Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 11. Nov. 2013 - 3 U 790/13
Gericht
Tenor
Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 04. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 11. Juni 2013 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
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Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 13. Dezember 2013. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:
I.
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Die Klägerin macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend. Der Beklagte betreibt in S. ein Reinigungsunternehmen. Die Tür zum Eingangsbereich weist einen mindestens ca. 20 cm hohen Absatz dergestalt auf, dass das Niveau des Fußbodens im Geschäft höher als der untere Abschluss der Türkante liegt und die nach außen hin sich öffnende Tür unmittelbar an diesem Absatz schließt. Die Klägerin war bereits zum zweiten Mal in der Reinigung des Beklagten. Am 26.04.2010 gegen 14:00 Uhr suchte sie die Räumlichkeiten auf, um dort für einen Bekannten ein Kleidungsstück (Hose) abzuholen. Sie ging mit dem Kleidungsstück in der rechten Hand wieder nach draußen und öffnete dazu mit der linken Hand die Tür. Dabei fiel sie aufgrund des vorhandenen Absatzes im Bereich der Tür hin.
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Die Klägerin hat vorgetragen,
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die Unfallstelle sei nicht ordnungsgemäß abgesichert gewesen bzw. es habe ein entsprechender Hinweis auf die Stolperfalle im Eingangsbereich gefehlt. Der Absatz entspreche nicht den baulichen Standards und sei in dieser Form rechtlich unzulässig bzw. zu kennzeichnen. So hätten ohne großen Aufwand sowohl an der Innentür als auch an der Außentür ein deutlicher optischer Hinweis „Achtung, Stufe!" und schwarz-gelbe Markierungen an dem Absatz angebracht werden können. Beim Verlassen der Wäscherei sei der Absatz, der direkt nach dem Öffnen der Tür folge, nicht erkennbar. Der Stufenabsatz verstoße gegen DIN-Vorschriften, etwa die DIN 18065 und die DIN 4844-1. Auch die Vorgaben der Arbeitsstätten-Richtlinie zu Verkehrswegen in Verbindung mit der Arbeitsstättenverordnung seien nicht eingehalten.
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Bei dem Sturz habe sie sich eine Radiusfraktur rechts (Handgelenk) zugezogen (vgl. das Attest der Dres. H. und M. vom 03.08.2010, GA 5). In der Zeit vom 26.04.2010 bis 28.05.2010, während der ihr rechter Arm in Gips gelegt gewesen sei, sei sie deshalb zu 100 % arbeitsunfähig gewesen, im Zeitraum 29.05.2010 bis 12.06.2010 noch zu 50 %. Sie leide weiter an Bewegungseinschränkungen des rechten Armes und der weitere Heilungsverlauf sei noch nicht abzusehen.
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Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei ihr zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 8.000,00 € verpflichtet (Antrag Nr. 1). Des Weiteren hat die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich künftiger materieller und immaterieller Schäden aus dem Unfall (Antrag Nr. 2) begehrt. Sie hat zudem Fahrtkosten von 33,00 €, Attestkosten von 56,25 €, eine allgemeine Kostenpauschale von 25,- € und einen Haushaltführungsschaden für den Zeitraum 26.04.2010 bis 12.06.2010 in Höhe von 2.736,- € geltend gemacht, letzteren unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Zeitaufwandes für den Haushalt von 42 Stunden und eines Netto-Stundenlohnes von 11,- € (Antrag Nr. 3).
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2010 zu zahlen,
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2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 26.04.2010 in S. zu erstatten, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergingen,
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3. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.850,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 2.249,25 € seit dem 14.06.2010 sowie aus weiteren 601,00 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat vorgetragen,
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die Klägerin selbst habe direkt nach dem Sturz geäußert, es sei ihre Schuld und es sei nichts passiert. Der Absatz sei verkehrssicher und im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung durch die Berufsgenossenschaft am 07.09.2010 als ordnungsgemäß und verkehrssicher abgenommen worden. Bisher sei auch kein anderer Kunde dort zu Fall gekommen. Die Klägerin sei aufgrund eigener Ungeschicklichkeit gestürzt, der Absatz hätte ihr schon vom Betreten her bekannt sein müssen. Eine fehlende Markierung sei hier zudem gar nicht ursächlich für den Sturz der Klägerin gewesen, da sie nach eigener Darstellung beim Verlassen des Gebäudes abgelenkt gewesen sei und überhaupt nicht auf den Ausgang geachtet habe, somit auch eine Markierung gar nicht gesehen hätte.
