Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 03. Nov. 2004 - 16 UF 8/04

03.11.2004

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts — Familiengericht — Weinheim vom 12.12.2003 (AZ.: 1 F 31/98 VA) aufgehoben.

Das Verfahren wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Weinheim zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Parteien werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.249,70 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Das Amtsgericht Weinheim hat die Ehe der Parteien durch Verbundurteil vom 16.11.2000 — insoweit rechtskräftig — geschieden, nachdem es mit Beschluss vom gleichen Tage den Versorgungsausgleich abgetrennt hat. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich.
Der Antragsgegner ist u.a. Geschäftsführer und Gesellschafter der ... GmbH. Als solcher hat er betriebliche Versorgungsanrechte bei der Firma ... GmbH erworben. Das betriebliche Versorgungsanrecht besteht in Form einer Direktzusage, die bei der Alten Leipziger Lebensversicherung AG rückgedeckt ist. Diese hat das Amtsgericht in eine ehezeitliche dynamische Rente in Höhe von 917,87 DM umgerechnet. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Auskunft vom 26.03.1999. Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung hat er während der gesetzlichen Ehezeit nicht erworben.
Die Antragstellerin hat Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 184,54 DM erworben (vgl. Auskunft der BfA vom 05.05.1999). Sie ist seit der Eheschließung (23.11.1979) überwiegend nicht mehr berufstätig gewesen, sondern hat sich um die Erziehung der drei gemeinsamen Kinder gekümmert.
Aus diesen Versorgungsanwartschaften errechnete das Amtsgericht einen Ausgleichsbetrag in Höhe von (917,87 - 184,54)/2 = 366,67 DM. Hiervon seien 86,80 DM durch erweitertes Splitting, der Rest DM in Höhe von 279,87 schuldrechtlich durch eine Beitragsentrichtung in Höhe von 64.081,27 DM auszugleichen. Mit Beschluss vom 26.01.2001 hat das Amtsgericht ein Gutachten zum Versorgungsausgleich eingeholt.
Die Parteien haben bis ins Frühjahr 2003 Vergleichsverhandlungen geführt. Die letzte Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin datiert vom 24.04.2003.
Am 12.12.2003 hat das Amtsgericht sodann beschlossen:
Ein Versorgungsausgleich findet vorläufig nicht statt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.
Gegen den nicht zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.01.2004 — eingegangen beim OLG am gleichen Tage — Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt:
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1. Der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Weinheim, Az: l F 31/98 VA, vom 12. Dezember 2003 wird aufgehoben.
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2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für die Antragstellerin zur Abfindung ihres schuldrechtlichen Versorgungsausgleichsanspruchs in vom Gericht zu ermittelnder Höhe, bezogen auf den 30.11.1998, Beiträge in noch zu ermittelnder Höhe zur Begründung einer privaten Rentenversicherung zugunsten der Antragstellerin auf einen noch abzuschließenden Versicherungsvertrag einzuzahlen.
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Zur Begründung führt sie aus, das Amtsgericht hätte das Verfahren nicht ohne Hinweis in der gewählten Form abschließen dürfen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung verwiesen.
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Der Antragsgegner hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung. Er macht geltend, ihm sei eine Ausgleichszahlung wirtschaftlich nicht zumutbar.
...
II.
15 
Das Amtsgericht wollte — dies ergibt sich aus der Formulierung des Tenors wie auch aus dem Hinweis auf Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 4. Aufl., § 621 Rn 47i — richtig: 47l) in den Gründen des Beschlusses — eine Endentscheidung erlassen. Dagegen ist nach § 621 e Abs. 1 ZPO die Beschwerde zulässig (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, a.a.O.).
III.
16 
Die Beschwerde ist begründet, da dass Amtsgericht nicht entscheiden durfte, dass ein Versorgungsausgleich derzeit nicht stattfindet.
17 
Der Ausspruch, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Er ist als verfahrensabschließende Endscheidung allenfalls dann angebracht, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen oder schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht gegeben sind oder ein Versorgungsausgleich aufgrund der §§ 1587 c BGB, 3 b VAHRG nicht veranlasst ist (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, a.a.O.).
18 
Eine solche Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Die Antragstellerin hat die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleiches in der Form der Abfindung beantragt. Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 1587 b Abs. 1 und 2 BGB ist nicht möglich, da der Antragsgegner keine Versorgungsanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung oder Körperschaft des öffentlichen Rechts erworben hat und ein Versorgungsausgleich auch nicht nach § 1 VAHRG nicht möglich ist. Deshalb kann die Antragstellerin einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gemäß §§ 2, 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG in der Form der Abfindung verlangen. Die Voraussetzungen hierfür hat das Amtsgericht nicht abschließend geprüft, sondern seine Entscheidung lediglich darauf gestützt, dass die Parteien das Verfahren nicht betrieben. Damit hat es gegen den im Versorgungsausgleichsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz — der auch für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gilt (vgl. (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., vor § 1587 Rn 24) — verstoßen, welcher die Gerichte zwingt, auch ohne Förderung des Verfahrens durch die Parteien dieses zum Abschluss zu bringen.
19 
Auf den Antrag der Antragstellerin war daher in entsprechenden Anwendung des § 538 ZPO (vgl. zur Zurückweisung in entsprechender Anwendung des § 539 ZPO a.F. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 04.03.2002, AZ.: 16 UF 231/01; s.a. Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 25 Rn. 7) das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück zu verweisen.
IV.
20 
Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 8 GKG a.F. i.V.m. § 72 GKG n.F., im Übrigen auf § 13 a Abs. 1 FGG.
21 
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 17 Nr. 1 GKG a.F. (366,67 x 12 = 4.400,04 DM = 2.249,70 EUR).
22 
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 72 Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens dieses Gesetzes


Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden 1. in Recht

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 8 Strafsachen, Bußgeldsachen


In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 17 Auslagen


(1) Wird die Vornahme einer Handlung, mit der Auslagen verbunden sind, beantragt, hat derjenige, der die Handlung beantragt hat, einen zur Deckung der Auslagen hinreichenden Vorschuss zu zahlen. Das Gericht soll die Vornahme der Handlung von der vorh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 539 Versäumnisverfahren


(1) Erscheint der Berufungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist seine Berufung auf Antrag durch Versäumnisurteil zurückzuweisen. (2) Erscheint der Berufungsbeklagte nicht und beantragt der Berufungskläger gegen ihn das Versäu

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Erscheint der Berufungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist seine Berufung auf Antrag durch Versäumnisurteil zurückzuweisen.

(2) Erscheint der Berufungsbeklagte nicht und beantragt der Berufungskläger gegen ihn das Versäumnisurteil, so ist das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen. Soweit es den Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall ist, ist die Berufung zurückzuweisen.

(3) Im Übrigen gelten die Vorschriften über das Versäumnisverfahren im ersten Rechtszug sinngemäß.

In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden

1.
in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 1. Juli 2004 anhängig geworden sind; dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist;
2.
in Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem 1. Juli 2004 rechtskräftig geworden ist;
3.
in Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung für Kosten, die vor dem 1. Juli 2004 fällig geworden sind.

(1) Wird die Vornahme einer Handlung, mit der Auslagen verbunden sind, beantragt, hat derjenige, der die Handlung beantragt hat, einen zur Deckung der Auslagen hinreichenden Vorschuss zu zahlen. Das Gericht soll die Vornahme der Handlung von der vorherigen Zahlung abhängig machen.

(2) Die Herstellung und Überlassung von Dokumenten auf Antrag sowie die Versendung von Akten können von der vorherigen Zahlung eines die Auslagen deckenden Vorschusses abhängig gemacht werden.

(3) Bei Handlungen, die von Amts wegen vorgenommen werden, kann ein Vorschuss zur Deckung der Auslagen erhoben werden.

(4) Absatz 1 gilt nicht in Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, für die Anordnung einer Haft und in Strafsachen nur für den Privatkläger, den Widerkläger sowie für den Nebenkläger, der Berufung oder Revision eingelegt hat. Absatz 2 gilt nicht in Strafsachen und in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, wenn der Beschuldigte oder sein Beistand Antragsteller ist. Absatz 3 gilt nicht in Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sowie in Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan (§ 306 der Insolvenzordnung).