vorgehend
Landgericht Nürnberg-Fürth, 1 O 7436/12, 12.09.2014

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.09.2014 (Az. 1 O 7436/12) aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

II.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis 28.09.2016 auf 44.449,42 EUR und für die Zeit danach auf 44.339,59 EUR festgesetzt

Gründe

A. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einer Schiffskollision geltend.

Der Kläger ist Eigentümer der unter deutscher Flagge fahrenden Segelyacht (SY) „O.“, Registerhafen Hamburg, Schiffstyp Ketsch (Zweimaster), Baujahr 1980, Länge 16,15 m, Breite 4,26 m, max. Verdrängung 17.000 kg. Der Beklagte ist Eigentümer der unter deutscher Flagge fahrenden Segelyacht (SY) „S.“, Registerhafen Nürnberg, Schiffstyp Slup (Einmaster mit Großsegel und Vorsegel), Länge 12,84 m, Breite 4,19 m, max. Verdrängung: 9.550 kg.

Im Juli 2011 befanden sich sowohl der Kläger (mit seiner Ehefrau - der Zeugin G. F. - und seinem Sohn) als auch der Beklagte (mit seiner Ehefrau - der Zeugin C. H. - und seinem Hund) jeweils mit ihren Segelyachten auf Segeltörns auf der Adria vor der kroatischen Küste. Am 28.07.2011 ankerten die Parteien ihre Segelyachten in einem Abstand von ca. 300 - 350 m voneinander in der nach Nordwesten zum Meer geöffneten (vgl. Anlagen K1, K34, K35) Bucht Tiha, Gemeinde Cavtat (ca. 20 km südlich von Dubrovnik), Kroatien.

Im Zusammenhang mit einem Wetterwechsel (Winddrehung auf Nordwest, Wind mit Böen der Windstärke Beaufort 7-8, dies entspricht ca. 30-40 Knoten bzw. ca. 50-75 km/h) kam es am Morgen des 29.07.2011 zu einem Lösen des Ankers der SY S. und in der Folge zu einem Verdriften der SY S. weg von deren Ankerstelle in Richtung der SY O. sowie - ohne dass zuvor der Motor der SY S. gestartet wurde - anschließend zu einer Kollision mit dem Bugbereich der SY O.. Dabei verfing sich die Ankerkette der SY O. im Heckbereich - zwischen Ruderblatt und Propeller - der SY S., so dass deren Motor nicht mehr gestartet werden konnte und die beiden Schiffe nicht mehr voneinander loskamen. Um die Verkettung der Schiffe zu lösen, musste der Kläger seinen Anker kappen; die mit einem Fender gesicherte Ankerkette wurde von ihm später wieder aufgenommen.

Nach dem Vorfall unterzeichneten beide Parteien jeweils eine „Schadensschilderung“ (Anlage B2).

Der Hergang des Vorfalls im Einzelnen sowie die Verantwortlichkeit hierfür sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger sieht diesbezügliche schuldhafte Versäumnisse des Beklagten insbesondere in einer Missachtung der Wetterlage und von Wetterwarnungen, in einer nicht ordnungsgemäßen Verankerung der SY S. sowie unzureichender Überwachung der Verankerung, weiter in nautischem Fehlverhalten nach Losreißen des Ankers, insbesondere im Unterlassen eines unverzüglichen Starts der Maschine oder des Werfens einen Notankers. Im Einzelnen ist streitig,

- ob im Vorfeld - bereits am 28.07.2011 - Wetterwarnmeldungen (vgl. Anlage K36) hinsichtlich der Gefahr heraufziehender Stürme herausgegeben waren, die vom Beklagten miss- achtet wurden (Vortrag des Klägers, Anlagen K15, BK1) oder nicht (Vortrag des Beklagten),

- ob bereits am Abend des 28.07.2011 regnerisches Wetter mit Gewittern herrschte und ein anstehender Wetterwechsel mit der Gefahr heraufziehender Stürme zu befürchten war, was vom Beklagten missachtet wurde (Vortrag des Klägers) oder nicht (Vortrag des Beklagten),

- ob die SY S. des Beklagten ordnungsgemäß, insbesondere mit ausreichend langer Ankerkette, verankert war (Vortrag des Beklagten) oder nicht (Vortrag des Klägers),

- ob die Durchführung einer sog. Ankerwache auf der SY S. geboten war (Vortrag des Klägers) oder ob eine GPS-Überwachung und -warnung für den Fall des Verlassens des Ankerplatzes ausreichend war (Vortrag des Beklagten),

- ob und welche nächtlichen Kontrollmaßnahmen der Beklagte hinsichtlich der Verankerung der SY S. vorgenommen hat,

- ob dem Beklagten nach dem Losreißen der SY S. und deren Verdriften von der Ankerstelle weg vor der Kollision mit der SY O. des Klägers Pflichtverletzungen - insbesondere ein nicht unverzügliches Starten des Motors und damit ein Wiederherstellen der Steuerungsfähigkeit des Schiffes und ein Verhindern von dessen Kollision mit der SY O. - zur Last fallen (Vortrag des Klägers) oder nicht (Vortrag des Beklagten),

- insbesondere, ob der Zündschlüssel für den Motor der SY S. im Zündschloss hätte stecken müssen (Vortrag des Klägers) oder nicht (Vortrag des Beklagten),

- sowie ob die mit dem Holen des Zündschlüssels betraute Ehefrau des Beklagten diesen erst nach Minuten gefunden hat (Vortrag des Klägers) oder nicht (Vortrag des Beklagten), weiter

- ob der Beklagte nach dem Vorfall dem Kläger gegenüber geäußert hat, er habe auf 10 m Wassertiefe 30 m Ankerkette gelassen (Vortrag des Klägers) oder nicht (Vortrag des Beklagten).

Der Kläger beruft sich hinsichtlich von ihm gesehener nautischer Versäumnisse der Besatzung der SY S. insbesondere auf ein diesbezügliches Privatgutachten S. Z. & Partner GmbH (J. W. /M. von M.) (Anlage K18a).

In rechtlicher Hinsicht ist zwischen den Parteien weiter streitig, ob bzw. in welchem Umfang hinsichtlich einzelner Umstände die Grundsätze des Anscheinsbeweises eingreifen.

Die SY O. des Klägers wurde bei dem Vorfall beschädigt. Zwischen den Parteien ist insoweit weiter streitig,

- ob sämtliche Schäden durch die Kollision mit der SY S. sowie das anschließende Kappen und Wiederaufnehmen der Ankerkette entstanden sind, insbesondere weitere Schiffe nicht beteiligt waren (Vortrag des Klägers) oder teilweise auch durch die Kollision mit einer weiteren grünen neuseeländischen Yacht (Vortrag des Beklagten),

- ob die vom Kläger im Einzelnen geltend gemachten Schadenspositionen jeweils substanziiert dargelegt, zur Schadensbehebung erforderlich sowie ersatzfähig sind.

Der Kläger beruft sich insoweit insbesondere auf Schadensfotos (Anlagen K13, B1), auf ein eingeholtes Privatgutachten (Anlagen K2 und K16) sowie auf eine Vielzahl sonst vorgelegter Urkunden (Anlagen K3-K14, K17-K18, K17a, K20-K32).

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat Beweis erhoben gemäß Verfügung vom 31.03.2014 (Bl. 107-108 d. A.) durch Vernehmung der Zeuginnen G. F. und C. H. am 01.07.2014 (Bl. 111-121 d. A.).

Zur Darstellung des Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird ergänzend auf das angefochtene Urteil vom 12.09.2014 (Bl. 143-152 d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit diesem Urteil die Klage vollumfänglich abgewiesen, da der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme schuldhafte Pflichtverletzungen des Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen habe.

Gegen dieses, ihm am 18.09.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, den 20.10.2014 beim Oberlandesgericht eingegangene und - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - mit am 23.12.2014 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers, mit der dieser sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Der Kläger hat zuletzt in der Berufungsinstanz - nach einer Neuberechnung mit geringfügiger Reduzierung des zuvor geltend gemachten Gesamtschadens - folgende Anträge gestellt:

1. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.09.2014, Az. 1 O 7436/12, wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 44.339,59 EUR zu bezahlen nebst Zinsen

- in Höhe von 16%

aus 835,00 EUR seit dem 16.03.2012

aus 9.579,00 EUR seit dem 16.03.2012

aus 3.500,00 EUR seit dem 30.04.2012

aus 9.346,00 EUR seit dem 14.05.2012

aus 9.702,00 EUR seit dem 08.07.2012

- in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins

aus 10.521,84 EUR seit dem 01.06.2012

aus 855,75 EUR seit Rechtshängigkeit am 04.06.2013.

2. Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu bezahlen in Höhe von 709,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit.

3. Hilfsweise,

die Sache an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Berufungsinstanz haben die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Senat hat keinen Beweis erhoben.

Im Übrigen wird hinsichtlich des beiderseitigen Parteivortrags auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

B. Auf die zulässige Berufung des Klägers ist - entsprechend dem insoweit gestellten Hilfsantrag - das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

I. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch sonst zulässig.

II. Die Klage ist jedenfalls nach Neuberechnung des Gesamtschadens und Formulierung eines entsprechenden, leicht reduzierten Klageantrags zulässig.

Zwar korrelierte die Höhe der ursprünglichen Klageforderung von zuerst 46.313,67 EUR und später 44.449,42 EUR nicht mit der Summe der geltend gemachten Schadensteilbeträge und war diesen nicht zuordenbar. Auf entsprechenden Hinweis des Senats hin hat der Kläger indes mit Schriftsatz vom 13.02.2015 eine Neuberechnung der Klageforderung vorgenommen. Diese als Summe der geltend gemachten Teilbeträge ist nunmehr rechnerisch nachvollziehbar. Diese Teilbeträge sind jetzt auch einzelnen, in der Klageschrift dargelegten Schadenspositionen zuordenbar.

Die Prozessvoraussetzung der ordnungsgemäßen Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstandes. Entsprechende Mängel sind indes auch in der Berufung noch heilbar, wenn der Kläger die in den Vorinstanzen unterlassene Klarstellung seines Klagebegehrens nachgeholt und die Klagesumme ziffernmäßig auf die einzelnen Ansprüche verteilt oder einen Anspruch als Hauptanspruch und die übrigen in ganz bestimmter Reihenfolge als Hilfsansprüche geltend macht. Nachträgliche Abgrenzung und Individualisierung heilen den Mangel rückwirkend ab Klageerhebung (BGH, Urteil vom 03.12.1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192; Urteil vom 08.12.1989 - V ZR 174/88, NJW 1990, 2068; Urteil vom 18.11.1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164; Urteil vom 27.11.1996 - VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Urteil vom 19.06.2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718; Urteil vom 17.07.2008 - IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142; Beschluss vom 24.03.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 - TÜV I m. w. N.; Zöller/Greger, ZPO 31. Aufl. § 253 Rn. 15).

Soweit der Kläger im Rahmen der Neuberechnung des Schadens den zuvor höheren Klageantrag (konkludent) zurückgenommen hat, hat der Beklagte dem zugestimmt.

III. Auf die Berufung des Klägers war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß dem insoweit gestellten Hilfsantrag an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Hinsichtlich des beanspruchten Schadensersatzes kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger die klagegegenständlichen Ansprüche zustehen oder nicht. Insoweit ist die Durchführung einer weiteren Beweisaufnahme erforderlich, die das Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen hat.

1. Allerdings ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass nach der maßgeblichen Kollisionsnorm in Art. 4 Abs. 2 der VO (EG) 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-Verordnung) deutsches Recht anwendbar ist, da sowohl der geschädigte Kläger als auch der in Anspruch genommene Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.

2. Im Streitfall kommen damit Schadensersatzansprüche sowohl nach § 823 BGB wie auch nach der in § 735 HGB a. F. i. V. m. §§ 481, 484 HGB a. F. geregelten adjektizischen (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.1957 - II ZR 88/57, BGHZ 26, 152 zur Reederhaftung gemäß § 485 HGB a. F.; Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. § 735 Rn. 37) Haftung des Reeders in Betracht.

Das Seehandelsrecht (Fünftes Buch HGB) wurde durch das Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.04.2013 (BGBl. 2013 Teil I Seite 831) wesentlich geändert. Nach der diesbezüglichen Übergangsvorschrift in Art. 71 Abs. 2 Satz 1 EGHGB sind auf ein im Fünften Buch HGB geregeltes Schuldverhältnis, das vor dem 25.04.2013 entstanden ist, die bis zu diesem Tag geltenden Gesetze weiter anzuwenden. Da der strgg. Unfall bereits 2011 geschehen ist, sind im Streitfall somit noch die Regelungen des Seehandelsrechts (Fünftes Buch HGB) in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Seehandelsrechts vom 20.04.2013 anzuwenden (im Folgenden als HGB a. F. bezeichnet).

Die im Seeverkehr einzuhaltenden Pflichten sind in der „Verordnung zu den Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See - SeeStrOV“ vom 13.06.1977 (BGBl. 1977 Teil I Seite 813) sowie in den in Anlage zu § 1 dieser Verordnung enthaltenen „Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See (Kollisionsverhütungsregeln - KVR)“ vom 13.06.1977 (BGBl. 1977 Teil I Seite 816) geregelt. Diese sind (unstreitig) aufgrund völkerrechtlicher Vorgaben seit 08.10.1991 auch in Kroatien in Kraft (vgl. Anlage K14a).

Wesentliche Regelung ist hierbei die (§ 1 StVO vergleichbare) in § 3 Abs. 1 SeeStrOV enthaltene Sorgfaltspflichtregel, nach der sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet ist und dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird sowie insbesondere die Vorsichtsmaßregeln zu beachten hat, die Seemannsbrauch oder besondere Umstände des Falles erfordern.

