Oberlandesgericht München Endurteil, 08. Sept. 2017 - 10 U 4665/16
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) vom 02.12.2016 wird das Endurteil des Landgerichts Passau
I. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 5.203,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.02.2015 zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 587,50 € zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
III. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 63% und der Beklagte zu 1) 37%. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 1) 37%. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin 25%. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
I.
a) Für die Bewertung des vorliegenden Falls von zentraler Bedeutung sind die Besonderheiten des Unfallhergangs. Diese stellen sich gem. den eigenen Angaben der Klägerin, zuletzt in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 08.09.2017 (S. 2/3 des Protokolls = Bl. 201/202 d.A.), i.V.m. den überzeugenden Ausführungen des dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren als sachkundig bekannten Sachverständigen M. (TU) Johann G. in seinem schriftlichen Gutachten vom 12.05.2016 (Bl. 75/98 d.A.) und seinen mündlichen Ausführungen in der o.g. Sitzung (vgl. S. 5/7 des Protokolls = Bl. 204/206 d.A.) wie folgt dar:
aa) Obwohl die Klägerin ab dem Durchfahren des Tores das volle Blickfeld in den Hof hatte und über einen Zeitraum von mindestens drei Sekunden den aus ihrer Sicht von links kommenden, rückwärtsfahrenden Beklagten-Pkw erkennen musste, und zwar auch dann, wenn sie nicht nach links, sondern, wie von ihr geschildert, ausschließlich geradeaus in Richtung des weißen Pkws, welcher sich rechts auf dem als Anlage zum Sitzungsprotokoll (o.g. Sitzung vom 08.09.2017) genommenen Luftbild befindet, blickte, und obwohl klar war, dass sich die Fahrlinien der beiden Pkws ohne Intervention zumindest eines der beiden Fahrzeugführer kreuzen würden, leitete sie keinerlei Ausweichbewegung ein. Der Beklagten-Pkw als sich bewegendes Objekt war für sie selbst aus dem Augenwinkel zu erkennen. Anders hätte sich dies nur dann verhalten, wenn die Klägerin entweder während der Fahrt die Augen geschlossen hätte oder vom Beklagten-Pkw Weg nach rechts, in Richtung der dort befindlichen Hauswand, geschaut hätte. Derartiges hat sie jedoch nicht bekundet. Im Übrigen hätte es auch wenig Sinn gemacht, nach rechts zu blicken, wenn man wie die Klägerin einen Parkplatz geradeaus, sogar leicht nach links versetzt, ansteuert. Nachdem die Klägerin den Beklagten-Pkw sogleich erkennen musste, bleibt nur der Schluss, dass sie ihn auch sogleich erkannt hat. In einem solchen Fall erfolgt normalerweise, d.h. wenn man auf die Gefahr nicht vorbereitet ist, ein – nicht mehr gedanklich zu beeinflussendes – reflexartiges Fluchtverhalten, d.h. eine Ausweichbewegung Weg von der Gefahr. Unterbleibt dieser Fluchtreflex, lässt dies – in Ermangelung anderer Erklärungen – nur den Schluss auf ein vorsätzliches Herbeiführen der Kollision zu.
bb) Selbst wenn die Klägerin noch gebremst haben sollte, wobei sie sich diesbezüglich nicht sicher war („ich meine, dass ich noch gebremst habe“; vgl. S. 2 des o.g. Protokolls = Bl. 201 d.A.) und dies vom Sachverständigen weder bestätigt noch ausgeschlossen werden konnte, wäre dies jedenfalls deutlich zu spät gewesen. Bei einer rechtzeitigen Bremsung wäre der klägerische Pkw aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 25 km/h (es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie schneller gefahren wäre) noch vor dem Beklagten-Pkw zum Stehen gekommen und wäre nicht, wie die Klägerin, mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von noch mindestens 12 km/h mit dem Beklagten-Pkw kollidiert.