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Die vorgetragenen Schadenspositionen seien zu bestreiten, der Vortrag zum Haushaltsführungsschaden sei unsubstantiiert und die Schmerzensgeldvorstellung der Klägerin überhöht.
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Das Landgericht hat durch Teil- und Grundurteil vom 11. Juni 2013 den Beklagten verurteilt,
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1. an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 20.05.2011 zu zahlen;
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2. Es hat festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, die zukünftigen materiellen Schäden der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 26.04.2010 in S. zu 50 % zu erstatten, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergingen. Es ist weiter festgestellt worden, dass der Beklagte verpflichtet sei, die zukünftigen, derzeit noch nicht hinreichend vorhersehbaren immateriellen Schäden der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 26.04.2010 in S. unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens zu erstatten. Im Übrigen sind die Klageanträge Nr. 1 und 2 abgewiesen worden.
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Das Landgericht hat schließlich den auf Ausgleich der materiellen Schäden gerichtete Klageantrag Nr. 3 dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt erklärt.
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Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, bezüglich der Klageanträge Nr. 1 und 2 sei die Klage bereits zur Entscheidung reif, weshalb das Gericht insoweit durch Teilurteil (§ 301 ZPO) erkannt habe. Über den Klageantrag Nr. 3 habe dagegen lediglich durch Grundurteil entschieden werden können (vgl. § 301 Abs. 1 Satz 2, 304 ZPO), nachdem die Höhe der der Klägerin aus dem Unfall entstandenen materiellen Schäden noch weiterer Aufklärung bedürfe.
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Der Beklagte sei der Klägerin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 2.000,00 € verpflichtet. Der Anspruch ergebe sich aus der Verletzung nachvertraglicher Schutzpflichten sowie nach Deliktsrecht. Die Ausgestaltung des Stufenabsatzes im Bereich der Ein-/Ausgangstür des Reinigungsunternehmens des Beklagten in S. habe zum Unfallzeitpunkt nicht den Sicherheitsanforderungen des Kundenverkehrs entsprochen. Der Beklagte habe schuldhaft die Verkehrssicherungspflicht verletzt.
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Allerdings müsse der Pflichtige nicht für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügten diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar seien. Sie könnten von einem Hinweis auf die Gefahr bis zur Beseitigung der Gefahrenquelle reichen. Erforderlich seien die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Der Dritte sei dabei in der Regel nur von den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden könne. Die Maßnahmen zur Vermeidung oder Abwendung der Gefahr müssten dem Pflichtigen, auch wirtschaftlich, zumutbar sein. Je größer die Wahrscheinlichkeit der Schädigung sei und je schwerer der drohende Schaden, desto höher ist das Maß des Erforderlichen. Für bestimmte Berufsgruppen, Gegenstände oder Tätigkeiten werde der Inhalt der Pflicht konkretisiert durch Regelwerke wie DIN-Vorschriften, Unfallverhütungsvorschriften oder allgemeine berufliche Standards. Allerdings habe der Verpflichtete selbständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen erforderlich seien. Nach diesen Maßstäben sei der Ein-/Ausgang zu beanstanden. Aus den von Beklagtenseite vorgelegten Lichtbildern und der Stellungnahme der Kreisverwaltung gehe hervor, dass der Stufenabsatz die nach DIN 18065 für notwendige Treppen vorgeschriebene maximale Treppensteigung von 19 cm übersteige. Die Situation vor Ort entspreche auch nicht der erteilten Baugenehmigung. Nach den genehmigten Unterlagen sei kein Höhenunterschied zwischen Erdgeschossfußboden der Wäscherei und dem Hof dargestellt, außerdem habe die Eingangstür nach innen aufgehen sollen. Die Berufsgenossenschaft habe - ausweislich ihrer Stellungnahme - bei ihrem Besichtigungstermin am 07.09.2010 Zustand und Beschaffenheit der Stufe überhaupt nicht überprüft. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord weise in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass nach der Arbeitsstättenrichtlinie Fußböden ASR 8/1 die Kenntlichmachung einer Stufe durch eine gelb-schwarz gestreifte Markierung gemäß DIN 4844 und evtl. ein Hinweisschild „Vorsicht Stufe" erforderlich wäre und zudem eine ausreichende Beleuchtung gewährleistet sein müsse.
