Oberlandesgericht München Beschluss, 11. Aug. 2016 - 11 W 1281/16

bei uns veröffentlicht am11.08.2016

Tenor

I.

Die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 30.05.2016 - Az.: 13 T 4807/16 - und des Amtsgerichts München vom 25.02.2016 - Az.: 281 C 30021/14 - werden aufgehoben.

II.

Auf die Erinnerung der Rechtsanwälte ... wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.01.2016 dahin abgeändert, dass die den Rechtsanwälten ... aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 270,13 EUR festgesetzt wird.

Gründe

I. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter der ... KG im vorliegenden Rechtsstreit einen Rückgewähranspruch wegen insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit in Höhe von 1.200,00 € zuzüglich Zinsen geltend gemacht und vorweg die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm vom Landgericht München I (nach vorangegangener Ablehnung durch das Amtsgericht München) mit Beschluss vom 24.07.2015 unter Beiordnung der Rechtsanwälte ... bewilligt worden ist. Das Amtsgericht München hat gegen den Beklagten am 15.09.2015 ein Versäumnisurteil erlassen. Der hiergegen zunächst erhobene Einspruch ist vom Beklagten zurückgenommen worden.

Die Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 11.01.2016 die den Rechtsanwälten ... aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 227,00 € festgesetzt und dabei die Berücksichtigung der ebenfalls zur Festsetzung angemeldeten Umsatzsteuer in Höhe von 43,13 € abgelehnt.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Rechtsanwälte ... hat das Amtsgericht München mit richterlichem Beschluss vom 25.02.2016 zurückgewiesen. Die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde der beigeordneten Rechtsanwälte hat das Landgericht München I mit Kammerbeschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Beschwerdegericht im Wesentlichen ausgeführt, die Umsatzsteuer auf die Vergütung der beigeordneten Rechtsanwälte sei nicht zu berücksichtigen, da der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Der Gegner einer vorsteuerabzugsberechtigten Partei solle nicht mit der Umsatzsteuer belastet werden, wenn diese selbst aufgrund ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung mit diesem Betrag nicht belastet werde, weil sie ihn gegenüber dem Finanzamt geltend machen könne. Es sei unerheblich, dass hier die Staatskasse Vergütungsschuldner sei, da die Umsatzsteuerpflicht an die Frage anknüpfe, wer Auftraggeber des Rechtsanwalts sei. Das sei auch bei Gewährung von Prozesskostenhilfe stets die Partei selbst.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Rechtsanwälte ... mit der vom Landgericht ausdrücklich zugelassenen weiteren Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Umsatzsteuer sei gemäß der Nr. 7008 VV-RVG in voller Höhe Teil der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts. Die Regelung in § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO finde auf den vorliegenden Fall keine entsprechende Anwendung, weil es für die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nicht auf eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei ankomme. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe habe gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zur Folge, dass der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen könne. Folglich könne diese die Umsatzsteuer auch nicht als Vorsteuer geltend machen, so dass die Staatskasse im Ergebnis nicht belastet sei.

II. Die - nach ausdrücklicher Zulassung durch das Landgericht - gemäß den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG zulässige Beschwerde der Rechtsanwälte... hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Amtsgerichts steht den beigeordneten Rechtsanwälten ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Umsatzsteuer aus der Staatskasse zu.

1. Für ihre Tätigkeit als Prozessbevollmächtigte des Klägers haben die beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Staatskasse Anspruch auf eine Vergütung im Sinne der §§ 45 ff. RVG; zu dieser gehören auch die Auslagen und damit - wegen VV-RVG Nr. 7008 - die Umsatzsteuer auf den Betrag der Vergütung (siehe §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1 RVG).

2. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers, dem die Beschwerdeführer beigeordnet worden waren, wirkt sich auf die Höhe der Prozesskostenhilfevergütung nicht aus (Senatsbeschluss vom 03.12.2014 - 11 W 1962/14; ebenso OLG Hamburg, Beschluss vom 19.06.2013 - 4 W 60/13 = MDR 2013, 1194 = RVGreport 2013, 348 mit zustimmender Anm. von Hansens; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Auflage, § 46 Rn. 77; AnwK-RVG/Volpert/N. Schneider, RVG, 7. Auflage, § 55 Rn. 19 und VV 7008 Rn. 71, 74)

a) Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des Klägers, der aufgrund des Versäumnisurteils geltend gemacht werden kann, folgt aus dem Prozessrecht (§§ 91 ff.,103 ff. ZPO); dabei bedeutet die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers, dass er von dem unterlegenen Beklagten die Umsatzsteuer nicht fordern kann, weil er sie vom Finanzamt erstattet erhält, sie also für ihn ein „durchlaufender Posten“ ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2006 - II ZB 21/05 Tz. 6 = NJW-RR 2007, 285 = MDR 2007, 303). Dies hätte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs - letztlich selbstverständlich - auch für die PKH-Anwälte des Klägers gegolten, wenn diese von ihrem Beitreibungsrecht im Sinne von § 126 ZPO Gebrauch gemacht und den Kostenerstattungsanspruch ihrer Partei - wenngleich im eigenen Namen - gegen den Beklagten als Prozessgegner geltend gemacht hätten; § 126 ZPO ändert nichts daran, dass ein der Partei zustehender Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht wird.

b) Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Rechtsbeziehung zwischen dem PKH-Anwalt und seiner Partei:

1) Der anwaltliche Gebührenanspruch ergibt sich aus § 675 BGB i. V. m. den Vorschriften des RVG und hat mit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten zunächst einmal nichts zu tun.

