Oberlandesgericht Rostock Urteil, 22. Mai 2009 - 1 Ss 82/09 I 31/09

bei uns veröffentlicht am22.05.2009

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der IV. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 14.11.2008 - 9 Ns 6/08 - mit Ausnahme der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die Bestand haben, aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Berufungskammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Neubrandenburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Neubrandenburg - Strafrichter - (Az.: 1 Ds 60/07) hat den Angeklagten am 20.11.2007 wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz (§§ 95 Abs. 1 Nr. 7; 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz) zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen verurteilt.

2

Diese Entscheidung griff der Angeklagte mit der Berufung an. Die Berufungsstrafkammer - die aufgrund der glaubhaften Angaben des Angeklagten im Wesentlichen zu den selben Feststellungen gelangt ist, wie das Amtsgericht - hat mit Urteil vom 14.11.2008 das Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 20.11.2007 aufgehoben und den Angeklagten - aus rechtlichen Gründen - freigesprochen. Die Kammer ist der Auffassung, dass "Aufenthalt" im Sinne des § 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz als "gewöhnlicher Aufenthalt" zu verstehen sei, somit kurzzeitige Abwesenheiten aus dem beschränkten Raum (als solche hat das Landgericht den festgestellten Sachverhalt gewertet) nicht umfasst seien.

3

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

4

Das statthafte (§ 333 StPO) Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist frist- und formgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 341, 344, 345 StPO), mithin zulässig.

5

Es hat auch Erfolg, weil die Begründung des Freispruchs durch das Landgericht revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

1.

a)

6

Das Landgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

7

"Der ... Angeklagte befindet sich seit 2003 in Deutschland. Das Asylverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen, seit 2004 ist der Angeklagte im Besitz einer aufenthaltsrechtlichen Duldung, um die Klärung der Pass- und Rückführungsmodalitäten zu ermöglichen. Im Zusammenhang mit den Duldungen erfolgte jeweilig die räumliche Beschränkung des Angeklagten - wie dieser wusste - auf das Gebiet der Stadt Neubrandenburg. Die durch die Stadt Neubrandenburg am 27.04.2006 ausgestellte Duldung war zunächst bis zum 23.01.2007 gültig. (Die momentane Duldung ist bis zum 31.01.2009 befristet, und ebenso auf den Aufenthalt der Stadt Neubrandenburg beschränkt.)

8

Am 06.12.2006 um 11.10 Uhr befuhr der Angeklagte aus Richtung Berlin kommend mit dem Reisezug RE 38310 die Strecke Fürstenberg/Havel in Richtung Neustrelitz zur späteren Weiterreise nach Neubrandenburg. Eine Erlaubnis zum Verlassen des Geltungsbereiches der Duldung lag am 06.12.2006 - wie der Angeklagte wusste - nicht vor.

9

Zuletzt wurde der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 08.03.2006 (Az.: 1 Cs 64/06) wegen wiederholten Verstoßes gegen die Aufenthaltsbeschränkung nach § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (Tatzeit: 04.01.2006) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5,00 Euro verurteilt ....

10

Der ... Sachverhalt beruht vollumfänglich auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten. Der Angeklagte hat angegeben, dass er am 06.12.2006 seine Freundin in Berlin besucht habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass er für diese Besuchsfahrt keine Erlaubnis der Ausländerbehörde gehabt habe. Er halte sich im Übrigen überwiegend in Neubrandenburg auf, weder habe er in den letzten vier Jahren während seiner aufenthaltrechtlichen Duldung seinen Aufenthaltsort gewechselt noch habe er irgend welche Maßnahmen ergriffen, um im Bundesgebiet unterzutauchen. Für die zuständige Ausländerbehörde der Stadt Neubrandenburg sei er jederzeit unter seinem Wohnsitz M.weg 19 in N. anzutreffen gewesen ...".

b)