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Ob die vorgenannten Vorschriften unmittelbar anwendbar seien, könne dabei letztlich offen bleiben. Betrachte man sich die eingereichten Fotos, so werde deutlich, dass es hier nicht um einen erkennbaren Niveauunterschied oder eine Schwelle, ein Rost oder eine Schiene gehe, mit welchen in Türbereichen allgemein zu rechnen sei. Die besondere Gefährlichkeit der Situation ergebe sich vielmehr daraus, dass zwar derjenige, der von außen die Tür öffne, um die Reinigung zu betreten, den Stufenabsatz möglicherweise rechtzeitig erkennen könne, obgleich sich dieser wegen seiner farblichen Ähnlichkeit zum Belag des Außenhofes optisch kaum von diesem abhebe. Für denjenigen, der von innen die Tür nach außen öffne, um das Gebäude wieder zu verlassen, sei die Stufe hingegen nicht rechtzeitig erkennbar. Die Tür schließe unmittelbar an dem Absatz, was eine äußerst ungewöhnliche bauliche Ausführung darstelle. So sei es normalerweise so, dass dann, wenn das Bodenniveau im Außenbereich niedriger sei als das Bodenniveau innerhalb eines Gebäudes, vor der Tür sich zunächst ein Podest befinde, welches auf gleicher Höhe wie das Niveau des Gebäudeinneren gelegen sei, und man dann von diesem Podest herunter - mittels ein oder mehrerer Stufen - in den Außenbereich trete. Alternativ gebe es auch Gebäude, bei denen man bereits im Inneren, vor Öffnen der Tür, ein oder mehrere Stufen herab steige, so dass bereits im Inneren vor dem Durchschreiten der Tür der Niveauunterschied zum Außenbereich angeglichen sei. Dies gewähre dem Benutzer, der die Tür öffne und ins Freie trete, einen Sicherheitsbereich, bevor er den Höhenunterschied überwinden müsse. Dadurch, dass das Niveau des Bodens im Gebäudeinneren im vorliegenden Fall höher liege als der untere Türrahmen bzw. das Bodenniveau im Außenbereich, sei eine solche Sicherheitszone hier nicht gegeben. Der Kunde, der die Tür nach außen öffne, könne vielmehr sofort einen deutlichen Niveauunterschied bemerken, auf den er sich nicht rechtzeitig einrichten könne. Auf diesen gefährlichen Absatz sei zum Unfallzeitpunkt nämlich in keiner Weise hingewiesen worden. So wäre zumindest im Gebäudeinneren ein deutlich sichtbares Warnschild an der Tür anzubringen gewesen, bzw. mit den Worten „Vorsicht, gefährliche Stufe!", und zudem - wie nach den Lichtbildern später auch geschehen - die Stufe durch eine farbliche Markierung besser kenntlich zu machen. In öffentlichen Gebäuden müssten Zugänge einschließlich der zugehörigen Treppenanlagen nämlich so beschaffen sein, dass sich auch der durch den Publikumsverkehr abgelenkte Besucher bei einem gewissem Maß an eigener Vorsicht noch gefahrlos bewegen könne. Durch ein solches Warnschild hätte der Sturz der Klägerin auch verhindert werden können. Zwar habe die Klägerin beim Verlassen des Gebäudes wohl nicht auf den Boden vor sich gesehen und sie sei möglicherweise durch die Ansprache seitens der Zeugin H. zusätzlich abgelenkt gewesen. Ein deutliches, an der Tür in Augenhöhe angebrachtes Warnschild hätte sie aber gleichwohl wahrgenommen. Der Sturz der Klägerin sei daher durch den nicht den Sicherheitsanforderungen entsprechenden Stufenabsatz bedingt gewesen.
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Allerdings müsse sich die Klägerin auch ein anspruchsminderndes Mitverschulden zurechnen lassen. Der Klägerin sei die ungewöhnliche Ausgestaltung des Ein-/Ausgangsbereiches der Wäscherei nicht nur von ihrem vorherigen Besuch bekannt gewesen. Sie hatte vielmehr auch am 26.04.2010 das Gebäude erst kurz zuvor durch diesen Eingang betreten. Wenn die Klägerin gleichwohl nicht mehr an die Stufe gedacht und nicht auf diese geachtet habe und deshalb ins Leere getreten und gestürzt sei, so habe sie auch durch eigene Sorgfaltswidrigkeit zu ihrem Sturz beigetragen.
