Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 26. Juni 2017 - 1 W 23/17 (PKH)

ECLI:ECLI:DE:OLGNAUM:2017:0626.1W23.17PKH.00
bei uns veröffentlicht am26.06.2017

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 23. Februar 2017 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Avocat A. ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit seiner Klage die Durchsetzung eines Schmerzensgeldanspruchs in Höhe von 6.000,00 € gegenüber allen Antragsgegnern als Gesamtschuldnern und eines darüber hinausgehenden Schmerzensgeldanspruchs von weiteren 4.000,00 € gegenüber den Antragsgegnern zu 1) und zu 2), ebenfalls als Gesamtschuldner, sowie schließlich die Feststellung einer möglichen künftigen Schadensersatzpflicht sämtlicher Antragsgegner begehrt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf den Ersatz immateriellen Schadens, den Ersatz von Haushaltsführungsschaden und die Feststellung zur Verpflichtung des Ersatzes zukünftigen Schadens gerichtete Klage, die er darauf stützen möchte, im Hause der Antragsgegnerin zu 1) durch die Antragsgegner zu 2) bis 4) fehlerhaft und ohne ausreichende Aufklärung ärztlich behandelt worden zu sein.

2

Der im Jahr 1996 geborene Antragsteller ist beninischer Staatsangehöriger und lebt seit 2015 in Deutschland. Er ist der deutschen Sprache nicht mächtig und verständigt sich auf Französisch. Er wurde auf dem Weg nach Deutschland durch die lybische Polizei mit einem Gewehrkolben geschlagen und am linken Handgelenk verletzt.

3

Am 19. November 2015 wurde beim Kläger eine diagnostische Handgelenksarthroskopie und eine therapeutische Handgelenkspülung durchgeführt, deren Verlauf sich aus dem Arztbrief des Antragsgegners zu 3) von diesem Tage (Bl. 11 d. A.) ergibt.

4

Am 28. April 2016 nahm der Antragsgegner zu 2) im Rahmen eines offenen Eingriffs eine dynamische radioulnare Arthrose und eine Beckenspantransplantation vom rechten Beckenkamm vor. Darüber verhält sich der Arztbrief des Antragsgegners zu 4) vom 3. Mai 2016 (Bl. 12 d. A.).

5

Der Antragsteller behauptet, die Einwilligung in diese Eingriffe ohne ausreichende Aufklärung erklärt zu haben. Insbesondere habe die Aufklärung nicht in einer ihm verständlichen Sprache stattgefunden. Die am 9. Juni 2016 über einen Folgeeingriff (Entfernung des Osteosynthesematerials) vorgenommene Aufklärung sei vom Antragsgegner zu 4) in der vom Antragsteller ebenfalls nicht beherrschten arabischen Sprache durchgeführt worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte der Antragsteller den Operationen nicht zugestimmt.

6

Der Antragsteller leide seit den fehlerhaft und ohne wirksame Einwilligung vorgenommenen Operationen unter akuten Schmerzsymptomen, wie unter anderem Berührungsschmerzen. Er könne seine operierte linke Hand nicht benutzen, könne damit nichts bewegen oder heben und verfüge seitdem über keine weiteren Behandlungsmöglichkeiten. Sein komplettes Freizeitverhalten habe sich verändert. Früher sei er regelmäßig Radfahren oder Fußballspielen gegangen. Dies sei nicht mehr möglich.

7

Die Antragsgegner behaupten, den Antragsteller am 8. Oktober 2015 in Anwesenheit eines Übersetzers über die Arthroskopie im Rahmen einer Konsultation aufgeklärt zu haben. Zusätzlich sei der Antragsteller auf der Grundlage eines Aufklärungsbogens (Bl. 21 ff. d. A.) schriftlich aufgeklärt worden. Am Abend des nach der Arthroskopie postoperativen Tages sei dem Antragsteller die mit der nachfolgenden Operation (vom 28. April 2016) beabsichtigte Therapie empfohlen worden. Dieses Aufklärungsgespräch sei vom Antragsgegner zu 2) in einer dem Antragsteller verständlichen Sprache auf Französisch geführt worden. In einem weiteren Gespräch vom 4. Dezember 2015 seien dem Antragsteller nochmals die bei der Arthroskopie erhobenen Befunde erläutert worden. Das weitere empfohlene Vorgehen mit Versteifung des Radiokarpalgelenkes zur Behebung der Schmerzen im Bereich der zerstörten Gelenksflächen und Resektion des Ulnakopfes bei Zerstörung des distalen Radioulnargelenkes zur Behebung der dadurch verursachten Schmerzen sei dem Antragsteller anhand einer Skizze mit französischsprachigen Erläuterungen (Bl. 25 d. A.) erklärt worden.

8

Das Landgericht hat dem Antragsteller unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit seiner Klage die Durchsetzung eines Schmerzensgeldanspruchs in Höhe von 6.000,00 € und die Feststellung einer möglichen künftigen Schadensersatzpflicht begehrt. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen, der sich weitergehend auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Schmerzensgeldantrag in Höhe von mindestens 20.000,00 € und für einen auf die Verurteilung der Antragsgegner zum Ersatz von vermehrten Haushaltsführungsbedürfnissen von November 2015 bis einschließlich Oktober/November 2016 in Höhe von 5.000,00 € gerichteten Klageantrag erstreckt hat. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger einen Sachverhalt vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, aus dem ihm dem Grunde nach ein Schmerzensgeldanspruch zustehen könne. Wäre tatsächlich nicht ordnungsgemäß über die erfolgten Behandlungseingriffe aufgeklärt worden, könne dem Antragsteller allein deshalb ein Schadensersatzanspruch zur Seite stehen, was nur durch Beweisaufnahme oder Parteianhörung festgestellt werden können. Die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden rechtfertigten im Falle erfolgreicher Beweisführung kein höheres Schmerzensgeld als 6.000,00 €. Für den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden habe der Antragsteller nicht einmal im Ansatz verwertbare Anknüpfungstatsachen vorgebracht.

9

Gegen diese ihm am 4. April 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 19. April 2017 angebrachte sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das Landgericht mit Beschluss vom 18. Mai 2017 nicht abgeholfen hat. Unter Berufung auf eine in der H. Klinik J. durchgeführte Folgeoperation (Entlassungsbrief vom 22. Dezember 2016, Bl. 33 f. d. A., und ärztliche Bescheinigung der H. Klinik J. , Bl. 53 f. d. A.) weist der Antragsteller nochmals darauf hin, dass weitere therapeutische Möglichkeiten zur Verbesserung des Zustandes seines linken Handgelenkes nicht bestehen. Gemessen daran, dass der Antragsteller unter der Annahme eines durchschnittlichen Lebensalters von 75 Jahren voraussichtlich noch 54 Jahre seinen Lebensunterhalt mit nur einer einsatzfähigen Hand bestreiten müsse, hält er ein Schmerzensgeld von 60.000,00 € für angemessen und erweitert den Prozesskostenhilfeantrag in entsprechender Höhe.