cc) Auch wenn dies für die Frage des klägerischen Vorsatzes nicht von unmittelbarer Bedeutung ist, sei angemerkt, dass auch der Umstand bemerkenswert ist, dass der Beklagte zu 1) seinen Pkw in dem – naturgemäß von Hauswänden begrenzten – Innenhof rückwärtsfahrend auf eine Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 25 km/h beschleunigte, was der maximal erreichbaren Beschleunigung entsprach. Ein solches Fahrverhalten war weder verkehrsbedingt veranlasst noch haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Beklagte zu 1) etwa in einer besonderen, diese rasante Fahrweise erklärenden Gemütsverfassung befunden hätte. Ob aus diesem Indiz (neben weiteren, s.u.) über den bei der Klägerin vorliegenden Vorsatz hinaus auch auf einen solchen bei dem Beklagten zu 1) und mithin nicht nur auf einen provozierten, sondern einen verabredeten (gestellten) Unfall geschlossen werden kann, kann, weil für das Urteil nicht entscheidungserheblich, dahingestellt bleiben.
b) Die vom Erstgericht angeführten Argumente, welche gegen einen manipulierten Unfall sprechen sollen, überzeugen demgegenüber nicht:
aa) Dass der Unfall nicht zur Nachtzeit, sondern gegen 16.00 Uhr stattfand, ist angesichts des Unfallortes, eines abgelegenen Innenhofes eines sog. Vierseithofes, wo tagsüber genauso wenig wie nachts mit Zeugen zu rechnen war, vollkommen irrelevant.
bb) Auch wenn es sich bei dem klägerischen Pkw angesichts seines Alters und seiner Laufleistung tatsächlich nicht um ein Fahrzeug der Luxusklasse handelte, so ging es doch bei einem Wiederbeschaffungswert des Pkws i.H.v. immerhin 7.000,00 € (gem. privatem Schadengutachten des Sachverständigen P. Anlage K2) bzw. 6.600,00 € (gem. Sachverständigem G.) und Netto-Reparaturkosten i.H.v. immerhin 4.599,93 € nicht nur um einen geringen Schaden. Im Übrigen kommt es für die Frage des Motivs der Klägerin nicht auf die Betrachtung ex post, sondern die Betrachtung ex ante an: Dass sich die Klägerin von der Beschädigung eines Pkws BMW 850 Ci einen noch höheren Schaden versprach, erscheint zumindest ohne weiteres vorstellbar. Ob dabei auch die zusätzlich eingetretene Beschädigung des VW LT 35 und somit die Generierung eines noch höheren Gesamtschadens geplant war, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist jedoch, dass streitgegenständlich jeweils nur fiktive Reparaturkosten sind und dass die Klägerin den Vortrag der Beklagten zu 2), wenn überhaupt, hätte nur eine Notreparatur vorgenommen werden müssen, was einen erheblichen Gewinn habe erwarten lassen (vgl. S. 8 der Klageerwiderung = Bl. 21 d.A.), nicht bestritten hat.
cc) Wenn auch abermals nicht entscheidungserheblich, sei angemerkt, dass im Ersturteil wiederum nicht erwähnt worden ist, dass der Beklagten-Pkw bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall unstreitig praktisch wertlos war. Dabei handelt es sich, neben der Bekanntschaft der Unfallbeteiligten und dem o.g. Fahrverhalten des Beklagten zu 1), abermals um ein Indiz für einen nicht nur (einseitig) provozierten (ausgenutzten), sondern gestellten (verabredeten) Unfall.
dd) Dass die Schäden (Vorschäden ausgenommen) aus technischer Sicht nicht ausschließbar mit dem Unfallhergang in Einklang zu bringen sind, wäre nur bei dem Vorwurf eines fiktives Unfalls, nicht hingegen bei dem eines gestellten bzw. provozierten (wie hier) relevant. Die Beklagte zu 2) hat bereits in erster Instanz nicht nur den Einwand eines fiktiven Unfalls im engeren Sinn, sondern allgemein den Einwand eines manipulierten Unfalls erhoben. Dabei hat sie lediglich, wie im Übrigen auch das Erstgericht, die Begriffe des „fiktiven Unfalls“, des „fingierten Unfalls“, des „gestellten Unfalls“ und des „provozierten Unfalls“ nicht klar voneinander unterschieden.
ee) Dass der Beklagten-Pkw vom Gerichtssachverständigen begutachtet werden konnte, kann – unabhängig von der ohnehin nur eher untergeordneten Bedeutung dieses Indizes – zumindest dann bereits im Ansatz kein Argument gegen einen manipulierten Unfall darstellen, wenn man von einem provozierten Unfall, d.h. von Vorsatz allein auf Seiten der Klägerin, ausgeht. Was im Ersturteil wiederum nicht weiter erörtert worden ist, ist der Umstand, dass beide klägerischen Fahrzeuge vom Gerichtssachverständigen nicht besichtigt werden konnten. Tatsächlich waren diese nämlich, dem klägerischen Vortrag zur Folge, bereits am 31.05.2015 weiter verkauft worden, also bereits zu einem Zeitpunkt, als noch nicht einmal die Klageerwiderung (vom 01.07.2015) bei Gericht eingegangen war (am 07.07.2015; vgl. Bl. 14 d.A.).
