Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 30. Sept. 2015 - 2 Ws 472/15

published on 30/09/2015 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 30. Sept. 2015 - 2 Ws 472/15
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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 14. September 2015 aufgehoben.

2. Dem Verurteilten wird gestattet, die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Offenburg vom 5. Januar 2015 in monatlichen Raten von 50 EUR, jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend ab Oktober 2015, zu bezahlen. Die Vergünstigung entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig bezahlt.

3. Die sofortige Freilassung des Verurteilten wird angeordnet.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Offenburg vom 5.1.2015, rechtskräftig seit 24.1.2015, wurde J. S. zu der Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt. Nachdem sich aus einer beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingeholten Auskunft ergab, dass der Verurteilte am 18.7.2013 ein Vermögensverzeichnis abgegeben hatte, wonach er Arbeitslosengeld II in Höhe von 652 EUR monatlich bezog und kein nennenswertes Vermögen besaß, ordnete die Staatsanwaltschaft Offenburg am 15.6.2015 die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe an. Da der Verurteilte der Ladung zum Strafantritt keine Folge leistete, erging am 13.7.2015 Vorführungsbefehl, aufgrund dessen der Verurteilte am 27.7.2015 festgenommen wurde. Seither verbüßt er die Ersatzfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Offenburg, als Strafende ist der 14.10.2015 notiert.
Am 17.8.2015 beantragte der Verurteilte bei der Staatsanwaltschaft Offenburg unter Hinweis darauf, dass er seit dem 1.10.2014 Grundsicherung beziehe, die Bewilligung von Ratenzahlung in Höhe von 50 EUR monatlich sowie die Aussetzung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe. Mit Entschließung vom 18.8.2015 - wobei nach Aktenlage unklar ist, ob damit über den Antrag des Verurteilten vom 17.8.2015 entschieden wurde - lehnte der Leiter der Staatsanwaltschaft Offenburg eine Reduzierung der im Strafbefehl vom 5.1.2015 festgesetzten Tagessatzhöhe und Bewilligung von Ratenzahlung im Gnadenweg ab. Den Einwendungen des Verurteilten half die Staatsanwaltschaft Offenburg mit Entschließung vom 4.9.2015 nicht ab, die auch das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Offenburg mit Beschluss vom 14.9.2015 zurückwies. Gegen diesen ihm am 16.9.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 23.9.2015 eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten.
II.
Die gemäß §§ 462 Abs. 3, 459h StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Der vom Landgericht Offenburg vertretenen Auffassung, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe könne nur aus den in § 459e Abs. 4 StPO genannten Gründen unterbleiben, kann jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nicht gefolgt werden.
Dabei ist ausschlaggebend, dass entgegen der vom Landgericht Offenburg vorgenommenen Bewertung, die Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB, die nach Rechtskraft der Grundentscheidung von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zu treffen ist (§ 459a Abs. 1 StPO), keinen Antrag des Verurteilten voraussetzt, sondern von Amts wegen zu treffen ist (OLG Hamburg Rpfleger 1977, 65; Graalmann-Scherer in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 459a Rn. 3; Appl in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 459a Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 459a Rn. 1). Insoweit hätte bereits das der Staatsanwaltschaft vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vorliegende Vermögensverzeichnis des Verurteilten Anlass gegeben, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu prüfen. Ist dies fälschlicherweise unterblieben, kann die eingeleitete Vollstreckung nicht zur Folge haben, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht mehr nachgeholt werden kann.
In der Sache geht der Senat im Hinblick auf das bei den Akten befindliche Vermögensverzeichnis davon aus, dass die Angaben des Verurteilten zu seinen Einkommensverhältnissen zutreffen, und hat deshalb die im Tenor näher bezeichnete Ratenzahlung bewilligt. Die Bestimmung über den Entfall der damit gewährten Vergünstigung beruht auf §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 Satz 1 StGB.
Mit der Bewilligung der Zahlungserleichterung liegen die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe - hier Uneinbringlichkeit der Geldforderung (§§ 459c Abs. 2, 459e Abs. 2 StPO) - nicht mehr vor, so dass die sofortige Freilassung des Verurteilten anzuordnen war.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.
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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d
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published on 27/10/2016 00:00

Tenor Der Antrag vom 19.10.2016 auf Ablehnung des Richters am Amtsgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen. Gründe Der gegen Richter am Amtsgericht ... gestellte Befangenheitsa
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(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt.

(2) Die Anordnung setzt voraus, daß die Geldstrafe nicht eingebracht werden kann oder die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 unterbleibt.

(3) Wegen eines Teilbetrages, der keinem vollen Tag Freiheitsstrafe entspricht, darf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht angeordnet werden.

(4) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, soweit die Geldstrafe entrichtet oder beigetrieben wird oder die Vollstreckung nach § 459d unterbleibt. Absatz 3 gilt entsprechend.

Ist dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, die Geldstrafe sofort zu zahlen, so bewilligt ihm das Gericht eine Zahlungsfrist oder gestattet ihm, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. Das Gericht kann dabei anordnen, daß die Vergünstigung, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, entfällt, wenn der Verurteilte einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt. Das Gericht soll Zahlungserleichterungen auch gewähren, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre; dabei kann dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.

(1) Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen (§ 42 des Strafgesetzbuches) die Vollstreckungsbehörde.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach Absatz 1 oder nach § 42 des Strafgesetzbuches nachträglich ändern oder aufheben. Dabei darf sie von einer vorausgegangenen Entscheidung zum Nachteil des Verurteilten nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel abweichen.

(3) Entfällt die Vergünstigung nach § 42 Satz 2 des Strafgesetzbuches, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, so wird dies in den Akten vermerkt. Die Vollstreckungsbehörde kann erneut eine Zahlungserleichterung bewilligen.

(4) Die Entscheidung über Zahlungserleichterungen erstreckt sich auch auf die Kosten des Verfahrens. Sie kann auch allein hinsichtlich der Kosten getroffen werden.

(1) Die Geldstrafe oder der Teilbetrag der Geldstrafe wird vor Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nur beigetrieben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, daß sich der Verurteilte der Zahlung entziehen will.

(2) Die Vollstreckung kann unterbleiben, wenn zu erwarten ist, daß sie in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird.

(3) In den Nachlaß des Verurteilten darf die Geldstrafe nicht vollstreckt werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.