscheidung, durch welche die Auslieferung bewilligt worden ist, sowie
3.
der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen er sich ergibt.

(3) Die §§ 18 bis 20 und 23 bis 27 gelten entsprechend.

(1) Befindet sich der Verfolgte in Auslieferungshaft, so entscheidet das Oberlandesgericht über deren Fortdauer, wenn der Verfolgte seit dem Tag der Ergreifung, der vorläufigen Festnahme oder der letzten Entscheidung über die Fortdauer der Haft insgesamt zwei Monate zum Zweck der Auslieferung in Haft ist. Die Haftprüfung wird jeweils nach zwei Monaten wiederholt. Das Oberlandesgericht kann anordnen, daß die Haftprüfung innerhalb einer kürzeren Frist vorgenommen wird.

(2) Befindet sich der Verfolgte in vorläufiger Auslieferungshaft oder in einstweiliger Unterbringung in einem Erziehungsheim (§ 71 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes), so gilt Absatz 1 entsprechend.