2) Dementsprechend folgt aus der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers - in diesem Verhältnis - auch nicht etwa die Berechtigung, die Umsatzsteuer nicht zu bezahlen. Vielmehr schuldet der Kläger die Umsatzsteuer und kann sie vom Finanzamt erstattet verlangen (BGH, a. a. O., Tz 9). Nicht ersichtlich ist deshalb, wieso die Staatskasse diese Umsatzsteuer nicht ebenso zu vergüten hätte:

Der PKH-Anwalt würde diese Steuer von einer nicht bedürftigen (vorsteuerabzugsberechtigten) Partei erhalten, soll hierauf aber bei Bedürftigkeit der Partei keinen Anspruch haben, weil Schuldner dann die Staatskasse ist - und dies, obwohl die gesetzlichen Gebühren des PKH-Anwaltes wegen § 49 RVG ohnehin bereits geringer sind als die Wahlanwaltsgebühren.

c) In dem vom Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Beschluss des OLG Celle vom 04.10.2013 - 2 W 217/13 (= JurBüro 2014, 31) wird nicht ausreichend zwischen dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte, dem Gebührenanspruch des Anwaltes gegenüber dem Kläger und dem Vergütungsanspruch des PKH-Anwalts gegen die Staatskasse unterschieden (siehe OLG Celle, a. a. O., Tz. 8 und dagegen überzeugend die Anmerkung von Hansens, RVGreport 2014, 20, 21). Soweit die Gegenseite die Umsatzsteuer nicht schuldet - auch nicht dem im Wege des § 126 ZPO vorgehenden Anwalt - liegt dies an der Vorsteuerabzugsberechtigung bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs. Diesen Anspruch aber macht der PKH-Anwalt hier nicht geltend, weder gegen die eigene Partei noch gegen die Staatskasse, weshalb die Fragestellung des OLG Celle (a. a. O., Tz 8) fehl geht. Richtig müsste die Frage lauten, ob es zutreffend sein kann, dass der PKH-Anwalt von seiner Partei die Umsatzsteuer erhält, von der Staatskasse - bei Bewilligung von PKH - hingegen nicht. Dies wird von der herrschenden Meinung zutreffend verneint. Ein überzeugender Grund, den Zahlungspflichtigen Schuldner, mithin die Staatskasse, nicht damit zu belasten, ist nicht ersichtlich (so auch das OLG Hamburg, a. a. O.).

d) Der gesetzlich vorgesehene Anspruchsübergang in § 59 Abs. 1 RVG ändert hieran nichts - auch dann nicht, wenn der Prozessgegner der Staatskasse eine Vorsteuerabzugsberechtigung der bedürftigen Partei entgegenhalten kann (überzeugend Hansens, Anm. zu OLG Hamburg, a. a. O., RVGreport 2013, 348, 349). Darauf, ob die Staatskasse bei einem Vorgehen gegen die erstattungspflichtige Partei über § 59 RVG auf der Umsatzsteuer „sitzen bleibt“, kommt es nicht an; bei weiterer Betrachtung mag es sein, dass die Staatskasse den Umsatzsteuerbetrag zwar an den PKH-Anwalt auskehren muss - dieser allerdings hat ihn an das Finanzamt abzuführen, so dass die Staatskasse wieder einen entsprechenden Zuwachs erfährt.

e) Aus der pauschalen Verweisung auf § 104 Abs. 2 ZPO in § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG kann nicht der Schluss gezogen werden, dass wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Kläger die Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber der Staatskasse ausgeschlossen sein soll. Der Sinn der Verweisung auf § 104 Abs. 2 ZPO, der vorrangig das Erstattungsverhältnis zwischen den Parteien betrifft, besteht darin, für die Antragstellung des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse ebenfalls eine Glaubhaftmachung ausreichen zu lassen. Dabei passt allerdings § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht, was der Gesetzgeber hier, anders als in § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, offensichtlich übersehen hat (Hansens, RVGreport 2014, 21, unter III. 3., bzw. RVGreport 2013, 348, 349, unter IV. 1.).

f) Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 12.06.2006 - II ZB 21/05 - ausführt, der beigeordnete Rechtsanwalt könne die Umsatzsteuer gegenüber seiner zum Vorsteuerabzug berechtigten Partei (sogar aus der höheren Wahlanwaltsvergütung) geltend machen, ohne durch die Forderungssperre nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO daran gehindert zu sein, muss daraus nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass eine Festsetzung der Umsatzsteuer aus der Prozesskostenhilfevergütung gegen die Staatskasse ausgeschlossen sein soll. Hinzu kommt, dass dem vom Gericht beigeordneten Rechtsanwalt nicht zugemutet werden kann, seine Vergütung in Höhe des Nettobetrags gegen die Staatskasse geltend zu machen und die darauf anfallende Umsatzsteuer seiner bedürftigen Partei in Rechnung zu stellen.

3. Den Rechtsanwälten ... steht somit neben der bereits festgesetzten Vergütung in Höhe von 227,00 € zusätzlich die hierauf anfallende Umsatzsteuer in Höhe von 43,13 € zu. Die aus der Staatskasse an sie zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung erhöht sich damit auf 270,13 €. Dahingehend war der Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.01.2016 abzuändern.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das vorliegende Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, auch nicht im Beschwerdeverfahren (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 9 RVG).

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(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichte

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(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 55 Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse


(1) Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss hierauf werden auf Antrag des Rechtsanwalts von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 11 Festsetzung der Vergütung


(1) Soweit die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 festgestellte Pauschgebühr und die zu ersetzenden Aufwendungen (§ 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, werden sie auf Antrag des Rechtsanwalts oder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 122 Wirkung der Prozesskostenhilfe


(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass 1. die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,b) die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte geg

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 45 Vergütungsanspruch des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts


(1) Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete oder zum besonderen Vertreter im Sinne des § 41 bestellte Rechtsanwalt erhält, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten des Bundes

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 49 Wertgebühren aus der Staatskasse


Bestimmen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, werden bei einem Gegenstandswert von mehr als 4 000 Euro anstelle der Gebühr nach § 13 Absatz 1 folgende Gebühren vergütet: Gegenstands- wert bis ... EuroGebühr ... EuroGegenstands- wert bis ... E

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 59 Übergang von Ansprüchen auf die Staatskasse


(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 126 Beitreibung der Rechtsanwaltskosten


(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. (2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner

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Tenor

1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.01.2016 wird zurückgewiesen.

2. Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der ... Mit der Klage machte er einen Rückgewähranspruch aufgrund insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit gemäß §§ 129, 130 f., 134, 143 InsO in Höhe von 1.200 € zzgl. Zinsen geltend und beantragte Prozesskostenhilfe. Diese wurde ihm mit Beschluss des Landgerichts. München I vom 24.07.2015 bewilligt (Bl. 67/70 d. A.).

Am 15.09.2015 erließ das Amtsgericht München gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, der hiergegen eingelegte Einspruch wurde zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 17.12.2015 beantragte der Klägervertreter gemäß § 55 RVG die Festsetzung der von der Staatskasse zu erstattenden Prozesskostenhilfe-Vergütung in Höhe von 227 € zuzüglich 43,14 € Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV (19%).(Bl. 72/73).