II.
III.
IV.
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Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.02.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 26 O 376/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung, einschließlich der Kosten der Nebenintervention, werden der Klägerin auferlegt.
Das angefochtene sowie das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.
4Mit Zustimmung der Parteien ist durch Beschluss vom 12.03.2015 das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet worden.
5II.
6Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
7Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
8Der Klägerin steht gegen die Beklagten der mit insgesamt 7.049,34 € geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus dem Vorfall vom 29.03.2011 nicht zu. Die Haftungsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 und 2 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG, 1 PflVG sind nicht erfüllt, weil es sich erwiesenermaßen um einen sog. fingierten bzw. gestellten Unfall handelt.
9Soweit das Landgericht seine klageabweisende Entscheidung darauf gestützt hat, dass die Klägerin im Zeitpunkt des behaupteten Unfalls nicht Eigentümerin des unfallbeschädigten Fahrzeugs P A, amtliches Kennzeichen X-XX 2939, gewesen sei, kann die Frage der Aktivlegitimation dahinstehen, auch nachdem die Klägerin mit der Berufungsbegründung eine von ihr und ihrem Ehemann, dem Zeugen Q, unterzeichnete „Abtretungserklärung“ vom 16.05.2013 hinsichtlich „evt. Forderung aus dem Verkehrsunfall vom 29.03.2011“ (Anl. K6, Bl. 198 GA) vorgelegt hat.
10Die von der Klägerin geltend gemachte Beschädigung des vorgenannten Kraftfahrzeugs ist nämlich mit einer die Rechtswidrigkeit ausschließenden Einwilligung erfolgt.
11Ein Schadensersatzanspruch besteht nicht, wenn der Schädiger oder der Haftpflichtversicherer den von ihm zu führenden Nachweis (vergleiche zur Beweislast des Schädigers: BGH, Urteil vom 13.12.1977, VI ZR 206/75, zitiert nach juris) erbracht hat, dass die Rechtsgutverletzung mit Einwilligung des Verletzten erfolgte und der Verkehrsunfall manipuliert, mithin nur vorgetäuscht war. Unabhängig davon, dass in Ausnahmefällen besonders typischer Gestaltung des Unfallgeschehens der Beweis des ersten Anscheins für das Vorliegen eines gestellten Unfalls in Betracht kommt (vergleiche BGH, a.a.O.; Urteil vom 06.03.1978, VI ZR 269/76, zitiert nach juris), kann gerade die Häufung von Beweisanzeichen für eine Manipulation nach der unmittelbaren Überzeugungsbildung des Tatrichters dafür sprechen, dass ein gestellter Unfall vorliegt (vergleiche BGH, Urteil vom 13.12.1977, VI ZR 206/75). In solchen Fällen wird nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit vorausgesetzt (vergleiche BGH, a.a.O.). Es reicht vielmehr die Feststellung von Indizien aus, die in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen, das die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsgutverletzung ausschließt (vergleiche OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2004, 13 U 183/03; OLG Schleswig, Urteil vom 24.06.2010, 7 U 102/09; OLG Köln, Urteil vom 19.07.2011, 4 U 25/10; jeweils zitiert nach juris). Es kommt nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen. Entscheidend ist stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen in der Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände. Dabei mögen in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können (vergleiche OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; KG Berlin, Urteil vom 07.09.2010, 12 U 210/09, zitiert nach juris).
12Aufgrund des Sachvortrags der Parteien, des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Anhörung der Parteien sowie Zeugenvernehmung und der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst ergänzender Stellungnahme liegen hier in ihrer Gesamtheit so viele gewichtige Anzeichen für eine Unfallmanipulation vor, dass der Senat von dem Vorliegen eines sog. gestellten Verkehrsunfalls überzeugt ist.