10

Die Antragsgegner bestreiten die Kausalität der ihrem Vorbringen nach fehlerfrei durchgeführten Behandlung für den vom Antragsteller behaupteten Gesundheitszustand und bringen vor, dass dieser auf die Verletzungshandlung der libyschen Polizei zurückzuführen sei.

II.

11

Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Sie führt dazu, dass dem Antragsteller gegenüber den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) Prozesskostenhilfe für eine Klage, die auf ein Schmerzensgeld von insgesamt 10.000,00 € gerichtet ist, zu bewilligen war. Unbegründet ist die Beschwerde dagegen, soweit sie sich gegen die Versagung weitergehender Prozesskostenhilfe gegenüber den Antragsgegnern zu 3) und zu 4) und für den beabsichtigten Antrag, gerichtet auf die Zuerkennung eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von 5.000,00 €, richtet.

12

1) Einwilligung

13

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Antragsteller einen Sachverhalt vorgetragen, der dem Grunde nach einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen kann. Gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) als Partnerin des vom Antragsteller geschlossenen Behandlungsvertrages gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB und gegenüber dem Antragsgegner zu 2) als Assistent bei der Arthroskopie und Operateur des am 28. April 2016 durchgeführten Eingriffs gemäß § 823 Abs. 1 BGB kann sich aus dem Vorbringen des Antragstellers ein Schmerzensgeldanspruch unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Einwilligung ergeben. Die Durchführung eines operativen Eingriffs ohne wirksame Einwilligung stellt eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts dar, die den Anspruch auf Kompensation der damit verbundenen immateriellen Einbuße gemäß § 253 Abs. 2 BGB auslöst, auch wenn der Eingriff fehlerfrei und ohne Eintritt einer aufklärungsbedürftigen Komplikation durchgeführt wird. Nachdem der Kläger vorgebracht hat, nicht in einer ihm verständlichen Sprache aufgeklärt worden zu sein, war daher Prozesskostenhilfe dem Grunde nach zu bewilligen. An dieser Betrachtungsweise vermag das substantiierte Vorbringen der Antragsgegner nichts zu ändern. Nach diesem Vorbringen ist dem Antragsteller sorgfältige Aufklärung sowohl in Vorbereitung der Arthroskopie als auch des operativen Eingriffs vom 28. April 2016 in einer ihm verständlichen Sprache zuteil geworden. In einem Fall sei ein Dolmetscher hinzugezogen worden. Das weitergehende Vorbringen, der Antragsgegner zu 2) habe dem Antragsteller das Vorgehen bei dem geplanten offenen Eingriff in französischer Sprache dargestellt, ist durch die mit dem Aufklärungsbogen (Bl. 21 ff. d. A.) vorgelegte Skizze maßgeblich unterstützt. Gleichwohl besteht die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichende Aussicht, dass der Antragsteller das Vorbringen der Antragsgegner zur gehörigen Aufklärung zu erschüttern vermag. Unschlüssig ist das Vorbringen des Antragstellers allerdings gegenüber den Antragsgegnern zu 3) und zu 4). Es ergibt sich daraus nicht, in welcher Weise diese Antragsgegner an der Behandlung des Antragstellers mitgewirkt haben. Voraussetzung für eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Einwilligung ist die Mitwirkung des in Anspruch genommenen an der ohne wirksame Einwilligung vorgenommenen Behandlungsmaßnahme, hier also an der Arthroskopie, der offenen chirurgischen Intervention vom 28. April 2016 und der Operation zur Entfernung des Osteosynthesematerials. Die Information, dass der Antragsgegner zu 2) bei der Arthroskopie assistiert und den Eingriff vom 28. April 2016 ausgeführt hat, ist bereits dem Vorbringen der Antragsgegner entnommen. Der Antragsteller selbst hat zu der Identität der Ärzte, von denen die Eingriffe durchgeführt wurden, keinen Sachvortrag angebracht. Die Abfassung der Arztbriefe vom 19. November 2015 und 3. Mai 2016 durch die Antragsgegner zu 3) und zu 4) stellt keine Behandlungsmaßnahme dar und kann für sich genommen daher die Haftung dieser Antragsgegner für die Eingriffe nicht begründen, wenn diese ohne wirksame Einwilligung durchgeführt sein sollten.

14

Die Unschlüssigkeit des Vorbringens gegenüber den Antragsgegnern zu 3) und zu 4) kann nicht zur Zurückweisung des ihnen gegenüber angebrachten Prozesskostenhilfeantrages führen, nachdem das Landgericht Prozesskostenhilfe für den auf 6.000,00 € gerichteten Antrag und für den Feststellungsantrag auch ihnen gegenüber bewilligt hat. Das ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 528 Satz 2 ZPO. Das Verschlechterungsverbot besteht auch im Verfahren über die zivilprozessuale Beschwerde (vgl. Hessler, in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 572, RN 39).

15

2) Behandlungsfehler

16

Weitergehend als vom Landgericht angenommen, rechtfertigt das Vorbringen des Antragstellers hinreichende Erfolgsaussicht für einen Schmerzensgeldanspruch, den der Senat in Höhe von 10.000,00 € für angemessen erachtet, unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Behandlungsfehlers. Der Antragsteller hat in, gemessen an den im Arzthaftungsprozess für den Patienten abgesenkten Anforderungen an die Darlegung, gerade noch in schlüssiger Form geltend gemacht, dass der offene Eingriff vom 28. April 2016 mit einen Behandlungsfehler behaftet gewesen sei.

17

Das Vorbringen einer Partei ist schlüssig, wenn es in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Der Patient, der einen Arzt auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, muss zunächst den nach §§ 823 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendigen Behandlungsfehler darlegen und beweisen. Hierbei sind an seine Substantiierungspflichten lediglich maßvolle Anforderungen zu stellen, weil von ihm angesichts des bestehenden Informationsgefälles zwischen Arzt und Patient regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann (der erkennende Senat, Beschluss vom 6. Juni 2012 zu 1 W 25/12, zitiert nach juris, RN 12). Allerdings darf das Institut der Prozesskostenhilfe nicht dazu missbraucht werden, aussichtslose Klagen auf Kosten der Allgemeinheit (und des Gegners, der - abhängig vom Streitwert - mit hohen Anwaltskosten belastet wird, deren Erstattung völlig unsicher ist) zu führen. Der Unbemittelte braucht nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (OLG München, Beschluss vom 9. Mai 2005,1 W 1080/05, zitiert nach juris, RN 14). Deswegen genügt es auch im Arzthaftungsprozess im Allgemeinen nicht, sich im Antrag auf Prozesskostenhilfe darauf zu beschränken, dem Arzt einen negativen Ausgang einer Behandlung vorzuwerfen (OLG München, Beschluss vom 28. März 2011, 1 W 244/11, zitiert nach juris, RN 10). Andererseits reicht es in Arzthaftungssachen im Regelfall aus, wenn über die Werthaltigkeit des Klagevorbringens erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden werden kann (OLG München, Beschluss vom 10. Februar 2012, 1 W 200/12, zitiert nach juris, RN 2).