11

Das Landgericht erachtet den von ihm festgestellten Sachverhalt (unter Hinweis auf die Entscheidung OLG Stuttgart NStZ 1982, 73) nicht für strafbar. Die Aufenthaltsbeschränkung könne jedenfalls nicht dahin zu verstehen sein, dass damit eine dauernde physische Präsenz in einem bestimmten Bezirk festgeschrieben sei. Bei jedenfalls einer nur gelegentlichen kurzfristigen Besuchsreise, die unter Berücksichtigung der Reiseentfernung auf eine zeitig angemessene Abwesenheit vom zugewiesenen Aufenthaltsbereich beschränkt bleibe, sei die räumliche Beschränkung der Duldungsbescheinigung nicht verletzt. Von einem Aufenthaltsverstoß im Sinne von § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz könne daher nur gesprochen werden, wenn der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer seinen Lebensmittelpunkt bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in ein anderes Bundesland verlagere. Ein solcher Fall sei jedoch vorliegend nicht gegeben, da der Angeklagte sich nur kurzfristig zu einem Besuch in Berlin aufgehalten habe, im Übrigen aber seit vier Jahren seinen festen Aufenthalt in Neubrandenburg eingenommen habe.

2.

12

Auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht zur Begründung herangezogenen Entscheidung des OLG Stuttgart hält der Freispruch des Angeklagten sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a)

13

Gem. § 95 Abs. 1 Nr. 7 Aufenthaltsgesetz wird bestraft, wer wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz zuwiderhandelt. Gem. § 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers räumlich auf das Gebiet des (Bundes)Landes beschränkt; weitere Bedingungen und Auflagen können (von der zuständigen Ausländerbehörde) angeordnet werden, § 61 Abs. 1 S. 2 Aufenthaltsgesetz.

14

Im Hinblick auf die vorstehenden Normen ist zwar anerkannt, dass eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 Aufenthaltsgesetz nicht gegeben ist, wenn (lediglich) gegen eine Auflage gem. § 61 Abs. 1 S. 2 Aufenthaltsgesetz, mit der eine räumliche Beschränkung behördlich angeordnet worden ist, wiederholt verstoßen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17.02.2009 - 1 StR 381/08 - m. w. N.). Die Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 7 Aufenthaltsgesetz umfasst ausschließlich vorsätzliche Verstöße gegen die Aufenthaltsbeschränkung, die sich bereitsgesetzlich aus § 61 Abs. 1 S. 1 Aufenthaltsgesetz ergibt, weshalb nur ein wiederholtes Verlassen desBundeslandes unter Strafe steht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 16.01.2009 - 1 Ss 90/08 - m. w. N.).

15

Die gesetzliche Beschränkung des Aufenthaltsbereichs eines Ausländers auf der Grundlage des § 61 Abs. 1S. 1 Aufenthaltsgesetz bezieht sich dabei aber auf dessen tatsächlichen Aufenthalt. Dies folgt zum Einen aus der Ratio des Gesetzes, das ein Untertauchen von Personen, deren Abschiebung - wie vorliegend - nur zeitweilig ausgesetzt ist, erschweren und die Überwachung der Erfüllung der Ausreisepflicht verbessern will (BT-Drucksache 15/420, S. 92, 98; OLG Karlsruhe StV 2007, 136 m. w. N.). Dass damit jedes noch so kurze Verlassen des Bundeslandes umfasst ist, erschließt sich zum Anderen auch aus § 12 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz: Danach kann die Ausländerbehörde dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben (S. 1). Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde (S. 2). Eine derartige Erlaubnis ist nur dann nicht erforderlich, wenn der Ausländer Termine bei Behörden und Gerichten, die sein persönliches Erscheinen erfordern, wahrnimmt (S. 3). Der letztgenannten normierten Ausnahme von der Erlaubnis-pflicht bedurfte es nur, weil bereits der tatsächliche Aufenthalt außerhalb des beschränkten Bereichs eine Zuwiderhandlung gegen die beschränkende Anordnung des § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz darstellt (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O.).

b)

16

Im Lichte dessen begegnet der vom Landgericht ausgeurteilte Freispruch des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn die Kammer hat ausweislich der Feststellungen des angefochtenen Urteils sämtliche für eine Verurteilung des Angeklagten notwendigen Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffen.

17

Die vom Landgericht zur Begründung des Freispruchs herangezogene Entscheidung des OLG Stuttgart (NStZ 1982, 73) ist nicht geeignet, zu einer anderen Sicht der Dinge zu führen. Diese betraf nämlich einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt:

18

Die auf der Basis der §§ 7, 17, 47 Abs. 1 Nr. 5 Ausländergesetz ergangene Entscheidung hatte den Verstoß eines Asylbewerbers, dessen Asylantrag noch nicht abschließend entschieden war, gegen eine diesem von der zuständigen Ausländerbehörde in einer Duldungsbescheinigung auferlegte Aufenthaltsbeschränkung zum Gegenstand. Mit einer solchen Aufenthaltsbeschränkung sollte für die Dauer des Asylverfahrens vornehmlich der Zweck verfolgt werden, eine gleichmäßige Verteilung der durch den Zustrom von Asylbewerbern zu tragenden öffentlichen Lasten auf die einzelnen Länder bzw. Gemeinden und Kreise zu gewährleisten sowie eine gleichmäßige Belastung der Ausländerbehörden, der Träger der Sozialhilfe, des Wohnungswesens, des Arbeitsmarktes wie auch sonstiger Ordnungsinteressen sicherzustellen (OLG Stuttgart a. a. O.).