3. Das Landgericht hat jedoch verfahrensfehlerhaft bereits die anzusetzenden Beweismaßstäbe verkannt.

a) Zwar hat es im Ansatz zutreffend richtig angenommen, dass grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen Behauptungen die Darlegungs- und Beweislast trägt. Der Kläger muss deshalb die von ihm vorgetragenen anspruchsbegründenden Tatsachen hinsichtlich einer Pflichtverletzung des Beklagten darlegen und ggf. beweisen. Insoweit unterliegt der Nachweis des Haftungsgrundes gemäß § 286 ZPO den strengen Anforderungen des „Vollbeweises“. Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245).

b) Das Landgericht hat auch die Möglichkeit einer erleichterten Beweisführung nach den Regeln des Anscheinsbeweises gesehen. Ein Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf ein bestimmtes schuldhaftes Verhalten hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, dass die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten. Insoweit handelt es sich um einen Nachweis ohne exakte Tatsachengrundlage aufgrund von Erfahrungssätzen. Voraussetzung des Anscheinsbeweises ist allerdings, dass der typische Geschehnisablauf entweder unstreitig oder seitens des Anspruchstellers mit Vollbeweis bewiesen ist. Der vom Beweispflichtigen zu führende Anscheinsbeweis kann vom Gegner durch einen vereinfachten Gegenbeweis erschüttert werden, indem die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs dargelegt und bewiesen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.1987 - IVa ZR 205/85, BGHZ 100, 214; Urteil vom 03.07.1990 - VI ZR 239/89, NJW 1991, 230, 231; Urteil vom 13.12.2011 - VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84; Zöller/Greger, ZPO 31. Aufl. Vor § 284 Rn. 29)

c) Im Bereich der Schifffahrt kann ein Anscheinsbeweis für eine fehlende ausreichende Sicherung eines abtreibenden Schiffes bestehen. Treibt ein Stilllieger ab und richtet er hierbei Schaden an, so besteht zugunsten des Geschädigten ein Anscheinsbeweis dahin, dass der Stilllieger nicht genügend gesichert war (BGH, Urteil vom 24.06.1971 - II ZR 105/69, VersR 1971, 856; OLG Köln TranspR 2001, 405; OLG Köln VersR 2011, 415). Dies gilt grundsätzlich auch bei stürmischer Wetterlage; Sturmwarnungen sind für eine sichere Befestigung zu berücksichtigen (OLG Köln VersR 2011, 415).

Als Stilllieger wird dabei ein Schiff bezeichnet, das vertäut ist (etwa an Uferanlagen oder Dalben), vor Anker liegt, aufgrund liegt oder im Eis festsitzt (Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. § 735 HGB Rn. 32).

Dieser Anscheinsbeweis kann durch Darlegung der ernsthaften, ebenfalls in Betracht kommenden Möglichkeit entkräftet werden, dass das Abtreiben des Stillliegers durch andere Umstände verursacht worden ist (BGH, Urteil vom 24.06.1971 - II ZR 105/69, VersR 1971, 856). Dafür reicht indes die bloße Denkmöglichkeit, dass ein Schadensereignis auch durch andere Ursachen ausgelöst worden sein kann, nicht aus, sondern es müssen weitere Umstände hinzukommen und gegebenenfalls bewiesen werden, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit nahe legen (OLG Köln TranspR 2001, 405).

Eine Entkräftung des Anscheinsbeweises ist auch durch den Vollbeweis des Gegenteils, also einer ordnungsgemäßen Befestigung des abgetriebenen Stillliegers, möglich (OLG Köln TranspR 2001, 405; OLG Köln VersR 2011, 415).

d) Im Bereich der Schifffahrt kann ein Anscheinsbeweis auch für ein schuldhaftes nautisches Fehlverhalten bestehen. Bei Kollision eines in Bewegung befindlichen Schiffes mit einem Stilllieger oder Ankerlieger spricht ein Anscheinsbeweis für ein ursächliches Verschulden der Besatzung des in Bewegung befindlichen („anrennenden“) Schiffes (BGH, Urteil vom 21.03.1957 - II ZR 326/55, VersR 1957, 312; Urteil vom 01.02.1982 - II ZR 77/81, VersR 1982, 491; OLG Hamburg VersR 1974, 1200; OLG Naumburg Hamburger Seerechts-Report 2008, 56; Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. § 735 HGB Rn. 33; jeweils m. w. N.).

Als Ankerlieger wird dabei ein Schiff bezeichnet, das vor Anker liegt bzw. schwoit. Auch vor dem Anker schwoiende Schiffe gelten als nicht in Fahrt befindlich und damit als Stilllieger, da auch ein solches Schiff entweder zeitweilig manövrierunfähig ist oder die zur Abwendung von Kollisionen meist erforderlichen schnellen Manöver nicht ausführen kann (BGH, Urteil vom 24.05.1962 - II ZR 57/61, VersR 1962, 716; Rabe, Seehandelsrecht 4. Aufl. § 735 HGB Rn. 32).

Dieser Anscheinsbeweis kann durch Darlegung der ernsthaften Möglichkeit entkräftet werden, dass die Kollision durch andere Umstände, etwa das Ankern an unerlaubter Stelle im Fahrwasser (OLG Hamburg VersR 1974, 1200) oder die nicht rechtzeitige Erkennbarkeit des angefahrenen Schiffes, insbesondere bei Fehlen vorschriftsmäßiger Beleuchtung (BGH, Urteil vom 01.02.1982 - II ZR 77/81, VersR 1982, 491), verursacht worden ist.

e) Das Landgericht hat „erhebliche Zweifel“ an der Anwendbarkeit entsprechender Anscheinsbeweise geäußert, da sich das Abtreiben der SY S. und deren Kollision mit der SY O. nicht auf einem Binnengewässer, sondern auf dem Meer ereignet haben, die Frage aber letztlich offen gelassen (Seite 8 der Urteilsgründe unter aa). Die Berufung rügt zu Recht, dass der Anscheinsbeweis auch im Seerecht eingreife.

Zwar betrifft die oben zitierte Rechtsprechung weitgehend Sachverhalte, die sich auf Binnenwasserstraßen ereignet haben. Es kann indes für das Bestehen des jeweiligen Anscheinsbeweises keinen Unterschied machen, ob sich das Abtreiben eines Schiffes bzw. die Schiffskollision auf einem Binnengewässer oder auf dem Meer, jedenfalls im ufernahen Bereich wie im Streitfall, ereignet hat. Die Typizität einer Ursache bzw. eines schuldhaften Verhaltens für einen bestimmten Geschehensverlauf ist hier in gleicher Weise zu bejahen. Soweit auf dem Meer - wenn überhaupt - andere Wetterverhältnisse herrschen können, rechtfertigt dies keine Ungleichbehandlung, insbesondere, nachdem der Anscheinsbeweis auf Binnengewässern auch bei stürmischer Wetterlage gilt (siehe oben B III 3 c). Insbesondere muss auch bei den im Streitfall herrschenden Windverhältnissen mit Böen der Windstärke Beaufort 7-8 ein Schiff sicher verankert und vor dem Losreißen des Ankers geschützt werden können; für die sichere Befestigung eines Schiffes sind die Wetterverhältnisse sowie etwaige Sturmwarnungen zu berücksichtigen. Diese Wetterverhältnisse waren auch nicht so ungewöhnlich, dass hiermit nicht gerechnet werden musste; derartige Windverhältnisse sind sogar auf Binnengewässern anzutreffen (vgl. OLG Nürnberg VersR 2009, 1645).

f) Das Landgericht hat weiter verfahrensfehlerhaft ausgeführt, jedenfalls sei ein (etwaiger) Anscheinsbeweis durch die (welche?) Aussage der Zeugin H. und durch das im Unfallzeitpunkt herrschende sehr turbulente Wetter mit Regen, heftigem Wind und heftigem Wellengang erschüttert, weswegen die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass der Anker der SY S. sich nicht wegen unzureichender Befestigung (oder Überwachung) gelöst habe, sondern wegen des stürmischen Wetters (Seite 8 der Urteilsgründe unter bb).

Insoweit verkennt das Landgericht, dass die Aussage der Zeugin F. im Hinblick auf die diametral entgegengesetzte Aussage der Zeugin H. - die vom Landgericht beide in gleichem Maße für glaubwürdig erachtet wurden - für sich bereits zur Widerlegung der genannten Anscheinsbeweise nicht geeignet ist. Die zum Unfallzeitpunkt herrschenden Wetterverhältnisse stehen, wie ausgeführt (siehe oben B II 3 e), der Geltung dieser Anscheinsbeweise nicht entgegen.

Hinsichtlich einer Widerlegung des Anscheinsbeweises für ein schuldhaftes nautisches Fehlverhalten bei Kollision eines in Bewegung befindlichen Schiffes mit einem Ankerlieger (siehe oben B II 3 d) lässt das Landgericht jede Begründung vermissen.

4. Das Landgericht hat gleichfalls verfahrensfehlerhaft gebotene Hinweise nicht erteilt sowie angebotene Beweise nicht erhoben, damit entsprechenden Sachvortrag und Beweisanträge nicht zur Kenntnis genommen, sondern übergangen und auf diese Weise das rechtliche Gehör des Klägers verletzt.

Der Beklagte hatte erstinstanzlich für den Fall eines Eingreifens der diskutierten Anscheinsbeweise explizit um einen gerichtlichen Hinweis gebeten, „da ansonsten Gegenbeweisangebote zu erfolgen hätten“ (Seite 2 des Schriftsatzes vom 28.10.2013 = Bl. 102 d. A.). Richtigerweise wäre ein diesbezüglicher richterlicher Hinweis gemäß § 139 ZPO geboten gewesen, der vom Senat nachgeholt wurde. Das Landgericht wird im weiteren Verfahren den Parteien hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren haben.

Das Landgericht hätte zudem weitergehenden Beweisanträgen der Parteien nachgehen müssen.

a) Insoweit wäre zunächst - im Rahmen der Prüfung einer Pflichtverletzung durch Missachtung von Wetterwarnmeldungen bzw. eines ersichtlichen Wetterumschwungs - eine weitere Beweiserhebung zur Wetterlage am Unfalltag und am Vortag des Unfalls veranlasst gewesen.

Die Argumentation des Landgerichts, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei im Hinblick auf die widersprüchlichen Aussagen der Zeuginnen nicht bewiesen, dass das Wetter am Vorabend bereits auf heftige Stürme schließen ließ (Seite 6 der Urteilsgründe unter a) sowie dass Wetterinformationsquellen Stürme ankündigten (Seite 6 der Urteilsgründe unter b), ist ungenügend. Der Kläger hatte erstinstanzlich hinsichtlich der Wetterlage am Unfalltag und am Vortag Sturmwarnungen des Seewetterinformationssystems NAVTEX (Anlagen K15, BK1) sowie des Amtlichen Seewetteramtes Kroatien vorgelegt und diesbezüglichen Beweisantrag gestellt (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom 07.02.2013 = Bl. 39 d. A.; Seite 7 des Schriftsatzes vom 27.05.2013 = Bl. 62 d. A.; Seite 3 des Schriftsatzes vom 30.09.2013 = Bl. 83 d. A.), die Maßgeblichkeit dieses NAVTEX-Seewetterinformationssystems vorgetragen (vgl. Anlage K36) sowie die Einholung einer amtlichen Auskunft des Seewetteramtes in Hamburg und über dieses des kroatischen Seewetteramtes in Split hinsichtlich des Wetters am Unfallort auch bereits am Vortag beantragt (Seite 10 des Schriftsatzes vom 07.02.2013 = Bl. 47 d. A.; Seite 8 des Schriftsatzes vom 27.05.2013 = Bl. 63 d. A.). Auch der Beklagte hat die Einholung eines meteorologischen Sachverständigengutachtens beantragt (Seite 6 des Schriftsatzes vom 17.12.2012 = Bl. 25 d. A.). Diesbezügliche Beweiserhebungen hat das Landgericht ohne Begründung unterlassen.

Eine entsprechende Beweiserhebung wäre insbesondere auch im Hinblick auf die widersprüchlichen Aussagen der vernommenen Zeuginnen erforderlich gewesen, um den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen und damit die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen beurteilen zu können.

b) Weiter wären - im Rahmen der Prüfung einer Pflichtverletzung durch nicht ordnungsgemäße Verankerung der SY S. - diesbezügliche Beweiserhebungen veranlasst gewesen.

aa) Das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Verankerung ist zwischen den Parteien unstreitig; zu den insoweit im Einzelfall zu stellenden Anforderungen wird auf Anlage B3 verwiesen. Danach muss ein für die Untergrundverhältnisse geeigneter Anker verwendet werden. Unstreitig ist hierzu weiter erforderlich, die Ankerkette in ausreichender Länge auszulegen („zu stecken“). Nach in der Sache nicht bestrittenem Vortrag des Klägers soll hierbei erforderlich sein, zur Vermeidung eines Ausbrechens des Ankers aus dem Grund mehr als die 3fache Wassertiefe, nämlich wenigstens die 5-6fache Wassertiefe an Ankerkette zu stecken (Seite 6 des Schriftsatzes vom 13.09.2012 = Bl. 6 d. A.; Seite 6 des Schriftsatzes vom 27.05.2013 = Bl. 61 d. A.), d. h. bei der behaupteten Wassertiefe von 10 m mindestens 50 m Ankerkette.

bb) Das Landgericht hat ausgeführt, im Hinblick auf die Aussage der Zeugin H. sei nicht davon auszugehen, dass der Beklagte hiergegen verstoßen hätte (Seite 7 der Urteilsgründe unter a). Auf die Aussage der Zeugin F. [der Beklagte habe im Gespräch geäußert, er habe (nur) 30 m Ankerkette gesteckt], geht es nicht ein. Ebenfalls geht es nicht auf den Umstand ein, dass die Zeugin H. ausgesagt hatte, der Beklagte sei „vorne an der Ankerkette gestanden“ und sie selbst sei „dann leicht zurückgefahren“. Ausgehend davon, dass sich der Steuerstand, von dem aus die Zeugin zurückgefahren sein will, wohl am Heck der SY S. befand (und die Sicht auf die Ankerkette vom Bug verdeckt war), stellt sich dann die Frage, woher die Zeugin erkannt haben will, wie viele Meter der Ankerkette gesteckt waren. Diesbezügliche Aufklärung hat das Landgericht nicht veranlasst. Von daher war die vorgenommene Beweiswürdigung bereits unzureichend.

cc) Da die SY S. unstreitig abgedriftet ist, weil ihr Anker nicht gehalten hat, spricht der Anscheinsbeweis für eine nicht genügende Sicherung. Es ist deshalb Sache des Beklagten, diesen zu entkräften. Hierfür fehlt es bislang bereits an erforderlichen Darlegungen. Der Beklagte hat weder zur Art des Ankers der Segelyacht S. noch zur Beschaffenheit des Ankergrundes vorgetragen, obwohl der Kläger das Fehlen diesbezüglichen Vortrags ausdrücklich gerügt hatte (Seite 3 des Schriftsatzes vom 07.02.2013 = Bl. 40 d. A.). Die Ordnungsgemäßheit der Verankerung kann so nicht überprüft werden, da nicht jeder Anker für jeden Untergrund geeignet ist (vgl. Anlage B3).