18

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das Vorbringen des Antragstellers gerade noch ausreichend, um die Überprüfung des vom Antragsgegner zu 2) durchgeführten offenen chirurgischen Eingriffs vom 28. April 2016 durch einen medizinischen Sachverständigen auf seine Fehlerfreiheit zu veranlassen. So ergibt sich, wenn auch nicht aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des anwaltlich beratenen Antragstellers, so aber aus der vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Dokumentation, die nicht gänzlich fernliegende Möglichkeit eines Behandlungsfehlers bei diesem Eingriff. Der Antragsteller hat sich am 19. Dezember 2016 in der H. Klinik J. einer weiteren Operation unterzogen. Ausweislich des Entlassungsbriefes vom 22. Dezember 2016 (Bl. 33 d.A.) wurde eine "Fesselungsoperation Ulna an Radius im Bereich des linken distalen Unterarmes" durchgeführt. Durch diese Operation konnte nach der ärztlichen Bescheinigung der H. Klinik (Bl. 53 d. A.) "die abnorme Beweglichkeit des Ellenstumpfes deutlich vermindert werden". Daraus ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass es möglicherweise bereits im Rahmen des vom Antragsgegner zu 2) am 28. April 2016 durchgeführten Eingriffs geboten gewesen wäre, eine feste Verbindung zwischen der operativ verkürzten Elle (Ulna) und der Speiche (Radius) herzustellen. Dieser Gesichtspunkt bietet Anlass, die Werthaltigkeit des klägerischen Vorbringens zu diesem Eingriff durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen.

19

Im Übrigen beschränkt sich das Vorbringen des Antragstellers darauf, ein negatives Ergebnis der im Hause der Beklagten zu 1) durchgeführten ärztlichen Behandlung geltend zu machen. Dieses Vorbringen liefert keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die am 19. November 2015 durchgeführte Arthroskopie mit einem Behandlungsfehler behaftet war. Hinsichtlich der offenen chirurgischen Operation ergibt sich aus dem Vorbringen kein Anhaltspunkt, der auf einen über die unzureichende Fixierung der operativ verkürzten Elle hinausgehenden Behandlungsfehler hindeutet. Damit fehlt es an Anknüpfungstatsachen für die Feststellung der Ursächlichkeit dieser Operation für die vom Antragsteller geltend gemachten lebenslangen Beschwerden. Solche Anknüpfungstatsachen sind vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller sich mit einem erheblich vorgeschädigten Handgelenk zur Behandlung vorstellte, in besonderer Weise erforderlich, um die spätere Feststellung der Ursächlichkeit im Hauptsacheverfahren zu tragen.

20

Im gegenwärtigen Verfahrensstadium begründet das Vorbringen des Antragstellers gegenüber den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) lediglich die Erfolgsaussicht für einen denkbaren Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 10.000,00 €. Als schmerzensgeldrelevanter Faktor kommt nur die Beeinträchtigung in Betracht, die der Antragsgegner dadurch erlitten hat, dass die Fixierung der Elle an die Speiche erst in der Ende des Jahres 2016 durchgeführten Folgeoperation vorgenommen wurde, wenn sich die unzureichende Fixierung in der ersten Operation im Ergebnis der Beweisaufnahme als behandlungsfehlerhaft herausstellen sollte. Für diese Beeinträchtigungen erachtet der Senat auch bei unterstellter unzureichender Aufklärung über den Eingriff ein Schmerzensgeld von höchstens 10.000,00 € für angemessen. Höchstens in dieser Größenordnung würde auch die das Prozessrisiko besonnen abwägende bemittelte Partei ihre Schmerzensgeldvorstellung ansiedeln. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, Prozesskostenhilfe für eine Klageerweiterung zu beantragen, wenn die Begutachtung durch den Sachverständigen weitere Behandlungsfehler zu Tage fördern sollte, deren Kausalität für das unzureichende Behandlungsergebnis an dem vorgeschädigten Handgelenk feststellbar erscheint.

21

3) Haushaltsführungsschaden

22

Die sofortige Beschwerde ist schließlich unbegründet, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten, auf den Ersatz des Haushaltsführungsschadens gerichteten Klageantrag richtet. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Vorbringen des Antragstellers keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, die eine Schätzung dieser Schadensposition ermöglichen. Der in der Beschwerdebegründung vom Antragsteller angebrachte Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 3. Februar 2009 zu VI ZR 183/08 und vom 22. Mai 2012 zu VI ZR 157/11), wonach der Haushaltsführungsschaden in Anwendung des § 287 ZPO durch Rückgriff auf die Berechnungstabellen von Schulz-Borck im Wege der Schätzung festgestellt werden könne, gebietet keine andere Betrachtungsweise. Die Eröffnung des Verfahrens gemäß § 287 ZPO enthebt den Antragsteller nicht davon, Anknüpfungstatsachen für die gebotene Schätzung vorzutragen. Auch der Blick in die Berechnungstabelle von Schulz-Borck setzt die vorangegangene Feststellung von Tatsachen voraus, die eine Einschätzung des Umfangs der vom Geschädigten zu leistenden Haushaltstätigkeit und damit eine Einordnung in die zutreffende Tabelle ermöglicht. Dementsprechend sind die konkrete Lebenssituation und die konkreten Tätigkeiten für die Erfassung und Bemessung des Schadens wegen der Störung der Hausarbeit anschaulich zu schildern. Es ist auf alle den Einzelfall prägenden Tatsachen einzugehen und der vereitelte Arbeitsumfang und die Veränderungen in der Zukunft zu beschreiben. Es ist darzustellen, in welcher Weise welche Beeinträchtigung daran hindert, bislang tatsächlich ausgeführte Arbeiten zu erfüllen. Der allgemeine Hinweis auf das Tabellenwerk reicht zur Darstellung eines Haushaltsführungsschadens nicht aus (Parey, Der Haushaltsführungsschaden, 8. Aufl., Seite 18, mit zahlreichen weiteren Nachweisen, unter anderem unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, VersR 2004, 120; OLG Celle, Urteil vom 29. September 2010 zu 14 U 9/10). Diesen Anforderungen entspricht auch das in der Beschwerdebegründung angebrachte Vorbringen, der Antragsteller habe sich monatelang seinen Haushalt durch Dritte führen lassen müssen, nicht. Es beschreibt den Umfang der vom Antragsteller zu erbringenden Tätigkeiten und das Ausmaß der behaupteten Einschränkungen nicht.

III.

23

Die Nebenentscheidung weist auf die Kostenfolge des § 127 Abs. 4 ZPO hin.

24

Die Bestimmung der Nichterhebung der Gerichtsgebühr beruht auf der Ausübung des in KV 1812 zum GKG eingeräumten Ermessens.

