Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 30. Juni 2017 - 4 UF 64/17

ECLI:ECLI:DE:OLGNAUM:2017:0630.4UF64.17.00
bei uns veröffentlicht am30.06.2017

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Halberstadt vom 02. Juni 2017, Az.: 8 F 158/17 EAHK, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des am 25. Februar 2011 geborenen Kindes L. A. , dessen Herausgabe der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend macht. Das Kind lebt seit der Trennung der Eltern im Februar 2015 im Haushalt der Mutter. Die am 08. August 2011 geschlossene Ehe der Eltern ist inzwischen geschieden.

2

Die Eltern haben am 25. Januar 2016 eine schriftliche Vereinbarung getroffen, wonach L. im Haushalt der Mutter verbleibt unter der Bedingung, dass dem Vater angemessener Umgang gewährt wird.

3

Zwischen den Eltern sind die Ausübung der elterlichen Sorge und das Umgangsrecht seit längerem streitig. Diesbezüglich waren und sind beim Familiengericht Halberstadt mehrere Verfahren anhängig, u. a. das Verfahren mit dem Az. 8 F 943/15 SO, in welchem die Eltern insbesondere über die Frage streiten, wer das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L. künftig ausüben darf. In diesem Verfahren hat das Familiengericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet.

4

Nachdem der Antragsteller bereits mit Antrag vom 06. März 2016 in dem Verfahren 8 F 147/16 EAHK die einstweilige Herausgabe des Kindes begehrt hatte, den der Senat mit am 14. Dezember 2016 erlassenen Beschluss, Az.: 4 F 51/16 (EAO), zurückgewiesen hat, hat er am 10. April 2017 erneut im Wege der einstweiligen Anordnung die Kindesherausgabe beantragt. Er hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin seit Monaten die gerichtlich geregelten Umgangskontakte verweigere und das Kind manipuliere, was zu einer Entfremdung des Kindes von seinen engsten Bezugspersonen, nämlich seinem Vater und ihren Geschwistern, führe.

5

Mit Beschluss vom 11. April 2017 (Bl. 31-34 d. A.) hat das Familiengericht den Antrag ohne mündliche Erörterung zurückgewiesen. Auf Antrag des Kindsvaters vom 15. April 2017 (Bl. 37 d. A.) hat es am 29. Mai 2017 mündlich verhandelt und die Eltern sowie den Vertreter des Jugendamtes angehört (Bl. 75/76 d. A.).

6

Mit Beschluss vom 02. Juni 2017 (Bl. 86-88 d. A.) hat das Familiengericht den Beschluss vom 11. April 2017 aufrechterhalten. Grundsätzlich bestehe gem. § 1632 Abs. 1 BGB bei gemeinsamer elterlicher Sorge ein Herausgabeanspruch gegen den anderen Elternteil nur im Falle eines widerrechtlichen Vorenthaltens, welcher nicht vorliege. Der Umstand, dass in der Vergangenheit kein Umgang, gleichwohl aus welchen Gründen, stattgefunden habe, rechtfertige die Herausgabe nicht. Die Antragsgegnerin gewähre dem Antragsteller - nach Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen sie - wieder Umgang mit dem Kind. Im Übrigen habe bei Verweigerung des Umgangs die ggf. zwangsweise Vollstreckung des gerichtlichen Umgangstitels Vorrang vor einer Herausgabeanordnung. Erst wenn deren Erfolglosigkeit feststehe, sei ein Herausgabeanspruch ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

7

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerdeschriften des Antragstellers vom 09. und 12. Juni 2017, welcher seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft und darüber hinaus rügt, dass das Familiengericht verfahrensfehlerhaft dem Kind keinen Verfahrensbeistand bestellt und es auch nicht angehört habe.

II.