13Für eine Unfallmanipulation spricht besonders deutlich der Umstand, dass die Schäden an den beiden beteiligten Kraftfahrzeugen P und D nicht mit dem von dem Beklagten zu 3 als Fahrer des PKW D sowie der Klägerin geschilderten Hergang des Geschehens in Einklang zu bringen sind und auch im Übrigen nicht durch ein Unfallgeschehen aus dem Verkehrsfluss heraus resultieren können. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Auswertung des Vortrags der Parteien, insbesondere der Schilderung des Hergangs durch den Beklagten zu 3 bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht, einerseits und dem Ergebnis des in zweiter Instanz eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. T nebst dessen ergänzender Stellungnahme andererseits fest.
14Der Beklagte zu 3 will mit dem PKW D beim Vorbeifahren an dem geparkten Pkw P aus Versehen nach links gelenkt und dabei das vorgenannte parkende Auto gestreift haben. Dem entspricht der Vortrag der Klägerin, wonach der Beklagte zu 3 beim Vorbeifahren mit der linken Seite des von ihm geführten Kraftfahrzeugs ihren geparkten PKW gestreift und auf der gesamten rechten Fahrzeugseite beschädigt haben soll.
15Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. T in seinem Gutachten vom 04.08.2014 festgestellt, dass an beiden beteiligten Fahrzeugen P und D Kratzspuren mit unterschiedlicher räumlicher Ausprägung, einmal mit diagonaler und einmal mit waagerechter Ausrichtung vorliegen, die mehreren Anstößen zugeordnet werden konnten. Der Sachverständige ist vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Unfallgeschehen aus dem Verkehrsfluss aus technischer Sicht nicht darstellbar sei. Damit sind die Angaben des Beklagten zu 3 sowie der Klägerin zum Hergang des vermeintlichen Unfallgeschehens als widerlegt anzusehen. Denn ein Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Feststellungen des im Bereich der Unfallrekonstruktion erfahrenen Gerichtssachverständigen Prof. T ist nicht ersichtlich. Grundlage des Gutachtens ist der Inhalt der dem Sachverständigen vorliegenden Gerichtsakten (bis Bl. 222), einschließlich dem von der Klägerin vorgelegten Schadensgutachten des Sachverständigenbüros L & Kollegen vom 04.04.2011 betreffend den PKW P (Bl. 5 ff. GA) sowie dem von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Gutachten der E vom 18.05.2011 (Bl. 52 ff. GA), ferner von den Parteien zur Verfügung gestellte Lichtbilder und Schadensgutachten zu den beiden beschädigten Fahrzeugen und ein Luftbild sowie Google-Street-View-Bild von dem Verlauf der Straße am Ort des vermeintlichen Unfalls. Durch die Analyse der Schäden, eine Wankanalyse sowie Vergleichsversuche sei – so der Sachverständige in seinem Gutachten – nach Ermittlung des Kollisionswinkels sowie der Kollisionsgeschwindigkeit die Anstreifrichtung von vorne nach hinten an dem stoßenden PKW D festzustellen gewesen. An dem PKW P – so der Sachverständige weiter – sei eine Anstreifrichtung von vorne nach hinten aber auch umgekehrt zu ermitteln gewesen, woraus zu schließen sei, dass an dem PKW P mehrere Anstöße mit unterschiedlicher Anstreifrichtung erfolgt sein müssen, die nicht aus einem Unfallereignis zu erklären seien. Den weiteren Feststellungen des Sachverständigen zufolge lagen an dem PKW D mehrere Kratzspuren sowohl mit diagonaler als auch mit waagerechter Ausrichtung vor, was für Anstöße mit unterschiedlicher Relativgeschwindigkeit spreche. Entsprechendes hat der Sachverständige an dem PKW P festgestellt. Auch dort hätten Kratzspuren mit unterschiedlicher räumlicher Ausprägung (diagonal und waagerecht) vorgelegen, ferner Spurenkreuzungen, die über einen Vergleichsversuch ebenfalls mehreren Anstößen zuzuordnen gewesen seien. Ein Unfallgeschehen aus dem Verkehrsfluss – so der Sachverständige abschließend – sei aus technischer Sicht nicht darstellbar. Die einzelnen Schritte und Ergebnisse der Unfallrekonstruktion mit Analyse der Schäden hat der Sachverständige nachvollziehbar in den Anlagen zu seinem Gutachten anhand von Erläuterungen, Lichtbildern und Skizzen dokumentiert. Der Sachverständige hat seine gutachterlichen Feststellungen im Rahmen seiner Stellungnahme vom 13.01.2015 anhand der klägerseits ergänzend gestellten Fragen erläutert. Dabei hat er nochmals ausgeführt, die Spuren an dem PKW P zeigten, dass das Fahrzeug einmal von vorne nach hinten sowie einmal von hinten nach vorne angestreift worden sei und dass die unterschiedliche Anstoßrichtung der Kratzspuren auf Unfallereignisse mit differierenden Geschwindigkeiten schließen lassen. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige sein Ergebnis bekräftigt, dass ein Unfallgeschehen wie geschildert aus technischer Sicht nicht nachvollzogen werden könne, auch nicht ein solches, bei dem der PKW D an dem PKW P festgefahren und rückwärts wieder getrennt worden wäre. Besonderheiten an dem beteiligten Fahrzeug D hinsichtlich der fehlenden Zierleiste hinten links und etwaiger Vorschäden, auf die klägerseits im Rahmen der ergänzenden Befragung hingewiesen wurde, hat der Sachverständige Rechnung getragen. Die Art und Weise der von ihm vorgenommenen Analyse hat er bei seiner Stellungnahme ergänzend erläutert. Den Feststellungen des Sachverständigen ist nach dessen Stellungnahme vom 13.01.2015 weder von Seiten der Klägerin noch von dem Beklagten zu 3 entgegengetreten worden. Von beiden ist nicht ansatzweise versucht worden, eine Erklärung für die Unvereinbarkeit ihrer Angaben zum Hergang des angeblichen Verkehrsunfalls mit den Feststellungen des Sachverständigen zu liefern.
16Eine mehrfache Kollision des Schädigerfahrzeugs gegen ein geparktes Fahrzeug, die nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen nicht als unabsichtlich zu erklären ist, spricht deutlich für das Einverständnis des Geschädigten und die Feststellung eines manipulierten Unfalls (vergleiche KG Berlin, Urteil vom 08.12.2005, 12 U 201/05, zitiert nach juris).
17Darüber hinaus sprechen hier weitere Indizien für das Vorliegen eines gestellten Unfalls:
18Beschädigt wurde mit dem PKW P A ein zum Zeitpunkt des angeblichen Unfalls etwa viereinhalb Jahre altes (Erstzulassung: 25.10.2006) durchaus werthaltiges Fahrzeug (Wiederbeschaffungswert gemäß Schadensgutachten: 13.200 €) mit einer schon erheblichen Laufleistung (am 30.03.2011: 91.501 km). Das Fahrzeug wurde nur wenige Monate vor dem Schadensfall auf die Klägerin angemeldet (Eintragung in der Zulassungsbescheinigung am 03.01.2011). Es handelt sich mithin um ein für manipulierte Unfallgeschehen typischerweise verwendetes Fahrzeug (vergleiche OLG Schleswig, Urteil vom 24.07.2010, 7 U 102/09, zitiert nach juris).
19Dasselbe gilt für das von dem Beklagten zu 3 geführte Fahrzeug D. Dieses war seinerzeit ca. 16 Jahre alt (Erstzulassung Mai 1995), wies eine Laufleistung von ca. 237.000 km auf und hatte erhebliche Vorschäden. Dies steht aufgrund der Angaben in dem beklagtenseits vorgelegten Gutachten der E vom 18.05.2011 fest. Es entspricht der typischen Vorgehensweise, einen derart wertlosen PKW bei einem gestellten Unfall als Schädigerfahrzeug einzusetzen (vergleiche Senat, Urteil vom 25.03.1994, 19 U 168/93; OLG Schleswig, a.a.O.).
20Hinzu kommt hier noch, dass der Beklagte zu 3 den von ihm geführten Pkw von einem Dritten geliehen hatte, der nach Erwerb des Fahrzeugs dieses noch nicht umgemeldet hatte. Hiervon geht der Senat aufgrund der Angaben des Beklagten zu 1 sowie des Beklagten zu 3 im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht aus, denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist. Als Halter war zum Zeitpunkt des vermeintlichen Unfalls nach wie vor der Beklagte zu 1 eingetragen, worauf die Klägerin selbst unter Vorlage der polizeilichen Unfallmitteilung (Bl. 4 GA) hingewiesen hat. Demnach entstand dem Schädiger selbst durch die Kollision kein materieller Schaden, was ebenfalls deutlich für eine Unfallmanipulation spricht (vergleiche KG Berlin, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O).