25

gez. Dr. Holthaus             gez. Lanza-Blasig              gez. Haberland


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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 26. Juni 2017 - 1 W 23/17 (PKH) zitiert 9 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 253 Immaterieller Schaden


(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs

Zivilprozessordnung - ZPO | § 528 Bindung an die Berufungsanträge


Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2009 - VI ZR 183/08

bei uns veröffentlicht am 03.02.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 183/08 Verkündet am: 3. Februar 2009 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11

bei uns veröffentlicht am 22.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 157/11 Verkündet am: 22. Mai 2012 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 06. Juni 2012 - 1 W 25/12

bei uns veröffentlicht am 06.06.2012

Tenor Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 19. März 2012 abgeändert: Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L. aus J. zur W

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 19. März 2012 abgeändert:

Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L. aus J. zur Wahrnehmung seiner Rechte im Rechtsstreit beigeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller litt zwischen dem 30. März 2006 und dem 28. April 2006 unter einer schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Entzündung der Gehirnhäute und der Gehirnsubstanz. Bis Juni 2006 befand er sich in einer Rehabilitationsklinik. Am 8. Mai 2007 stellte sich der Antragsteller in reduzierter körperlicher Verfassung erstmalig beim Antragsgegner mit Schmerzen in den Beinen vor. Dieser leitete ohne vorherige Röntgenuntersuchung eine konservative Therapie in Form von Akupunktur und Physiotherapie ein, die der Antragsteller am 27. Juni 2007 abbrach, indem er zum vereinbarten Termin und auch nachfolgend nicht mehr erschien. Am 3. September 2008 erhielt der Antragsteller eine Hüfttotalendoprothese rechts. Bei ihm hatte sich eine Hüftgelenkkopfnekrose entwickelt.

2

In einem Verfahren vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern erstattet der Sachverständige Prof. Dr. M. aus St. am 28. Januar 2010 ein Gutachten, das dem Antragsgegner eine fehlerfreie Behandlung des Antragstellers bescheinigt. Dieser Auffassung hat sich die Schlichtungsstelle mit ihrem Bescheid vom 26. Juli 2010 angeschlossen.

3

Mit seinem am 30. Dezember 2011 beim Landgericht eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine auf Schmerzensgeld von mindestens 5.000,00 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden gerichtete Klage gegen den Antragsgegner und behauptet: Er sei nach dreiwöchigem Schmerz auf Grund einer ärztlichen Überweisung zum Antragsgegner gelangt. Dieser habe den Hüftschmerzen des Antragstellers nachgehen, ein Röntgenbild fertigen und eine Diagnose erstellen sollen. An Stelle der gebotenen bildgebenden Untersuchung und Behandlung der Hüftgelenke habe sich der Antragsgegner auf die Gabe von Schmerzmitteln, die Akupunktur und Physiotherapie zum Muskelaufbau beschränkt. Auch sei der Antragsteller nicht auf geeignete Verhaltensweisen hingewiesen und überhaupt vom Antragsgegner falsch beraten worden, der sich nicht einmal zu den Ursachen der Schmerzen oder einem Verdacht geäußert habe. Dies sei grob fehlerhaft gewesen.

4

Ein frühzeitiges Röntgenbild hätte eine verkapselte Sepsis im Gelenk gezeigt. So habe sich aber ein behandlungsbedürftiges Gelenkproblem in Form der Gelenkkopfnekrose entwickelt. Als der Antragsteller wegen fortdauernder Schmerzen zu einem anderen Arzt gegangen sei, habe dieser am 9. Juni 2008 ein Röntgenbild gefertigt, das die nun irreversibel manifestierte Nekrose offenbarte.

5

Das Gutachten des Schlichtungsverfahrens sei falsch, da es schon von unrichtigen Tatsachen ausgehe. Mittlerweile sei der Antragsteller auch an der linken Hüfte operiert und die Behandlungen setzten sich fort.

6

Bei sofortiger Diagnose wären die Gelenke zu retten gewesen. Durch die falsche Behandlung und Aufklärung des Antragsgegners habe der Antragsteller vorzeitig neue Gelenke implantiert bekommen. Zumindest habe der Antragsgegner durch sein Vorgehen den schmerzhaften Zeitraum unnötig um ein Jahr und drei bis vier Monate ausgedehnt. Durch die während dieser Zeit eingenommene Schonstellung sei eine Fehlhaltung eingetreten, wodurch es infolge der Unterarmstützen zu einer Schädigung der Schultern und der anderen Hüftseite gekommen sei.

7

Der Antragsgegner hält den Anspruch für verjährt und meint, der Antragsteller trage nicht schlüssig vor. Hierzu verweist er auf das Gutachten des Schlichtungsverfahrens.

8

Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom 19. März 2012 mangels Schlüssigkeit der beabsichtigten Klage zurückgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller trage schon keine ausreichenden Einzelheiten zum Behandlungsgeschehen, zu den einzelnen Vorwürfen und zu den Folgen vor. Auch werde das Schlichtungsgutachten nicht erheblich angegriffen.

9

Gegen diese, seinem Verfahrensbevollmächtigten am 23. März 2012 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der am 10. April 2012 eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

10

Die Physiotherapie habe mangels Diagnose abgebrochen werden müssen. Von einer angedachten MRT-Untersuchung habe der Antragsgegner dem Antragsteller nichts gesagt. Eine solche sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Vielmehr habe es der Antragsgegner zugelassen, dass der Antragsteller die Gelenke weiterhin stark belastete, was in wenigen Wochen zu einer irreversiblen Abnutzung der Gelenkknorpel und damit zum Entfernen der Gelenke geführt habe.

II.

11

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Das Landgericht hat dem Antragsteller zu Unrecht Prozesskostenhilfe versagt, weil es den Sachvortrag des Antragstellers im Hinblick auf das beanstandete Behandlungsgeschehen nur ungenügend würdigt, dem Gutachten des Schlichtungsverfahrens eine zu große Bedeutung beimisst und letztlich zu hohe Anforderungen an das Vorbringen des Patienten im Arzthaftungsprozess stellt. Tatsächlich kann der beabsichtigten Klage die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, sodass dem bedürftigen Antragsteller ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen ist (§§ 114 Satz 1, 115 Abs. 1 Sätze 1 bis 5, Abs. 2, 119 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 1 ZPO i.V.m. PKHB 2011 und §§ 823 Abs. 1, 280 Abs. 1, 253 Abs. 2, 249 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB).

12

Das Vorbringen einer Partei ist schlüssig, wenn es in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen; nähere Einzelheiten sind nur dann vorzutragen, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BGH NJW 1999, 2887, 2888). Der Patient, der einen Arzt auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, muss zunächst den nach §§ 823 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendigen Behandlungsfehler darlegen und beweisen. Hierbei sind an seine Substantiierungspflichten lediglich maßvolle Anforderungen zu stellen, weil von ihm angesichts des bestehenden Informationsgefälles zwischen Arzt und Patient regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann (BGH NJW 2004, 2825, 2827; OLG Hamm NJOZ 2002, 1847, 1848). So hat der Antragsteller nicht zwischen Folgen unterlassener Diagnostik und Folgen seiner schweren Vorerkrankung zu differenzieren. Dies kann nur ein Sachverständiger tun.