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Nach Auffassung der Kammer wiege die Mitverursachung bzw. das Mitverschulden der Klägerin hier gleich schwer wie die unsachgemäße Ausgestaltung des Türbereiches, so dass das Mitverschulden mit 50 % zu bewerten sei.
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Der Klägerin stehe ein Schmerzensgeldanspruch von 2.000,00 € zu. Der Sachverständige Prof. Dr. F. habe in seinem ausführlichen und sorgfältig begründeten Gutachten vom 10.12.2012, welches von den Parteien nicht beanstandet worden sei, dargetan, dass die Klägerin durch den Sturz vom 26.04.2010 eine zunächst nicht dislozierte, später gering in Dorsalextensionsfehlstellung dislozierte distale Radiusfraktur rechts mit angedeuteter radiocarpaler Arthrose erlitten habe. Weiterhin bestehe der klinische dringende Verdacht auf eine unfallbedingte Mitbeteiligung im Sinne einer Verletzung des Discus ulnaris. Die Klägerin habe bis zum 28.05.2010 eine Gipsschiene tragen und anschließend eine krankengymnastische Übungstherapie für die Dauer von zwei Wochen absolvieren müssen. Eine Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes und des rechten Armes im Vergleich zu unverletzten Gegenseite bestehe nicht mehr. Allerdings leide die Klägerin als Unfallfolgezustand bei Bewegungen weiter unter Schmerzen im Bereich des Handgelenkes, was zu einer geringen Einschränkung der Belastungsfähigkeit des rechten Handgelenkes führe. Auch im Ruhezustand, etwa nachts, träten gelegentlich Schmerzen auf, wobei allerdings keine Schmerzmedikation bestehe. Bezüglich der Mitbeteiligung des Discus ulnaris empfehle der Sachverständige eine weitere Abklärung mittels Kernspintomographie und ggf. eine Handgelenksarthroskopie und Discuschirurgie, um die Restbeschwerden der Klägerin positiv zu beeinflussen.
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Unter Berücksichtigung von Schmerzensgeldurteilen anderer Gerichte bei vergleichbaren Verletzungen und aller Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des hälftigen Mitverschuldens der Klägerin, erachte die Kammer ein Schmerzensgeld von 2.000,00 € für angemessen und ausreichend. Die Schmerzensgeldvorstellung der Klägerin, mindestens 8.000,00 €, sei dagegen deutlich überhöht.
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Insoweit sei dem Klageantrag Nr. 1 teilweise stattzugeben.
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Die Klägerin könne auch die gerichtliche Feststellung beanspruchen, dass der Beklagte ihr ihre zukünftig aus dem Unfall vom 26.04.2010 entstehenden materiellen Schäden zu 50 % auszugleichen habe, soweit kein Anspruchsübergang auf Dritte erfolge. Aus den Ausführungen des Sachverständigen gehe hervor, dass in Zukunft evtl. noch weitere medizinische Behandlungen erforderlich seien, weshalb die Möglichkeit damit einhergehender materieller Schäden gegeben sei. Auch bezüglich möglicher künftiger immaterieller Schäden sei ein Feststellungsvorbehalt aufzunehmen. Dieser sei gegenüber dem Klageantrag allerdings nicht nur im Hinblick auf das 50 %-ige Mitverschulden der Klägerin, sondern darüber hinaus auch dahingehend einzuschränken, dass er sich lediglich auf künftige, derzeit noch nicht hinreichend vorhersehbare immaterielle Schäden beziehe. Durch das zuerkannte Schmerzensgeld würden nämlich grundsätzlich entsprechend dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs alle Beeinträchtigungen abgegolten, auch künftige, soweit diese bereits absehbar seien. Daher bleibe ein weiteres Schmerzensgeld lediglich für solche künftigen Beeinträchtigungen vorbehalten, welche derzeit noch nicht hinreichend vorhersehbar seien, etwa wenn künftig eine Korrekturoperation misslingen und weitere Beschwerden nach sich ziehen sollte. Im Übrigen unterliege der Klageantrag Nr. 2 der Abweisung.