19

Den vorbezeichneten Regelungszwecken mag eine "zeitig angemessene Abwesenheit vom zugewiesenen Aufenthaltsbereich" (UA Bl.4) nicht entgegenstehen; der Regelungszweck des § 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz ist jedoch, wie bereits aufgezeigt, ein vollkommen anderer, so dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart für die vorliegend zu beurteilende Straftat keine Relevanz besitzt.

III.

20

Das angefochtene Urteil unterlag nach alledem der Aufhebung, § 353 Abs. 1 StPO.

21

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Zwar kann eine Verurteilung grundsätzlich nicht auf die Feststellungen eines freisprechenden Urteils gestützt werden, da dem Angeklagten mangels Beschwer die Möglichkeit fehlte, das Urteil insoweit im Revisionsverfahren überprüfen zu lassen (vgl. BGHR § 354 Abs. 1 Schuldspruch 1; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 354 Rn. 23, jeweils m. w. N.). Das gilt jedoch nicht, wenn er die getroffenen Feststellungen nicht bestreitet, oder diese, wie vorliegend, "vollumfänglich auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten" (UA Bl. 3) beruhen und auch die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft sie nicht angreift (vgl. BGH NJW 1992, 382; OLG Koblenz NStZ-RR 2008, 120; jeweils m. w. N.). Ergänzende Feststellungen, die zu dem aufrechterhaltenen Urteilsteil nicht im Widerspruch stehen, können in der neuen Verhandlung getroffen werden.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 341 Form und Frist


(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des A

Strafprozeßordnung - StPO | § 333 Zulässigkeit


Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - 1 StR 381/08

bei uns veröffentlicht am 17.02.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 381/08 vom 17. Februar 2009 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7, § 61 Abs. 1 Satz 2 Eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ist nicht gegeben, wenn einer Au

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Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 381/08
vom
17. Februar 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ist nicht gegeben,
wenn einer Auflage gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, mit der eine
räumliche Beschränkung behördlich angeordnet worden ist, wiederholt
zuwidergehandelt wird.
BGH, Beschl. vom 17. Februar 2009 - 1 StR 381/08 - OLG Bamberg
in der Strafsache
gegen
wegen wiederholten Zuwiderhandelns gegen eine räumliche Beschränkung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2009 beschlossen
:
Eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ist nicht gegeben
, wenn einer Auflage gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, mit
der eine räumliche Beschränkung behördlich angeordnet worden
ist, wiederholt zuwidergehandelt wird.

Gründe:


I.