13

Dem Landgericht ist zuzugeben, dass das Vorbringen des Antragstellers unübersichtlich und nicht immer eindeutig ist. Dennoch lässt sich erkennen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner zum einen die unterlassene Befunderhebung vorwirft. Werden aus medizinischer Sicht zweifelsfrei gebotene Befunde nicht erhoben, handelt es sich um einen Behandlungsfehler. Zum anderen spielt aber auch die unterlassene Therapieaufklärung eine Rolle. Beides soll auf die eine oder andere Weise zur Schädigung der Hüftgelenke geführt haben.

14

Obwohl eine nähere Folgenbetrachtung dem Antragsteller nicht abverlangt werden kann, sind zumindest auf den ersten Blick mögliche Kausalverläufe dargetan. Hat der Antragsgegner die Sepsis im Gelenk nicht erkannt und führte diese die Nekrose herbei, liegt dies auf der Hand. Aber selbst wenn zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns bereits eine Nekrose vorlag, kann die fehlende Therapieaufklärung in Verbindung mit der nur konservativen Therapie dem Antragsteller vermittelt haben, an keiner besonders schwerwiegenden Erkrankung zu leiden, sich im Rahmen des Möglichen uneingeschränkt belasten und auf die Weiterbehandlung verzichten zu können. Kam es hierdurch zur Schädigung, könnte eine Haftung des Antragsgegners ebenfalls nicht verneint werden. Läge sogar ein grober Behandlungs- oder ein Befunderhebungsfehler vor, der wahrscheinlich zu einem gravierenden und unbedingt reaktionspflichtigen Ergebnis geführt hätte, wäre es u.U. sogar Sache des Antragsgegners, den haftungsbegründenden Kausalverlauf zu widerlegen (vgl. BGH NJW-RR 2010, 831, 832; NJW 1996, 1589, 1590; 1999, 860, 861; 862, 863). All dies bedarf sachverständiger Klärung und ist nicht vom Antragsteller darzulegen.

15

Das Gutachten des Schlichtungsverfahrens steht dem nicht entgegen. Die Möglichkeit, es im Wege des Urkundenbeweises heranzuziehen (BGH NJW 1987, 2300 f.) und auf dieser Grundlage die Prozesskostenhilfe zu versagen, weil der Antragsteller sein Vorbringen nicht wird beweisen können (vgl. BVerfG NJW 2010, 288, 289; Senat, Beschluss vom 5. August 2009, 1 W 39/08 - BeckRS 2009, 29086; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 114 Rdn. 19, 26 f.), besteht hier nicht. Der ablehnende Beschluss des Landgerichts lässt es an der kritischen Auseinandersetzung mit dem Gutachten unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers fehlen (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 205, 206; OLG Frankfurt NJOZ 2011, 903, 904). Das Schlichtungsgutachten befasst sich nur mit der Hüftkopfnekrose rechts, wohingegen der Antragsteller dem Antragsgegner nunmehr weitere Folgen (linkes Hüftgelenk, Schulter) anlastet. Die Therapie- oder Sicherungsaufklärung spielte in der Schlichtung keine Rolle. Genauso wenig hat sich der Sachverständige Prof. Dr. M. mit der Variante einer eingekapselten Sepsis zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns am 8. Mai 2007 befasst.

16

Die Einrede der Verjährung greift offensichtlich nicht durch (§§ 195, 199 Abs. 1, 203, 204 Abs. 1 Nrn. 11 BGB).

17

Die aus dem Behandlungsgeschehen hergeleiteten Ansprüche lassen sich gegenwärtig auch nicht verneinen. Der Schmerzensgeldanspruch liegt nicht außerhalb des Möglichen. Der Feststellungsantrag ist zulässig und derzeit schlüssig. Nach Darstellung des Antragstellers hat er mit Spätfolgen zu rechnen und die behaupteten Behandlungsfehler sind grundsätzlich geeignet, künftige Schäden herbeizuführen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 601).

18

Die Auslagenentscheidung folgt aus §§ 127 Abs. 4, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 183/08 Verkündet am:
3. Februar 2009
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Schätzung des Haushaltsführungsschadens nach § 287 ZPO darf sich der
Tatrichter in Ermangelung abweichender konkreter Gesichtspunkte grundsätzlich an
dem Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann (Schadensersatz bei Ausfall von
Hausfrauen und Müttern im Haushalt) orientieren.
BGH, Urteil vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2009 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen
und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. Juni 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 15. August 2003 geltend, bei dem sie schwer verletzt wurde. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagten für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden in vollem Umfang einzustehen haben. Sie streiten nur noch um die Höhe des der Klägerin - einer allein stehenden erwerbstätigen Frau - entstandenen Haushaltsführungsschadens. Das Landgericht hat der Klägerin hierfür unter Klageabweisung im Übrigen einen Betrag von 9.649 € abzüglich vorgerichtlich gezahlter 3.500 €, insgesamt 6.149 € zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und der Klägerin einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von insgesamt 11.243,26 € abzüglich 3.500 €, mithin insgesamt 7.743,26 € zugesprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in Höhe eines Betrages von 2.590,95 € weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht hat der Berechnung des der Klägerin entstandenen Haushaltsführungsschadens das Tabellenwerk von Schulz-Borck/Hofmann zugrunde gelegt und ist entsprechend der dortigen Tabelle 9 bei einer erwerbstätigen Frau mit einem Ein-Personen-Haushalt von einer durchschnittlichen Arbeitszeit im Haushalt von 21,7 Stunden pro Woche ausgegangen. Für die Zeit der stationären Aufenthalte der Klägerin hat es die von einer (fiktiven) Ersatzkraft zu verrichtenden Tätigkeiten im Haushalt auf 15 % der üblicherweise anfallenden 21,7 Stunden, also auf ca. drei Stunden wöchentlich, geschätzt. Hinsichtlich der Höhe der fiktiven Vergütung einer Ersatzkraft hat das Berufungsgericht für die Zeit einer haushaltsspezifischen Einschränkung der Klägerin von über 50 % eine Nettovergütung entsprechend der Vergütungsgruppe BAT VIII und für die übrige Zeit BAT X zugrunde gelegt.

II.