Mit Schreiben des Amtsgerichts München vom 28.12.2015 wurde der Klägervertreter um Mitteilung gebeten, ob die ... zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, da in diesem Fall die Mehrwertsteuer als „durchlaufender Posten“ nicht erstattungsfähig sei.

Mit Schreiben vom 04.01.2016 (Bl. 75) führte der Klägervertreter aus, seiner Ansicht nach stehe dem Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG ein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegen die Staatskasse auch dann zu, wenn seine Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, Vergütungsschuldner sei die Staatskasse, nicht die Partei. Anders als bei der Kostenerstattung von der Gegenseite sei die Umsatzsteuer daher nicht abzuziehen, § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO finde im Festsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG keine Anwendung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.01.2016 (Bl. 76/77) wurde die aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfe auf 227 € festgesetzt. Die Mehrwertsteuer wurde dabei wegen offensichtlicher Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei nicht erstattet, da der vom Prozessbevollmächtigten in Rechnung zu stellende Mehrwertsteuerbetrag bei Vorsteuerabzugsberechtigung der „armen“ Partei für diese ein durchlaufender Posten sei.

Mit Schreiben vom 15.01.2016 (Bl. 78/80) hat der Klägervertreter gegen diesen Beschluss Erinnerung nach § 56 RVG eingelegt. Darin wird ausgeführt, die vom Amtsgericht zitierte BGH - Rechtsprechung (Beschluss vom 12.06.2006, II ZB 21/05) beziehe sich auf das Verfahren nach § 126 ZPO gegen die unterlegene gegnerische Partei. Die dort dargelegten Grundsätze wurden gegenüber der Staatskasse nicht gelten.

Die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht München I hat mit Schreiben vom 02.02.2016 (Bl. 82/84) dahingehendend Stellung genommen, die vom beigeordneten Rechtsanwalt gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 13 a Abs. 1 Nr. 1 zu entrichtende Umsatzsteuer müsse gegenüber der eigenen Partei geltend gemacht werden. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers stünde sowohl im Verfahren nach § 104 ZPO als auch im Verfahren nach § 126 ZPO dem Ansatz der Umsatzsteuer entgegen. Die Gegenseite dürfe nicht mit der vom Kläger geschuldeten Umsatzsteuer belastet werden, weil dieser deren Erstattung vom Finanzamt verlangen könne. Der Schutzzweck des § 122 ZPO stünde dem nicht entgegen, weil diese Vorschrift systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren sei. Dieselben Grundsätze gälten auch im Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse. Bei der Frage der Festsetzung der Umsatzsteuer komme es nicht darauf an, wer Vergütungsschuldner, sondern wer Auftraggeber sei. Die sei jedoch weiterhin die bedürftige Partei und nicht die Staatskasse. Da der beigeordnete Rechtsanwalt schon aus steuerrechtlichen Gründen verpflichtet sei, der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen, gebiete diese Sachbehandlung auch die Einheit der Rechtsordnung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 25.02.2016 (Bl. 89/90) wurde die Erinnerung vom 15.01.2016 zurückgewiesen. Im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG bestünde dieselbe Interessenlage wie im Verfahren nach § 126 ZPO, für das der BGH die Erstattungspflicht der eigenen Partei festgestellt habe.

II.

Die gemäß §§ 56 Abs. 1, 2 i. V. m. 33 Abs. 3 RVG eingelegte Beschwerde ist zulässig. Zwar ist der Beschwerdewert von 200 € (§ 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG) nicht erreicht. Das Amtsgericht hat aber im angefochtenen Beschluss die Beschwerde gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen. Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb von zwei Wochen gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht von der Festsetzung der Umsatzsteuer in Höhe von 43,13 € abgesehen. Bei der Festsetzung der Vergütung des dem Beschwerdeführer beigeordneten Rechtsanwalts ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen, da der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Mach § 55 Abs. 5 RVG gilt im Verfahren über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung § 104 Abs. 2 ZPO entsprechend. Gemäß § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO werden Umsatzsteuerbeträge im Kostenfestsetzungsverfahren dann berücksichtigt, wenn der Antragsteller erklärt, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Gegner einer vorsteuerabzugsberechtigten Partei nicht mit der Umsatzsteuer belastet wird, wenn diese selbst aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung in dieser Höhe letztlich nicht belastet ist, weil sie den Betrag dem Finanzamt gegenüber geltend machen kann. Diese Regelung gilt entsprechend der Verweisung des § 55 Abs. 5 RVG auch im Verfahren über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung. Wie das Amtsgericht gemäß Aktenvermerk Bl. 81 zutreffend ausführt, kann die Staatskasse im Falle der Vorsteuerabzugsberechtigung der obsiegenden Partei dem Gegner wegen § 104 ZPO nur den Nettobetrag in Rechnung stellen. Würde man die Mehrwertsteuer im Verfahren nach § 55 RVG festsetzen, müsste die Landesjustizkasse die Mehrwertsteuer letztlich allein tragen, obwohl diese für den vorsteuerabzugsberechtigten Kläger ein durchlaufender Posten wäre. Dies widerspricht dem der Prozesskostenhilfe zugrundeliegenden Prinzip, eine mittelose Partei nur in dem Umfang zu entlasten, indem sie selbst nicht zur Kostentragung in der Lage ist. Soweit die Partei jedoch durch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zur Begleichung ihrer Rechtsanwaltskosten in der Lage ist, ist ein Schuldenübernahme durch die Staatskasse nicht erforderlich. Dies führt auch nicht, wie vom Klägervertreter vorgetragen, zu einer unbilligen Verkürzung der Anwaltsbezüge. Denn der seinerseits mehrwertssteuerpflichtige Rechtsanwalt kann die Mehrwertsteuer gegenüber seiner prozesskostenhilfe- und vorsteuerabzugsberechtigten Partei geltend machen.

Dem steht auch nicht die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entgegen. Zwar bewirkt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte nicht mehr Ansprüche auf Vergütung gegen ihre Partei geltend machen können; dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 12.06.2006, II ZB 21/05 nicht für die Mehrwertsteuer, soweit die bedürftige Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist (so auch Thomas/Putzo; ZPO, 37. Auflage § 122 Rn. 3).

