Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 12. Apr. 2010 - 1 AR 6/10 (Zust)

12.04.2010

Tenor

Zuständig für das Mahnverfahren ist das Amtsgericht Aschersleben als Zentrales Mahngericht für die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (mit Sitz in H. /Sachsen) hat beim Amtsgericht Aschersleben (als gemeinsames Mahngericht für die Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) mit Datum vom 13.10.2009 den Erlass eines Mahnbescheides beantragt. Der Antraggegner

O.          L.L.C.

2

hat seinen Geschäftssitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Forderung wird bezeichnet als:

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Warenlieferungen gem. Warenlieferung, Re 252595 – Re 252595 vom 13.12.08.

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Nach Aufforderung durch das Zentrale Mahngericht hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.10.2009 eine Kopie ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgelegt. In § 13 (Schlussbestimmungen) heißt es:

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Vertragssprache ist Deutsch

Gerichtsstand ist Dresden

Stand: Juli 2009

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Gleichzeitig hat der Antragsteller die Abgabe an das Amtsgericht Dresden beantragt. Mit Beschluss vom 2.12.2009 hat das Zentrale Mahngericht die Sache an das Amtsgericht Dresden verwiesen. Mit Beschluss vom 8.3.2010 hat sich das Amtsgericht Dresden für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg vorgelegt. Zur Begründung verweist das Amtsgericht Dresden auf den zwischen den Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen geschlossenen Staatsvertrag (in Sachsen-Anhalt in Kraft seit dem 24.4.2007) über die Errichtung eines gemeinsamen Mahngerichts, mit dem die Zuständigkeit für das Mahnverfahren im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit dem Amtsgericht Aschersleben zugewiesen wird.

II.

7

Der Senat ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Entscheidung zuständig. Zwar setzt § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO grundsätzlich die Rechtshängigkeit der Streitsache voraus (Zöller/Vollkommer ZPO, 29. Aufl., § 36, Rn. 26). Jedoch hat die Rechtsprechung für das Mahnbescheidsverfahren Ausnahmen anerkannt (Mehrheit von Antragsgegnern - Zöller/Vollkommer a.a.O., § 696, Rn. 10 -). Für das vorliegende Verfahren kann schon deshalb nichts Anderes gelten, weil nicht ersichtlich ist, wie der Kompetenzkonflikt auf andere Weise aufgelöst werden könnte.

8

Das Amtsgericht Aschersleben - als zentrales Mahngericht - ist für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zuständig. In Art. 1 des Staatsvertrages wurde dem Gericht die Zuständigkeit für das Mahnverfahren übertragen. Das Amtsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass § 688 Abs. 3 ZPO anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift kommt ein Mahnverfahren in den Fällen, in denen der Mahnbescheid im Ausland zugestellt werden müsste, nur dann in Betracht, wenn das Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG -) Anwendung findet. Die Anwendung beschränkt sich indes gemäß § 2 Nr. 1 AVAG auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme von Dänemark), wozu die Vereinigten Arabischen Emirate nicht zählen. Im Ergebnis ist damit der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zurückzuweisen. Im Staatsvertrag über die Bildung eines Gemeinsamen Mahngerichts wurde dem Amtsgericht Aschersleben für das Gebiet der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen die volle Zuständigkeit für die Entscheidung über Anträge übertragen, die den Erlass eines Mahnbescheides zum Gegenstand haben. Dazu zählt dann natürlich auch, den Antrag zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen für den Erlass nicht vorliegen (§ 691 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Verweisungsbeschluss an das Amtsgericht Dresden musste vor diesem Hintergrund ins Leere gehen, weil das Amtsgericht Dresden im Hinblick auf die Kompetenzübertragung an das Zentrale Mahngericht für die Entscheidung über einen Mahnbescheidsantrag nicht mehr zuständig ist. Durch die Verweisung an das Amtsgericht Dresden änderte sich am Inhalt des Antrages nichts, insbesondere wurde dadurch das Verfahren nicht von einem Mahnverfahren in ein Klageverfahren überführt.