3
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
4
1. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass auch der Klägerin als allein stehender Person mit eigenem Haushalt ein Anspruch auf Ersatz ihres unfallbedingten Haushaltsführungsschadens unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1, 2. Alt. BGB zusteht (vgl. Senatsurteile vom 25. September 1973 - VI ZR 49/72 - VersR 1974, 162, 163; vom 18. Februar 1992 - VI ZR 367/90 - VersR 1992, 618, 619 und vom 8. Oktober 1996 - VI ZR 247/95 - VersR 1996, 1565).
5
2. Die Überprüfung der im Rahmen des Schätzungsermessens des Tatrichters nach § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Bewertung der unfallbedingt entgangenen Tätigkeit eines Verletzten im Haushalt durch das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, ob das Berufungsurteil auf grundsätzlich falschen Erwägungen beruht oder entscheidungserhebliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR 1979, 670, 671). Derartige Fehler sind hier nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat sich in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise an einem anerkannten Tabellenwerk (Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) orientiert. Dass sich der Tatrichter in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung solcher Erfahrungswerte im Rahmen der Bemessung des Haushaltsführungsschadens bedient, hat der erkennende Senat bereits mehrfach gebilligt (vgl. Senatsurteile BGHZ 104, 113, 117 f.; vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - aaO; vom 8. Juni 1982 - VI ZR 314/80 - VersR 1982, 951, 952; vom 11. Oktober 1983 - VI ZR 251/81 - VersR 1984, 79, 80 f.). Hieran ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten.
6
3. Die Revision nimmt zwar hin, dass das Berufungsgericht auf dieser Grundlage die durchschnittliche Arbeitsleistung der Klägerin im Haushalt auf 21,7 Wochenstunden geschätzt hat. Ohne Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung des Arbeits- zeitbedarfes für die Zeit der stationären Aufenthalte der Klägerin im Krankenhaus.
7
Während der Zeit einer stationären Behandlung ist der Haushaltsführungsschaden in einem Ein-Personen-Haushalt naturgemäß deutlich reduziert und beschränkt sich im Allgemeinen auf notwendige Erhaltungsmaßnahmen (vgl. OLG Hamm NZV 2004, 631, 632; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht , 3. Aufl., Kap. 7 A Rn. 12). Entgegen der Auffassung der Revision fallen die Positionen "Gartenarbeit", "Haushaltsführung und Organisation", "häusliche Kleinarbeiten" und "Pflege und Betreuung von Personen" in einem Zeitraum vollständiger Abwesenheit nicht in vollem Umfange an. Da viele Haushaltsarbeiten bei vollständiger Abwesenheit nicht anfallen, ist insbesondere der Aufwand für "Haushaltsführung und Organisation" in dieser Zeit reduziert. Auch zeigt die Revision keinen Sachvortrag der Klägerin auf, welcher die Position "Pflege und Betreuung von Personen" ausfüllen könnte. Entgegen der Auffassung der Revision entspricht es auch der Lebenserfahrung, dass während der vollständigen Abwesenheit des alleinigen Bewohners der Reinigungsbedarf auf ein Minimum reduziert ist. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiterhin den üblichen Zeitbedarf für die Position "Ernährung" während der Zeit der stationären Krankenhausaufenthalte der Klägerin wegen der im Krankenhaus bestehenden Vollverpflegung unberücksichtigt gelassen. Dies betrifft sowohl die üblicherweise anfallende Zeit für Essenszubereitung und Geschirrspülen als auch den Zeitaufwand für den Einkauf von Nahrungsmitteln und anderen Artikeln. Da die Revision insgesamt keinen konkreten Sachvortrag der Klägerin aufzeigt, dass abweichend von diesen Erfahrungswerten Hausarbeiten in größerem Umfang als die vom Berufungsgericht geschätzten drei Wochenstunden angefallen wären, war das Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht gehindert , den Zeitaufwand nach § 287 ZPO entsprechend zu reduzieren.
8
4. Die Revision hat auch keinen Erfolg mit ihren Angriffen gegen die Zugrundelegung des BAT X bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens durch das Berufungsgericht. Ein Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
9
Das Berufungsgericht durfte sich insoweit im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung nach § 287 ZPO in Ermangelung abweichender konkreter Anhaltspunkte an der Tabelle 3 von Schulz-Borck/Hofmann orientieren, die bei teilweisem Ausfall des Haushaltsführenden in einem Durchschnittshaushalt ohne Kinder und Einstellung einer Ersatzkraft, die nicht die Leitung des Haushalts zu übernehmen braucht, eine Eingruppierung der (fiktiven) Ersatzkraft nach BAT X vorsieht. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht für die Zeit des zeitweiligen oder dauernden teilweisen Ausfalls des Haushaltsführenden mit verbleibender Leitungsfunktion nicht die Vergütungsgruppe BAT IXb bzw. BAT VIII zugrunde gelegt hat. Die Vergütungsgruppe BAT IXb wird nach Tabelle 3 von SchulzBorck /Hofmann Durchschnittshaushalten und gehobenen Haushalten ohne Kinder oder mit bereits schulpflichtigen Kindern bei fortbestehender Leitungsfunktion des Haushaltsführenden zugeordnet. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Haushalt der Klägerin nur um einen einfachen Ein-Personen-Haushalt mit einfachen Wohnverhältnissen (65 m2), geringer technischer Ausstattung und einem unterdurchschnittlichen Haushaltseinkommen. Da es sich mithin um einen unterdurchschnittlichen Haushalt handelt, ist eine Nichtanwendung der Vergütungsgruppe BAT IXb nicht rechtsfehlerhaft. Die Vergütungsgruppe BAT VIII ist für die Zeiten , in denen die Klägerin die Leitungsfunktion in ihrem Haushalt zumindest überwiegend ausüben konnte, ebenfalls nicht einschlägig. Soweit die Revision insoweit meint, der Klägerin sei nicht möglich bzw. zumutbar gewesen, im Wechsel mit den Zeiten stationärer Behandlung abwechselnd Hilfskräfte nach BAT VIII und BAT X einzustellen, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin tatsächlich keine Ersatzkraft eingestellt hat, sondern ihren Schaden fiktiv berechnet. Darüber hinaus weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass unter den Umständen des Streitfalles während der stationären Krankenhausaufenthalte der Klägerin mit stark reduziertem Haushaltsführungsbedarf die Einstellung einer qualifizierten Ersatzkraft im Sinne des BAT VIII nicht erforderlich gewesen wäre. Insofern ist der Klägerin - entgegen der Auffassung der Revision - auch kein rechtlich relevanter Nachteil dadurch entstanden , dass das Berufungsgericht hinsichtlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes im Jahre 2007 den Haushaltsführungsschaden - wohl irrtümlich - nicht wie bei den anderen stationären Krankenhausaufenthalten nach BAT VIII, sondern nach BAT X berechnet hat.
10
Letztlich vermag auch die Auffassung der Revision, die Einstufung nach BAT X sei nicht mehr zeitgemäß, keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen , auch wenn dies von dem Mitautor Hofmann in einer Fußnote zur Tabelle 3 von Schulz-Borck/Hofmann vertreten wird. Denn diese (pauschale) Einschätzung ist nicht geeignet, einen Ermessensfehler des Tatrichters im Rahmen der Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO zu begründen, wenn er sich in Ermangelung abweichender Gesichtspunkte an der Einstufung des Tabellenwerks orientiert.

III.