Zudem fehlt es insoweit - auch im Hinblick auf die widersprüchlichen Ausführungen der Zeuginnen - hinsichtlich der erforderlichen Länge der gesteckten Ankerkette an dem vom Beklagten zu führenden Beweis einer ausreichend gesteckten Länge. Es ist vom Beklagten nicht einmal vorgetragen, wie lange die Ankerkette der SY S. überhaupt war. Der Beweisantrag des Beklagten, für die „ordnungsgemäße Sicherung des Bootes“ ein Sachverständigengutachten einzuholen (Seite 5 des Schriftsatzes vom 17.12.2012 = Bl. 24 d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 28.10.2013 = Bl. 102 d. A.), ist ins Blaue hinein gestellt und deshalb unbeachtlich, da insoweit kein sachverständig zu beurteilender Sachverhalt feststeht.

dd) Zudem wäre selbst bei einer vom Landgericht möglicherweise gesehenen Beweislast des Klägers dessen entsprechenden weitergehenden Beweisangeboten nachzugehen gewesen. Der Kläger hatte ausdrücklich bezüglich des nautischen Fehlverhaltens des Beklagten die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt (Seite 10 des Schriftsatzes vom 07.02.2013 = Bl. 47 d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 02.07.2013 = Bl. 71 d. A.). Die Argumentation des Landgerichts, ein solches Gutachten sei nicht geboten, da kein feststehender Sachverhalt vom Gutachter überprüft werden könne (Seiten 9-10 der Urteilsgründe unter 4) überzeugt nicht. Jedenfalls könnte der (insoweit zumindest sekundär darlegungspflichtige) Beklagte in Anwesenheit des Sachverständigen detailliert die von ihm vorgenommene Verankerung schildern und der Sachverständige dann beurteilen, ob die behauptete Art der Verankerung ausreichend war.

c) Weiter wären - im Rahmen der Prüfung einer Pflichtverletzung durch das Unterlassen einer Ankerwache an Bord der SY S. - diesbezügliche Beweiserhebungen veranlasst gewesen.

aa) Die Ankerwache ist ein Teil der Wache, wenn ein Schiff vor Anker liegt. Sie dient der Sicherheit des Wasserfahrzeuges, der Besatzung und anderer Wasserfahrzeuge. Die Ankerwache trägt hierfür Sorge durch Peilung und Beobachtung der Umgebung. Sie dient insbesondere der Abwendung folgender Gefahren: Durch Wind, Strömung und/oder Seegang kann sich der Anker vom Grund lösen und das Fahrzeug abtreiben. Bei drehenden Winden können unter Umständen auch Hindernisse (Felsen, verlorene Container, andere ankernde Fahrzeuge etc.) im Schwojkreis zur Gefahr werden. Nicht immer sind andere Rudergänger aufmerksam, so dass sie ein ankerndes Fahrzeug rechtzeitig erkennen. Die Ankerwache stellt daher durch Augenlicht und ggf. Radar Kollisionskurse mit anderen Fahrzeugen fest. Die Ankerwache ist verpflichtet, durch Alarmierung Gefahren vom Schiff und dessen Besatzung abzuwenden, z. B. durch ein neues Ankermanöver. Hierbei müssen nachts Teile der Besatzung geweckt werden, um die Manöver durchzuführen. Ankerwachen sind vor allem in der Seeschifffahrt üblich bzw. vorgeschrieben.

bb) Der Kläger hatte vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass, insbesondere im Hinblick auf die Wetterlage und auf Wetterwarnungen, eine Ankerwache geboten gewesen sei; die vom Beklagten allein vorgenommene Überwachung der Ankerposition mittels GPS sei nicht ausreichend gewesen. Bei Durchführen einer solchen Ankerwache hätte der Beklagte das Verdriften der SY S. alsbald erkennen und eine Kollision mit der SY O. verhindern können (Seiten 6, 9-10 des Schriftsatzes vom 13.09.2012 = Bl. 6, 9-10 d. A.; Seiten 4, 10 des Schriftsatzes vom 07.02.2013 = Bl. 41, 47 d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 02.07.2013 = Bl. 71 d. A.; Seite 5 des Schriftsatzes vom 30.09.2013 = Bl. 85 d. A.). Der Beklagte hat lediglich eine Überwachung des Ankerplatzes mittels GPS vorgetragen (Seite 3 des Schriftsatzes vom 17.12.2012 = Bl. 22 d. A.).

Das Landgericht hat ausgeführt, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Hinblick auf die widersprüchlichen Aussagen der Zeuginnen nicht bewiesen sei, dass das Wetter am Vorabend bereits auf heftige Stürme schließen ließ sowie dass Wetterinformationsquellen Stürme ankündigten, sei auch die Notwendigkeit einer Ankerwache nicht nachgewiesen (Seite 7 der Urteilsgründe unter b). Im Hinblick auf die Aussage der Zeugin H., der Beklagte sei in der Nacht an Deck gewesen und habe Wetter und Anker überprüft, sei auch eine nicht ordnungsgemäße Überwachung nicht nachgewiesen (Seite 7 der Urteilsgründe unter d).

Auch diese Beweiswürdigung war unzureichend und rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich der Wetterlage am Vorabend des Unfallgeschehens sowie etwaiger Unwetterwarnungen wäre eine weitergehendere Beweiserhebung erforderlich gewesen (siehe oben B III 4 b aa). Stehen nach entsprechender Beweisaufnahme eine bestimmte Wetterlage bzw. entsprechende Wetterwarnungen fest, wäre weiter Beweis zu erheben, ob in dieser konkreten Wettersituation eine Überwachung des Ankerplatzes mittels GPS ausreichend war oder eine Ankerwache geboten war. Insoweit haben sowohl der Beklagte (Seite 5 des Schriftsatzes vom 17.12.2012 = Bl. 25 d. A.) als auch der Kläger (Seite 5 des Schriftsatzes vom 30.09.2013 = Bl. 85 d. A.; Seite 3 des Schriftsatzes vom 06.08.2014 = Bl. 124 d. A.) für ihren jeweiligen Sachvortrag die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Hinsichtlich der in der Nacht durchgeführten Kontrollmaßnahmen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts gleichfalls unzureichend. Die Zeugin H. hat zwar bekundet, der Beklagte habe in der Nacht „nochmal geschaut, ob alles in Ordnung ist. Vor allem wie das Wetter ist und ob die Abstände noch passen.“ Dies konnte sie indes nicht aus eigener Wahrnehmung bestätigen, da sie weiter ausführte, nicht dabei gewesen zu sein. Die Zeugin H. hat zudem ausweislich ihrer protokollierten Aussage nicht geäußert, dass der Beklagte den Anker überprüft habe, wie das Landgericht behauptet.

cc) Selbst bei einer vom Landgericht möglicherweise gesehenen Beweislast des Klägers hätte das Gericht auch hier dessen entsprechenden weitergehenden Beweisangeboten nachgehen müssen. Der Kläger hatte ausdrücklich bezüglich des nautischen Fehlverhaltens des Beklagten die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt (Seite 10 des Schriftsatzes vom 07.02.2013 = Bl. 47 d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 02.07.2013 = Bl. 71 d. A.). Auch insoweit überzeugt die Argumentation des Landgerichts, ein solches Gutachten sei nicht geboten, da kein feststehender Sachverhalt vom Gutachter überprüft werden könne (Seiten 9-10 der Urteilsgründe unter 4) nicht, da zumindest der (insoweit jedenfalls sekundär darlegungspflichtige) Beklagte in Anwesenheit des Sachverständigen detailliert die behaupteten Überwachungsmaßnahmen sowie die GPS-Überwachung schildern könnte. Auf dieser Grundlage sowie auf Basis vorliegender weiterer Wetterauskünfte könnte dann ein Sachverständiger beurteilen, ob die behauptete Art der Überwachung ausreichend war.

d) Weiter wären - im Rahmen der Prüfung einer Pflichtverletzung durch das Unterlassen von Maßnahmen zur Verhinderung einer Kollision nach Beginn des Verdriftens der SY S., insbesondere des unverzüglichen Startens des Motors zur Wiederherstellung der Steuerungsfähigkeit des Schiffes - diesbezügliche Beweiserhebungen veranlasst gewesen.

aa) Das Landgericht hat ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es nicht davon überzeugt, dass der Beklagte das „Losreißen“ seines Ankers zu spät bemerkt oder nicht schnell genug reagiert habe; hierbei hat es wesentlich auf die Aussage der Zeugin H. abgestellt (Seiten 8-9 der Urteilsgründe unter 3).

bb) Auch diese Beweiswürdigung ist ungenügend und rechtsfehlerhaft.

Da von einem Anscheinsbeweis hinsichtlich eines kollisionsursächlichen Verschuldens der Besatzung der in Bewegung befindlichen, mit der vor Anker liegenden SY O. kollidierenden SY S. auszugehen ist, ist es Sache des Beklagten, diesen zu entkräften (siehe oben B III 3 d). Soweit das Landgericht insoweit meint, es fehle schon am Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung, ist dies unverständlich; nicht der Kläger hat einen entsprechenden Nachweis zu führen, vielmehr hat der Beklagte den Anscheinsbeweis zu entkräften. Soweit das Landgericht weiter meint, der Anscheinsbeweis sei wegen der extrem heftigen Wetterverhältnisse entkräftet, da wegen des Windes mit erheblichem Wellengang die ernsthafte Möglichkeit bestanden habe, dass auch das sofortige Starten des Motors der Segelyacht S. den Zusammenstoß nicht verhindert hätte, ist diese Würdigung nicht nachvollziehbar. Stürmische Wetterverhältnisse sind zur Entkräftung des Anscheinsbeweises bereits nicht geeignet (siehe oben B III 3 e).

cc) Jedenfalls waren die beiden Schiffe unstreitig 300 - 350 m voneinander entfernt verankert. In diesem Fall erschließt sich nicht, dass ein Verdriften mit der Folge einer Kollision derart schnell erfolgen soll, dass nicht einmal der Motor des verdriftenden Schiffes gestartet werden könnte. Der Kläger behauptet - vom Beklagten in der Sache nicht bestritten - mit der Berufung ein Verdriften mit maximal 4 km/h, so dass es frühestens 5 min nach Beginn des Verdriftens zur Kollision gekommen sein könne (Seiten 17-18 des Schriftsatzes vom 23.12.2014 = Bl. 192-193 d. A.). Dass ein Segelschiff mit eingeholten Segeln und über Grund treibendem Anker nicht sonderlich schnell verdriften kann, leuchtet ein. Von daher bestehen ernsthafte Zweifel an der Annahme des Landgerichts, die Kollision habe unvermeidbar sein können. Es besteht vielmehr die nahe liegende weitere Möglichkeit, dass die Schiffsbesatzung der SY S. das Verdriften zu spät bemerkt hat, nämlich erst unmittelbar vor der Kollision mit der SY O. (möglicherweise bedingt dadurch, dass evtl. der GPS-Alarm zu spät ausgelöst hat).

Insoweit fehlt es bereits an erforderlichen Darlegungen des Beklagten zur Entkräftung des Anscheinsbeweises, etwa zur Unmöglichkeit, vor der Kollision erneut Anker zu setzen, einen Notanker zu werfen oder den Motor zu starten, um damit die Steuerungsfähigkeit der SY S. wiederherzustellen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Umstandes, dass der Zündschlüssel zum Schiffsmotor nicht im Zündschloss steckte, sondern erst unter Deck geholt werden musste (wobei offen bleiben kann, wie lange dieser Holvorgang dauerte). Ob dem Einwand des Beklagten, wegen Gefahr der Piraterie habe der Zündschlüssel abgezogen werden dürfen, zu folgen ist, bedarf zudem der weiteren Klärung.

e) Auch der Umfang des dem Kläger entstandenen Schadens ist völlig ungeklärt; das Landgericht hat hierzu, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen getroffen. Falls die noch vorzunehmende Beweisaufnahme einen Schadensersatzanspruch des Klägers dem Grunde nach rechtfertigt, wäre insoweit weitergehend Beweis zu erheben.

5. Die Berufung des Klägers erhebt zu Recht die Verfahrensrüge der unterbliebenen Beweiserhebung. Das Übergehen des entsprechenden Sachvortrags und Beweisangebots des Klägers wie auch des Beklagten stellt zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel (im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) dar. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2005, 1487 und NJW 1991, 285, 286). Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebotes verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144; BGH, Beschluss vom 11.07.2007 - IV ZR 112/05).

Das angefochtene Urteil stellt zudem eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil das Landgericht hierin ohne entsprechenden vorherigen Hinweis ohne weitere Beweiserhebung in der Sache entschieden hat.

6. Der Rechtsstreit war deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf entsprechenden (Hilfs-)Antrag des Klägers an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen, da das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist.

Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat zwar grundsätzlich das Berufungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Die Entscheidung zwischen der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO und der eigenen Sachentscheidung gemäß § 538 Abs. 1 ZPO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Zurückverweisung in der Sache in aller Regel zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits und zu weiteren Nachteilen führt und dies den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann (BGH, Urteil vom 10.03.2005 - VII ZR 220/03). Im vorliegenden Fall steht jedoch diesem maßgeblichen Gesichtspunkt der Prozessökonomie entgegen, dass eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme erforderlich wird und der mit einer Zurückverweisung verbundene zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand bei Abwägung gegen den Verlust einer Tatsacheninstanz hier ausnahmsweise zurücktritt.

Das Landgericht wird zunächst aufgrund des vom Senat erteilten Hinweises zur Geltung des Anscheinsbeweises den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen haben. Sodann wird es - ggf. unter Berücksichtigung neuen Sachvortrags - gemäß den entsprechenden Beweisangeboten eine weitere Klärung der Wetterlage, etwaiger Wetterwarnmeldungen sowie eines etwaigen nautischen Fehlverhaltens des Beklagten durch Missachtung von Wetterwarnmeldungen bzw. eines ersichtlichen Wetterumschwungs, durch nicht ordnungsgemäße Verankerung des SY S., durch Unterlassen einer Ankerwache sowie durch Unterlassen kollisionsverhindernder Maßnahmen nach Beginn des Verdriftens der SY S. zu prüfen haben (vgl. die obigen Ausführungen unter B III 4). In diesem Zusammenhang wird das Landgericht aufgrund der Ergebnisse der weiteren Beweiserhebung auch erneut die Glaubwürdigkeit der bereits vernommenen Zeuginnen zu beurteilen haben.

Das Landgericht wird sodann unter Berücksichtigung des Ergebnisses der noch ausstehenden Beweisaufnahme im Rahmen der Beweiswürdigung die Frage des Bestehens eines Schadens- ersatzanspruchs des Klägers dem Grunde nach zu entscheiden haben. Bei Bejahung dieses Umstandes wird es ggf. (zur Klärung der Höhe der dann in Betracht kommenden Ansprüche) weitere Beweise zu erheben haben.

Bei dieser Sachlage, insbesondere im Hinblick auf die Komplexität des Sachverhalts, die Schwierigkeit der Beweiserhebung sowie die Problematik der Aufklärung und Nachvollziehbarkeit seemännischer Sachverhalte scheint die Zurückverweisung sachdienlich, da das Interesse an einer schnellen Entscheidung nicht gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz überwiegt.

Der Rechtsstreit war deshalb gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

IV. 1. Die Kostenentscheidung bleibt, auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens, der Endentscheidung vorbehalten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwerfen würde, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat. Dies ist nicht der Fall.

Die Fortbildung des Rechts erfordert keine höchstrichterliche Entscheidung. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht geboten; widersprüchliche Entscheidungen zu den maßgeblichen Rechtsfragen liegen nicht vor.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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Oberlandesgericht Nürnberg Endurteil, 19. Okt. 2016 - 12 U 2194/14 zitiert 18 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 1 Grundregeln


(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder

Verordnung zu den Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See - SeeStrOV | § 3 Grundregeln für das Verhalten im Verkehr


(1) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet ist und daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Er hat

Handelsgesetzbuch - HGB | § 481 Hauptpflichten. Anwendungsbereich


(1) Durch den Stückgutfrachtvertrag wird der Verfrachter verpflichtet, das Gut mit einem Schiff über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort dem Empfänger abzuliefern. (2) Der Befrachter wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 484 Verpackung. Kennzeichnung


Der Befrachter hat das Gut, soweit dessen Natur unter Berücksichtigung der vereinbarten Beförderung eine Verpackung erfordert, so zu verpacken, dass es vor Verlust und Beschädigung geschützt ist und dass auch dem Verfrachter keine Schäden entstehen.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 485 See- und Ladungstüchtigkeit


Der Verfrachter hat dafür zu sorgen, dass das Schiff in seetüchtigem Stand, gehörig eingerichtet, ausgerüstet, bemannt und mit genügenden Vorräten versehen ist (Seetüchtigkeit) sowie dass sich die Laderäume einschließlich der Kühl- und Gefrierräume s

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
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(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 319/98 Verkündet am:
19. Juni 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
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BGHR: nein

a) Die Frage, ob eine Klage, die auf mehrere prozessuale Ansprüche gestützt
wird, zulässig ist, darf das Gericht nicht mit der Begründung offenlassen
, die Klage sei jedenfalls unbegründet.

b) Zur Substantiierungspflicht des Klägers bei einem aus mehreren Einzelpositionen
zusammengesetzten Anspruch.
BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. September 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einem "Coproduktionsvertrag" über einen Film geltend.
Am 10. September 1987 schloß die Klägerin mit der C. T. , der Exportabteilung des ehemaligen tschechoslowakischen Fernsehens, einen Co-
produktionsvertrag. Gegenstand dieses Vertrages war die Herstellung einer Fernsehserie mit dem Titel "Pierrot le Grand". Gemäß Nr. 1 des Vertrages war ursprünglich die Herstellung einer Fernsehserie, bestehend aus vier Teilen zu je 60 Minuten, über das Leben des Jean Garpard Depureau, welcher als Erfinder der modernen Pantomime gilt, vorgesehen. Dieser im Coproduktionsvertrag festgeschriebene zeitliche Umfang der TV-Serie wurde durch Vereinbarung vom 8. September 1988 um eine weitere Folge, also auf insgesamt fünf Folgen á 60. Minuten, erweitert. Nach der im Vertrag vorgesehenen Aufgabenverteilung sollte die Klägerin die zur Herstellung und anschließenden umfassenden kommerziellen Auswertung notwendigen Urheberrechte, Nutzungs- und Verwertungsrechte der deutschen Filmschaffenden erwerben und sie in die Coproduktion einbringen. Außerdem übernahm die Klägerin die Verpflichtung, die Rechte an der literarischen Vorlage und am Drehbuch zu erwerben, um damit die Verfilmung des literarischen Stoffes zu ermöglichen. Der Vertragspartner der Klägerin übernahm gemäß Nr. 1.3 des Coproduktionsvertrages die Verpflichtung , die Dreharbeiten zur TV-Serie vor Ort in der ehemaligen Tschechoslowakei durchzuführen und die Roh- und Feinschnittfassung der Fernsehproduktion zu erstellen. Die Parteien einigten sich auf die Zahlung eines Coproduktionsbeitrages durch die Klägerin in Höhe von 750.000,-- DM, zahlbar in insgesamt sieben Raten.
Im Zeitpunkt des Drehbeginns (28. November 1988) hatte die Klägerin die bis dahin bereits zur Zahlung fälligen ersten Raten von insgesamt 300.000,-- DM noch nicht bezahlt. In der Beilage A zum Coproduktionsvertrag war als letzter Drehtag der 7. Juli 1989 vorgesehen. Zum 1. März 1990 sollte das Negativ der Klägerin zur Verfügung gestellt werden. Beide Termine wurden nicht eingehalten. Zwischen den Parteien entstand ein Streit darüber, ob an-
stelle der ursprünglich vereinbarten 5 mal 60-minütigen Fassung eine TV-Serie für das Deutsche Fernsehen, bestehend aus drei Episoden á 90 Minuten, von der Beklagten zu erstellen sei. Auf ein Schreiben der T. v om 28. Februar 1991, in welchem diese erklärte, daß die sechsteilige Version abgenommen und mit dem Negativschnitt begonnen worden sei, wies die Klägerin mit Telefax vom 4. März 1991 T. an, nicht mit dem Negativschnitt zu beginnen, bevor die damals bestehenden Auseinandersetzungen über die Frage der Anzahl der geschuldeten Folgen abgeschlossen seien. Unter dem 6. März 1991 bestätigte T. den Inhalt dieses Schreibens und bat um weitere Weisungen bezüglich der Durchführung des Negativschnitts, die jedoch nie erfolgten. Im Laufe des Jahres 1992 erstellte die Beklagte eine 6 mal 60-minütige Version, welche endgültig auf eine TV-Serie zu fünf Episoden á 60 Minuten geschnitten wurde. Diese von der Klägerin abgelehnte Fassung strahlte das tschechische Fernsehen im Weihnachtsprogramm 1992 aus.
Mit Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 23. Oktober 1991 kündigte die Klägerin den Coproduktionsvertrag fristlos. Zur Begründung verwies die Klägerin auf eine nicht fristgerechte Herstellung der Spielfilm-Serie.
Die Klägerin macht im Wege der Teilklage einen Schadensersatz in Höhe von 100.000,-- DM wegen der ihr entstandenen Aufwendungen für Produktionskosten geltend. Des weiteren verlangt sie Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von gleichfalls 100.000,-- DM wegen fehlgeschlagener Verwertung der Produktion und die Herausgabe des Negativmaterials der Filmproduktion. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit es um die Herausgabe des Filmnegativmaterials geht; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht
hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf das Rechtsmittel des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A.


Gerichtsstand ist nach Nr. 9.6 des Coproduktionsvertrages für beide Vertragsparteien M. ; es kommt deutsches Recht zur Anwendung.

B.


1. Die Ausführungen des Landgerichts zur Rechtsnachfolge des Beklagten in die Rechtsstellung des früheren tschechoslowakischen Fernsehens sind nicht zu beanstanden.
2. Die Instanzgerichte werten den Coproduktionsvertrag zutreffend als Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Schließen sich Partner zusammen, um einen Film oder Fernsehfolgen herzustellen und zu vertreiben, so stellt dies den gemeinsamen Zweck im Sinne des § 705 BGB dar. Ist nichts anderes vereinbart, handelt es sich deshalb um die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. Hartlieb, HdB. des Film-, Fernsehund Videorechts 3. Aufl. 1991 S. 251 f.; MüKo/Ulmer, BGB 3. Aufl. Vor § 705 Rdn. 98).

Ist die Kündigung der Gesellschaft wirksam, so ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst und - als Innengesellschaft - gleichzeitig beendet. Deshalb ist an sich eine Schlußabrechnung zu erstellen. Die Parteien gehen jedoch offenbar davon aus, daß die streitigen gegenseitigen Ansprüche die einzigen abzurechnenden Vermögenspositionen darstellen.

C.


Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, der Zahlungsanspruch in Höhe von 200.000,-- DM sei nicht schlüssig dargelegt und schon deshalb als unbegründet abzuweisen; es sei nicht ersichtlich, wie sich dieser Teilbetrag zusammensetze. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind begründet.
I. Die von der Klägerin erhobene Teilklage ist zulässig.
1. Eine Teilklage, die mehrere prozessual selbständige Ansprüche zum Gegenstand hat, genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nur, wenn der Kläger die Reihenfolge angibt, in der das Gericht diese Ansprüche prüfen soll. Sonst könnte es zu unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstandes und damit der materiellen Rechtskraft kommen (BGHZ 124, 164, 166 f.; BGH, Urt. v. 8. Dezember 1989 - V ZR 174/88, NJW 1990, 2068 f.; v. 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346; Sen.Urt. v. 10. November 1986 - II ZR 140/85, BGHR ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 - Bestimmtheit 4).
2. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Teilklage gerecht.

a) Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ihren Antrag nur noch auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages von 100.000,-- DM wegen der ihr entstandenen Aufwendungen und weiterer 100.000,-- DM wegen entgangenen Gewinns gerichtet. Einen darüber hinausgehenden Schadensersatzbetrag wegen Nichtherausgabe des Materials, den das Oberlandesgericht auch diskutiert , hat die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr gefordert. Sie hatte zwar ursprünglich beantragt, im Falle der nicht rechtzeitigen Herausgabe des Filmmaterials die Beklagte schon im vorliegenden Rechtsstreit zu Schadensersatz in Höhe von 50.000,-- DM zu verurteilen, hat diesen Antrag aber in der Berufungsbegründung vom 20. April 1998 nicht aufrecht erhalten. Die Beklagte hat dem nicht widersprochen. Das Berufungsgericht hätte diesen Antrag daher bei der Frage der Schlüssigkeit der Klage von vornherein nicht berücksichtigen dürfen.

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Schlüssigkeit der Einzelposten beziehen sich nur auf den Sachverhaltskomplex "Aufwendungen". Die Klägerin macht 100.000,-- DM aus einer Gesamtsumme von 2.464.867,-- DM geltend, die sich aus mehreren Einzelpositionen zusammensetzt. Insoweit handelt es sich um einen einheitlichen Schaden mit unselbständigen Rechnungsposten, nicht aber um verschiedene prozessuale Ansprüche. Hier bedarf es grundsätzlich keiner Erklärung über die Reihenfolge der Prüfung (Lüke in: MüKo-ZPO § 253 Rdn. 106 f.).
Die Klägerin hat diese Rechnungspositionen im einzelnen individualisiert. Sie enthalten unter Nr. 9 Rechtsanwalts- und Beratungskosten. Unter
diese lassen sich auch die in der Berufungsschrift erwähnten 5.000,-- DM an Rechtsanwaltskosten zur Streitbeilegung subsumieren. Ein selbständiger Streitgegenstand ist damit entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht verbunden.

c) Daneben wird als selbständiger weiterer Schadensposten ein Teilbetrag von wiederum 100.000,-- DM als entgangener Gewinn aus einer Gesamtsumme von 1,25 Mio. US-$ geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um einen selbständigen Streitgegenstand. Dieser Anspruch ist aber, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, schlüssig und in zulässiger Weise dargelegt.
Somit ergibt sich bei sachgerechter Auslegung und Würdigung der Anträge der Klägerin, daß sie insgesamt Schadensersatz in Höhe von 200.000,-- DM verlangt.
3. Überdies hätte das Berufungsgericht aufgrund seiner Annahme, die Teilklage sei nicht hinreichend individualisiert, auf keinen Fall die Klage als unbegründet abweisen dürfen, sondern durch Abweisung als unzulässig klarstellen müssen, daß eine rechtskräftige Entscheidung über die Begründetheit der nach seiner Meinung vorliegenden Mehrheit von Ansprüchen nicht getroffen werden könne.
II. Es ist rechtlich auch nicht möglich, die Frage der Zulässigkeit einer Klage nicht zu beantworten und diese wegen feststehender Unbegründetheit abzuweisen. Dies gilt grundsätzlich auch im Berufungsverfahren. Mag auch in Ausnahmesituationen die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, das offensichtlich unbegründet ist, offengelassen werden können, so gilt dies jedenfalls nicht für
die Frage, ob die Klage als solche bereits unzulässig war oder nicht. Schon wegen der Auswirkungen auf die Rechtskraft ergibt sich insoweit ein absoluter Vorrang der Zulässigkeits- vor der Begründetheitsprüfung (Lüke in: MüKo-ZPO, Vor § 253 Rdn. 3). Deshalb ist nur vorsorglich auf folgendes hinzuweisen:
1. Die Revision bemängelt, das Berufungsgericht habe den in erster Instanz vernommenen Zeugen B. erneut hören und die von der Klägerin im Berufungsverfahren zusätzlich benannten Zeugen vernehmen müssen. Dieser Angriff hat teilweise Erfolg.