Der BGH führt in dieser Entscheidung aus, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung einer Partei nicht nur dem Ansatz der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren zwischen dem Kläger und dem Beklagten (§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO), sondern auch in dem Verfahren nach § 126 Abs. 1 ZPO betriebenen Verfahren entgegensteht. Wie bei einer nicht bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei ist der Rechtsanwalt darauf verwiesen, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen und darf nicht die Gegenseite damit belasten; Zwar dürfe ein Rechtsanwalt grundsätzlich nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegenüber seiner Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen. Diese Vergütung umfasse nach § 1 Abs. 1 RVG neben Gebühren auch die Auslagen des Rechtsanwalts, zu denen nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung gehört. Soweit die bedürftige Partei - ausnahmsweise - zum Abzug der Vorsteuer berechtigt sei, ist der Schutzzweck des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch nicht berührt; die Vorschrift mit ihrem zu weit gehenden Wortlaut ist systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren. Dies gebiete auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, da der Rechtsanwalt schon aus steuerrechtlichen Gründen - unter Drohung, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 UStG) - verpflichtet ist, auch der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen. Die Rechnung habe der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 UStG), also demjenigen zu erteilen, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH, Urt. v. 7. November 2000 - V R 49/99, DStR 2001, 212, 213 m.w.Nachw.). Das sei seine eigene Partei als Auftragsgeberin, nicht aber die Gegenpartei oder die Staatskasse.

Auf Basis dieser Rechnung könne eine solche Partei vom Finanzamt Erstattung der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Umsatzsteuer verlangen, so dass der Betrag - als durchlaufender Posten - wirtschaftlich nicht von der bedürftigen Partei getragen werden muss, sie deshalb nicht belastet und an einer Prozessführung nicht hindert.

Diese vom BGH skizzierten Grundsätze gelten entgegen der Auffassung des Beschwerdeführervertreters auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG.

Dafür spricht zum einen schon der klare Wortlaut der Verweisungsnorm des § 55 Abs. 5 RVG, der keinerlei Einschränkung bezüglich § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO macht. Zu Recht weist in diesem Zusammenhang das OLG Celle (2 W 217/13, Beschluss vom 04.10.2013) darauf hin, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 55 RVG bei Erlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23.07.2013 in Kenntnis der Rechtsprechung und Kommentarliteratur unverändert gelassen hat. Die Entscheidung des OLG Hamburg, auf die sich der Klägervertreter primär stützt (Beschluss vom 19.06.2013, 4 W 60/13), erfolgte vor Erlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes und konnte diese Entwicklung daher nicht berücksichtigen.

Eine teleologische Reduktion der Verweisungsnorm des § 55 Abs. 5 RVG ist zudem auch materiellrechtlich nicht erforderlich. Die Annahme des OLG Hamburg (a. a. O.), wegen der Auswechslung des Vergütungsschuldners im Prozesskostenhilfeverfahren bestehe nunmehr ein Anspruch auf Erstattung durch die Staatskasse, geht fehl, weil die Umsatzsteuerpflicht nicht an der Frage anknüpft, wer Vergütungsschuldner, sondern wer Auftraggeber ist; dies bleibt aber auch bei Gewährung von Prozesskostenhilfe stets die Partei selbst. Damit widerspricht eine Erstattung der Umsatzsteuer durch die Staatskasse der umsatzsteuerrechtlichen Systematik. Sie eröffnet zudem eine Missbrauchsgefahr dahingehend, dass die Partei den Vorsteuerabzug geltend machen könnte, ohne die Umsatzsteuer jemals selbst begleichen zu müssen.

Eine Erstattung durch die Staatskasse widerspräche zudem dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, die Partei nur insoweit zu entlasten, als sie auch tatsächlich bedürftig ist.

Gegen diese Entscheidung wird auf Antrag die weitere Beschwerde zugelassen, da zu dieser Problematik divergierende OLG - Entscheidungen vorliegen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG i. V. m. § 33 Abs. 6 RVG.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann,
2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist,
3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.

(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete oder zum besonderen Vertreter im Sinne des § 41 bestellte Rechtsanwalt erhält, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten des Bundes aus der Bundeskasse, in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Landeskasse.

(2) Der Rechtsanwalt, der nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nach § 109 Absatz 3 oder § 119a Absatz 6 des Strafvollzugsgesetzes beigeordnet oder nach § 67a Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung bestellt ist, kann eine Vergütung aus der Landeskasse verlangen, wenn der zur Zahlung Verpflichtete (§ 39 oder § 40) mit der Zahlung der Vergütung im Verzug ist.

(3) Ist der Rechtsanwalt sonst gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden, erhält er die Vergütung aus der Landeskasse, wenn ein Gericht des Landes den Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet hat, im Übrigen aus der Bundeskasse. Hat zuerst ein Gericht des Bundes und sodann ein Gericht des Landes den Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet, zahlt die Bundeskasse die Vergütung, die der Rechtsanwalt während der Dauer der Bestellung oder Beiordnung durch das Gericht des Bundes verdient hat, die Landeskasse die dem Rechtsanwalt darüber hinaus zustehende Vergütung. Dies gilt entsprechend, wenn zuerst ein Gericht des Landes und sodann ein Gericht des Bundes den Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet hat.

(4) Wenn der Verteidiger von der Stellung eines Wiederaufnahmeantrags abrät, hat er einen Anspruch gegen die Staatskasse nur dann, wenn er nach § 364b Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung bestellt worden ist oder das Gericht die Feststellung nach § 364b Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung getroffen hat. Dies gilt auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren (§ 85 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten).

(5) Absatz 3 ist im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend anzuwenden. An die Stelle des Gerichts tritt die Verwaltungsbehörde.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger, dem Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt und Rechtsanwältin ... beigeordnet wurde, hat gegen die Beklagte ein Anerkenntnisurteil erwirkt, nach dessen Ziffer 5. die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Dem Vergütungsfestsetzungsantrag der Klägervertreterin gemäß § 55 RVG, mit dem auch ein Umsatzsteuerbetrag in Höhe von € 153,75 geltend gemacht wird, hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in voller Höhe entsprochen. Hiergegen hat der Vertreter der Staatskasse Erinnerung eingelegt: Nachdem der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt sei, könne die Klägervertreterin von der Staatskasse nicht die Erstattung der Umsatzsteuer verlangen.