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Der mit Klageantrag Nr. 3 verfolgte Anspruch auf Ersatz der der Klägerin bereits entstandenen materiellen Schäden sei dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt. Der Umfang der materiellen Schadenspositionen im Einzelnen bedürfe noch weitergehender Aufklärung, weshalb die Kammer insoweit lediglich durch Grundurteil entschieden habe.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
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Die Klägerin trägt nunmehr vor,
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entgegen der Auffassung des Landgerichts hafte der Beklagte ihr gegenüber für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden. Der Schmerzensgeldanspruch sei mit 2.000,00 € unzureichend bemessen. Angemessen sei mindestens ein Schmerzensgeld von 8.000,00 €. Das Landgericht sei zu Unrecht von einem hälftigen Mitverschulden ausgegangen. Ein etwaiges Mitverschulden trete vollständig hinter dem ganz überwiegenden Verschulden und grob verkehrswidrigen Verhalten des Beklagten zurück. Vor dem streitgegenständlichen Unfall sei sie, die Klägerin, lediglich einmal im Sommer 2010 im Reinigungsunternehmen des Beklagten gewesen. Damals habe die Tür offen gestanden, so dass die Gefahr der Unfallörtlichkeit nicht erkennbar gewesen sei. Sie sei am Unfalltag beim Hinausgehen durch das Gespräch mit der Mitarbeiterin der Beklagten und dem im Arm hängenden Reinigungsgut abgelenkt gewesen. Jedenfalls liege kein gegenüber dem Sorgfaltsverstoß des Beklagten gleichwertiges Mitverschulden vor. Der Beklagte müsse sich zum Vorwurf machen lassen, dass er seinen Reinigungsbetrieb von vornherein baurechtswidrig betrieben habe. Er habe gemäß Schreiben der Kreisverwaltung B. vom 11.01.2012 über keine Baugenehmigung verfügt. Danach sei nach den genehmigten Bauantragsunterlagen zwischen dem Erdgeschossfußboden der Wäscherei und dem Hof kein Höhenunterschied dargestellt worden. Außerdem sei in den Bauantragsunterlagen angegeben worden, dass die Tür nach innen aufgehe. Tatsächlich bestehe aber ein Höhenunterschied von 25 cm und die Tür gehe statt nach innen nach außen auf. Die Beklagte habe tagtäglich den baurechtswidrigen Zustand vor Augen gehabt. Sie habe in Kenntnis dieser Situation unterlassen, den hochgefährlichen Eingangsbereich mit entsprechenden Warnhinweisen und farblich auffälligen Markierungen zu kennzeichnen. Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass es die Beklagte gewesen sei, die das baurechtswidrig errichtete Geschäftslokal dem öffentlichen Publikumsverkehr zugänglich gemacht habe. Dem vom Landgericht unterstellten Augenblicksverschulden ihrerseits stünden vier massive Verschuldenstatbestände der beklagten gegenüber, die unterstellten jedes Augenblicksversagen vollständig verdrängten. Auch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % sei ein Schmerzensgeld von 2.000,00 € nicht angemessen, sondern eines von 8.000,00 €. Die Höhe des Schmerzensgeldes sei an einer 100 %-igen Haftung des Beklagten zu orientieren.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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unter Abänderung des angefochtenen Teil- und Grundurteils
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1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2010 zu zahlen.
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2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, die zukünftigen materiellen Schäden der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 26.04.2010 in S. in voller Höhe zu erstatten, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
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3. weiter festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, die zukünftigen, derzeit noch nicht hinreichend vorhersehbaren immateriellen Schäden der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 26.04.2010 in S. in voller Höhe zu erstatten.
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4. die Klage bezüglich des auf Ausgleich der materiellen Schäden gerichteten Klageantrag Nr. 3 dem Grunde nach zu 100 % für gerechtfertigt zu erklären.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
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Der Beklagte trägt nunmehr vor,
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der Unfall der Klägerin beruhe ausschließlich auf einem Eigenverschulden der Klägerin, die nicht ausreichend geschaut habe, unachtsam oder ungeschickt gewesen sei. Es hätten im Laufe der Zeit mehrere Tausend Kunden die Reinigung betreten und auch verlassen, ohne dass jemals ein Kunde über den streitgegenständlichen Absatz gestolpert wäre. Die fehlende Beschilderung sei nicht kausal für den Sturz der Klägerin geworden. Bei Ausgängen sei stets mit Absätzen und Stufen zu rechnen. Das festgesetzte Schmerzensgeld sei ausreichend.