11
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.01.2008 - 8 O 422/07 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.06.2008 - 11 U 3/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 157/11 Verkündet am:
22. Mai 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Einstandspflicht des Arztes für die Folgen eines Zweiteingriffs durch einen
nachbehandelnden Arzt, der erforderlich wird, weil dem vorbehandelnden Arzt
beim Ersteingriff ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11 - OLG München
LG München I
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner,
Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. April 2011 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Anspruchs auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 3.231,83 € zurückge- wiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
2
Am 15. Dezember 2004 wurden bei der Klägerin im Rahmen einer Koloskopie ein ca. 5 cm großer Tumor am Übergang zum Sigma sowie weiter pro- ximal ein kleiner gestielter Polyp festgestellt. Der Polyp wurde abgetragen. Von dem Tumor wurden Proben entnommen. Ausweislich des histopathologischen Befundberichts vom 17. Dezember 2004 wiesen die entnommenen Proben Anteile eines invasiven, mäßig differenzierten Adenokarzinoms auf. Am 17. Januar 2005 nahm der Beklagte zu 2 in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum bei der Klägerin eine Rektumresektion vor. Er entfernte die Basis des bei der Koloskopie abgetragenen Polypen, nicht hingegen den tiefer gelegenen Tumor. Nachdem im Rahmen einer Kontrollendoskopie vom 19. Oktober 2005 festgestellt worden war, dass der Tumor nicht entfernt worden war, unterzog sich die Klägerin am 28. Oktober 2005 einem erneuten Eingriff im Klinikum G., bei dem der vom Tumor betroffene Darmabschnitt entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt wurde. In der Folge stellte sich eine Wundheilungsstörung im Bereich der Bauchdecke sowie eine Anastomoseinsuffizienz im Bereich der Darmnaht ein. Der weitere Heilungsverlauf war äußerst komplikationsbehaftet.
3
Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 € sowie Ersatz materiellen Schadens in Höhe von 25.193,03 € verlangt. Das Landgericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 14.369,52 € zu zahlen. Es hat darüber hinaus festgestellt , dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus und in Zusammenhang mit ihrer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1 noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesge- richt zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Anschlussrevision eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 3.231,83 €.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2011, 1012 veröffentlicht ist, hat aufgrund der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagten den Operationsauftrag grob fehlerhaft nicht ausgeführt hätten. Es sei schlichtweg unverständlich, dass sich der Beklagte zu 2 vor Durchführung der Operation nicht vergewissert habe, welche Darmteile zu entfernen seien. Wenn der Beklagte zu 2 nicht nur die Basis des Polypen, sondern auch den Tumor entfernt hätte, wäre der zweite Eingriff nicht erforderlich geworden. Der zweite Eingriff stelle den Primärschaden dar. Die eingetretene Nahtinsuffizienz und die sich daraus ergebenden Komplikationen seien kausal auf die Nachoperation zurückzuführen und deshalb als Sekundärschäden zu bewerten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler, der Nachoperation und den infolge der Nachoperation eingetretenen Komplikationen nicht zu verneinen. Zwar habe sich bei dem zweiten Eingriff ein operationsimmanentes Risiko verwirklicht, das durch den vorangegangenen fehlerhaft durchgeführten Eingriff nicht erhöht worden sei. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Erstoperation kein erhöhtes Nahtinsuffizienzrisiko bei der Nachoperation bewirkt. Dieser Umstand führe aber nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs. Denn die im Streitfall eingetretenen Schäden fielen nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm. Die Beklagten hätten durch die Verlet- zung ihrer Verpflichtung, den bei der Klägerin festgestellten Tumor zu entfernen , die Notwendigkeit einer Nachoperation herbeigeführt und die Klägerin damit dem Risiko des Eintritts operationsimmanenter Risiken durch eine zweite Operation ausgesetzt. Es sei völlig offen, ob sich die Risiken auch bei der ersten Operation verwirklicht hätten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Nachoperation in derselben Körperregion mit gleicher Schnittführung - auch wenn sie das Risiko einer Nahtinsuffizienz nicht erhöht habe - nach den Ausführungen des Sachverständigen grundsätzlich risikobehafteter als ein Ersteingriff gewesen sei. Das Ergebnis sei nicht unbillig, da die Beklagten die Gefahr der Risikoverwirklichung herbeigeführt hätten und ihnen der Nachweis offenstehe, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Diesen Nachweis hätten sie allerdings nicht erbracht. Die Klägerin könne daher ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 40.000 € beanspruchen.
5
Darüber hinaus sei ihr ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 13.207,02 € zuzusprechen. Zur Bemessung des Schadens könne auf die Berechnungstabellen von Schulz-Borck, 6. Aufl., zurückgegriffen werden. Sie böten eine ausreichende Grundlage, um den Arbeitsaufwand für die Haushaltsführung nach § 287 ZPO zu schätzen. Für den Haushalt der Klägerin sei Anspruchsstufe 3 (43 Wochenstunden) anzusetzen. Allerdings sei hinsichtlich des Umfangs der Gartenarbeiten ein Zuschlag von 0,3 Stunden pro Quadratmeter, d.h. von 1,15 Wochenstunden zu machen. Gemäß Tabelle 8 liege der Anteil der Klägerin an der Haushaltsführung bei 62,3 %, so dass von einem Arbeitsaufwand von 27,4 Wochenstunden für die volle Haushaltsführung und 18,4 Wochenstunden für die reduzierte Haushaltsführung auszugehen sei. Die Zeiten für die reduzierte Haushaltsführung ergäben sich aus den von der Klägerin angegebenen und durch Vorlage der Auszüge aus den Krankenakten belegten stationären Aufenthalten in den Kliniken. Von dem danach errechneten Haushaltsführungsschaden sei der hypothetische Haushaltsführungsschaden abzu- ziehen, der bei einer ordnungsgemäßen ersten Operation entstanden wäre. Der Senat gehe in ständiger Rechtsprechung von einem Stundensatz in Höhe von 8,50 € aus.

II.

