Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 14. Dez. 2006 - 16 UF 155/06

bei uns veröffentlicht am14.12.2006

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts — Familiengericht — Mannheim — vom 18.08.2006 (Az.: 5 F 195/05) aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird an das örtlich und sachlich zuständige Amtsgericht M. verwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Berufung obliegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 
A.
Die Parteien sind seit dem ... 2003 verheiratet.
Mit Schriftsatz vom 18.04.2005 — eingegangen beim Amtsgericht Mannheim am 20.04.2005 — hat die Klägerin eine Stufenklage auf Trennungsunterhalt eingereicht, die dem Beklagten nach Entscheidung über die von der Klägerin beantragte Prozesskostenhilfe am 14.07.2006 (sic) am 28.07.2006 zugestellt wurde (Az 5 F 195/05) . Mit Beschluss vom 25.07.2006 ordnete das Amtsgericht Mannheim das schriftliche Verfahren an und bestimmte einen Verkündungstermin auf den 18.08.2006.
Mit Schriftsatz vom 09.05.2006 — eingegangen am 10.05.2006 und der Klägerin nach Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe zugestellt am 19.07.2006 — beantragte der Beklagte beim Amtsgericht Mannheim die Scheidung (Az.: 5 F 138/06) . Aufgrund zwischenzeitlich gewonnener Erkenntnisse vertrat das Amtsgericht Mannheim in dieser Scheidungssache mit Verfügung vom 08.08.2006 die Ansicht, es sei örtlich unzuständig, da der Beklagte vor Rechtshängigkeit, nämlich bereits am 13.04.2006 nach S. verzogen sei und bei Eintritt der Rechtshängigkeit kein Ehegatte mehr in Mannheim gelebt habe. Es hat den Beklagten als Antragsteller zur Vermeidung einer Abweisung des Scheidungsantrages als unzulässig zu einem Verweisungsantrag aufgefordert.
Einen ähnlichen Hinweis enthält in der Trennungsunterhaltssache die Verfügung vom 14.08.2006. Die Ehesache könne nur auf Antrag des Beklagten verwiesen werden. Werde der Verweisungsantrag nicht gestellt und in der Unterhaltssache nicht der Verweisungsantrag der Klägerin, müsse die Unterhaltsklage als unzulässig abgewiesen werden.
Nachdem der Beklagte in der Scheidungssache mit Faxschreiben vom 23.08.2006 einen Verweisungsantrag gestellt hatte, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tage das Scheidungsverfahren an das Amtsgericht — Familiengericht — M. wegen örtlicher Unzuständigkeit verwiesen. Das Amtsgericht M. hat erklärt, das Verfahren anzunehmen.
Im Unterhaltsverfahren hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.08.2006 erklärt, der Beklagte habe bislang keinen Verweisungsantrag gestellt, so dass beide Klagen beim gleichen Gericht anhängig seien. Das Unterhaltsverfahren sei jedoch zuerst anhängig gewesen. Einen Verweisungsantrag hat sie nicht gestellt.
Mit Urteil vom 18.08.2006 (vor der Verweisung der Ehesache nach M.) hat das Amtsgericht Mannheim die Unterhaltsklage 5 F 195/05 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei für das Scheidungsverfahren örtlich unzuständig. Dies habe auch die Unzuständigkeit für das Unterhaltsverfahren zur Folge, denn es könne nicht darauf ankommen, wo sich die Akten gerade befänden. Ein isoliertes Unterhaltsverfahren sei nach § 621 Abs.3 ZPO von Amts wegen an das für die Ehesache zuständige Gericht der Ehesache abzugeben, die Ehesache selbst nur auf Antrag. Werde ein Verweisungsantrag im Ehescheidungsverfahren und im Unterhaltsverfahren nicht gestellt, sei auch im Unterhaltsverfahren die örtliche Unzuständigkeit festzustellen und die dann unzulässige Klage durch Prozessurteil abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Gegen das ihr am 22.08.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.08.2006 — eingegangen beim OLG am 24.08.2006 — Berufung eingelegt, mit der sie beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 18.08.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Unterhalt in Höhe von monatlich 500 EUR, zahlbar jeweils zum 05. des Monats im Voraus, beginnend mit dem Monat April 2005 zu zahlen.
11 
Zur Begründung führt sie in der Berufungsbegründung vom 23.08.2006 aus, bis zum Zeitpunkt der Berufungsbegründung liege kein Verweisungsantrag des Beklagten im Scheidungsverfahren vor. Das Amtsgericht Mannheim sei daher nach wie vor zuständig. An dieser Rechtsansicht hat die Klägerin auch der Verweisung des Scheidungsverfahrens zunächst festgehalten, auf Hinweis des Senats jedoch einen hilfsweisen Verweisungsantrag gestellt.
12 
Der Beklagte hat beantragt,
13 
auf die Berufung ist das Urteil aufzuheben und an das Amtsgericht Mannheim zurückzuweisen.
14 
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze und die gerichtlichen Protokolle Bezug genommen.
B.
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Ob im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils das Amtsgericht Mannheim noch in der Unterhaltssache zuständig war, kann dahinstehen. Auch das, wie hier, in der Ehesache unzuständige Gericht ist bis zur Verweisung derselben an das für die Ehesache zuständige Gericht möglicherweise auch für die in § 621 Abs. 2 ZPO genannten Familiensachen zuständig ( Zöller / Philippi , ZPO, 26. Aufl. Rnr. 86b). So kann am ehesten gewährleistet werden, dass Ehesache und die in § 621 Abs. 2 ZPO genannten Familiensachen stets bei demselben Gericht anhängig sind und bei Unzuständigkeit desselben gemeinsam an das zuständige Gericht verwiesen werden können. Letztlich kann dies an dieser Stelle dahinstehen. Nachdem das Scheidungsverfahren auf Antrag des Beklagten gemäß §§ 606 Abs. 2, 281 ZPO an das Amtsgericht M. verwiesen wurde, diese Verweisung bindend ist und das Amtsgericht M. erklärt hat, das Verfahren zu übernehmen, muss für das weitere Scheidungsverfahren von einer örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts M. ausgegangen werden. Dem Rechtsgedanken des § 621 Abs. 3 ZPO folgend ist deshalb davon auszugehen, dass das Amtsgericht M. damit auch jetzt für das Unterhaltsverfahren zuständig ist. Der vorliegende Sachverhalt fällt zwar nicht unter den Wortlaut dieser Vorschrift, denn diese geht davon aus, dass die nachträgliche Rechtshängigkeit der Scheidungssache bei einem anderen Gericht eintritt, was hier in Mannheim nicht der Fall war. Andererseits verlangt eben dieser Wortlaut der Vorschrift nicht, dass das in der Ehesache angegangene Gericht auch örtlich zuständig sein muss. Ist es unzuständig, wird es, wie hier, die Ehesache verweisen. Es sind dann die übrigen Familiensachen an das andere Gericht mitzuverweisen. Sinn und Zweck des § 623 Abs. 3 ZPO würden verfehlt, wenn die gleichzeitige Anhängigkeit von Ehesache und Unterhalts- oder sonstiger in § 621 As. 2 ZPO beschriebener Familienache bei einer Unzuständigkeit des in der Ehesache angerufenen Gerichts dazu führen würde, dass letztlich zwei verschiedene Gerichte zur Entscheidung berufen wären. In entsprechender Anwendung des § 621 Abs. 3 ZPO ist deshalb das Unterhaltsverfahren jedenfalls auf Antrag der Klägerin an das Amtsgericht M. zu verweisen.
C.
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Da bereits ein Urteil vorliegt, setzt die Verweisung eine Aufhebung dieses Urteils voraus. Die Aufhebung selbst kann nur durch Urteil ausgesprochen werden, in welchem gleichzeitig die Verweisung anzuordnen ist (BGH NJW 1986, 1995 für den Fall einer Abgabe nach § 46 WEG unter Hinweis auf BGHZ 10, 155 ( 163) = NJW 1953, 1508 = LM § 276 ZPO; Zöller / Greger, a.a.O., § 281 Rdnr. 9).
17 
Die Entscheidung über die Kosten obliegt dem Gericht erster Instanz (vgl. Zöller / Gummer / Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 58 ff für den vergleichbaren Fall des § 538 ZPO). Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit vgl. Zöller / Gummer / Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 59. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 46 Veräußerung ohne erforderliche Zustimmung