a) Eine erneute Vernehmung des Zeugen B. war allerdings nicht geboten. § 398 Abs. 1 ZPO stellt die erneute Vernehmung eines bereits gehörten Zeugen in das Ermessen des Gerichts. Eine Ermessensüberschreitung liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines erstinstanzlichen Zeugen anders beurteilen will als das Erstgericht, wenn es der Aussage eine andere Tragweite, ein anderes Gewicht oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will oder wenn es die protokollierten Angaben des Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält (BGH, Urt. v. 30. September 1992 - VIII ZR 196/91; v. 15. Oktober 1992 - III ZR 57/91, BGHR ZPO § 398 Abs. 1 - Ermessen 14, 15 je m.w.N.). Diese Grenzen des Ermessens hat das Berufungsgericht beachtet. Es weicht in keinem Punkt von der Beurteilung des Erstgerichts ab.

b) Dagegen hätte das Berufungsgericht die neu benannten Zeugen P. und K. vernehmen müssen.
Der Tatrichter darf von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen oder zugunsten des Antragstellers zu unterstellen ist. Dabei ist größte Zurückhaltung geboten (BGH, Urt. v. 19. Mai 1998 - XI ZR 216/97, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 - Beweisantrag, Ablehnung 18 m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
Die Klägerin hat in ihrem Berufungsschriftsatz für ihre Behauptung, die Parteien hätten sich später auf die Anfertigung einer 3 mal 90-minütigen deutschen Fassung bis zum 31. Dezember 1990 geeinigt, zunächst den Verantwortlichen der C. T. , den Zeugen B. , benannt. Zusätzlich hat sie zum Beweis dafür, daß auf der Sitzung des Zentraldirektoriums des tschechoslowakischen Fernsehens am 25. Juli 1990 die Herstellung einer solchen Fassung autorisiert und diese Entscheidung der Klägerin mitgeteilt wurde, woraufhin man sich entsprechend geeinigt habe, die Vernehmung der Zeugen K. und P. , jeweils mit ladungsfähiger Anschrift, mehrfach beantragt.
Das Berufungsgericht stellt darauf ab, daß die Klägerin trotz eines entsprechenden Hinweises der Beklagten nicht dargelegt habe, warum diese Zeugen etwas bekunden könnten. Das macht die Zeugen jedoch nicht zu ungeeigneten Beweismitteln. Vielmehr ist der Beweisantrag so zu verstehen, daß die Zeugen bei den entscheidenden Besprechungen anwesend waren.
Der von dem Berufungsgericht herangezogene Gesichtspunkt, die neuen Zeugen seien erst vier Jahre später in den Prozeß eingeführt worden, erweist sich als irrelevant. Ein Fall des § 528 ZPO ist nicht gegeben; es fehlt
schon an einer Zurückweisung der Beweismittel. Im übrigen ist zu berücksichtigen , daß viele der Beteiligten inzwischen ihre Position bei der Beklagten verlassen haben und nur schwer greifbar sind.
2. Das Berufungsgericht führt aus, der Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns sei schon deshalb unbegründet, weil die Klägerin der Firma N. gegenüber auch eine 5 mal 60-minütige Fassung habe absetzen können. Eine solche habe die Beklagte aber erstellt, den Schnitt derselben habe die Klägerin selbst am 4. März 1991 per Telefax gestoppt. Dies ist unzutreffend.
Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 28. Februar 1991, auf welches sich das Telefax der Klägerin bezog, hatte die Beklagte lediglich mitgeteilt , eine sechsteilige Version sei abgenommen und mit deren Negativschnitt werde begonnen. Selbst wenn man unterstellen wollte, die Parteien hätten sich nicht auf eine 3 mal 90-minütige Fassung geeinigt, wäre eine solche Version jedoch ebensowenig vertragsgemäß gewesen. Nach dem ursprünglichen Vertrag hätte nämlich dann eine 5 mal 60-minütige Version erstellt werden müssen. Die Darlegungen des Berufungsgerichts verstoßen daher gegen den eindeutigen Inhalt der vorgelegten Urkunden und auch gegen den Tatbestand des Urteils, in dem festgehalten wird, daß ursprünglich die Erstellung einer 5 mal 60-minütigen Version geschuldet war. Daß die Beklagte nach der Kündigung durch die Klägerin später eine fünfteilige tschechische Version erstellte, ändert nichts daran, daß sie der Klägerin eine nicht vertragsgemäße Leistung angeboten hatte.
3. Bei der gebotenen erneuten Prüfung ist zu beachten, daß neben dem entgangenen Gewinn "frustrierte" Aufwendungen grundsätzlich nicht als Schaden geltend gemacht werden können, weil ein Gewinn nur unter der Voraussetzung hätte erzielt werden können, daß die nach dem Vertrag von dem Geschädigten geschuldeten Aufwendungen erbracht worden sind.
4. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Herausgabeanspruch greift die Revision ebenfalls erfolgreich an.

a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einem neben § 985 BGB bestehenden vertraglichen Herausgabeanspruch stützen sich maßgeblich darauf , daß jedenfalls die fünfte Rate des Produktionskostenbeitrages unabhängig von der vertragsmäßigen Erstellung der Filmserie bei Rohschnittabnahme zu zahlen gewesen sei und deshalb der Beklagten jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der handschriftliche Vermerk auf dem Schuldanerkenntnis vom 9. Mai 1990, der dem vorformulierten Text später hinzugesetzt wurde und insoweit vorrangig ist, nicht entgegen dem Berufungsgericht so zu verstehen ist, daß der gesamte Produktionskostenbeitrag erst bei Ablieferung des Materials zu zahlen sei. Jedenfalls hat das Berufungsgericht verkannt, daß der Rohschnitt lediglich vorgelegt, nicht aber abgenommen wurde. Voraussetzung einer Pflicht zur Zahlung der fünften Rate war jedoch ausweislich des klaren Wortlauts der getroffenen Vereinbarung eine Abnahme (Nr. 4.2.1 des Vertrages), also eine Billigung des Rohschnitts als im wesentlichen vertragsgemäß. Dies hat die Klägerin aber bestritten.

b) Das Berufungsgericht hat zudem ausgeführt, durch die Verarbeitung des von der Klägerin gelieferten Negativmaterials sei die Beklagte Eigentüme-
rin desselben geworden, eine danach erfolgte Eigentumsübertragung auf die Klägerin sei nicht erfolgt. Diese Darlegungen des Berufungsgerichts sind bereits deshalb fehlerhaft, weil man Nr. 5.1 des Vertrages im Sinne einer Verarbeitungsklausel (Staudinger/Wiegand, BGB 13. Aufl. § 950 Rdn. 19, 23) so ausle-
gen kann und muß, daß die Klägerin gerade nach der Verarbeitung des Negativs Eigentümerin sein sollte. Ein "Originalnegativ", von dem die Klausel ausdrücklich spricht, war nämlich erst nach der Verarbeitung vorhanden.

Röhricht Hesselberger Henze
Kraemer Münke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 96/06
Verkündet am:
17. Juli 2008
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Übereignung einer Sachgesamtheit durch Besitzkonstitut ist die Bezugnahme
auf ein Inventarverzeichnis zur Konkretisierung der betroffenen Gegen-stände grundsätzlich
ausreichend. Das Inventarverzeichnis braucht mit der sonstigen Vertragsurkunde
nicht körperlich verbunden zu werden; es genügt, wenn die Parteien darauf
Bezug nehmen.
Begehrt der Sicherungsnehmer im Wege der Teilklage von dem Insolvenzverwalter
Auskehr des bei der Versteigerung des Sicherungsguts erzielten Verwertungserlöses
, hat er zur Substantiierung der Klageforderung die im Einzelnen veräußerten
Gegenstände und den darauf jeweils entfallenden Verwertungserlös zu bezeichnen.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 22. März 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 17. August 2005 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte ist Verwalter in dem am 1. Mai 2001 über das Vermögen der E. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren. Die Klägerin, eine Schwester des Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters der Schuldnerin, bestellte am 7. Dezember 2000 an einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück zu Gunsten der V. bank AG in H. (fortan: Bank) eine Grundschuld in Höhe von 1.000.000 DM (511.291,88 €). Mit Hilfe dieser Grundschuld wurden mehrere von der Bank der Schuldnerin gewährte Darlehen gesichert. Am gleichen Tag traf die Klägerin zur Sicherung ihrer eigenen Rückgriffsansprüche mit der Schuldnerin u.a. folgende Vereinbarung: "Zur Sicherung … übereignet der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer den gesamten Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätebestand sowie sonstiges Inventar gemäß Inventarverzeichnis des Sicherungsgebers".
2
Im März 2001 zahlte die Klägerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück 1.000.000 DM an die Bank. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens versteigerte der Beklagte im Juni 2001 das gesamte bewegliche Vermögen der Schuldnerin.
3
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten unter Berufung auf ein ihr zustehendes Absonderungsrecht Auskehrung des Versteigerungserlöses in Höhe eines Teilbetrages von 100.000 € nebst Zinsen. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage - abgesehen von einer Zinsforderung - stattgegeben. Mit der von dem erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision des Beklagten hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Oberlandesgericht Das hat ausgeführt, zur Identifizierung der sicherungsübereigneten Gegenstände genüge bei Sachgesamtheiten die Verwendung der so genannten "All-Formel", wenn sämtliche Gegenstände des Sicherungsgebers übereignet werden sollten. Da es sich vorliegend nicht um eine Teilmenge aus einer Sachgesamtheit handele, sei eine weitere Konkretisierung entbehrlich. Auch bedürfe es keines Rückgriffs auf außerhalb der Urkunde liegende Unterlagen, weil alle Sachen zur Sicherung übereignet worden seien. Es könne in Übereinstimmung mit der Auslegung des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass der Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätebestand sowie sonstiges Inventar nur gemäß einem Inventarverzeichnis der Schuldnerin habe übereignet werden sollen. Im Übrigen liege eine ergänzende Bezugnahme der Parteien auf das Inventarverzeichnis vor, welches entsprechend den Feststellungen des Landgerichts in der Finanzbuchhaltung der Schuldnerin geführt worden sei.

II.


6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die von der Klägerin erhobene Teilklage ist unzulässig, weil sie der notwendigen Substantiierung (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entbehrt.
7
1. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ergeben sich unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstandes und damit zusammenhängend auch bei der Bestimmung der materiellen Rechtskraft sowie der Verjährung. Fehlt es an der gebotenen Abgrenzung, ist die Klage unzulässig (BGHZ 124, 164, 166; BGH, Urt. v. 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347; v. 8. Dezember 1989 - V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069; v. 9. Oktober 2006 - II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, 80).
8
Die danach notwendige Konkretisierung hat die Klägerin versäumt, weil sie einen Teilbetrag von 100.000 € einer sich aus einer Vielzahl von Einzelforderungen zusammensetzenden Gesamtforderung von 511.291,88 € einklagt, aber offen lässt, welche der Einzelforderungen den Gegenstand der Teilklage bilden. Sie hat lediglich dargelegt, der bei Versteigerung des beweglichen Anlagevermögens der Schuldnerin erzielte Erlös übersteige die Gesamtforderung der Klägerin zuzüglich Nebenkosten. Daraus geht nicht hervor, in Bezug auf welche Gegenstände welcher Erlös ausgekehrt werden soll.
9
2. Die Aufteilung der Klagesumme auf einzelne Positionen wäre dann nicht erforderlich, wenn es sich hierbei nur um unselbständige Rechnungsposten handelte (BGH, Urt. v. 13. März 2003 - VII ZR 418/01, NJW-RR 2003, 1075, 1076; Urt. v. 24. Januar 2008 - VII ZR 43/07, NJW 2008, 1741, 1742 Rn. 5).
10
Die überwiegende Auffassung im Schrifttum sieht den Verwertungserlös als Surrogat des Absonderungsgutes an, an dem sich das Absonderungsrecht, solange der Erlös unterscheidbar vorhanden ist, fortsetzt (HKInsO /Landfermann, 4. Aufl. § 170 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Lwowski/Tetzlaff, 2. Aufl. § 170 Rn. 38; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 170 Rn. 9; vgl. aber auch MünchKomm-InsO/Ganter, aaO vor §§ 49-52 Rn. 67 a). Wird Sicherungsgut als Teil einer Sachgesamtheit für einen Gesamtpreis veräußert, bestimmt sich der darauf entfallende Verwertungserlös nach dem Anteil, den der Sicherungsgegenstand an der Sachgesamtheit ausmacht (HK-InsO/Landfermann, aaO § 170 Rn. 10; Kübler/Prütting/Kemper, InsO § 170 Rn. 3; Uhlenbruck, aaO § 170 Rn. 9). Soweit § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO davon abweichend als Spezialfall des Ersatzabsonderungsrechts interpretiert wird (Ganter/Bitter ZIP 2005, 93, 98), führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung, weil die Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten einer dinglichen Surrogation gleichkommt (vgl. Ganter /Bitter, aaO, S. 99 li. Sp. unten). Beziehen sich die Erlösanteile folglich auf bestimmte Gegenstände, bilden die damit korrespondierenden Zahlungsansprüche keine bloß unselbständigen Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs.
11
Die genaue Angabe der verwerteten Gegenstände und des darauf entfallenden Erlöses ist der Klägerin zumutbar; denn der Insolvenzverwalter hat über das Ergebnis seiner Verwertung Rechnung zu legen. Dazu gehören insbesondere Angaben, welche Sicherungsgegenstände im Einzelnen veräußert worden sind und zu welchem Preis (Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch 3. Aufl. § 90 Rn. 610 f). Zur Spezifizierung des Anspruchs müssen daher der Klageforderung der Erlös einzelner, vom Sicherungsübereignungsvertrag erfasster versteigerter Gegenstände gegenübergestellt werden.
12
3. Vor einer solchen Klarstellung hätte das Berufungsgericht ein Sachurteil nicht erlassen dürfen. Derartige Mängel sind in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu berücksichtigen, da sie sich auf die unverrückbaren Grundlagen des Verfahrens überhaupt beziehen und das Verfahren als Ganzes unzulässig machen. Der Mangel der notwendigen Bestimmtheit des Klagebegehrens ist deshalb auch ohne entsprechende Rüge in der Revisionsinstanz zu beachten (BGHZ 11, 192, 194; BGH, Urt. v. 8. Dezember 1989 aaO).

