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I. Gegenstand des vorliegenden Nachprüfungsverfahrens sind zwei ausgehandelte Verträge zur Finanzierung der Gewährleistung einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Allgemeinheit im öffentlichen Schienennahverkehr (SPNV-Finanzierungsvertrag) und auf Buslinien der Beigeladenen im ... Gebiet (ÖPNV-Finanzierungsvertrag). Die Antragstellerin will der Antragsgegnerin den Abschluss der Vereinbarungen mit einer Laufzeit bis einschließlich 2016 (Schienennahverkehr) beziehungsweise 2012 (Busverkehr) untersagen und ihr die Verpflichtung auferlegen lassen, die jeweiligen Verkehrsleistungen in einem förmlichen Vergabeverfahren auszuschreiben.
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Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen, so weit er die Verkehrsbedienung im Schienenpersonenverkehr betrifft. Demgegenüber hat sie das Begehren der Antragstellerin im ÖPNV-Leistungsbereich für zulässig und begründet erachtet.
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Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladenen haben gegen den Beschluss der Vergabekammer sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie ihren bisherigen Verfahrensziele weiter verfolgen.
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Die Beigeladene macht mit ihrem Rechtsmittel geltend, der Nachprüfungsantrag sei insgesamt, also auch bezüglich des ÖPNV-Finanzierungsvertrages unzulässig, da nach Inhalt und Zweck der Vereinbarung lediglich die Zuschüsse der Antragsgegnerin sowie der betroffenen Umlandgemeinden geregelt, aber kein Dienstleistungsauftrag vergeben werden solle.
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Demgegenüber hält die Antragstellerin die Herausnahme der SPNV-Vereinbarung aus den vergaberechtlichen Bestimmungen für rechts- und insbesondere für europarechtswidrig. Insoweit handele es sich bei der Beschaffung von Eisenbahndienstleistungen um öffentliche Aufträge, die zwingend dem Vergaberecht unterfallen würden.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Rechtsmittel der Antragstellerin entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer.
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II. Die zulässigen sofortigen Beschwerden haben unterschiedlichen Erfolg. Während sich das Rechtsmittel der Antragstellerin als nicht begründet erweist, ist auf das Rechtsmittel der beschwerdeführenden Beigeladenen die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und der Nachprüfungsantrag insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.
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1. Beschwerde der Beigeladenen
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Mit Recht macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der abzuschließende Vertrag über die Buslinie nicht der vergaberechtlichen Nachprüfung unterliegt. Es fehlt bereits an einem privatrechtlichen Beschaffungsvertrag, zumindest ist die Vereinbarung als Dienstleistungskonzession einzuordnen, die vergaberechtsfrei ist.
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a) Die im Streitfall zwischen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin ausgehandelten ÖPNV-Finanzierungsverträge haben nicht Dienstleistungen im Sinne der §§ 97 Abs. 1, 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB zum Gegenstand. Mangels Beschaffungsvorgang fehlt es an einem ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrag.
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Die Beteiligten bezwecken mit dem Abschluss der Vereinbarung nicht die Neuvergabe der Buslinie auf dem Gebiet der Antragsgegnerin. Die Beigeladene betreibt vielmehr auf der Grundlage einer befristeten öffentlich-rechtlichen Genehmigung bereits den Busverkehr auf der in Rede stehenden Linie. An diese Lage knüpft die geplante Vertragsregelung an, deren Gegenstand schon nach der Vertragsüberschrift sich in der „Finanzierung der Gewährleistung einer ausreichenden Verkehrsbedienung der Allgemeinheit“ erschöpft. Ein Verkehrsvertrag, durch den sich die Beigeladene erstmals verpflichtet, im Auftrag der Antragsgegnerin den Busverkehr einzurichten und zu betreiben, liegt auch nach dem Inhalt und dem Wortlaut des Vertragswerks nicht vor. Die Präambel des projektierten Vertrages stellt heraus, dass die Vertragsparteien den Vertrag „zur Sicherstellung der Finanzierung“ der Busverkehre schließen. Auch der Anlass und das Motiv für den Vertragsschluss werden genannt. Insoweit verweist § 1 Abs. 2 des Vertragsentwurfs auf das Altmark-Trans Urteil des EuGH vom 24.7.2003, das umgesetzt werden soll. Der beabsichtigte Vertrag zielt daher auf die Neuregelung der „Ausgleichszahlungen im Rahmen eigenwirtschaftlicher Leistungserbringung“ der Beigeladenen. Dem entspricht sodann die Detailregelung in § 3 Abs. 1 des Vertragsentwurfs, die an den Vorgaben des EuGH-Urteils ausgerichtet ist.
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Die Antragsgegnerin beschafft sich mit der Vereinbarung auch keine Dienstleistungen der Beigeladenen. Der Pflichtenkatalog in § 2 des Vertragskonzepts beschreibt die Aufgabenstellung der Beigeladenen nicht konstitutiv, sondern zählt lediglich deklaratorisch die auf Grund der vergebenen Linienverkehrsgenehmigungen bestehende allgemeine Pflichtenlage des Leistungserbringers auf (vgl. Beschwerdebegründung der Beigeladenen Seite 10/11). Die Ausgleichszahlungen betreffen nur die finanzielle Gewährleistung einer bestimmten Qualität der von der Beigeladenen der Allgemeinheit erbrachten Verkehrsbedienung.