1
1. Die Angeklagte ist äthiopische Staatsangehörige. Sie reiste im Juli 2004 in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde im September 2004 zurückgewiesen. Ihre hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Mit Verwaltungsakt vom 3. Februar 2005 war ihr die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bescheinigt und ihr Aufenthalt im Wege einer Auflage gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf den Landkreis Bad Kissingen beschränkt worden. Trotzdem wurde sie am 1. März 2006 und am 2. Juli 2006 außerhalb des ihr zugewiesenen Bezirks angetroffen. Am 19. Januar 2007 hielt sie sich erneut ohne behördliche Erlaubnis außerhalb des Landkreises Bad Kissingen am Hauptbahnhof in Schweinfurt auf.
2
Das Amtsgericht Bad Kissingen hat die Angeklagte von dem hierauf gestützten Vorwurf eines Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG mit Urteil vom 11. Januar 2008 aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Ein Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung i.S.d. § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sei nicht vom Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG umfasst. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft fristgerecht (Sprung-) Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.
3
2. Das Oberlandesgericht Bamberg will der gegen dieses Urteil gerichteten , auf die Sachrüge gestützten (Sprung-) Revision der Staatsanwaltschaft stattgeben. Auch ein wiederholter Verstoß gegen eine von der Ausländerbehörde angeordnete räumliche Beschränkung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG erfülle den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. Der Wortlaut des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verweise auf den gesamten § 61 Abs. 1 AufenthG. Deshalb sei nicht nur der wiederholte Verstoß gegen die bereits durch Gesetz angeordnete räumliche Beschränkung auf das Bundesland (§ 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), sondern auch der wiederholte Verstoß gegen eine durch die Ausländerbehörde angeordnete weitergehende räumliche Beschränkung des Aufenthalts (§ 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) von § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG umfasst. Hierfür spreche auch die amtliche Überschrift des § 61 AufenthG , da der erste Teil der Überschrift („Räumliche Beschränkung“) erkennbar auf den gesamten § 61 Abs. 1 AufenthG Bezug nehme und mit der in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verwendeten Formulierung korrespondiere. Mit der Verwendung des Begriffs der „räumlichen Beschränkung“ in der Strafvorschrift habe der Gesetzgeber zudem deutlich machen wollen, dass behördliche Anordnungen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, die keine räumliche Beschränkung enthielten, nicht von dem Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG umfasst sein sollen. Schließlich spreche der von dem Gesetzgeber verfolgte Zweck dafür, dass auch ein wiederholtes Zuwiderhandeln gegen eine behördlich angeordnete räumliche Beschränkung strafbar sei. Nach den Geset- zesmaterialien diene die Vorschrift der Angleichung der aufenthaltsrechtlichen Folgen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer und Asylbewerber. So sei in § 85 Nr. 2 AsylVfG ebenfalls eine wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 1, Abs. 2 AsylVfG unter Strafe gestellt , wobei der Aufenthalt der Asylbewerber jedoch schon von Gesetzes wegen auf den Bezirk der jeweils zuständigen Ausländerbehörde beschränkt sei. Daher könne eine inhaltliche Gleichstellung zwischen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern und Asylbewerbern nur dadurch erreicht werden, dass bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern auch der wiederholte Verstoß gegen eine behördlich angeordnete Beschränkung - auf den Bezirk der Ausländerbehörde - nach § 95 Abs.1 Nr. 7 AufenthG strafbar sei.
4
3. An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht Bamberg durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. Oktober 2006 - 3 Ss 204/06 (StV 2007, 136), des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Februar 2007 - 2 Ss 6/07, des Thüringer Oberlandesgerichts vom 1. März 2007 - 1 Ss 1/07, des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Oktober 2007 - 83 Ss 126/07 (NStZ-RR 2008, 90) und des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 31. Januar 2008 - Ss 39/08 (StraFo 2008, 128) gehindert. Dieser Auffassung hat sich zuletzt auch das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschl. vom 27. Mai 2008 - 1 Ss 362/07) angeschlossen. Diese Entscheidungen sind darauf gestützt , dass ein wiederholtes Zuwiderhandeln gegen eine auf einer behördlichen Anordnung beruhenden räumlichen Beschränkung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht von dem Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG umfasst sei.
5
4. Das Oberlandesgericht Bamberg hat deshalb die Sache mit Beschluss vom 24. Juni 2008 gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
6
„Macht sich ein Angeklagter bei einem wiederholten Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung i.S.d. § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG strafbar?“
7
5. Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Bamberg angeschlossen und beantragt zu beschließen:
8
„Der wiederholte Verstoß eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers gegen eine nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG behördlich angeordnete räumliche Beschränkung seines Aufenthalts ist strafbar gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG.“

II.


9
Die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 1 GVG sind gegeben.
10
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Das Oberlandesgericht Bamberg kann der Revision der Staatsanwaltschaft nicht wie beabsichtigt stattgeben, ohne von der Rechtsansicht der genannten Oberlandesgerichte abzuweichen.

III.