III.


13
Berufungsurteil Das ist daher im angefochtenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
14
Die wiedereröffnete mündliche Verhandlung gibt der Klägerin Gelegenheit , die Klageforderung in der gebotenen Weise zu konkretisieren. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht dann in die Prüfung einzutreten, ob der auf § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO gestützte Zahlungsanspruch der Klägerin begründet ist. An Hand der bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die zwischen der Klägerin und der Schuldnerin vereinbarte Sicherungsübereignung (§§ 929, 930 BGB) wirksam ist, ob insbesondere die zu übereignenden Gegenstände hinreichend konkretisiert sind und der Klägerin deswegen ein Absonderungsrecht zusteht. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
15
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Parteien hätten den Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätebestand sowie sonstiges Inventar nicht nur nach Maßgabe des Inventarverzeichnisses des Sicherungsgebers, sondern schlechthin übereignen wollen. Diese Auslegung löst sich von dem Wortlaut der Parteivereinbarung (vgl. BGHZ 124, 39, 44 f; BGH, Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 19/97, NJW 1998, 2966) und findet in den Feststellungen des Landgerichts, auf die sich das Berufungsgericht bezogen hat, keine Stütze. Der Erstrichter hat den Sicherungsübereignungsvertrag dahin verstanden, dass die Klägerin sämtliche Fahrzeuge, Maschinen, Geräte und sämtliches Inventar der Schuldnerin entsprechend dem Inhalt eines bei der Schuldnerin geführten Inventarverzeichnisses erwerben sollte. Das steht im Einklang mit dem Vortrag der Klägerin und des Beklagten in den Tatsacheninstanzen. Daraus ergibt sich, dass über das Inventarverzeichnis hinaus keine weiteren Gegenstände übereignet werden sollten.
16
2. Die Bezugnahme auf das im Vertrag genannte Inventarverzeichnis ist grundsätzlich geeignet, die von der Sicherungsübereignung betroffenen Gegenstände zu konkretisieren. Allerdings fehlt es an hinreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt dieses Verzeichnisses.
17
a) Die Einigung über eine Sicherungsübereignung genügt bei einer Bezugnahme auf ein Verzeichnis dem Bestimmtheitsgebot, wenn das Verzeichnis bei Abschluss der Vereinbarung tatsächlich vorgelegen hat und Bestandteil des Vertrages geworden ist (BGH, Urt. v. 20. Dezember 1978 - VIII ZR 288/77, WM 1979, 300, 301; Urt. v. 11. Mai 1995 - IX ZR 170/94, WM 1995, 1394, 1396; Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, aaO § 95 Rn. 40 a. E.; Soergel/ Henssler, BGB 13. Aufl. § 930 Rn 34). Die zur Sicherheit übereigneten Gegenstände müssen nicht notwendig in der über die Sicherungsübereignung aufgenommenen Vertragsurkunde selbst genügend bestimmt bezeichnet sein; denn Einigung und Übergabe können auch formlos erfolgen. Der Inhalt der schriftlichen Vereinbarung über die Sicherungsübereignung kann daher durch weitere mündliche Vereinbarungen und sogar stillschweigend ergänzt werden (BGH, Urt. v. 10. Oktober 1956 - IV ZR 71/56, WM 1956, 1467, 1468 f; v. 8. Februar 1961 - VIII ZR 20/60, WM 1961, 431, 433; Lwowski, Das Recht der Kreditsicherung 8. Aufl. Rn. 554 (S. 473). Entscheidend ist, dass sich die Vertragspartner bewusst und erkennbar - gegebenenfalls auch außerhalb des schriftlichen Sicherungsübereignungsvertrages - über Merkmale einigen, auf Grund deren die übereigneten Sachen eindeutig festzustellen sind (BGH, Urt. v. 21. November 1983 - VIII ZR 191/82, WM 1983, 1409, 1410 unter II 1 c cc).
18
Ein im Zeitpunkt der Sicherungsübereignung existierendes Verzeichnis, auf das in dem Vertrag Bezug genommen wird, ist keine außervertragliche Erkenntnisquelle. Die Liste braucht mit der sonstigen Vertragsurkunde nicht körperlich verbunden zu werden, wenn sich die Parteien nur über die Sicherungsübereignung der dort aufgeführten Sachen einig sind (Ganter in Schimansky/ Bunte/Lwowski, aaO § 95 Rn. 40). Da selbst mündliche und stillschweigende Ergänzungen die Bestimmtheit gewährleisten können, muss dies erst recht für mit der Urkunde nicht körperlich verbundene Listen gelten, auf die der Sicherungsübereignungsvertrag verweist, und über deren Einbeziehung zwischen den Parteien Einigkeit besteht. Folgerichtig hat es der Bundesgerichtshof für die Bestimmtheit ausreichen lassen, wenn der Sicherungsübereignungsvertrag auf Hefte über die Inventur verweist, welche zum Bestandteil des Vertrages erklärt worden waren (BGH, Urt. v. 20. Dezember 1978 aaO unter II 1).
19
Die b) Inventarliste muss ihrerseits die Gegenstände hinreichend bestimmt bezeichnen. Die Verweisung auf eine dem Vertrag als Anlage beigefügte Inventur, welche das Sicherungsgut lediglich nach Gewicht und Gattung ("Bleche" , "Formstahl", "Rohre") beschreibt und daneben nur die Angabe des Lagerhalters sowie einer Order-Nummer enthält, die ohne den Rückgriff auf Geschäftsbücher keinen Aussagegehalt besitzt, genügt nicht zur Spezifizierung (BGH, Urt. v. 18. April 1991 - IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2146 unter III. 1. a bb; Gehrlein MDR 2001, 911, 912).

20
c) Gemäß den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ist für die Vereinbarung vom 7. Dezember 2000 kein spezielles Inventarverzeichnis angefertigt und der Vertragsurkunde beigefügt worden. Danach haben die Parteien bei Vertragsschluss mit der Bezeichnung "Inventarverzeichnis des Sicherungsgebers" übereinstimmend in der Finanzbuchhaltung der Schuldnerin durch Anlegen besonderer Hefte geführte Listen gemeint. Durch die vertragliche Bezugnahme wird auch ein tatsächlich vorhandenes, in der Finanzbuchhaltung des Sicherungsgebers geführtes Verzeichnis Bestandteil der Einigung. Aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Annahme des Landgerichts, es sei „kein Problem“ gewesen, daraus den "Bestand an Fahrzeugen usw." zum 7. Dezember 2000 zu ermitteln, ergibt sich aber nicht, ob die betreffenden Listen das gesamte Sicherungsgut umfassen und den vorstehend unter b) genannten Anforderungen genügen. Das Berufungsge- richt hat schließlich nicht geklärt, ob diese Listen inhaltlich mit den von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 22. Februar 2005 vorgelegten Bestandsverzeichnissen übereinstimmten.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Fischer
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 17.08.2005 - 3 O 1024/04 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 22.03.2006 - 4 U 104/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 108/09 Verkündet am:
24. März 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
TÜV

a) Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren
aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet
und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es
die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen.

b) Hat der Kläger mehrere Klagegründe im Wege einer alternativen Klagehäufung
verfolgt, kann er die gebotene Bestimmung der Reihenfolge, in der er
die prozessualen Ansprüche geltend machen will, noch in der Berufungsoder
der Revisionsinstanz nachholen.

c) Nimmt der Kläger die Bestimmung erst in der Revisionsinstanz vor, kann
der auch im Prozessrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben den
Kläger in der Wahl der Reihenfolge in der Weise beschränken, dass er zunächst
die vom Berufungsgericht behandelten Streitgegenstände zur Entscheidung
des Revisionsgerichts stellen muss.
BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass die Klage wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig ist, wenn sie nicht nach Maßgabe der nachstehenden Ausführungen eine Reihenfolge bestimmt, in der die bislang alternativ geltend gemachten prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) verfolgt werden.

Gründe:


1
I. Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegen die Beklagten wegen der beanstandeten Benutzung der Bezeichnung TÜV aus den drei Klagemarken und ihrem Unternehmenskennzeichen hergeleitet und eine Verletzung dieser Kennzeichen durch eine identische Verwendung (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), durch Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG) und durch eine Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung ihrer bekannten Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG) geltend gemacht. Eine Reihenfolge, in der die Prüfung erfolgen soll, hat sie nicht bestimmt.
2
1. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren danach auf verschiedene Streitgegenstände gestützt.
3
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. - Reinigungsarbeiten). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. = WRP 2001, 804 - Telefonkarte; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rn. 60 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit; Urteil vom 20. September 2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Rn. 56 = WRP 2007, 1461 - Kinder II; zum Urheberrecht: BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 17 = WRP 2007, 996 - Staatsgeschenk ). Zu erwägen ist auch, ob mehrere Streitgegenstände trotz gleichen Klagebegehrens nicht auch bei einem einzelnen Kennzeichenrecht vorliegen können. Werden aus einem Schutzrecht sowohl Ansprüche wegen Verwechslungsschutzes nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG als auch wegen Bekanntheitsschutzes nach § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG geltend gemacht, könnte es sich um zwei Streitgegenstände handeln, weil zur Begründung der Ansprüche Lebenssachverhalte vorgetragen werden müssen, die sich grundlegend unterscheiden (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 698).
4
b) Im Streitfall liegen danach unterschiedliche Streitgegenstände jedenfalls insoweit vor, als die Klägerin aus vier Klagezeichen vorgeht. Darüber hinaus kommen möglicherweise auch insoweit verschiedene Streitgegenstände in Betracht, als die Klägerin einerseits Ansprüche wegen Verwechslungsgefahr der Kollisionszeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG) und andererseits wegen einer Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung bekannter Kennzeichen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3 MarkenG) verfolgt. Dass im Verhältnis zum Verwechslungsschutz - wie die Anschlussrevision meint - die Geltendmachung identischer Verletzungen der Marken im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und die identische Benutzung des Unternehmenskennzeichens nach § 15 Abs. 2 Fall 1 MarkenG weitere Streitgegenstände darstellen, begegnet dagegen Bedenken und ist eher zu verneinen. Die Frage kann derzeit aber offenbleiben.
5
c) Der Senat geht davon aus, dass die verschiedenen Streitgegenstände von der Klägerin in den Vorinstanzen nicht kumulativ, sondern alternativ geltend gemacht worden sind. In der Revisionsinstanz kann die Klägerin nicht mehr von der alternativen zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04, BGHZ 170, 152 Rn. 30).
6
2. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der Kläger ein einheitliches Klagebegehren alternativ auf mehrere Streitgegenstände stützen und dem Gericht die Auswahl des Klagegrundes überlassen kann. Teilweise wird angenommen, die alternative Klagehäufung sei zulässig. Mehrere prozessuale Ansprüche sollen danach unter der auflösenden Bedingung geltend gemacht werden können, dass einem von ihnen stattgegeben wird (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2008, 55; OLG Köln, GRUR-RR 2010, 202; Köhler in Köhler/Bornkamm , UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 23a; Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 260 Rn. 15; Götz, GRUR 2008, 401, 407; Bergmann, GRUR 2009, 224, 225; v. UngernSternberg , GRUR 2009, 1009, 1012; Schwippert, Festschrift Loschelder, 2010, 345, 348 ff.). Nach dieser Ansicht muss das Gericht bei einer alternativen Klagehäufung über sämtliche Streitgegenstände entscheiden, wenn es die Klage ganz oder teilweise abweist. Dagegen kann es sich bei einer die Klage zusprechenden Entscheidung darauf beschränken, einen der Klagegründe, den es als durchgreifend erachtet, auszuwählen und die Entscheidung auf diesen Klage- grund zu stützen, der dementsprechend allein in Rechtskraft erwächst (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1279).
7
Nach anderer Ansicht soll die alternative Klagehäufung unzulässig sein (vgl. OLG München, OLG-Rep 2003, 37; OLG-Rep 2003, 179; OLG Hamm, Urteil vom 3. August 2009 - 8 U 237/07 Rn. 66, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 7 U 82/07 Rn. 13, juris; Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 7; Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozess, 1954, 90; Wieczorek /Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 260 Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Büscher aaO § 322 Rn. 139; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Einl. Rn. 74; Zöller/ Greger aaO § 260 Rn. 5; Berneke, WRP 2007, 579, 585 f.). Auch bei einem einheitlichen Rechtsschutzbegehren soll die alternativ auf verschiedene Klagegründe gestützte Klage nicht hinreichend bestimmt sein.
8
Der Senat hat zwar in der Vergangenheit die alternative Klagehäufung, bei der ein einheitliches Rechtsschutzbegehren auf verschiedene Klagegründe gestützt wird, nicht beanstandet (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urteil vom 5. November 2008 - I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 = WRP 2009, 831 - Stofffähnchen; GRUR 2010, 642 - WMMarken ). Er stimmt jedoch nunmehr der zuletzt genannten Ansicht zu.
9
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und werden die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) bestimmt. Dies erfordert auch der Schutz des Beklag- ten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können (vgl. BGHZ 154, 342, 349 - Reinigungsarbeiten). Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstands (BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 127/03, NJW-RR 2005, 216). Hierfür ist es entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Beklagten den Willen des Klägers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen, im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639, 640). Der Kläger muss aber die gebotene Bestimmung des Streitgegenstandes vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Dazu gehört bei mehreren Streitgegenständen auch die Benennung der Reihenfolge, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden. Der Bundesgerichtshof sieht es deshalb als unabdingbar an, dass bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige prozessuale Ansprüche geltend gemacht werden, genau anzugeben ist, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719; Urteil vom 17. Juli 2008 - IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142 Rn. 7). Der Kläger kann die Auswahl, über welche selbständigen Ansprüche bis zur Höhe der eingeklagten Forderung entschieden werden soll, nicht dem Gericht überlassen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, NJW 1984, 2346, 2347).
10
Nichts anderes hat bei der Verfolgung eines einheitlichen Klagebegehrens zu gelten, das aus mehreren Schutzrechten oder mehreren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen hergeleitet wird, sofern sie verschiedene prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) bilden und nicht kumulativ verfolgt werden. In einem solchen Fall muss der Kläger, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände geltend machen will. Für den Beklagten bleibt ansonsten bis zu einem Urteil bei einer alternativen Klagehäufung unklar, ob das Gericht die Verurteilung nur auf einen oder auf mehrere Streitgegenstände stützen wird. Die Frage, ob der Beklagte nur aufgrund eines Streitgegenstands oder aufgrund mehrerer Streitgegenstände verurteilt wird, ist für die Reichweite der Verurteilung aber von Bedeutung. Hat das Gericht etwa einen Verbotsausspruch auf mehrere Kennzeichenrechte der klagenden Partei gestützt - wie dies im Streitfall geschehen ist -, lässt das Erlöschen eines der Kennzeichenrechte den Verbotsausspruch unberührt. Dagegen kann der Beklagte mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen einen Unterlassungstitel vorgehen, wenn die Verurteilung nur auf ein Kennzeichenrecht gestützt und dieses erloschen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 47/07, GRUR 2010, 156 Rn. 28 f. = WRP 2010, 266 - EIFEL-ZEITUNG). Nichts anderes gilt, wenn das Klagebegehren auf das Verbot einer bestimmten Werbung gerichtet ist, die der Kläger alternativ unter mehreren Gesichtspunkten, die selbständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) darstellen, als unlauter beanstandet. Auch in einem solchen Fall entscheidet das Gericht mit der Auswahl des Streitgegenstands über die Reichweite des Verbots. Denn je nachdem, auf welchen Streitgegenstand das Gericht das Verbot der einheitlichen Werbung stützt, beurteilt sich, was der Beklagte an der beanstandeten Werbung ändern muss, um nicht gegen das ausgesprochene Verbot zu verstoßen. Mit dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist aber nicht zu vereinbaren, dass die Reichweite des Verbots der Wahl des Gerichts überlassen bleibt.
11
b) Für die Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung spricht auch der allgemeine Rechtsgedanke der "Waffengleichheit" der Parteien im Prozess. Die alternative Klagehäufung benachteiligt den Beklagten in seiner Rechtsverteidigung im Verhältnis zum Kläger. Der Beklagte muss sich, will er nicht verurteilt werden, gegen sämtliche vom Kläger im Wege der alternativen Klagehäufung verfolgten prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) zur Wehr setzen. Dagegen kann der Kläger sein Klagebegehren auf eine Vielzahl von prozessualen Ansprüchen stützen, ohne dass für ihn damit ein zusätzliches Prozesskostenrisiko verbunden ist. Der Beklagte hat auch dann die gesamten Prozesskosten zu tragen, wenn der Kläger im Rahmen des einheitlichen Klagebegehrens nur mit einem aus einer Vielzahl alternativ zur Entscheidung gestellter Streitgegenstände durchdringt. In der Praxis führt dies bei einem Vorgehen aus Schutzrechten und bei der Verfolgung von Ansprüchen aufgrund wettbewerbsrechtlicher Tatbestände wegen des fehlenden zusätzlichen Prozesskostenrisikos zu einer Häufung von Streitgegenständen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 183/07, GRUR 2010, 642 = WRP 2010, 764 - WM-Marken). Bestimmt der Kläger die Reihenfolge nicht, in der das Gericht die Prüfung der einzelnen Streitgegenstände vorzunehmen hat, erschließt sich dem Beklagten auch nicht ohne weiteres, gegen welchen aus einer Vielzahl von Streitgegenständen er seine Rechtsverteidigung in erster Linie richten muss.
12
c) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der V. Zivilsenat hat eine alternative Klagehäufung zwar bei einer Mehrheit von Klagegründen in einem Fall zugelassen, in dem der Kläger seine Ansprüche sowohl auf einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch als auch auf einen verschuldensabhängigen Deliktsanspruch gestützt hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374). In diesem Zusammenhang hat er maßgeblich darauf abgestellt, dass die Ansprüche nicht nur von den Voraussetzungen, sondern auch von den Folgen verschieden waren und der Kläger den Anspruch nur einmal geltend machen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1990 - V ZR 282/88, BGHZ 111, 158, 167; NJW-RR 1997, 1374). Davon kann aber bei den hier fraglichen Fällen der alternativen Klagehäufung keine Rede sein, die auf identische Folgen gerichtet sind und bei de- nen der Kläger die nicht beschiedenen Streitgegenstände in einem weiteren Prozess aufgreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - I ZR 272/02, BGHZ 166, 253 Rn. 23 - Markenparfümverkäufe).
13
3. Da der Senat die alternative Klagehäufung in der Vergangenheit nicht beanstandet hat, müssen die Parteien Gelegenheit haben, zur Frage der Zulässigkeit der alternativen Klagehäufung Stellung zu nehmen (§ 139 ZPO). Die Klägerin muss zudem die Möglichkeit erhalten anzugeben, in welcher Reihenfolge sie ihr Klagebegehren im Hinblick auf die verschiedenen Streitgegenstände stützt. Eine entsprechende Klarstellung wäre bereits in der Klage geboten gewesen. Sie kann aber noch im Laufe des Verfahrens, und zwar auch noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192, 195; Urteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 137/58, ZZP 78 (1960) 463, 465). Die klagende Partei ist grundsätzlich in der Bestimmung der Reihenfolge frei, in der sie die unterschiedlichen Streitgegenstände zur Überprüfung stellt. Eine Einschränkung in der Wahl der Reihenfolge kann sich aber in der Revisionsinstanz nach dem auch im Verfahrensrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben ergeben (vgl. BVerfGE 104, 220, 232; BGH, Beschluss vom 25. März 1965 - V BLw 25/64, BGHZ 43, 289, 292; Urteil vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 105/90, BGHZ 112, 345, 349). Die Klägerseite kann danach daran gehindert sein, in der Revisionsinstanz ihre Ansprüche in erster Linie auf einen Streitgegenstand zu stützen, den das Berufungsgericht bei der bislang unbeanstandet gebliebenen alternativen Klagehäufung seiner Verurteilung nicht zugrunde gelegt hat. Denn wählt die Klagepartei in der Revisionsinstanz vorrangig einen Streitgegenstand aus, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, weil die Partei dem Berufungsgericht die Auswahl zwischen den Streitgegenständen überlassen hatte, macht dies eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erforderlich, die vermieden werden kann, wenn die Klägerseite das Klagebegehren vorrangig aus einem Streitgegenstand herleitet, den das Berufungsgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat.
14
Nachdem das Berufungsgericht sich nur mit Ansprüchen aufgrund des Bekanntheitsschutzes der deutschen Marken Nr. 1005648 und Nr. 30412680.2 und des Unternehmenskennzeichens der Klägerin befasst, nur hierzu Feststellungen getroffen und die Verurteilung der Beklagten nur hierauf gestützt hat, wird es unter diesen Umständen naheliegen, dass die Klägerin diese Streitgegenstände - gestaffelt - in erster Linie zur Beurteilung durch das Revisionsgericht stellt.
15
II. Zur Stellungnahme - auch zur Frage, ob der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden kann - wird eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses bestimmt.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.03.2008 - 37 O 51/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2009 - I-20 U 87/08 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Durch den Stückgutfrachtvertrag wird der Verfrachter verpflichtet, das Gut mit einem Schiff über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort dem Empfänger abzuliefern.

(2) Der Befrachter wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen.

(3) Die Vorschriften dieses Titels gelten, wenn die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört. Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unternehmens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Stückgutfrachtvertrags auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die §§ 348 bis 350.

Der Befrachter hat das Gut, soweit dessen Natur unter Berücksichtigung der vereinbarten Beförderung eine Verpackung erfordert, so zu verpacken, dass es vor Verlust und Beschädigung geschützt ist und dass auch dem Verfrachter keine Schäden entstehen. Soll das Gut in einem Container, auf einer Palette oder in oder auf einem sonstigen Lademittel zur Beförderung übergeben werden, das zur Zusammenfassung von Frachtstücken verwendet wird, hat der Befrachter das Gut auch in oder auf dem Lademittel beförderungssicher zu stauen und zu sichern. Der Befrachter hat das Gut ferner, soweit dessen vertragsgemäße Behandlung dies erfordert, zu kennzeichnen.

Der Verfrachter hat dafür zu sorgen, dass das Schiff in seetüchtigem Stand, gehörig eingerichtet, ausgerüstet, bemannt und mit genügenden Vorräten versehen ist (Seetüchtigkeit) sowie dass sich die Laderäume einschließlich der Kühl- und Gefrierräume sowie alle anderen Teile des Schiffs, in oder auf denen Güter verladen werden, in dem für die Aufnahme, Beförderung und Erhaltung der Güter erforderlichen Zustand befinden (Ladungstüchtigkeit).

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet ist und daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Er hat insbesondere die Vorsichtsmaßregeln zu beachten, die Seemannsbrauch oder besondere Umstände des Falles erfordern.

(2) Zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr müssen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände auch dann alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, wenn diese ein Abweichen von den Vorschriften dieser Verordnung notwendig machen.

(3) Wer infolge körperlicher oder geistiger Mängel oder des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel in der sicheren Führung eines Fahrzeuges oder in der sicheren Ausübung einer anderen Tätigkeit des Brücken-, Decks- oder Maschinendienstes behindert ist, darf ein Fahrzeug nicht führen oder als Mitglied der Schiffsbesatzung eine andere Tätigkeit des Brücken-, Decks- oder Maschinendienstes nicht ausüben.

(4) Wer 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt, darf ein Fahrzeug nicht führen oder als Mitglied der Schiffsbesatzung eine andere Tätigkeit des Brücken-, Decks- oder Maschinendienstes nicht ausüben.

(5) Der Schiffsführer eines Fahrgastschiffs oder eines Fahrbeschränkungen und Fahrverboten nach § 30 Abs. 1 der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung unterliegenden Fahrzeuges darf in der Dienstzeit während der Fahrt alkoholische Getränke nicht zu sich nehmen oder bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung solcher Getränke stehen. In Ruhezeiten und sonstigen Erholungszeiten an Bord darf der Schiffsführer alkoholische Getränke zu sich nehmen, wenn sichergestellt ist, dass er bei der Übernahme sicherheitsrelevanter Aufgaben nicht mehr unter der Wirkung solcher Getränke steht. Satz 1 gilt für die im Brückendienst eingesetzten Mitglieder der Schiffsbesatzung entsprechend.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 177/10 Verkündet am:
13. Dezember 2011
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht
anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden
Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen
nicht aufklärbar ist.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 14. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter
Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juni 2010 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 30. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um den Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens aus einem Auffahrunfall auf der linken Spur einer Autobahn. Der Kläger ist Eigentümer eines PKW Daimler-Benz, der zum Unfallzeitpunkt von der Drittwiderbeklagten zu 2 gefahren wurde und bei der Drittwiderbeklagten zu 3 haftpflichtversichert ist. Der Beklagte zu 1 war zum Unfallzeitpunkt Halter und Fahrer eines PKW Porsche 911 Carrera Cabrio, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist.
2
Am 25. Mai 2007 fuhr der PKW Porsche auf der BAB 6 auf der linken Spur auf den PKW Daimler-Benz auf, der einen LKW überholen wollte. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten haben vorgetragen, dass sich der PKW Porsche mit überhöhter Geschwindigkeit genähert habe und der mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 110 km/h fahrende PKW Daimler-Benz sich bereits 100 bis 150 m vor Erreichen des LKWs vollständig auf der linken Spur eingeordnet habe. Die Kollision habe stattgefunden, als sich der PKW Daimler-Benz auf gleicher Höhe mit dem LKW befunden habe. Nach der Darstellung der Beklagten hat der PKW Daimler-Benz, als der LKW noch mindestens 500 m von diesem entfernt gewesen sei, kurz bevor der PKW Porsche den PKW DaimlerBenz habe passieren können, völlig unerwartet und ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen auf die linke Spur gezogen.
3
Das Landgericht ist von einem Haftungsanteil der beiden Unfallbeteiligten von jeweils 50 % ausgegangen und hat den jeweils geltend gemachten Schaden insoweit in einer in den Rechtsmittelverfahren nicht mehr angegriffenen Schadenshöhe für erstattbar gehalten. Auf die nur vom Kläger eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht dem Kläger Schadensersatz zu 100 % zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragen die Beklagten, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat gemäß den Feststellungen des Landgerichts den Unfallverlauf als nicht im Einzelnen aufklärbar angesehen. Das Gericht habe sich weder davon überzeugen können, dass der Unfall durch einen der beiden Fahrer verschuldet noch für eine der beiden Seiten ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Aus den Angaben des Sachverständigen ergebe sich nur, dass der Porsche nahezu geradlinig mit paralleler Längsachse auf das Heck des Daimler-Benz aufgeprallt und der Ausschervorgang mindestens beim Kollisionsphasenbeginn vollständig abgeschlossen gewesen sei. Die Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz habe zwischen 20 bis 30 km/h gelegen. Mangels objektiver Spuren ließen sich weder die Ausgangsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge rekonstruieren noch die zeitliche Abfolge zwischen Ausscheren und Auffahren.
5
Bei dem hier vorliegenden unmittelbar vor dem Aufprall abgeschlossenen Spurwechsel liege eine Typizität der Auffahrsituation vor, die die Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden - auch hinsichtlich des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses für den Vorausfahrenden - rechtfertige.