9

Nur am Rande sei angemerkt, dass für den geltend gemachten Anspruch in Deutschland kein Gerichtsstand bestehen dürfte. Die Anwendbarkeit des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf - CISG - scheitert daran, dass die Vereinigten Arabischen Emirate nicht zu den Vertragsstaaten gehören (Übersicht bei Schlechtriem/ Schwenzer, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Auflage). Das Amtsgericht Dresden dürfte trotz vorgelegter Gerichtsstandsvereinbarung nicht zuständig sein, weil die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. Art. 23 Abs. 1 EuGVVO nicht vorliegen dürften. Soweit sich in einem solchen Fall die Zuständigkeit nach nationalem Prozessrecht richtet (Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, EuGVVO, Art. 4, Rn. 2), sind die Zuständigkeitsregelungen gemäß den §§ 12 ff. ZPO sämtlich nicht einschlägig. Dies gilt insbesondere für § 23 ZPO (dazu: Anhang I, 5. Spiegelstrich zur EuGVVO) und § 29 ZPO. Nach deutschem Prozessrecht ist für die Zuständigkeit einer Klage auf Zahlung des Kaufpreises auf den (Wohn)sitz des Schuldners abzustellen.

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Dem Beschluss des Amtsgerichts Aschersleben vom 2.12.2009 kommt keine Bindungswirkung (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO) zu, weil das Gericht den Umfang der Kompetenzübertragung durch den Staatsvertrag verkannt hat.


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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 12. Apr. 2010 - 1 AR 6/10 (Zust) zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Zivilprozessordnung - ZPO | § 29 Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts


(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. (2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 23 Besonderer Gerichtsstand des Vermögens und des Gegenstands


Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderunge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 691 Zurückweisung des Mahnantrags


(1) Der Antrag wird zurückgewiesen:1.wenn er den Vorschriften der §§ 688, 689, 690, 702 Absatz 2, § 703c Abs. 2 nicht entspricht;2.wenn der Mahnbescheid nur wegen eines Teiles des Anspruchs nicht erlassen werden kann.Vor der Zurückweisung ist der Ant

Zivilprozessordnung - ZPO | § 688 Zulässigkeit


(1) Wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro zum Gegenstand hat, ist auf Antrag des Antragstellers ein Mahnbescheid zu erlassen. (2) Das Mahnverfahren findet nicht statt:1.für Ansprüche eines Unternehmers aus eine

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 2 Begriffsbestimmungen


Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Mitgliedstaat jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union,2. Titel jede Entscheidung, jeder gerichtliche Vergleich und jede öffentliche Urkunde, auf die oder den der jeweils auszuführende Anerkennungs- und Vollstreckung

Referenzen

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro zum Gegenstand hat, ist auf Antrag des Antragstellers ein Mahnbescheid zu erlassen.

(2) Das Mahnverfahren findet nicht statt:

1.
für Ansprüche eines Unternehmers aus einem Vertrag gemäß den §§ 491 bis 508 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn der gemäß § 492 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzugebende effektive Jahreszins den bei Vertragsschluss geltenden Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs um mehr als zwölf Prozentpunkte übersteigt;
2.
wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist;
3.
wenn die Zustellung des Mahnbescheids durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müsste.

(3) Müsste der Mahnbescheid im Ausland zugestellt werden, so findet das Mahnverfahren nur insoweit statt, als das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. November 2015 (BGBl. I S. 2146) und das Auslandsunterhaltsgesetz vom 23. Mai 2011 (BGBl. I S. 898), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2018) geändert worden ist, dies vorsehen oder die Zustellung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erfolgen soll.

(4) Die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. L 399 vom 30.12.2006, S. 1; L 46 vom 21.2.2008, S. 52; L 333 vom 11.12.2008, S. 17), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, bleiben unberührt. Für die Durchführung gelten die §§ 1087 bis 1096.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Mitgliedstaat jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union,
2.
Titel jede Entscheidung, jeder gerichtliche Vergleich und jede öffentliche Urkunde, auf die oder den der jeweils auszuführende Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder das jeweils durchzuführende Abkommen nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 Anwendung findet, und
3.
Vertragsstaat jeder Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 abgeschlossen hat.

(1) Der Antrag wird zurückgewiesen:

1.
wenn er den Vorschriften der §§ 688, 689, 690, 702 Absatz 2, § 703c Abs. 2 nicht entspricht;
2.
wenn der Mahnbescheid nur wegen eines Teiles des Anspruchs nicht erlassen werden kann.
Vor der Zurückweisung ist der Antragsteller zu hören.

(2) Sollte durch die Zustellung des Mahnbescheids eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, so tritt die Wirkung mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids ein, wenn innerhalb eines Monats seit der Zustellung der Zurückweisung des Antrags Klage eingereicht und diese demnächst zugestellt wird.

(3) Gegen die Zurückweisung findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Antrag in einer nur maschinell lesbaren Form übermittelt und mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, dass diese Form dem Gericht für seine maschinelle Bearbeitung nicht geeignet erscheine. Im Übrigen sind Entscheidungen nach Absatz 1 unanfechtbar.

Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

(1) Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

(2) Eine Vereinbarung über den Erfüllungsort begründet die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.