8

Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 58 ff. FamFG zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat das Herausgabeverlangen des Antragstellers gem. § 1632 Abs. 1 BGB im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

9

1. Die Vorschrift des § 1632 BGB räumt den Eltern, die als Inhaber der Personensorge die Pflicht und das Recht haben, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, einen Herausgabeanspruch ein, wenn ihnen das Kind widerrechtlich vorenthalten wird. Der Anspruch kann sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber dem anderen Elternteil geltend gemacht werden. Anders als das gegen Dritte gerichtete Herausgabeverlangen ist der Elternstreit um die Herausgabe jedoch strukturell stets ein Konflikt um einen Bestandteil der elterlichen Sorge zwischen aktuell oder zumindest potentiell (z. B. §§ 1680, 1681, 1626a Abs. 1 und 2, 1671 BGB) gleichermaßen Berechtigten (Huber, MK-BGB, 7. Aufl., § 1632, Rn 24). Daraus folgt, dass bei gemeinsamer Ausübung der elterlichen Sorge gem. § 1671 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz BGB, die auch die Aufenthaltsbestimmung umfasst, der eine Elternteil keinen Herausgabeanspruch gegenüber dem anderen hat (Staudinger/Salgo, BGB, 2015, § 1632, Rn 10; Erman/Döll, BGB, 14. Aufl., § 1632, Rn 9; Prütting/Wegen/Weinreich/Ziegler, BGB, 11. Aufl., § 1632, Rn 1; OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 369), denn der das Kind vorenthaltende Elternteil handelt nicht "widerrechtlich" im Sinne von § 1632 Abs. 1 BGB. Der Grund dafür liegt darin, dass bei gemeinsamem Aufenthaltsbestimmungsrecht auch das einseitige Rückführungsverlangen gegen den Grundsatz der gemeinsamen Ausübung verstoßen würde. Es entsteht also eine "widerrechtliche Patt-Situation", die grundsätzlich nur durch eine Sorgerechtsentscheidung gelöst werden kann (Huber, MK-BGB, a.a.O. , Rn 25).

10

An diesen Maßstäben gemessen steht dem Antragsteller ein Herausgabeanspruch gegenüber der Antragsgegnerin nicht zu, denn er übt die elterliche Sorge für das minderjährige Kind gemeinsam mit der Antraggegnerin aus und kann deshalb nicht die Herausgabe des Kindes von der Antragsgegnerin verlangen.

11

2. Auch eine Auslegung des Antrages des Antragstellers dahingehend, dass auch die einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts begehrt wird, wofür nicht nur spricht, dass der Streit um die Herausgabe - wie bereits ausgeführt - strukturell stets ein Konflikt um die elterliche Sorge ist, sondern auch, dass der Antragsteller zur Begründung seines Herausgabeverlangens eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge und daraus resultierende Gefährdung des Kindeswohls geltend macht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 49 Abs. 1 FamFG liegen nicht vor.

12

Einstweilige Anordnungen können gemäß § 49 FamFG ergehen, wenn sie nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges gerichtliches Einschreiten besteht. Das dringende Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten setzt voraus, dass ein Abwarten bis zur Beendigung der notwendigen Ermittlungen und damit bis zur endgültigen Entscheidung nicht möglich erscheint, weil diese Entscheidung zu spät kommen könnte und die Interessen des Kindes nicht mehr genügend wahren würde (Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl., § 49, Rn 13 m. w. N.). Davon kann vorliegend gegenwärtig nicht ausgegangen werden.

13

Der Aufenthalt des Kindes im Haushalt der Antragsgegnerin, wo das Kind seit der Trennung der Eltern im Februar 2015 durchgängig lebt, beeinträchtigt sein Wohl auch unter Berücksichtigung der sich in den zurückliegenden Monaten ergebenen Einschränkungen beim Umgang sowie der vom Vater behaupteten Instrumentalisierung des Kindes im Elternstreit durch die Antragsgegnerin nicht derartig nachhaltig, dass eine einstweilige Sorgerechtsregelung zugunsten des Antragstellers zu erlassen wäre. Das Kind erfährt bei der Mutter die notwendige Kontinuität im Lebensfeld. Die vom Antragsteller ins Feld geführten Probleme bei der Umsetzung des Umgangs begründen ein derartiges Eilbedürfnis nicht. Das Umgangsrecht des Antragstellers ist gerichtlich tituliert und kann durch Ordnungsmittel gem. § 89 FamFG durchgesetzt werden. Derartige Maßnahmen sind vom Antragsteller auch bereits ergriffen worden. Auf seine Anträge hin hat das Familiengericht Ordnungsgelder gegen die Antragsgegnerin festgesetzt; dagegen gerichtete Beschwerden der Antragsgegnerin hat der Senat zurückgewiesen. Darauf hat die Antragsgegnerin zwar ihre grundsätzliche Sicht der Dinge, dass der Umgang dem Kind schade, nicht geändert, jedoch Umgang mit dem Antragsteller zugelassen, so dass auch Umgangskontakte wieder stattfanden. Alles Übrige, auch die vom Antragsteller behauptete Instrumentalisierung des Kindes durch die Mutter, verlangt weitere Aufklärung im Rahmen des beim Familiengericht anhängigen Hauptsacheverfahrens zur elterlichen Sorge, Az. 8 F 943/15 SO, was dem Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegensteht.