II.

6
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Grundsätze des Anscheinsbeweises im Streitfall nicht zu Lasten der Beklagten anwendbar.
7
1. Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt auch bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (vgl. Senatsurteile vom 24. März 1959 - VI ZR 82/58, VersR 1959, 518, 519; vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, VersR 1986, 343, 344; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, VersR 1996, 772; vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05, VersR 2007, 557 Rn. 5; vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, VersR 2011, 234 Rn. 7). Demnach kann bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, aaO mwN). Es reicht allerdings allein das "Kerngeschehen" - hier: Auffahrunfall - als solches dann als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer , zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den ge- troffenen Feststellungen ergeben (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, aaO; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, aaO).
8
2. Infolgedessen ist es bei Auffahrunfällen wie dem vorliegenden (Auffahren auf der linken Spur einer Autobahn in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden) umstritten, ob es sich um eine typische Auffahrsituation mit der Folge eines Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden handelt oder nicht.
9
a) Das Berufungsgericht und ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten die Auffassung, dass nur die seitens des Auffahrenden bewiesene ernsthafte Möglichkeit, dass das vorausfahrende Fahrzeug in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Auffahrunfall in die Fahrbahn des Auffahrenden gewechselt sei, den grundsätzlich gegebenen Anscheinsbeweis erschüttern könne (vgl. etwa OLG Köln, r+s 2005, 127; OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2005, 813, 814 und 2009, 636, 638; OLG Zweibrücken, SP 2009, 175 f.; KG, NJW-RR 2011, 28). Zeige das Unfallgeschehen das typische Gepräge eines Auffahrunfalls, so könne sich der Unfallgegner nicht mit der bloßen Behauptung der lediglich theoretischen Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entlasten mit der Folge, dass es Sache des Vorausfahrenden sei, den theoretisch in Betracht kommenden Unfallverlauf im Sinne einer beweisrechtlichen "Vorleistung" auszuschließen (vgl. OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2005, 813, 814; KG, NZV 2009, 458, 459). Vielmehr müssten sich aus den unstreitigen oder bewiesenen Umständen zumindest konkrete Anhaltspunkte und Indizien für den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Fahrspurwechsel und dem Auffahrunfall ergeben, um den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern (vgl. OLG Köln, aaO). Auch nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung greift der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nur dann nicht zu Lasten des Auffahrenden ein, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen feststeht oder unstreitig ist, dass der Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall erfolgt ist (vgl. Burmann in Burmann /Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 4 StVO Rn. 24; Buschbell/Buschbell, Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl., § 23 Rn. 284; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 StVO Rn. 35 f.; Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 27 Rn. 149).
10
b) Ein anderer Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung verneint bei Auffahrunfällen auf der Autobahn bereits einen Anscheinsbeweis für das Verschulden des Auffahrenden und nimmt - in der Regel - eine hälftige Schadensteilung an, wenn vor dem Auffahren ein Fahrspurwechsel stattgefunden hat, aber streitig und nicht aufklärbar ist, ob die Fahrspur unmittelbar vor dem Anstoß gewechselt worden ist und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Zusammenstoß mit einem vorausfahrenden Fahrzeug nur dann das typische Gepräge eines Auffahrunfalls trage, der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf zu schnelles Fahren , mangelnde Aufmerksamkeit und/oder einen unzureichenden Sicherheitsabstand des Hintermannes zulasse, wenn feststehe, dass beide Fahrzeuge so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können und es dem Auffahrenden möglich gewesen sei, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen bzw. einzuhalten (vgl. etwa OLG Schleswig, NZV 1993, 152, 153; OLG Naumburg, NJW-RR 2003, 809, 810; OLG Hamm, OLGR Hamm 2004, 82, 83; KG, DAR 2005, 157; KG, NZV 2006, 374, 375; KG, NZV 2008, 198, 199; OLG München, Urteil vom 4. September 2009 - 10 U 3291/09, juris, Rn. 21; OLG Düsseldorf, VersR 2010, 1236, 1237; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. April 2010 - 3 U 3/10, juris Rn. 14; AG Hamburg, Urteil vom 30. Oktober 2006 - 644 C 249/06, juris Rn. 30 ff.).
11
3. a) Bei der Anwendung des Anscheinsbeweises ist nach Auffassung des erkennenden Senats grundsätzlich Zurückhaltung geboten, weil er es erlaubt , bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden festgestellt ist (vgl. Lepa, NZV 1992, 129, 130; Saenger/Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 39; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 29). Deswegen kann er nach den oben unter 1. dargelegten Grundsätzen nur Anwendung finden, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, aaO; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, aaO). Eine solche Typizität liegt bei dem hier zu beurteilenden Geschehensablauf regelmäßig nicht vor, wenn zwar feststeht, dass vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist und - wie hier - nach den Feststellungen des Sachverständigen sowohl die Möglichkeit besteht, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO den Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, als auch die Möglichkeit, dass der Auffahrunfall auf eine verspätete Reaktion des auffahrenden Fahrers zurückzuführen ist. Beide Varianten kommen wegen der bekannten Fahrweise auf den Autobahnen als mögliche Geschehensabläufe in Betracht, zumal es nach der Lebenserfahrung nicht fernliegend ist, dass es auf Autobahnen zu gefährlichen Spurwechseln kommt, bei denen die Geschwindigkeit des folgenden Fahrzeugs unterschätzt wird. Infolgedessen kann regelmäßig keine der beiden Varianten alleine als der typische Geschehensablauf angesehen werden, der zur Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten eines der Beteiligten führt.
12
b) Im Streitfall liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden rechtfertigten. Der Sachverständige hat die verschiedenen Möglichkeiten berücksichtigt und ist insbesondere auch bei Zugrundelegung dessen, dass der Porsche nahezu geradlinig mit paralleler Längsachse auf das vorausfahrende Fahrzeug aufprallte, bei Zugrundelegung der Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz von mindestens 20 km/h bis maximal 30 km/h beim Kollisionsphasenbeginn sowie der unterschiedlichen Darlegungen der Parteien zum Geschehensablauf zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Sachverhalt nicht weiter aufklären lässt und beide Möglichkeiten des Geschehensablaufs in Betracht kommen. Unter diesen Umständen hat das Landgericht anders als das Berufungsgericht zu Recht einen Anscheinsbeweis sowohl zu Lasten des Klägers als auch der Beklagten verneint. In solchen Fällen ist nicht von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Auffahrende den Unfall infolge zu hoher Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit und/oder unzureichendem Sicherheitsabstand verschuldet hat. Ebenso nahe liegt der Schluss, dass der auf die linke Spur gewechselte Fahrzeugführer gegen die hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hat und sich der auffahrende Fahrzeugführer nicht mehr auf die vorangegangene Fahrbewegung hat einstellen und den Sicherheitsabstand einhalten können.
13
4. Nach allem hat das Landgericht zu Recht sowohl einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers als auch zu Lasten der Beklagten verneint. Auf der Grundlage der Nichterweislichkeit des genauen Unfallhergangs ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine hälftige Schadensteilung vorgenommen hat. Das Berufungsurteil ist mithin aufzu- heben und die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen, weil die Sache endentscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
14
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Ansbach, Entscheidung vom 30.10.2009 - 3 O 10/08 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 18.06.2010 - 5 U 2335/09 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 112/05
vom
11. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 11. Juli 2007

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird seine Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 31. März 2005 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 102.258,38 €

Gründe:


1
I. 1. Die Klägerin verlangt vom Beklagten nach Kündigung mehrerer verzinslicher Darlehen deren Rückzahlung. Die Parteien streiten darüber , ob die Darlehen dem Beklagten persönlich - in seiner Eigenschaft als Einzelkaufmann in Firma "H. K. S. " - oder einer 1997 gegründeten gleichnamigen Kommanditgesellschaft gewährt wur- den bzw. auf diese übergegangen sind. Die Klägerin gewährte dem Beklagten zunächst am 16. Juni 1980 ein Darlehen in Höhe von 100.000 DM und 1995 ein weiteres in Höhe von 55.000 DM. 1998 oder 1999 wurde ein undatierter "Darlehensvertrag" über 150.000 DM geschlossen , der "an die Stelle des Darlehensvertrages vom 16.06.1980" treten sollte. Die Urkunde weist für den Darlehensnehmer einen Stempelaufdruck der Firma des Beklagten ohne den Zusatz "KG" auf und ist von dem Zeugen Kö. mit dem Zusatz "ppa" unterschrieben.
2
2. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel des Beklagten gegen seine antragsgemäße Verurteilung durch das Landgericht zurückgewiesen. Der Beklagte sei aus den Darlehensverbindlichkeiten mit Ausnahme eines unstreitigen Abzugsbetrags in Höhe von 5.000 DM weder durch Vereinbarung der Parteien noch anlässlich der Gründung der KG entlassen worden. Die bis 1996 gewährten Darlehen über 155.000 DM, so das Berufungsgericht, hätten nur dem Beklagten persönlich gewährt werden können, da die KG damals noch nicht existiert habe. Ob die Beträge für den Beklagten privat oder den Betrieb seiner Spedition bestimmt gewesen seien, könne dahinstehen, da auch in diesem Fall der Beklagte als Einzelkaufmann hierfür persönlich hafte. Der Vertrag von 1998/1999 über die Summe von 150.000 DM verdeutliche die Schuldnerstellung des Beklagten , indem dieser Vertrag nicht auf die KG, sondern die Einzelfirma des Beklagten laute. Der Unterschriftszusatz "ppa" schade insoweit nicht. Der Beklagte müsse sich mangels Zusatzes der neuen Firma daran festhalten lassen, persönlich mit seinem Vermögen mitzuhaften. Die Grundsätze des unternehmensbezogenen Geschäfts griffen nicht, da sie nur eine Auslegungsregel darstellten, hier der Beklagte als Schuldner aber eindeutig benannt sei. Ein eventuell entgegenstehender Verpflichtungswille sei nach § 164 Abs. 2 BGB unbeachtlich; für eine befreiende Schuldübernahme durch die KG fehle es an einem substantiierten Vortrag.
3
Entscheidung Die des Berufungsgerichts verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Grundrecht des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und führt deshalb zur Aufhebung des Berufungsurteils nach § 544 Abs. 7 ZPO.
4
II. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerfG NJW 2000, 131) und erhebliche Beweisantritte zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2005, 1487 und NJW 1991, 285, 286). Die Nichtberücksichtigung eines entscheidungserheblichen Beweisangebotes verletzt den Anspruch der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
5
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Beweisangebot des Beklagten dafür, dass die Darlehensvereinbarungen seit 1998 zwischen der KG und der Klägerin geschlossen worden seien, die Darlehensvaluta von der KG empfangen und im Einvernehmen mit der Klägerin in den Büchern der KG geführt worden sei, habe nicht nachgegangen werden müssen. Beim Zustandekommen eines Vertrages handele es sich um eine rechtliche Bewertung, die dem Beweis nicht zugänglich sei. Zum anderen fehle der Behauptung des Einvernehmens mit der Klägerin eine hinreichende Tatsachengrundlage, da sich der Beklagte für keinen der Verträge auf eine bestimmte Begebenheit bezogen oder einen konkreten Anlass geschildert habe, aus dessen Umständen sich ergeben könnte, dass die KG entweder schon ursprünglich anstelle des Beklagten Schuldnerin der Darlehensverbindlichkeiten werden sollte oder dass die Klägerin im Nachhinein auf die Verpflichtung des Beklagten verzichtet hätte.
6
Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Beklagten überspannt. Eine Partei genügt dieser Pflicht, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien besteht. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters , bei der Beweisaufnahme die Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach allen Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BGH, Urteile vom 13. Juli 1998 - II ZR 131/97 - VersR 1999, 1120 unter I und vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03 - BGH-Report 2005, 1589 unter II 2 b; Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02 - NJW 2005, 2710 unter II 2 a). Gemessen daran war der Beweisantrag des Beklagten hinreichend substantiiert. Ob schon der von seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellte Antrag, durch Einvernahme der Zeugen Kö. und F. über die Behauptung Beweis zu erheben, "dass die KG Darlehensnehmerin ist", hinreichend bestimmt war, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls der im Schriftsatz vom 16. Juni 2004 erneut gestellte und inhaltlich präzisierte Antrag ent- hält hinreichend substantiierten Tatsachenvortrag. Das Beweisangebot ergibt, dass es dem Beklagten auf den Beweis von Tatsachen ankam. Da der Vertrag von 1998/1999 "ppa" unterschrieben wurde, ergibt sich daraus , dass der als Zeuge benannte Prokurist Angaben zur Person des von ihm Vertretenen würde machen können.
7
Damit hat das Berufungsgericht bei der Auslegung der maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen die Vernehmung eines auch aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Zeugen mit unzutreffender prozessualer Begründung abgelehnt.
8
2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
9
Das Berufungsgericht wird nach Beweisaufnahme die vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere den Vertrag von 1998/1999, erneut auslegen und dabei je nach deren Ergebnis gegebenenfalls auch eine befreiende Schuldübernahme durch die KG erwägen müssen. Hinsichtlich des Vertrages vom 16. März 1999 fehlen ferner bislang Feststellungen dazu, ob die Originalurkunde mit dem Zusatz "KG" unterschrieben wurde oder nicht. Insoweit obliegt der Klägerin der volle Beweis dafür, einen Vertrag ohne diesen gesellschaftsrechtlichen Zusatz abgeschlossen zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1992 - XI ZR 71/91 - NJW 1992, 829 unter III 2).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.09.2004 - 327 O 74/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 31.03.2005 - 11 U 221/04 -

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.