II.
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Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
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1) Das Landgericht hat durch Teil- und Grundurteil über den Anspruch der Klägerin entschieden. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Teil- und Grundurteils bestehen keine Bedenken. Ein Grundurteil ist grundsätzlich unzulässig, wenn damit zugleich über den Feststellungsantrag entschieden wird. Der Auslegung, dass das Grundurteil sich nur auf den Leistungsantrag und nicht den Festsstellungsantrag bezieht, es sich der Sache nach um ein Teil-(Grundurteil) handelt, steht entgegen, dass ein solches Teilurteil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen birgt und deshalb unzulässig wäre (Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 06.01.2011 - 2 U 772/10 - NJW-RR 2011, 315; Urteil vom 19.02.1991 - X ZR 90/89 - NJW 1991, 1896 = WM 1991, 1356; BGH, Urteil vom 26.04.1989 - IVb ZR 48/88 - BGHZ 107, 236, 242 = MDR 1989, 895 f. = NJW 1989, 2821; Urteil vom 16.08.2007 - IX ZR 63/06 - BGHZ 173, 335 = WM 2007, 1755 f. = ZInsO 2007, 934). Ausweislich des Tenors der landgerichtlichen Entscheidung bezieht sich das Grundurteil nur auf den mit Klageantrag zu 3) verfolgten Leistungsantrag, nicht aber auf den Feststellungsantrag.
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Ein Grundurteil ist möglich, wenn der Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (OLG Koblenz, Zwischenurteil über den Grund vom 24.03.2011 i.V.m. Endurteil vom 15.09.2011 - 2 U 97/10; BGH, Urteil vom 31.01.1990 - VIII ZR 314/88 - BGHZ 110, 201= ZIP 1990, 315 = NJW 1990, 1106 ff. = MDR 1990, 619; Urteil vom 04.04.1990 - VIII ZR 71/89 - BGHZ 111, 133 = NJW 1990, 1789 = MDR 1990, 913; Urteil vom 09.06.1994 - IX ZR 125/93 - BGHZ 126, 219 = ZIP 1994, 1555 ff. = NJW 1994, 3295 ff. = MDR 1995, 419 ff. = VersR 1994, 1231 ff.; Urteil vom 08.12.1994 - IX ZR 254/93 -NJW 1995, 2106 ff.; Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 144/03 - NJW-RR 2005, 1008 = MDR 2005, 1069).
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Das Landgericht hat den auf Ausgleich der materiellen Schäden gerichteten Klageantrag zu 3) dem Grunde nach zu 50 % als gerechtfertigt angesehen. Aufgrund der erlittenen Verletzungen und der zwischenzeitlich eingetretenen Arbeitsunfähigkeit steht fest, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Klägerin Schadensersatzansprüche aus dem Unfallereignis zustehen.
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Das Landgericht konnte, nachdem die Klageanträge erster Instanz zu Nr. und 2. bereits zur Entscheidung reif waren, durch Grund- und Teilurteil entscheiden.
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2) Das Landgericht hat zu Recht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin aus der Verletzung nachvertraglicher Schutzpflichten gemäß § 241 Abs. 2, 311 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB sowie aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.v.m. § 229 StGB i.V.m. § v253 Abs. 2 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.
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Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte im Rahmen des Betriebs seines Reinigungsunternehmens schuldhaft seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet grundsätzlich denjenigen, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urteil vom 12.11.1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 250; Urteil vom 15.07.2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; OLG Celle Urteil vom 25.01.2007 - 8 U 161/06 - Juris Rn. 5, VersR 2008, 1553). Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH; Urteil vom Urteil vom 15. 7. 2003 - VI ZR 155/02 - NJW 2003, 1459; Urteil vom 16. 5. 2006 - VI ZR 189/05 - NJW 2006, 2326; Urteil vom 16.02.2006 - III ZR 68/05 - VersR 2006, 665), d.h. nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH NJW 1978, 1629). Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (OLG Koblenz, Hinweisentscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 04.12.2009 - 2 U 565/09 - VersR 2011, 362, Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 15.06.2010 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 04.10.2010 - 2 U 950/09 - VersR 2012, 374; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 - 9 U 143/05 - NJW-RR 2006, 1100; OLG Koblenz, Urteil vom 21.06.2012 - 2 U 271/11 -; zur Problematik des Auslegens einer Fußmatte vor einem Lebensmittelladen OLG Koblenz, Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 19.1.2011 - 2 U 468/10 - MDR 2011, 787; Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 vom 16.12.2009 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 22.01.2010 - 2 U 904/09 - MDR 2010, 630).