11
Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Beschlussformel ersichtlich.
12
1. Ob ein wiederholtes Zuwiderhandeln gegen eine nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG von der Ausländerbehörde angeordnete räumliche Beschränkung von der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG umfasst wird, ist umstritten. Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, schon aus der in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG enthaltenen Verweisung auf den gesamten Absatz 1 des § 61 AufenthG ergebe sich, dass nicht nur ein wiederholtes Zuwiderhandeln gegen die gesetzlich angeordnete räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG von dem Straftatbestand umfasst sein soll, sondern auch das wiederholte Zuwiderhandeln gegen eine nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG behördlich angeordnete räumliche Beschränkung. Der Gesetzgeber habe den Begriff der „vollziehbaren Anordnung“, den er in der Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG für Verstöße gegen behördlich angeordnete räumliche Beschränkungen nach § 61 Abs. 1 Satz 2 verwendet habe, in der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht gebraucht, weil er aus der Fülle der denkbaren Anordnungen der Ausländerbehörde allein die wiederholten Verstöße gegen eine räumliche Beschränkung unter Strafe stellen wollte. Da zugleich strafrechtliche Verstöße gegen die gesetzliche Begrenzung des Aufenthalts auf das Bundesland strafrechtlich geahndet werden sollten, habe sich eine zusammenfassende Formulierung der „räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG“, wie sie in der Strafvorschrift verwendet worden sei, angeboten (Zühlcke ZAR 2007, 99).
13
2. Dieser Auffassung wird entgegengehalten, dass sich aus der Gesetzessystematik ergebe, dass lediglich das wiederholte Zuwiderhandeln gegen die sich aus § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebende räumliche Beschränkung auf das Bundesland, nicht aber der wiederholte Verstoß gegen eine weitergehende behördliche Anordnung nach § 61 Abs.1 Satz 2 AufenthG von der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erfasst würde. Dies folge aus der Unterscheidung zwischen den beiden Arten der räumlichen Beschränkung, die der Gesetzgeber für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten in § 98 Abs. 3 AufenthG vorgenommen habe. Nach § 98 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 4 AufenthG begehe derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der vorsätzlich oder fahrlässig einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zuwider handele. Der wiederholte Verstoß gegen eine vollziehbare Auflage nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG falle dagegen unter die Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 4 AufenthG. Aus dieser Differenzierung wird deshalb geschlossen, dass von dem Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nur eine Zuwiderhandlung gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG umfasst sei. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber wie für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten auch in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG durch die Verwendung einer entsprechenden Formulierung deutlich gemacht, dass auch Verstöße gegen vollziehbare Auflagen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG den Straftatbestand erfüllen. Da er dies aber gerade nicht getan habe, sei bei einem Verstoß gegen eine behördliche Auflage, die über die gesetzliche Begrenzung des Aufenthalts auf das Bundesland hinausgehe, nur der Bußgeldtatbestand des § 98 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 4 AufenthG verwirklicht. Dies entspreche im Übrigen der Regelung in § 85 Nr. 2 AsylVfG, da auch dort nur der Verstoß gegen die im Gesetz statuierte räumliche Beschränkung nach § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 AsylVfG unter Strafe gestellt sei, nicht aber der Verstoß gegen eine durch die Verwaltungsbehörde erlassene weitergehende Beschränkungsanordnung (so die genannten Oberlandesgerich- te aaO; auch Mosbacher in GK-AufenthG 28. Lfg. § 95 Rdn. 194; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 169. Lfg. AufenthG § 95 Rdn. 39; Hailbronner, AuslR 40. Lfg. AufenthG § 95 Rdn. 48; Stoppa in Widmaier, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung S. 1872 Rdn. 226, 227; derselbe in Westpal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei 3. Aufl. S. 714).
14
3. Der Senat schließt sich dieser letztgenannten Auffassung an.
15
a) Die gesetzliche Regelung im Aufenthaltsgesetz ist nicht eindeutig. Auch wenn in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG auf den gesamten Absatz 1 des § 61 AufenthG Bezug genommen wird, spricht die von dem Gesetzgeber im Bereich der Bußgeldtatbestände vorgenommene Unterscheidung zwischen der gesetzlich und der behördlich angeordneten räumlichen Beschränkung dafür, dass von dem Straftatbestand nur der Verstoß gegen die sich aus dem Gesetz ergebende räumliche Beschränkung erfasst sein soll. Neben der Gesetzessystematik (vgl. oben III 2) ergibt sich dies auch aus der Regelungstechnik des Gesetzgebers im Bereich des Ausländerrechts. Dieser ordnet es nämlich regelmäßig ausdrücklich an, wenn ein Verstoß gegen vollziehbare Auflagen eine strafrechtliche Sanktion oder ein Bußgeld nach sich ziehen soll (vgl. § 95 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 6a, § 98 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 2, Nr. 4 AufenthG; § 85 Nr. 3, Nr. 4 AsylVfG). Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers bei der Normierung der Straf- und Bußgeldvorschriften im Bereich des Ausländerrechts spricht dafür, dass er eine entsprechende Formulierung auch bei der Ausgestaltung des Straftatbestandes des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gebraucht hätte, wenn er einen wiederholten Verstoß gegen eine behördlich angeordnete und vollziehbare räumliche Beschränkung hätte unter Strafe stellen wollen.