Das Landgericht hat diese Erinnerung mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung angeführt, es halte die Ausführungen des OLG Hamburg in dessen Beschluss vom 19.06.2013 - 4 W 60/13 für überzeugend.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Vertreters der Staatskasse, mit der er sich, insbesondere unter Verweis auf die Regelung in § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, gegen den Ansatz der Umsatzsteuer gegenüber der Staatskasse wendet.

II.

Die - nach ausdrücklicher Zulassung durch das Landgericht - gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 - 8 RVG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg; die Festsetzung des Umsatzsteuerbetrages zugunsten der beigeordneten Klägervertreterin - auch bei Vorsteuerabzugsberechtigung der obsiegenden Partei - entspricht der herrschenden Meinung und ist zutreffend:

1.) Für ihre Tätigkeit als Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die beigeordnete Anwältin gegen die Staatskasse Anspruch auf eine Vergütung im Sinne der §§ 45 ff. RVG; zu dieser gehören auch die Auslagen und damit - wegen VV-RVG Nr. 7008 - die Umsatzsteuer auf den Betrag der Vergütung (s. § 56 Abs. 1 RVG - für eine entsprechende Ausnahme ist hier nichts ersichtlich).

2.) Es würde demgemäß einer überzeugenden Begründung dafür bedürfen, die Umsatzsteuer nicht gegenüber der Staatskasse festzusetzen:

a) Eine solche Begründung ergibt sich nicht aus dem vom Bezirksrevisor herangezogenen Beschluss des OLG Celle vom 04.10.2013 - 2 W 217/13, = JurBüro 14, 31. Der Senat teilt die Auffassung von Hansens, wonach dort nicht ausreichend zwischen einerseits dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte, dem Gebührenanspruch des Anwaltes gegenüber dem Kläger und - drittens - dem Vergütungsanspruch des PKH-Anwaltes gegen die Staatskasse unterschieden wird (s. OLG Celle, a. a. O., Tz 8 und dagegen überzeugend Hansens, RVGreport 14, 20, 21 Sp.).

b) Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des Klägers, der aufgrund des Versäumnisurteils geltend gemacht werden kann, folgt aus dem Prozessrecht (§§ 91 ff.,103 ff. ZPO); dabei bedeutet die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers, dass er von der unterlegenen Beklagten die Umsatzsteuer nicht fordern kann (weil er sie vom Finanzamt erstattet erhält, sie also ein „durchlaufender Posten“ ist, s. BGH, Beschl. v. 12.06.2006 - II ZB 21/05 Tz 6). Dies gilt - letztlich selbstverständlich - auch für den PKH-Anwalt des Klägers, wenn er von seinem Beitreibungsrecht im Sinne von § 126 ZPO Gebrauch macht und den Kostenerstattungsanspruch seiner Partei - wenngleich im eigenen Namen - durchsetzt; § 126 ZPO ändert nichts daran, dass der Kostenerstattungsanspruch der Partei geltend gemacht wird.

c) Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Rechtsbeziehung zwischen dem PKH-Anwalt und seiner Partei:

Der anwaltliche Gebührenanspruch ergibt sich aus §§ 675 BGB i. V. m. den Vorschriften des RVG und hat mit dem prozessualen Kostenanspruch des Klägers gegen die Beklagte zunächst einmal nichts zu tun.

Dementsprechend folgt aus der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers - in diesem Verhältnis - auch nicht etwa die Berechtigung, die Umsatzsteuer nicht zu bezahlen. Vielmehr schuldet der Kläger die Umsatzsteuer und kann sie vom Finanzamt erstattet verlangen (BGH, a. a. O., Tz 9). Nicht ersichtlich ist deshalb, wieso die Staatskasse diese Umsatzsteuer nicht ebenso zu vergüten hätte:

Der PKH-Anwalt würde diese Steuer von einer nicht bedürftigen (vorsteuerabzugsberechtigten) Partei erhalten, soll hierauf aber bei Bedürftigkeit der Partei keinen Anspruch haben, weil Schuldner dann die Staatskasse ist (richtig daher der Gedanke der Rechtspflegerin in der Nichtabhilfeentscheidung) - und dies, obwohl die gesetzlichen Gebühren des PKH-Anwaltes wegen § 49 RVG ohnehin bereits geringer sind als die sonstigen (zutreffend Hansens a. a. O., S. 21, re. Sp. oben).

d) Soweit die Gegenseite die Umsatzsteuer nicht schuldet - auch nicht dem im Wege des § 126 ZPO vorgehenden Anwaltes - liegt dies an der Vorsteuerabzugsberechtigung bezüglich des Kostenerstattungsanspruches. Diesen Anspruch aber macht der PKH-Anwalt hier nicht geltend, weder gegen die eigene Partei noch gegen die Staatskasse, weshalb die Fragestellung des OLG Celle, a. a. O., Tz 8 fehl geht. Richtig müsste die Frage lauten, ob es zutreffend sein kann, dass der PKH-Anwalt von seiner Partei die Umsatzsteuer erhält, von der Staatskasse - bei Bewilligung von PKH -hingegen nicht. Dies wird von der herrschenden Meinung zutreffend verneint. Ein überzeugender Grund, den zahlungspflichtigen Schuldner, mithin die Staatskasse, nicht damit zu belasten, ist nicht ersichtlich (so auch das OLG Hamburg in dem vom Landgericht zitierten Beschluss vom 19.06.2013 - 4 W 60/13 Tz 7, dessen Ausführungen auch der Senat für zutreffend hält).

e) Der gesetzlich vorgesehene Anspruchsübergang in § 59 Abs. 1 RVG ändert hieran nichts - auch dann nicht, wenn der Prozessgegner der Staatskasse eine Vorsteuerabzugsberechtigung der bedürftigen Partei entgegenhalten kann (überzeugend Hansens, Anm. zu OLG Hamburg, a. a. O., RVGreport 13, 348, 349). Nichts anderes kann aus dem - pauschalen - Verweis auf § 104 Abs. 2 ZPO in § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG folgen, weil § 104 Abs. 2 ZPO eine Regelung aus dem Erstattungsverhältnis zwischen den Parteien darstellt (wobei ohnehin nur Satz 3 dieses Absatzes nicht paßt, was der Gesetzgeber hier, anders als in § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, offensichtlich übersehen hat - richtig daher Hansens, RVGreport 14, 21, unter III. 3., bzw. RVGreport 13, 348, 349, unter IV. 1.).

f) Darauf, ob die Staatskasse bei einem Vorgehen gegen die erstattungspflichtige Partei über § 59 RVG auf der Umsatzsteuer „sitzenbleibt“, kommt es nicht an; bei weiterer Betrachtung mag es sein, dass die Staatskasse den Umsatzsteuerbetrag zwar an den PKH-Anwalt auskehren muss - dieser allerdings hat ihn an das Finanzamt abzuführen, weshalb eine andere staatliche „Tasche“ einen entsprechenden Zuwachs erfährt.