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 276 Schriftliches Vorverfahren


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 606 Musterfeststellungsklage


(1) Mit der Musterfeststellungsklage können qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen

Referenzen

(1) Mit der Musterfeststellungsklage können qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer begehren. Qualifizierte Einrichtungen im Sinne von Satz 1 sind die in § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Unterlassungsklagengesetzes bezeichneten Stellen, die

1.
als Mitglieder mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 350 natürliche Personen haben,
2.
mindestens vier Jahre in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind,
3.
in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehmen,
4.
Musterfeststellungsklagen nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erheben und
5.
nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen.
Bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Voraussetzungen nach Satz 2 Nummer 4 oder 5 vorliegen, verlangt das Gericht vom Kläger die Offenlegung seiner finanziellen Mittel. Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllen.

(2) Die Klageschrift muss Angaben und Nachweise darüber enthalten, dass

1.
die in Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen vorliegen;
2.
von den Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen.
Die Klageschrift soll darüber hinaus für den Zweck der Bekanntmachung im Klageregister eine kurze Darstellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes enthalten. § 253 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Die Musterfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn

1.
sie von einer qualifizierten Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhoben wird,
2.
glaubhaft gemacht wird, dass von den Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen und
3.
zwei Monate nach öffentlicher Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mindestens 50 Verbraucher ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister wirksam angemeldet haben.

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.

(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen.

(2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen.

(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.