16
b) Dies wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil unter die in § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannten „weiteren Bedingungen und Auflagen“ nicht nur behördlich angeordnete räumliche Beschränkungen auf den Bezirk der Ausländerbehörde oder sogar auf eine bestimmte Gemeinde fallen. So kann dem Ausländer darüber hinaus auch aufgegeben werden, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, wenn dies für die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen erforderlich sein sollte (Hailbronner, aaO § 61 Rdn. 12 m.w.N.). Daneben kann mit Auflagen und Bedingungen nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Verfestigung seines Aufenthalts verhindert werden , indem ihm zum Beispiel verboten wird, ein Studium aufzunehmen oder fortzusetzen (Hailbronner, aaO § 61 Rdn. 12). Auch kann ihm auferlegt werden , die Kosten für die Ausreise bzw. Abschiebung auf einem Bankkonto anzusparen (Hailbronner, aaO § 61 Rdn. 17 m.w.N.). Die Vielfalt der Maßnahmen , die nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG angeordnet werden können, spricht somit ebenfalls dafür, dass der Gesetzgeber bei der pauschalen Verweisung in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG auf § 61 Abs. 1 AufenthG nur die gesetzlich definierte räumliche Beschränkung auf das Bundesland im Blick hatte, weil ansonsten mangels klarstellender gesetzlicher Regelung gerade nicht deutlich wird, dass darüber hinaus von allen in Betracht kommenden behördlichen Anordnungen nur diejenigen unter Strafe gestellt sein sollen, die lediglich eine weitergehende räumliche Beschränkung des Aufenthalts enthalten.
17
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Gesetzgeber den Weg einer pauschalen Verweisung auf § 61 Abs. 1 AufenthG für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht beschritten hat, obwohl dies angesichts des Regelungszusammenhangs in § 98 Abs. 3 AufenthG sehr viel eindeutiger gewesen wäre als in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. In § 98 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG ist nämlich nicht nur der Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geregelt, sondern auch Verstöße gegen räumliche Beschränkungen , die sich sowohl aus dem Gesetz nach § 54a Abs. 2 AufenthG als auch aus vollziehbaren Auflagen nach § 12 Abs. 2 und Abs. 4 AufenthG ergeben. Diese Vorschrift enthält somit eine nahezu ausnahmslose Regelung der Verstöße gegen räumliche Beschränkungen für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten , bei der lediglich die Verstöße gegen eine behördlich angeordnete räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ausgenommen sind und dem Bußgeldtatbestand des § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG unterfallen. Angesichts des Regelungsbereichs des § 98 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG, nämlich Verstöße gegen räumliche Beschränkungen als Ordnungswidrigkeiten zu sanktionieren, unabhängig davon ob diese sich aus Gesetz oder einer behördlicher Anordnung ergeben, hätte es bei einer allgemeinen Verweisung auf § 61 Abs. 1 AufenthG keinem Zweifel unterlegen, dass hiervon auch das wiederholte Zuwiderhandeln gegen eine behördlich angeordnete Begrenzung des Aufenthalts nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG umfasst wäre. Da der Gesetzgeber aber dennoch von einer entsprechenden Verweisung in § 98 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG abgesehen hat, obwohl dies vom Regelungsgehalt - anders als in der Strafvorschrift - eindeutig gewesen wäre, spricht auch dies dagegen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „räumliche Beschränkung“ eine „zusammenfassende Formulierung“ (vgl. Zühlcke, ZAR 2007, 99) gewählt hat und dass sich die in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG enthaltene Verweisung somit auch auf eine räumliche Begrenzung des Aufenthalts des Ausländers nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bezieht.
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c) Auch der von dem Gesetzgeber mit der Schaffung des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verfolgte Zweck spricht nicht dafür, dass wiederholte Zuwiderhandlungen gegen behördlich angeordnete räumliche Beschränkungen nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG unter Strafe gestellt werden sollten. Nach den Gesetzesmaterialien soll der vollziehbar Ausreisepflichtige zwar rechtlich nicht besser gestellt werden als ein Asylbewerber, so dass wie in § 85 Nr. 2 AsylVfG auch in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG der wiederholte Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG als Straftatbestand verankert worden ist (BTDrucks. 15/420 S. 98). Von § 85 Nr. 2 AsylVfG ist aber nur der Verstoß gegen die räumlichen Beschränkungen umfasst, die sich aus § 56 Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG und damit unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Eine Ermächtigungsgrundlage für weitergehende behördliche Anordnungen enthält diese Vorschrift nicht.