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Der Zweck des ÖPNV-Finanzierungsvertrages besteht daher nicht in der Vergabe von Verkehrsleistungen, sondern darin, den beihilfenrechtlichen Kontext im Rahmen des personbeförderungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes zu regeln. Von Vergütung der Busverkehre kann keine Rede sein. Auch der Vertragsentwurf spricht daher nicht von Entgelt, sondern lediglich von Ausgleichszahlungen (die nicht der Umsatzsteuer unterliegen). Damit wird der Vertrag nicht von dem (als Auffangtatbestand weit zu verstehenden) Abs. 4 des § 99 GWB erfasst.
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b) An einem öffentlichen Auftrag i. S. des Vergaberechts fehlt es im Streitfall aber zumindest schon deswegen, weil das Tatbestandsmerkmal „entgeltlich“ nicht gegeben ist. Dieses Merkmal dient der Abgrenzung ausschreibungspflichtiger Dienstleistungsverträge zu Konzessionen, die dem Vergaberecht nicht unterliegen. Nach dem Vertragsentwurf steht der Verkehrsleistung der Beigeladenen (selbst wenn man darin mit der Antragstellerin einen Vorgang der öffentlichen Bedarfsdeckung erkennen wollte) nicht ein Entgelt der Antragsgegnerin gegenüber, vielmehr ist der Vorgang als vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession einzustufen.
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Eine Dienstleistungskonzession liegt vor, wenn die dem Auftraggeber obliegende Gegenleistung nicht in einem bestimmten Entgelt besteht, vielmehr dem beauftragten Unternehmen das Recht übertragen wird, eigene Leistungen zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten. Die Konzessionsgewährung erschöpft sich daher nicht in der Verleihung einer Rechtsposition an den Auftragnehmer, sondern setzt außerdem voraus, dass dieser als Konzessionär bei der Nutzung des übertragenen Rechts auf der Grundlage der getroffenen Absprachen ganz oder jedenfalls zum überwiegenden Teil die wirtschaftlichen Risiken der Rechtsverwertung trägt (allg. Meinung, vgl. etwa OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, 212, 213 – SPNV-Tariftreue).
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Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist festzustellen, dass der Vertragsentwurf nicht auf die Erteilung eines Dienstleistungsauftrages, sondern auf die Gewährung einer Konzession gerichtet ist. Denn nach Maßgabe von § 4 des Regelwerks verbleibt das wirtschaftliche Risiko überwiegend bei der Beigeladenen. Ihr ist im wesentlichen das Nachfragerisiko bezüglich der von ihr am Markt angebotenen Verkehrsdienstleistungen zugeordnet. Die vertragsgemäß vorgesehenen und bis einschließlich 2008 festgeschriebenen Ausgleichszahlungen der Antragsgegnerin dienen nicht der Absicherung der Kosten der Beigeladenen, sie decken jährlich abnehmend lediglich 9 bis 4 % des prognostizierten Gesamtaufwands. Damit findet eine Risikoüberwälzung auf die Beigeladene statt, die zum weit überwiegenden Teil darauf verwiesen ist, die Kosten der Verkehrsdienstleistungen durch das Entgelt der Fahrgäste einzufahren. Ein nachträglicher Ausgleich von Defiziten ist beihilfenrechtlich nicht möglich (EuGH, Urt. vom 247. 2003 – Rs. C -280/00, NZBau 2003, 503 ff) und auch vertraglich nicht vorgesehen, sodass das Deckungsrisiko daher in jedem Falle der Beigeladenen verbleibt (anders lag es in den Fällen OLG Düsseldorf, a. a. O. sowie Vergabekammer Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.7.2004 – 1 VK 48/04 NZBau 2004, 59, 61).
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2. Beschwerde der Antragstellerin
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Nach den vorstehenden Ausführungen erweist sich das Rechtsmittel der Antragstellerin bereits als unbegründet. Denn der für die SPNV-Leistungen angestrebte Vertrag enthält hinsichtlich der Ausgleichszahlung und des wirtschaftlichen Risikos vergleichbare Regelungen unter Beachtung der einschlägigen beihilfenrechtlichen Rahmenvorschriften. Aus diesem Grunde ist auch insoweit wegen der Risikoverlagerung auf die Beigeladene von einer ausschreibungsfreien Dienstleistungskonzession auszugehen.
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Im Streitfall kann mithin offen bleiben, ob die Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die Rechtsauffassung der Vergabekammer zur Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 AEG durchgreifen. Jedenfalls dürfte angesichts des eindeutigen Wortlauts für eine restringierende Auslegung oder europarechtskonforme Umdeutung dieser Vorschrift nach Maßgabe der DLR ein Spielraum nicht eröffnet sein.
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3. Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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