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Das Landgericht führt zu Recht aus, dass der Ein- und Ausgang zum Reinigungsbetrieb des Klägers zu beanstanden ist. Nach der Stellungnahme der zuständigen Kreisverwaltung übersteigt der Stufenabsatz die nach DIN 18.065 für notwendige Treppen vorgeschriebene maximale Treppensteigung von 19 cm. Die Situation vor Ort entspricht nicht der erteilten Baugenehmigung. Denn nach den genehmigten Unterlagen war kein Höhenunterschied zwischen Erdgeschossfußboden der Wäscherei und dem Hof dargestellt. Zudem sollte die Eingangstür nach innen aufgehen. Die zuständige Berufsgenossenschaft hat laut ihrer Stellungnahme bei ihrem Besichtigungstermin am 07.09.2010 den Zustand und die Beschaffenheit der Stufe nicht überprüft. Gemäß der Stellungnahme der Struktur- und Genehmigungsbehörde Nord wäre die Kenntlichmachung einer Stufe entsprechend der Arbeitsstättenrichtlinie Fußböden ASR 8/1 durch eine gelb-schwarz gestreifte Markierung gemäß DIN 4844 und evt. durch ein Hinweisschild „Vorsicht Stufe“ erforderlich gewesen. Außerdem hätte es einer ausreichenden Beleuchtung bedurft.
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Das Landgericht führt nachvollziehbar aus, dass sich die besondere Gefährlichkeit der Situation dadurch ergibt, dass derjenige, der von außen die Tür öffnet, den Stufenabsatz möglicherweise erkennen kann, obgleich sich dieser wegen seiner farblichen Ähnlichkeit zum Belag des Außenhofes optisch kaum von diesem abhebt. Für denjenigen, der von innen die Tür nach außen öffnet, um das Gebäude wieder zu verlassen, ist die Stufe hingegen nicht rechtzeitig erkennbar. Die Tür schließt unmittelbar an dem Absatz, ohne dass sich vor der Türe ein Podest befindet, das auf der gleichen Höhe wie das Niveau der des Gebäudeinneren gelegen ist. Dem Besucher des Reinigungsbetriebs ist es nicht möglich, von einem solchen Podest mittels mehrerer Stufen herunter in den Außenbereich zu gelangen. Mit Recht nimmt das Landgericht an, dass in öffentlichen Gebäuden Zugänge einschließlich der zugehörigen Treppenanlage so beschaffen sein muss, dass sich ein Besucher selbst bei Ablenkung durch Publikumsverkehr bei eigener Vorsicht gefahrlos bewegen kann (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2003 - 7 U 138/01 - OLGR Karlsruhe 2003, 407 ff.).
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Angesichts der gefahrträchtigen Situation des Treppenabsatzes hätte zumindest im Gebäudeinnern ein deutliches Warnschild an der Tür mit dem Hinweis „Vorsicht, gefährliche Stufe!“ angebracht und die Stufe durch eine farbliche Markierung besser kenntlich gemacht sein müssen.
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Das Landgericht hat allerdings entgegen den Ausführungen der Berufung (BB 2, GA 207) zu Recht der Klägerin ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB angelastet. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils (LU 2, GA 175) war die Klägerin bereits zum zweiten Mal in der Reinigung des Beklagten. Sie hatte die Örtlichkeiten aufgrund dieses Besuchs gekannt, auch wenn die Berufung vorträgt, dass bei ihrem Besuch im Sommer, wohl 2009, die Türe offen gestanden habe und die Gefahr der Unfallörtlichkeit nicht zu erkennen gewesen sei. Zudem hat sie am 24.04.2010 das Gebäude erst kurz zuvor durch diesen Eingang betreten, so dass sie die Stufe bemerkt haben muss. Hat die Klägerin gleichwohl nicht mehr an die Stufe bzw. den Absatz gedacht, so ist ihr ein eigenes Verschulden anzulasten. Die Klägerin entlastet auch nicht entscheidend, dass sei beim Hinausgehen aus dem Gebäude - so die Berufung (BB 2, GA 207) durch ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten und dem im Arm, hängenden Reinigungsgut abgelenkt gewesen sei. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte sie den Sturz verhindern können.