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Soweit der Aufenthalt des Asylbewerbers nach § 56 Abs. 1, Abs. 2 AsylVfG auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt wird und damit enger gefasst ist, als dies in § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgesehen ist, bedeutet das ebenfalls nicht, dass die von dem Gesetzgeber gewollte Angleichung der aufenthaltsrechtlichen Folgen von vollziehbar Ausreisepflichtigen gegenüber Asylbewerbern inhaltlich nur dadurch erreicht werden kann, dass in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht zwischen der sich aus dem Gesetz ergebenden räumlichen Beschränkung auf ein Bundesland und einer weitergehenden behördlich angeordneten räumlichen Beschränkung - etwa auf den Sitz der Ausländerbehörde - differenziert wird. Zum einen ist eine Angleichung der aufenthaltsrechtlichen Folgen gegenüber der vor dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes bestehenden Rechtslage, wonach schon ein Verstoß gegen die räumliche Beschränkung einer Duldung auf das Bundesland nach dem Ausländergesetz nicht strafbar war (vgl. BGHSt 42, 291), bereits dadurch erreicht worden, dass nunmehr auch der vollziehbar Ausreisepflichtige bei einem wiederholten Zuwiderhandeln gegen die sich aus dem Gesetz ergebende räumliche Beschränkung bestraft wird. Zum anderen macht der Vergleich zwischen § 56 Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG auf der einen und § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf der anderen Seite deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Begrenzung des Aufenthalts grundsätzlich zwischen Asylbewerbern und vollziehbar Ausreisepflichtigen unterscheidet. Hieraus ergibt sich, dass eine inhaltliche Angleichung der aufenthaltsrechtlichen Folgen dahingehend, dass beide Gruppen von Ausländern von vorneherein engen räumlichen Beschränkungen unterliegen sollen, vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt war. So ist der Aufenthalt von vollziehbar Ausreisepflichtigen von Gesetzes wegen nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde und damit in dem gleichen Umfang wie bei Asylbewerbern beschränkt (vgl. § 54a Abs. 2, § 61 Abs. 1a Satz 1 AufenthG).
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d) Gegen die Auffassung, wonach auch ein Verstoß gegen eine nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG behördlich angeordnete räumliche Beschränkung unter den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG fällt, spricht schließlich auch, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der entgegenstehenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe StV 2007, 136) und der ihm folgenden Oberlandesgerichte keinen Handlungsbedarf gesehen hat (zur Bedeutung der Kenntnis obergerichtlicher Rechtsprechung durch den Gesetzgeber für die Gesetzesauslegung vgl. allgemein BGHSt 38, 93, 95; 47, 202, 206). So wurden mit dem „Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“ vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) unter anderem Änderungen in § 61, § 95 und § 98 AufenthG vorgenommen. Das diesbezügliche Gesetzgebungsverfahren hatte mit einem Entwurf des Bundesrates vom 30. März 2007 (BRDrucks. 224/07) begonnen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 (OLG Karlsruhe StV 2007, 136), das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 12. Februar 2007 - 2 Ss 6/07 und das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 1. März 2007 - 1 Ss 1/07 ent- schieden, dass eine Zuwiderhandlung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers gegen eine behördlich angeordnet e räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG strafbar ist, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit nach § 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG geahndet werden kann. Wenn diese Auslegung des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG tatsächlich in Diskrepanz zu dem gesetzgeberischen Willen bei der Schaffung dieser Vorschrift gestanden hätte, hätte der Gesetzgeber schon im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem „Gesetz zur Umsetzung aufenthalts - und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union“ vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) reagieren und § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG - entsprechend seiner üblichen Regelungstechnik im Ausländerrecht - klarstellend dahingehend ergänzen können, dass auch wiederholte Verstöße gegen vollziehbare Auflagen nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG unter diese Strafvorschrift fallen. Da er dies aber gerade nicht getan hat, spricht dies ebenfalls dafür, dass unter § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nur das wiederholte Zuwiderhandeln gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG fällt.
Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.