Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 04. Nov. 2016 - 2 Ws 396/16
Gericht
Tenor
Der Antrag der Anzeigeerstatterin, gegen die ihren am 26. Juli 2015 verstorbenen Ehemann K.H. behandelnden Ärzte der Fachklinik X. und des Klinikums Y. GmbH die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, hilfsweise die Durchführung weiterer Ermittlungen anzuordnen, wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
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Der Ehemann der Antragstellerin verstarb nach langem Leidensweg am 26. Juli 2015 im Klinikum Y. Die Antragstellerin wirft den „behandelnden Ärzten“ dieses Krankenhauses und der Fachklinik X. für geriatrische Rehabilitation zahlreiche in der Zeit ab dem 19. Juni 2015 begangene Behandlungsfehler vor, die zumindest mitursächlich zum vorzeitigen Tod ihres Ehemannes geführt haben sollen; jedenfalls soll das nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nicht ausschließbar sein.
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Nach dem Antragsvorbringen leitete die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach auf die Strafanzeige der Antragstellerin vom 30. Juli 2015 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, erwirkte richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse zur Sicherstellung der Behandlungsunterlagen beider Kliniken und die richterliche Anordnung der Leichenöffnung, die in der Folge durchgeführt wurde, und ließ die Antragstellerin als Zeugin polizeilich vernehmen. Nach Durchführung der von ihr veranlassten chemisch-toxischen Untersuchungen und Eingang des ebenfalls von ihr in Auftrag gegebenen rechtsmedizinisches Gutachtens der Rechtsmedizin am Klinikum S. vom 25. Februar 2016 stellte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach am 7. März 2016 das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde vom 21. März 2016 hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am 8. Juli 2016 zurückgewiesen. Gegen den der Antragstellerin am 12. Juli 2016 zugegangenen Bescheid hat diese mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 12. August 2016 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO gestellt mit dem Ziel der Anklageerhebung wegen fahrlässiger Tötung, hilfsweise der Anordnung weiterer Ermittlungen, insbesondere der Vernehmung von Zeugen zu den Ereignissen in der Nacht zum 18. Juli 2015, der Einholung eines toxikologischen Gutachtens, auch zur Opiat-Medikation in der Klinik X., und der Einholung eines ergänzenden gerichtsmedizinischen Gutachtens.
II.
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1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist schon deshalb unzulässig, weil in ihm kein Beschuldigter genannt wird.
- 4
Da Ziel des Klageerzwingungsverfahrens die Anordnung der Erhebung der öffentlichen Klage durch das Oberlandesgericht ist (§ 175 StPO), diese sich aber nicht gegen Unbekannt richten kann, muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur den Beschuldigten namentlich benennen oder ihn wenigstens in eindeutiger Weise bezeichnen (vgl. Senatsbeschlüsse 2 Ws 608/09 vom 01.02.2010 und 2 Ws 606/09 vom 08.02.2010; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 331; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 83; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 112, 114; OLG Düsseldorf VRS 77, 226 f.; OLG Oldenburg MDR 1986, 692; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 172 StPO Rn. 34 m.w.N.; KK-StPO/Moldenhauer, 7. Aufl., § 172 Rn. 35). Deshalb ist ein gegen „Verantwortliche“ einer juristischen Person gerichteter Antrag unzulässig (OLG Stuttgart a.a.O.; KK-StPO/Moldenhauer a.a.O.). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, in dem mehreren „behandelnden Ärzten“ in verschiedenen Krankenhäusern unterschiedliche Tathandlungen, d.h. mehrere Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO, vorgeworfen werden, die den vorzeitigen Tod des Verstorbenen herbeigeführt haben sollen. Das Antragvorbringen teilt lediglich den Namen der in der Fachklinik X. tätigen Ärztin Dr. Ha. mit, von der die Antragstellerin am 18. Juli 2015 gegen 10.45 Uhr wegen des verschlechterten Gesundheitszustands ihres Ehemannes angerufen worden sein und mit der die Antragstellerin gegen 13.00 Uhr desselben Tages ein weiteres Gespräch über die Erforderlichkeit einer Rückverlegung in das Klinikum Y. geführt haben soll (Antragschrift S. 7, 8). Konkrete Behandlungsfehler werden dieser Ärztin aber nicht angelastet. Ihre Nennung beschränkt sich auf die vorgenannten Gespräche mit der Antragstellerin. Dem Antragsvorbringen ist nicht einmal zu entnehmen, auf welcher Station der jeweiligen Klinik sich der später Verstorbene im Zeitpunkt der angelasteten Behandlungsfehler befunden hat. Angegeben wird insoweit lediglich, dass der später Verstorbene bei seiner Rückverlegung in das Klinikum Y. am 18. Juli 2015 auf eine Intensivstation kam. Wie lange er dort blieb, lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen. Da die Beschuldigten der einzelnen Tathandlungen ohne weiteren Sachvortrag nicht identifiziert werden können, ist der Klageerzwingungsantrag unzulässig (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.). Unzumutbare Anforderungen an die Darlegungslast werden damit nicht gestellt. Die Antragstellerin konnte sich die erforderliche Kenntnis durch Einblick in die Behandlungsunterlagen und die Organigramme der Kliniken verschaffen. Dass ihr solches nicht möglich gewesen wäre, hat sie in der Antragsschrift nicht dargelegt.
