Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 24. Jan. 2005 - 16 WF 171/04

bei uns veröffentlicht am24.01.2005

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 08. Juli 2004 - 36 F 157/03 - aufgehoben.

Gründe

 
Die Antragstellerin hatte vor dem Familiengericht Heidelberg die Regelung des Umgangs des Antragsgegners mit den gemeinsamen Kindern .. und .. beantragt. Der Antragstellerin war Prozesskostenhilfe gegen Monatsraten von 45 EUR, dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt worden. Beiden Beteiligten waren Rechtsanwälte beigeordnet worden. Die Eltern schlossen zur Regelung des Umgangsrechts eine Vereinbarung. Im Beschluss vom 27. Februar 2004 wurde die Vereinbarung gerichtlich bestätigt und zu den Kosten bestimmt: „Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Parteien hat der Antragsgegner zu tragen.“ An die den Beteiligten beigeordneten Rechtsanwälte wurden auf jeder Seite 571,30 EUR aus der Staatskasse ausbezahlt. Mit Beschluss vom 24. Juni 2004 bestimmte die Rechtspflegerin: „Gem. § 120 Abs. 3 Ziffer 2 ZPO wird die vorläufige Einstellung der von der Klägerin gemäß Beschluss vom 06.10.2003 zu erbringenden Ratenzahlung angeordnet, da die Klägerin ihre Kosten gemäß Entscheidung vom 27.02.2004 bei der Gegenseite geltend machen kann.“ Diesen Beschluss hob die Rechtspflegerin sodann mit dem angefochtenen Beschluss vom 08. Juli 2004 wieder auf mit der Begründung, „die Kosten (könnten) bei der Gegenseite nicht angefordert werden ..., da der Antragsgegner ratenfreie Prozesskostenhilfe (habe)“. Die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der der Bezirksrevisor entgegengetreten ist und welcher die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat, hat Erfolg. Es hat bei dem Beschluss vom 24. Juni 2004 zu verbleiben, jedoch mit der Maßgabe, dass die Antragstellerin ihre Ratenzahlung deshalb einstellen kann, weil die Landeskasse die für die Antragstellerin aufgewendeten Rechtsanwaltskosten bei dem Antragsgegner geltend machen kann.
1. Die Antragstellerin selbst und die ihr beigeordneten Rechtsanwälte (§ 126 Abs. 1 ZPO) können aufgrund der Kostenentscheidung vom 27. Februar 2004 von dem Antragsgegner verlangen, dass dieser der Antragstellerin die bei ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet. Nachdem die Staatskasse die Tätigkeit der der Antragstellerin beigeordneten Rechtsanwälte vergütet hat, ist dieser Erstattungsanspruch gem. § 130 BRAGO jetzt § 59 RVG, auf die Staatskasse übergegangen. Damit sind die Voraussetzungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eingetreten; die für die Antragstellerin aufgewendeten Rechtsanwaltskosten können von der Landeskasse bei dem Antragsgegner beigetrieben werden. Der Umstand, dass (auch) dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt wurde, steht dem nicht entgegen, dass die Landeskasse eine Beitreibung versuchen kann (BGH Beschluss vom 11. Juni 1997 - XII ZR 254/94 - FamRZ 1997, 1141; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., 2002, § 130 Rn. 11 sowie RVG, 16. Aufl., 2004, § 59 Rn. 14). Zwar bestimmt § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO, dass die Staatskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen gegen die Partei geltend machen kann, die das Gericht getroffen hat. Ist beiden Parteien (hier: beiden Beteiligten) Prozesskostenhilfe bewilligt worden, und hat die Staatskasse den beiden Beteiligten beigeordneten Rechtsanwälten jeweils ihre Tätigkeit vergütet, kann indessen unter dem auf die Staatskasse übergegangenen Anspruch im Sinne des § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO jeweils nur der Anspruch verstanden werden, welcher dem beigeordneten Rechtsanwalt gegen die eigene Partei zusteht; nur bei diesem Anspruch ist die Staatskasse gehindert, ihn sofort in voller Höhe bei der Partei geltend zu machen; sie muss bei ratenfreier Prozesskostenhilfe davon gänzlich Abstand nehmen, bei Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlungsanordnung sich mit den Raten begnügen - es sei denn, sie kann sich, wie im vorliegenden Fall, bei dem Gegner schadlos halten; dann hat sie - zunächst - auch von der Einforderung von Raten abzusehen. Nicht in § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO gemeint ist der Kostenerstattungsanspruch, welcher dem beigeordneten Rechtsanwalt nach § 126 ZPO gegen den Gegner seiner eigenen Partei zuwachsen kann. Soweit dieser auf die Staatskasse übergeht, kann er ohne Einschränkung geltend gemacht werden. Eine andere Auslegung wäre auch mit dem Sinn des § 123 ZPO nicht vereinbar: Wird einem Beteiligten auferlegt, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, schützt sie auch die Bewilligung eigener Prozesskostenhilfe nicht vor dem Erstattungsanspruch des Gegners. Es kann dann aber keinen Unterschied machen, ob dem Gegner seinerseits Prozesskostenhilfe bewilligt ist und der Erstattungsanspruch auf die Staatskasse übergegangen ist oder ob der Gegner den Erstattungsanspruch im eigenen Namen geltend machen kann.