6
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision, nicht hingegen denen der Anschlussrevision stand.
7
1. Die zulässige Revision der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin von den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung Ersatz der ihr infolge der Nachoperation entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verlangen kann (§ 280 Abs. 1, §§ 278, 823 Abs. 1, §§ 831, 253 Abs. 2 BGB).
8
a) Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , den Beklagten sei ein (grober) Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil der bei der Beklagten zu 1 beschäftigte Beklagte zu 2 im Rahmen der von ihm durchgeführten Rektumresektion den vom Tumor betroffenen Darmabschnitt der Klägerin nicht mit entfernt hat. Die Revision stellt auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht in Frage, dass sich die Klägerin aufgrund dieses Behandlungsfehlers einem zusätzlichen Eingriff unterziehen musste, der ihr bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
9
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Einstandspflicht der Beklagten beschränke sich nicht auf die unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen der Klägerin, sondern umfasse auch die im Zusammenhang mit diesem Eingriff aufgetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung). Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, es fehle an dem erforderlichen Kausal- und am Zurechnungszusammenhang , weil die Erstoperation mangels Erhöhung des Risikos einer Nahtinsuffizienz keinen primären Schaden hervorgerufen habe; die im Streitfall eingetretenen Komplikationen hätten schon bei der ersten Operation eintreten können.
10
aa) Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der Rechtsgutsverletzung, d.h. dem ersten Verletzungserfolg im Sinne einer Belastung der gesundheitlichen Befindlichkeit des Patienten (Primärschaden). Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten (vgl. Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98, VersR 1998, 1153, 1154; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03, VersR 2005, 228, 230; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 10, 13).
11
bb) Das Berufungsgericht hat den haftungsbegründenden Primärschaden zu Recht in den unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen der Klägerin (Bauchschnitt, Darmresektion mit der Notwendigkeit des Legens weiterer Anastomosen) gesehen und die in der Folgezeit eingetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz, Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung) der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wären diese Folgeschäden in ihrer konkreten Ausprägung ohne den zweiten Eingriff nicht eingetreten. Seine Beur- teilung, die Folgeschäden seien adäquat kausal auf die Primärschädigung zurückzuführen , begegnet keinen Bedenken.
12
cc) Der Umstand, dass bei korrektem medizinischen Vorgehen, d.h. bei Entfernung des vom Tumor betroffenen Darmabschnitts der Klägerin bereits im Rahmen des ersten Eingriffs, möglicherweise ebenfalls eine Nahtinsuffizienz mit vergleichbaren Folgen aufgetreten wäre, stellt die haftungsausfüllende Kausalität nicht in Frage. Ob und welche Risiken sich im Falle der Vornahme nur eines Eingriffs realisiert hätten, betrifft nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten, für den der Beklagte beweispflichtig ist (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, VersR 2005, 836, 837; vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 277/07, BGHZ 179, 115 Rn. 11 mwN). Steht - wie hier - fest, dass ein Arzt dem Patienten durch fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei rechtmäßigem und fehlerfreiem ärztlichem Handeln erlitten hätte (vgl. Senat, Urteil vom 5. April 2005 - VI ZR 216/03, VersR 2005, 942 mwN; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 230, C 151 mwN). Dass das Berufungsgericht diesen den Beklagten obliegenden Nachweis als nicht geführt angesehen hat, weil es völlig offen ist, ob sich die Risiken auch bei Entfernung des Tumors im Rahmen der ersten Operation verwirklicht hätten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang zwischen der vom Beklagten zu 2 verursachten Rechtsgutsverletzung und den von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden auch nicht aufgrund des Schutzzwecks der haftungsbegründenden Norm zu verneinen.
14
(1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 24; vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420 f.; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 29 f. mwN). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130; BGH, Urteil vom 14. März 1985 - IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1332, jeweils mwN).
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(2) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn nach einem Behandlungsfehler durch den erstbehandelnden Arzt Folgeschäden aus einer Behandlung durch einen nachbehandelnden Arzt zu beurteilen sind. In solchen Fällen kann es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlen, wenn das Schadensrisiko der Erstbehandlung im Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, sich der Behandlungsfehler des Erstbehandelnden auf den weiteren Krankheitsverlauf also nicht mehr ausgewirkt hat (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 1986 - VI ZR 83/85, VersR 1986, 601, 602; vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, aaO; Frahm/Nixdorf/Walter, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. 73). Gleiches gilt, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Erstbehandlung in keiner Beziehung steht, oder wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen versto- ßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlichwertend allein zugeordnet werden muss (Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, aaO; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, aaO).
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(3) Nach diesen Grundsätzen kommt eine Begrenzung der Einstandspflicht der Beklagten aufgrund des Schutzzwecks der Norm nicht in Betracht. Die im Streitfall eingetretenen Schäden fallen nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm. Die die Beklagten treffende Verpflichtung zu einer den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Versorgung der Klägerin diente u.a. dem Zweck, sie vor einem an sich nicht erforderlichen Zweiteingriff und den damit einhergehenden Folgen zu bewahren. Die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden stehen auch in einem inneren Zusammenhang mit der durch die Beklagten geschaffenen Gefahrenlage. Der den Beklagten vorzuwerfende Behandlungsfehler hat den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend geprägt, zumal den nachbehandelnden Ärzten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist. Durch den Behandlungsfehler des Beklagten zu 2 ist die Nachoperation der Klägerin veranlasst worden. Die Klägerin musste sich nur deshalb einer zweiten Darmoperation unterziehen, weil dieser im Rahmen der von ihm vorgenommenen Darmresektion den von dem Tumor betroffenen Darmabschnitt (grob) fehlerhaft nicht mit entfernt hatte. Die eingetretenen Folgeschäden beruhen auf diesem zusätzlichen Eingriff, der der Klägerin bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre.
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2. Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig.
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a) Es kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht die Zulassung der Revision trotz der insoweit uneingeschränkten Fassung des Urteilstenors nur zugunsten der Beklagten ausgesprochen oder - wie die Revision meint - auf den Grund des Anspruchs beschränkt hat (vgl. zum Grundurteil über die haftungsausfüllende Kausalität: BGH, Urteil vom 26. September 1996 - VII ZR 142/95, NJW-RR 1997, 188). Denn gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) setzt die Statthaftigkeit der Anschließung abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
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b) Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Revision und Anschlussrevision betreffen jedenfalls zum Teil denselben Anspruch, nämlich die Forderung der Klägerin auf Ersatz des ihr entstandenen Haushaltsführungsschadens, der ihr infolge der im Zusammenhang mit dem Zweiteingriff aufgetretenen Komplikationen (Nahtinsuffizienz , Fistelbildung, misslungene Stomarückverlagerung) entstanden ist.
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3. Die Anschlussrevision hat auch in der Sache Erfolg. Sie wendet sich mit Erfolg gegen die Schätzung des der Klägerin schadensbedingt entstandenen Haushaltsführungsschadens.
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a) Die Anschlussrevision beanstandet allerdings nicht, dass sich das Berufungsgericht bei der Bemessung des der Klägerin entstandenen Haushalts- führungsschadens an dem Tabellenwerk von Schulz-Borck (Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Aufl.) orientiert hat. Die Anschlussrevision nimmt auch hin, dass das Berufungsgericht den objektiv erforderlichen Zeitaufwand für die Aufrechterhaltung der Haushaltsführung nach dem bisherigen Standard auf dieser Grundlage auf 1.553,76 Stunden geschätzt hat. Die diesbezüglichen Erwägungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. zur Berücksichtigung anerkannter Tabellenwerke bei der Schätzung: Senatsurteil vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08, VersR 2009, 515).
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b) Die Anschlussrevision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens die Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft mit 8,50 € pro Stunde bemessen hat.
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aa) Zwar ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 3. Februar 2009 - VI ZR 183/08, VersR 2009, 515 Rn. 5; vom 12. Juli 2011 - VI ZR 214/10, AfP 2011, 362 Rn. 15; vom 27. März 2012 - VI ZR 40/10, juris Rn. 6). Zur Ermöglichung der Überprüfung muss der Tatrichter aber die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darlegen (BGH, Urteile vom 30. April 1952 - III ZR 198/51, BGHZ 6, 62, 63; vom 26. März 2003 - XII ZR 167/01, NJW-RR 2003, 873, 874; Musielak/Foerste, ZPO, 9. Aufl., § 287 Rn. 10).
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bb) Hieran fehlt es vorliegend. Das Berufungsgericht hat die Höhe der Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft pauschal auf 8,50 € pro Stunde geschätzt.
Die Anschlussrevision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht zu erkennen gegeben hat, wie es auf diesen Betrag gekommen ist. Den Entscheidungsgründen ist nicht zu entnehmen, welche Erwägungen für die getroffene Entscheidung insoweit maßgebend waren. Galke Wellner Pauge
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 22.03.2010 - 9 O 11012/09 -
OLG München, Entscheidung vom 21.04.2011 - 1 U 2363/10 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.