14

3. Sofern der Vorwurf des Antragstellers zutreffen sollte, dass das Familiengericht dieses Verfahren nicht ausreichend fördert, dürften sachdienliche verfahrensfördernde Maßnahmen, insbesondere im Rahmen des angeordneten Sachverständigenbeweises zu ergreifen sein, denn zwischen den Eltern besteht ein nachhaltiger und tiefgreifender Elternkonflikt, in dem L. zunehmend zerrissen wird, weil beide Elternteile nicht bereit sind, das Kind aus ihrem Konflikt herauszuhalten.

III.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 51 Abs. 4, 82, 84 FamFG.

16

Die Verfahrenswertfestsetzung ergeht gem. §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 Satz 1 und 2, 41 und 45 Abs. 1 Nr. 4 FamGKG.

17

Da dem Rechtsmittel des Antragstellers kein Erfolg verbeschieden ist, ist sein Verfahrenskostenhilfegesuch für das Beschwerdeverfahren zurückzuweisen, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO.

18

gez. Krause              gez. Grimm               gez. Sauer


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Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 30. Juni 2017 - 4 UF 64/17 zitiert 12 §§.

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(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu. (2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zust

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(1) § 1680 Abs. 1 und 2 gilt entsprechend, wenn die elterliche Sorge eines Elternteils endet, weil er für tot erklärt oder seine Todeszeit nach den Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes festgestellt worden ist. (2) Lebt dieser Elternteil noch

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(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.

(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.

(1) § 1680 Abs. 1 und 2 gilt entsprechend, wenn die elterliche Sorge eines Elternteils endet, weil er für tot erklärt oder seine Todeszeit nach den Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes festgestellt worden ist.

(2) Lebt dieser Elternteil noch, so hat ihm das Familiengericht auf Antrag die elterliche Sorge in dem Umfang zu übertragen, in dem sie ihm vor dem nach § 1677 maßgebenden Zeitpunkt zustand, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1.
wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
2.
wenn sie einander heiraten oder
3.
soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Familiengericht kann in Verfahren nach Satz 1 von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson zusätzlich anordnen, dass der Verbleib bei der Pflegeperson auf Dauer ist, wenn

1.
sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht nachhaltig verbessert haben und eine derartige Verbesserung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten ist und
2.
die Anordnung zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

(2) Die Maßnahme kann einen bestehenden Zustand sichern oder vorläufig regeln. Einem Beteiligten kann eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Verfügung über einen Gegenstand untersagt werden. Das Gericht kann mit der einstweiligen Anordnung auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnungen treffen.

(1) Bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft anordnen. Die Anordnungen ergehen durch Beschluss.

(2) Der Beschluss, der die Herausgabe der Person oder die Regelung des Umgangs anordnet, hat auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinzuweisen.

(3) Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für den Vollzug der Haft gelten § 802g Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, die §§ 802h und 802j Abs. 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Werden Gründe, aus denen sich das fehlende Vertretenmüssen ergibt, nachträglich vorgetragen, wird die Festsetzung aufgehoben.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Verfahrenswert richten, mit der Einreichung des Antrags, der Einspruchs- oder der Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder für den Regelfall kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 54 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Gericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen des Hauptgegenstands oder wegen der Entscheidung über den Verfahrenswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.