21Dass der Beklagte zu 3 bei seiner Anhörung vor dem Landgericht nicht einmal den Namen desjenigen nennen konnte, von dem er den PKW D geliehen hatte, lässt das Geschehen erst recht dubios erscheinen.
22Ein weiterer Umstand, der für eine Unfallmanipulation spricht, ist die schlechte wirtschaftliche Lage des Beklagten zu 3, über dessen Vermögen am 05.01.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war (Amtsgericht Köln, 74 IN 380/10). Finanzielle Bedrängnis eines oder beider an einem gestellten Unfall Beteiligten ist keineswegs außergewöhnlich (vergleiche OLG Köln, Urteil vom 02.03.2010, 9 U 122/09, zitiert nach juris ; OLG Schleswig, a.a.O.).
23Auch die Umstände des Vorfalls vom 29.03.2011 sprechen deutlich für eine Unfallmanipulation. Der Beklagte zu 3 will entsprechend seinen Angaben im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Landgericht durch „zwei Jungs“, die etwas auf die Straße geworfen haben, abgelenkt worden sein. Dass sich ein Fahrzeugführer dadurch bei sehr geringer Geschwindigkeit von seiner Fahrlinie abbringen lässt und gegen ein am Fahrbahnrand geparktes Fahrzeug gerät, erscheint sehr ungewöhnlich. Hat ein kaum zu erklärenden Fahrfehler zu dem angeblichen Unfall geführt, spricht auch dies für eine Unfallmanipulation (vergleiche OLG Celle, Urteil vom 25.10.2001, 14 U 73/01; OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2004, 13 U 183/03; jeweils zitiert nach juris).
24Typisch für die Konstellation eines gestellten Unfalls ist zudem die Zeit des Geschehens, nämlich spät abends (22:00 Uhr), wenn üblicherweise keine Zeugen zugegen sind (vergleiche OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Koblenz, Urteil vom 13.03.1989, 12 U 434/88; OLG Köln, Urteil vom 02.03.2010, 9 U 122/09; jeweils zitiert nach juris). So ist es auch hier: Unfallzeugen sind von den Parteien nicht benannt worden und ergeben sich auch nicht aus der polizeilichen Unfallmitteilung (Bl. 4 GA).
25Auch die Art der Kollision, nämlich (gegebenenfalls sogar mehrfaches) Streifen des am Fahrbahnrand geparkten PKW P spricht für einen gestellten Unfall. Denn für die Unfallmanipulation wird häufig eine solche Anstoßvariante gewählt, bei der einerseits nicht die Gefahr einer Verletzung besteht, andererseits aber ein beträchtlicher Sachschaden entsteht (vergleiche OLG Schleswig, a.a.O.).
26Schließlich ist darüber hinaus die Abrechnung des Schadens auf fiktiver Reparaturkostenbasis nach nicht belegter Reparatur in Eigenleistung typisch für die Schadensabwicklung nach einer Unfallmanipulation (vergleiche KG Berlin, a.a.O.).
27Es findet sich mithin eine solch bemerkenswerte Vielzahl von Indizien, die für sich betrachtet unkritisch erscheinen mögen, jedoch in ihrer Gesamtschau aufgrund der auffälligen Häufung für eine Unfallmanipulation sprechen, so dass der Senat vom Vorliegen eines sog. gestellten Unfalls überzeugt ist.
28Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagten zu 1 und 2 den Nachweis dafür, dass sich die Klägerin und der Beklagte zu 3 bereits vor dem Unfall gekannt hätten, nicht geführt haben. Denn es muss nicht zwingend eine direkte Bekanntschaft zwischen vermeintlichem Geschädigten und vermeintlichem Unfallverursacher bestehen, zumal derartige Unfallmanipulationen auch über Dritte „organisiert“ werden (OLG Schleswig, a.a.O.; Senat, Beschluss vom 23.10.2014, 19 U 79/14).
29Mangels eines Hauptanspruchs entfallen auch die auf Zinsen und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Nebenforderungen.
30III.
31Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
32IV.
33Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
34V.
35Streitwert für das Berufungsverfahren: 7.049,34 EUR
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.