2. Der Bezirksrevisor scheint den Standpunkt zu vertreten, dass die Staatskasse gegen die Antragstellerin, die gem. § 2 Nr. 1 KostO für die entstandenen Kosten haftet, auch die Kosten geltend machen kann, die bei ihr durch die Vergütung der Rechtsanwälte des Antragsgegners entstanden sind. Dies wäre dann richtig, wenn man - erneut - unter den auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüchen der beigeordneten Rechtsanwälte (§ 122 Abs. 1 Nr. 1b ZPO) auch diejenigen verstehen würde, die bei den Rechtsanwälten der Gegenpartei entstanden sind und wenn man aus § 122 Abs. 1 Nr. 1b ZPO, ggf. in Verbindung mit § 2 Nr. 1 KostO, herauslesen könnte, dass die Staatskasse auch diese Kosten als solche bezeichnen dürfte, welche die Partei ratenweise abzutragen hat. Indessen ist oben schon für den umgekehrten Fall festgestellt worden, dass § 122 Abs. 1 Nr. 1b ZPO jeweils nur die Ansprüche der Rechtsanwälte meint, die der Partei selbst beigeordnet worden sind.
3. Nach allem wird deshalb zunächst zu versuchen sein, die von der Staatskasse für die Antragstellerin aufgewendeten Rechtsanwaltskosten bei dem Antragsgegner geltend zu machen. Da der Senat nur die vorläufige Einstellung der Ratenzahlungen wiederhergestellt hat, muss die Antragstellerin indessen damit rechnen, dass sie Ratenzahlungen wieder aufnehmen muss, sobald die Landeskasse mit ihrer auf sie übergegangenen Forderung gegen den Antragsgegner ausgefallen ist.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 24. Jan. 2005 - 16 WF 171/04 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 120 Festsetzung von Zahlungen


(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Be

Zivilprozessordnung - ZPO | § 122 Wirkung der Prozesskostenhilfe


(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass 1. die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,b) die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte geg

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 59 Übergang von Ansprüchen auf die Staatskasse


(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 126 Beitreibung der Rechtsanwaltskosten


(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. (2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner

Zivilprozessordnung - ZPO | § 123 Kostenerstattung


Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss.

Referenzen

(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.

(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.

(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beigeordneten oder nach § 67a Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung bestellten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht der Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden.

(2) Für die Geltendmachung des Anspruchs sowie für die Erinnerung und die Beschwerde gelten die Vorschriften über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend. Ansprüche der Staatskasse werden bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Ist das Gericht des ersten Rechtszugs ein Gericht des Landes und ist der Anspruch auf die Bundeskasse übergegangen, wird er insoweit bei dem jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes angesetzt.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend bei Beratungshilfe.

(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.

(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,

1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken;
2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.

(4) (weggefallen)

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann,
2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist,
3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.

(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.

(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.

(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann,
2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist,
3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.

(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.