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2. Als Ermittlungserzwingungsantrag ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unstatthaft und damit unzulässig.
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Nur in Ausnahmefällen kommt statt der Klageerzwingung eine bloße Ermittlungserzwingung in Betracht (LR-Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 175 Rn. 16 ff. m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 175 Rn. 2 m.w.N.). Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht aus rechtlichen Gründen verneint und deshalb den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht aufgeklärt hat. In solchen Fällen kann das Oberlandesgericht ein auf Klageerzwingung gerichtetes Verfahren mit der Anordnung abschließen, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufzunehmen habe (vgl. OLG Koblenz NStZ 1995, 50; Beschlüsse 1 Ws 497, 654/03 vom 02.09.2003, 2 Ws 128/09 vom 06.04.2009, 2 Ws 606/09 vom 08.02.2010, 2 Ws 94/14 vom 24.03.2014, 2 Ws 390/14 vom 25.08.2014 und 2 Ws 86/15 vom 02.06.2015; OLG Zweibrücken GA 1981, 94; KG NStZ 1990, 355; Graalmann-Scheerer a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Ist ein solcher Verfahrensabschluss möglich, so bestehen in den vorgenannten Ausnahmefällen, wie sie etwa vorliegen, wenn die Staatsanwaltschaft von Nichtwahrung der Strafantragsfrist oder Eintritt der Verfolgungsverjährung ausgeht, auch keine Bedenken gegen die Statthaftigkeit eines Antrags, der von vornherein nur auf die Aufnahme von Ermittlungen gerichtet ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, weil die Staatsanwaltschaft nicht aus Rechtsgründen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrensverfahrens abgesehen hat.
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Ob darüber hinaus eine weitere Ausnahme auch für den Fall zuzulassen ist, dass die Ermittlungen unzureichend waren (so OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 308), kann dahinstehen. Auch im Verfahren nach § 172 Abs. 2 StPO ist das Oberlandesgericht nicht Dienstaufsichtsbehörde, die befugt wäre, die gesamte Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft einer umfassenden Prüfung zu unterziehen, Ermittlungsfehler zu rügen und weitere Ermittlungen vorzugeben. Eine „Ermittlungserzwingung“ kann allenfalls in Erwägung gezogen werden, wenn die Ermittlungen offensichtlich so rudimentär waren, dass sie als „in hohem Maße unzureichend“ (OLG Hamm, Beschluss 1 Ws 227/98 vom 29.09.1998, zit. n. juris Rn. 17 m.w.N., StV 2002, 128) anzusehen sind (vgl. OLG Koblenz, Beschluss 1 Ws 295/07 vom 25.06.2007; Graalmann-Scheerer a.a.O. Rn. 19). Das ist hier nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat umfangreiche Ermittlungen dazu durchgeführt, ob ärztliche Behandlungsfehler todesursächlich waren.
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Da der Antrag bereits aus formellen Gründen keinen Erfolg hat, unterbleibt eine Kostenentscheidung (OLG Koblenz NJW 1985, 1409).
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Annotations
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.
(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.
(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.
Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.
(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.
(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.
(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.