3.) Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, auch nicht im Beschwerdeverfahren (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 9 RVG).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 21/05
vom
12. Juni 2006
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Satz 2
Bei der Kostenfestsetzung nach § 126 Abs. 1 ZPO kann der beigeordnete
Rechtsanwalt von der unterlegenen Partei nicht die Erstattung von Mehrwertsteuer
auf die Honorarforderung fordern. Für die arme, zum Abzug der Vorsteuer
berechtigte Partei ist der ihr von dem Prozessbevollmächtigten in Rechnung
zu stellende Mehrwertsteuerbetrag ein durchlaufender Posten.
BGH, Beschl. vom 12. Juni 2006 - II ZB 21/05 - OLG Dresden
LG Zwickau
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. August 2005 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 211,44 €

Gründe:


1
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH S. (Schuldnerin). In dieser Eigenschaft hat er den Beklagten als vormaligen Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Schuldnerin erstinstanzlich auf Zahlung in Anspruch genommen. Für die Klage wurde ihm antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsbeschwerdeführers bewilligt. Das Landgericht hat durch Urteil vom 6. Juli 2005 der Klage im Wesentlichen stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
2
Bereits zuvor war dem Rechtsbeschwerdeführer auf dessen Antrag gemäß §§ 47, 55 RVG durch die Staatskasse ein Vorschuss von 1.208,14 €, einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 166,64 €, gewährt worden. Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils hat der Rechtsbeschwerdeführer für den - vorsteuerabzugsberechtigten - Kläger Kostenfestsetzung hinsichtlich der Differenz zwischen den Prozesskostenhilfe- und den Wahlanwaltsgebühren in Höhe von netto 1.321,50 € und gleichzeitig im eigenen Namen nach § 126 ZPO die Festsetzung der auf diesen Differenzbetrag entfallenden Umsatzsteuer von 211,44 € gegenüber dem Beklagten beantragt.
3
Das Landgericht hat die Festsetzung der Umsatzsteuer abgelehnt, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
4
II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsbeschwerdeführer könne nach § 126 Abs. 1 ZPO nur solche Beträge geltend machen, die der Beklagte dem Kläger erstatten müsse. Hierzu zähle die Umsatzsteuer wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers nicht. Davon abgesehen stehe § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einer Inanspruchnahme des Klägers durch den Rechtsbeschwerdeführer für die im Verfahren angefallene Honorarforderung und die darauf entfallende Umsatzsteuer entgegen.
5
III. Die dagegen gerichteten Angriffe der gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässigen Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht einen Anspruch des Rechtsbeschwerdeführers nach § 126 Abs. 1 ZPO auf Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Beklagten verneint.
6
1. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Rechtsbeschwerdeführer hier Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht hat, die - auch in Form des Differenzbetrages zur Wahlanwaltsvergütung - der Umsatzsteuer unterliegen, und dass er deswegen nach § 13 a Abs. 1 Nr. 1 UStG als Steuerschuldner zur Abführung der auf die gesamte Honorarforderung entfallenden Umsatzsteuer verpflichtet ist. Nur im Ergebnis zutreffend ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass der Rechtsbeschwerdeführer den auf den Differenzbetrag entfallenden, abzuführenden Umsatzsteueranteil nicht gegenüber dem Beklagten geltend machen kann. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers steht nicht nur dem Ansatz der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren zwischen dem Kläger und dem Beklagten (§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO), sondern auch in dem von dem Rechtsbeschwerdeführer nach § 126 Abs. 1 ZPO betriebenen Verfahren entgegen. Wie bei einer nicht bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei ist der Rechtsbeschwerdeführer darauf verwiesen, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen und darf nicht die Gegenseite damit belasten , wie dies der Rechtsbeschwerdeführer für sachgerecht hält.
7
2. Dem steht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen (a.A. OLG Koblenz JurBüro 1997, 588; OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 29 f.). Zwar darf ein Rechtsanwalt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegenüber seiner Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen. Diese Vergütung umfasst nach § 1 Abs. 1 RVG neben Gebühren auch die Auslagen des Rechtsanwalts, zu denen nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung gehört. Soweit die bedürftige Partei - ausnahmsweise - zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, ist der Schutzzweck des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch nicht berührt; die Vorschrift mit ihrem zu weit gehenden Wortlaut ist systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren.
8
a) Der vom Gesetzgeber mit der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO intendierte Schutz der bedürftigen Partei hindert die Geltendmachung der Umsatzsteuer durch den Prozessbevollmächtigten ihr gegenüber nicht. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass kein Bürger an der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte deshalb gehindert wird, weil er nicht zur Aufbringung der Prozesskosten in der Lage ist (BT-Drucks. 8/3068, S. 17). Die bedürftige Partei schuldet danach zwar dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt die (Wahlanwalts-)Vergütung. Der Anspruch des Rechtsanwalts unterliegt jedoch bis zur Aufhebung der Bewilligung nach § 124 ZPO einer Forderungssperre (Bork in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 121 Rdn. 30; § 126 Rdn. 12; Zöller/ Philippi, ZPO 25. Aufl. § 122 Rdn. 11 f. jew. m.w.Nachw.). Die bedürftige Partei soll nicht mit Kosten belastet werden, zu deren Aufbringung sie nicht in der Lage ist.
9
Diese Gefahr besteht bei einem bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer hinsichtlich der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nicht. Auf Basis der Rechnung des Rechtsanwalts kann eine solche Partei vom Finanzamt Erstattung der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Umsatzsteuer verlangen, so dass der Betrag - als durchlaufender Posten - wirtschaftlich nicht von der bedürftigen Partei getragen werden muss, sie deshalb nicht belastet und an einer Prozessführung nicht hindert. Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigte Partei für die ihr seitens des Anwalts in Rechnung gestellte Umsatzsteuer - ausnahmsweise - keine Vorsteuererstattung erhält.
10
b) Zudem gebietet auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass die Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber der bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei von der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht erfasst wird. Die in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (OLG Koblenz aaO; OLG Düsseldorf aaO) vertretene Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, auf die sich der Rechtsbeschwerdeführer beruft, setzt sich darüber hinweg, dass der Rechtsbeschwerdeführer schon aus steuerrechtlichen Gründen - unter Drohung, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 UStG) - verpflichtet ist, auch der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen. Die Rechnung hat der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 UStG), also demjenigen zu erteilen, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH, Urt. v. 7. November 2000 - V R 49/99, DStR 2001, 212, 213 m.w.Nachw.). Das ist der Kläger, nicht aber der Beklagte oder die Staatskasse.
11
c) Diese Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht darüber hinaus in Einklang mit der Überlegung, dass es ersichtlich nicht gerechtfertigt ist, den unterlegenen Gegner allein deshalb mit höheren Kosten zu belasten, weil die vorsteuerabzugsberechtigte obsiegende Partei bedürftig im Sinne der Prozesskostenhilfevorschriften ist.