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Das Landgericht ist in nachvollziehbarer Weise zu der Überzeugung gelangt, dass das Mitverschulden der Klägerin hier mit 50 % in Ansatz zu bringen ist. Entgegen der Auffassung der Berufung (BB 2, GA 207) tritt das Mitverschulden der Klägerin nicht vollständig hinter einem ganz überwiegenden Verschulden und grob verkehrswidrigem Fehlverhalten der Beklagten zurück.
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Gemäß § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m § 229 StGB kann die Klägerin für die Verletzung ihres Körpers eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs kommt es maßgebend auf die Dauer, Art und Schwere der Verletzung an (OLG Koblenz, Urteil vom Urteil vom 21.06.2012 - 2 U 271/11 -; Bamberger/Roth-Spindler, BGB, 3. Auflage 2012, § 253 Rn. 13-16, 29). Das Landgericht hat das Schmerzensgeld der Klägerin mit einem Betrag von 2.000,00 € unter Berücksichtigung des hälftigen Mitverschuldens angemessen in Ansatz gebracht.
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Dabei hat das Landgericht, gestützt auf die von Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F.e, Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Oberarzt an der Orthopädischen Universitätsklinik Homburg/Saar, in seinem Gutachten vom 10.12.2012 (GA 120 ff.) Umfang und Schwere der Verletzungen der Klägerin gewürdigt. Die Klägerin hat eine zunächst nicht dislozierte, später gering in Dorsalextensionsfehlstellung dislozierte distale Radiusfraktur rechts mit angedeuteter radiocarpaler Arthrose erlitten. Weiterhin hat der Verdacht auf eine unfallbedingte Mitbeteiligung im Sinne einer Verletzung des Discus ulnaris bestanden. Die Verletzungen der Klägerin führten dazu, dass sie bis zum 28.05.2010 eine Gipsschiene tragen musste, anschließend schloss sich eine krankengymnastische Übungstherapie für die Dauer von zwei Wochen an. Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks und des rechten Armes sind nicht mehr zu verzeichnen. Das Landgericht hat zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie als Folge des Unfalls weiterhin bei Bewegungen an Schmerzen im Bereich des rechten Handgelenks leidet, dabei sich eine geringe Einschränkung der Belastungsfähigkeit desselben zeigt; darüber hinaus, dass gelegentlich auch im Ruhezustand, z.B. nachts, Schmerzen auftreten, allerdings keine Schmerzmedikation besteht. Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat bezüglich der Mitbeteiligung des Discus ulnaris eine weitere Abklärung mittels Kernspintomographie und ggf. eine Handgelenksarthroskopie und eine Discuschirurgie empfohlen, um die Restbeschwerden der Klägerin zu reduzieren.
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Der Senat hält mit dem Landgericht ein Schmerzensgeld von 2.000,00 € für angemessen. Soweit die Klägerin ein Schmerzensgeld von 8.000,00 € begehrt, vermag der Senat diese Einschätzung der Klägerin nicht zu teilen.
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Das Landgericht hat aus den vorgenannten Gründen dem Feststellungsantrag nur insoweit entsprochen, als festgestellt worden ist, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin die zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfallereignis in S. zu 50 % zu erstatten, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergingen. Das Landgericht hat auch mit Recht festgestellt, dass der Beklagte nur verpflichtet ist, die zukünftigen, derzeit noch nicht hirneichend vorhersehbaren immateriellen Schäden der Klägerin aus dem Unfallereignis unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens zu erstatten.
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Der mit dem Berufungsantrag verfolgten Anträge zu Ziffer 2. und 3. auf eine 100 % -ige Haftung sind nicht begründet, da die Klägerin sich ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen muss. Entsprechendes gilt für den Berufungsantrag zu Ziffer 5. Unter Berücksichtigung des hälftigen Mitverschuldens ist der auf Ausgleich der materiellen Schäden gerichtete Klageantrag dem Grunde nach nicht zu 100 % gerechtfertigt.
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Die Berufung der Klägerin hat aus den dargelegten Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.