Goette Kurzwelly Gehrlein
Strohn Caliebe
Vorinstanzen:
LG Zwickau, Entscheidung vom 06.07.2005 - 2 O 1286/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 23.08.2005 - 3 W 974/05 -

(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.

(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

Bestimmen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, werden bei einem Gegenstandswert von mehr als 4 000 Euro anstelle der Gebühr nach § 13 Absatz 1 folgende Gebühren vergütet:

Gegenstands-
wert
bis ... Euro
Gebühr
... Euro
Gegenstands-
wert
bis ... Euro
Gebühr
... Euro
5 00028422 000399
6 00029525 000414
7 00030630 000453
8 00031735 000492
9 00032840 000531
10 00033945 000570
13 00035450 000609
16 000369über
50 000

659
19 000384

(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.

(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.

(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beigeordneten oder nach § 67a Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung bestellten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht der Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden.

(2) Für die Geltendmachung des Anspruchs sowie für die Erinnerung und die Beschwerde gelten die Vorschriften über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend. Ansprüche der Staatskasse werden bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Ist das Gericht des ersten Rechtszugs ein Gericht des Landes und ist der Anspruch auf die Bundeskasse übergegangen, wird er insoweit bei dem jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes angesetzt.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend bei Beratungshilfe.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss hierauf werden auf Antrag des Rechtsanwalts von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts, das den Verteidiger bestellt hat.

(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen, erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts des Rechtszugs, solange das Verfahren nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet ist.

(3) Im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) erfolgt die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt.

(4) Im Fall der Beratungshilfe wird die Vergütung von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des in § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes bestimmten Gerichts festgesetzt.

(5) § 104 Absatz 2 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

(6) Der Urkundsbeamte kann vor einer Festsetzung der weiteren Vergütung (§ 50) den Rechtsanwalt auffordern, innerhalb einer Frist von einem Monat bei der Geschäftsstelle des Gerichts, dem der Urkundsbeamte angehört, Anträge auf Festsetzung der Vergütungen, für die ihm noch Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen, einzureichen oder sich zu den empfangenen Zahlungen (Absatz 5 Satz 2) zu erklären. Kommt der Rechtsanwalt der Aufforderung nicht nach, erlöschen seine Ansprüche gegen die Staatskasse.

(7) Die Absätze 1 und 5 gelten im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. An die Stelle des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle tritt die Verwaltungsbehörde.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Soweit die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 festgestellte Pauschgebühr und die zu ersetzenden Aufwendungen (§ 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, werden sie auf Antrag des Rechtsanwalts oder des Auftraggebers durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Getilgte Beträge sind abzusetzen.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Vor der Festsetzung sind die Beteiligten zu hören. Die Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren mit Ausnahme des § 104 Absatz 2 Satz 3 der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen gelten entsprechend. Das Verfahren vor dem Gericht des ersten Rechtszugs ist gebührenfrei. In den Vergütungsfestsetzungsbeschluss sind die von dem Rechtsanwalt gezahlten Auslagen für die Zustellung des Beschlusses aufzunehmen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt; dies gilt auch im Verfahren über Beschwerden.

(3) Im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit wird die Vergütung vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt. Die für die jeweilige Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren gelten entsprechend.

(4) Wird der vom Rechtsanwalt angegebene Gegenstandswert von einem Beteiligten bestritten, ist das Verfahren auszusetzen, bis das Gericht hierüber entschieden hat (§§ 32, 33 und 38 Absatz 1).

(5) Die Festsetzung ist abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hat der Auftraggeber bereits dem Rechtsanwalt gegenüber derartige Einwendungen oder Einreden erhoben, ist die Erhebung der Klage nicht von der vorherigen Einleitung des Festsetzungsverfahrens abhängig.

(6) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend.

(7) Durch den Antrag auf Festsetzung der Vergütung wird die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten bei Rahmengebühren nur, wenn die Mindestgebühren geltend gemacht werden oder der Auftraggeber der Höhe der Gebühren ausdrücklich zugestimmt hat. Die Festsetzung auf Antrag des Rechtsanwalts ist abzulehnen, wenn er die Zustimmungserklärung des Auftraggebers nicht mit dem Antrag vorlegt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 21/05
vom
12. Juni 2006
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Satz 2
Bei der Kostenfestsetzung nach § 126 Abs. 1 ZPO kann der beigeordnete
Rechtsanwalt von der unterlegenen Partei nicht die Erstattung von Mehrwertsteuer
auf die Honorarforderung fordern. Für die arme, zum Abzug der Vorsteuer
berechtigte Partei ist der ihr von dem Prozessbevollmächtigten in Rechnung
zu stellende Mehrwertsteuerbetrag ein durchlaufender Posten.
BGH, Beschl. vom 12. Juni 2006 - II ZB 21/05 - OLG Dresden
LG Zwickau
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juni 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. August 2005 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 211,44 €

Gründe:


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I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH S. (Schuldnerin). In dieser Eigenschaft hat er den Beklagten als vormaligen Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Schuldnerin erstinstanzlich auf Zahlung in Anspruch genommen. Für die Klage wurde ihm antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsbeschwerdeführers bewilligt. Das Landgericht hat durch Urteil vom 6. Juli 2005 der Klage im Wesentlichen stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
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Bereits zuvor war dem Rechtsbeschwerdeführer auf dessen Antrag gemäß §§ 47, 55 RVG durch die Staatskasse ein Vorschuss von 1.208,14 €, einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 166,64 €, gewährt worden. Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils hat der Rechtsbeschwerdeführer für den - vorsteuerabzugsberechtigten - Kläger Kostenfestsetzung hinsichtlich der Differenz zwischen den Prozesskostenhilfe- und den Wahlanwaltsgebühren in Höhe von netto 1.321,50 € und gleichzeitig im eigenen Namen nach § 126 ZPO die Festsetzung der auf diesen Differenzbetrag entfallenden Umsatzsteuer von 211,44 € gegenüber dem Beklagten beantragt.
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Das Landgericht hat die Festsetzung der Umsatzsteuer abgelehnt, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
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II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsbeschwerdeführer könne nach § 126 Abs. 1 ZPO nur solche Beträge geltend machen, die der Beklagte dem Kläger erstatten müsse. Hierzu zähle die Umsatzsteuer wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers nicht. Davon abgesehen stehe § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einer Inanspruchnahme des Klägers durch den Rechtsbeschwerdeführer für die im Verfahren angefallene Honorarforderung und die darauf entfallende Umsatzsteuer entgegen.
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III. Die dagegen gerichteten Angriffe der gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässigen Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht einen Anspruch des Rechtsbeschwerdeführers nach § 126 Abs. 1 ZPO auf Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Beklagten verneint.
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1. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Rechtsbeschwerdeführer hier Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht hat, die - auch in Form des Differenzbetrages zur Wahlanwaltsvergütung - der Umsatzsteuer unterliegen, und dass er deswegen nach § 13 a Abs. 1 Nr. 1 UStG als Steuerschuldner zur Abführung der auf die gesamte Honorarforderung entfallenden Umsatzsteuer verpflichtet ist. Nur im Ergebnis zutreffend ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass der Rechtsbeschwerdeführer den auf den Differenzbetrag entfallenden, abzuführenden Umsatzsteueranteil nicht gegenüber dem Beklagten geltend machen kann. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers steht nicht nur dem Ansatz der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren zwischen dem Kläger und dem Beklagten (§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO), sondern auch in dem von dem Rechtsbeschwerdeführer nach § 126 Abs. 1 ZPO betriebenen Verfahren entgegen. Wie bei einer nicht bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei ist der Rechtsbeschwerdeführer darauf verwiesen, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen und darf nicht die Gegenseite damit belasten , wie dies der Rechtsbeschwerdeführer für sachgerecht hält.
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2. Dem steht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen (a.A. OLG Koblenz JurBüro 1997, 588; OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 29 f.). Zwar darf ein Rechtsanwalt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegenüber seiner Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen. Diese Vergütung umfasst nach § 1 Abs. 1 RVG neben Gebühren auch die Auslagen des Rechtsanwalts, zu denen nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung gehört. Soweit die bedürftige Partei - ausnahmsweise - zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, ist der Schutzzweck des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch nicht berührt; die Vorschrift mit ihrem zu weit gehenden Wortlaut ist systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren.
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a) Der vom Gesetzgeber mit der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO intendierte Schutz der bedürftigen Partei hindert die Geltendmachung der Umsatzsteuer durch den Prozessbevollmächtigten ihr gegenüber nicht. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass kein Bürger an der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte deshalb gehindert wird, weil er nicht zur Aufbringung der Prozesskosten in der Lage ist (BT-Drucks. 8/3068, S. 17). Die bedürftige Partei schuldet danach zwar dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt die (Wahlanwalts-)Vergütung. Der Anspruch des Rechtsanwalts unterliegt jedoch bis zur Aufhebung der Bewilligung nach § 124 ZPO einer Forderungssperre (Bork in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 121 Rdn. 30; § 126 Rdn. 12; Zöller/ Philippi, ZPO 25. Aufl. § 122 Rdn. 11 f. jew. m.w.Nachw.). Die bedürftige Partei soll nicht mit Kosten belastet werden, zu deren Aufbringung sie nicht in der Lage ist.
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Diese Gefahr besteht bei einem bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer hinsichtlich der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nicht. Auf Basis der Rechnung des Rechtsanwalts kann eine solche Partei vom Finanzamt Erstattung der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Umsatzsteuer verlangen, so dass der Betrag - als durchlaufender Posten - wirtschaftlich nicht von der bedürftigen Partei getragen werden muss, sie deshalb nicht belastet und an einer Prozessführung nicht hindert. Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigte Partei für die ihr seitens des Anwalts in Rechnung gestellte Umsatzsteuer - ausnahmsweise - keine Vorsteuererstattung erhält.
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b) Zudem gebietet auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass die Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber der bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei von der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht erfasst wird. Die in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (OLG Koblenz aaO; OLG Düsseldorf aaO) vertretene Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, auf die sich der Rechtsbeschwerdeführer beruft, setzt sich darüber hinweg, dass der Rechtsbeschwerdeführer schon aus steuerrechtlichen Gründen - unter Drohung, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 UStG) - verpflichtet ist, auch der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen. Die Rechnung hat der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 UStG), also demjenigen zu erteilen, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH, Urt. v. 7. November 2000 - V R 49/99, DStR 2001, 212, 213 m.w.Nachw.). Das ist der Kläger, nicht aber der Beklagte oder die Staatskasse.
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c) Diese Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht darüber hinaus in Einklang mit der Überlegung, dass es ersichtlich nicht gerechtfertigt ist, den unterlegenen Gegner allein deshalb mit höheren Kosten zu belasten, weil die vorsteuerabzugsberechtigte obsiegende Partei bedürftig im Sinne der Prozesskostenhilfevorschriften ist.

Goette Kurzwelly Gehrlein
Strohn Caliebe
Vorinstanzen:
LG Zwickau, Entscheidung vom 06.07.2005 - 2 O 1286/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 23.08.2005 - 3 W 974/05 -

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann,
2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist,
3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.

(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.

(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.

(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.