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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.
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Zwischen den Parteien besteht gemäß dem Versicherungsschein vom 09.08.1996 (Anlage K 1) eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatz. Versichert ist bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zu mindestens 50 %. Die Leistungszeit für Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung endet am 01.08.2009. Der Kläger hat das Versicherungsverhältnis zum 31.08.2003 gekündigt.
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§ 2 der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (Anlage K 2) lautet auszugsweise:
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"1. Vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn und solange die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung und aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
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2. Vollständige Berufsunfähigkeit einer versicherten Person, die das 55. Lebensjahr vollendet hat, liegt auch vor, wenn und solange sie infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf auszuüben, es sei denn, sie übt eine andere, ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit aus oder sie könnte eine solche Tätigkeit nach zumutbarer Umorganisation des Arbeitsplatzes ausüben.
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3. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Nr. 1 oder Nr. 2 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich mindestens sechs Monate erfüllt sind.
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4. Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung und aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.
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5. Ist eine versicherte Person, die das 55. Lebensjahr vollendet hat, voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren Beruf auszuüben, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit, es sei denn, sie übt eine andere, ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit aus oder sie könnte eine solche Tätigkeit nach zumutbarer Umorganisation des Arbeitsplatzes ausüben."
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Der 1944 geborene Kläger war zuletzt als Verwaltungsleiter angestellt mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bei 5-Tage-Woche. Am 16.09.2001 erlitt der Kläger eine akute Kniegelenkseinklemmung, deretwegen er sich am 17.09.2001 einer Operation mit subtotaler Außenmeniskusresektion unterzog. Im weiteren Verlauf kam es zu Komplikationen in Form einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung (Streckdefizit) mit Schwellneigung. Vom 21.11.2001 bis 24.12.2001 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Die Entlassung am 17.01.2002 erfolgte "zunächst noch arbeitsunfähig", wobei "voraussichtlich Mitte Januar 2002" mit "vollschichtiger Leistungsfähigkeit" des Klägers zu rechnen sei. Vom 16.09.2001 bis 31.03.2002 war der Kläger krankgeschrieben; am 01.04.2002 endete das Arbeitsverhältnis. In der weiteren ärztlichen Behandlung wurde eine Reflexdystrophie des rechten Kniegelenks mit muskulärer Atrophie diagnostiziert. Von Februar bis Juni 2006 besserte sich der Zustand des Kniegelenks langsam. Am 12.06.2002 wurde ein deutlicher Rückgang der Kapselschwellung und eine Verbesserung der Muskulatur festgestellt, am 12.09.2002 Reizlosigkeit des Gelenks bei freier Beweglichkeit bis 120 Grad, noch leichtem
chronopathischen Crepitieren
und Verbesserung des Muskelstatus. Der behandelnde Arzt würdigte das Behandlungsergebnis unter dem 20.10.2003 als weitestgehend ausgeheiltes Krankheitsgeschehen, das keiner intensiven medizinischen Behandlung mehr bedürfe (Anlage B 2). Gleichwohl bescheinigte das Versorgungsamt Bielefeld dem Kläger mit Bescheid vom 04.07.2002 (K 8) einen Grad der Behinderung von 30.
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Der Kläger hat vorgetragen, er sei seit dem 16.09.2001 ununterbrochen arbeitsunfähig und zu mindestens 50% nicht in der Lage, seine letzte Tätigkeit auszuüben. Er ist der Ansicht, dass damit Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliege. Er behauptet, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei zu 40 % am Schreibtisch ausgeübt worden; im übrigen habe er Inspektionsgänge über das weitläufige Gelände der Reha-Einrichtung unternehmen müssen; ferner seien häufig Fahrten erforderlich gewesen, gelegentlich Besuche bei Familien von Rehabilitanden und bei potentiellen Ausbildungsfirmen.
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Er habe seit der Operation unter starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen gelitten, die ihm die Ausübung seiner Tätigkeit unmöglich machten. Dieser Zustand bestehe seit dem 16.09.01 bis heute.
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Der Kläger hat in erster Instanz beantragt
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 16.09.01 bis 31.07.2002 eine anteilige Jahresrente von 21.584,35 DM, ab 01.08.2002 bis 31.07.2003 eine Jahresrente von 11.569,84 EUR und ab 01.08.2003 eine Jahresrente von 13.547,27 EUR sowie eine zukünftige Rente gem. den vereinbarten Versicherungsbedingungen bis 01.08.2009 zu bezahlen.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die von diesem seit 16.09.2001 bis 31.08.2003 entrichteten Beiträge in Höhe von 3.461,70 EUR zurückzuzahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Sie ist der Auffassung, Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen sei nicht nachgewiesen.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Be, durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. G und durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dr. med. H. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sei, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Ausprägung auszuüben. Nach dem Gutachten des Sachverständigen sei der Kläger nachweislich nur in der Zeit vom 16.09.2001 bis 27.02.2002 und damit weniger als sechs Monate lang unfähig gewesen, seinen Beruf auszuüben; hinsichtlich der Folgezeit gingen die nach dem Gutachten verbleibenden Zweifel zu Lasten des Klägers.
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Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel mit unten näher dargestellten Modifikationen weiter. Die Anträge der mit der Berufungsbegründung zusätzlich erhobenen Stufenklage auf Auskunft und entsprechende Auszahlung der Überschussbeteiligung wird der Kläger nicht verlesen (II 81).
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Der Kläger trägt vor, das Landgericht sei zu Unrecht nur der Frage nachgegangen, ob der Kläger tatsächlich mehr als sechs Monate lang seinen Beruf nicht ausüben konnte. Nach den Versicherungsbedingungen nach Anlage K 2 liege Berufsunfähigkeit auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer voraussichtlich seinen Beruf mehr als sechs Monate nicht ausüben kann. Die diesbezügliche Bestimmung in § 2 Ziff. 5 sei allerdings insofern missglückt, als dort das Wort "voraussichtlich" fehl am Platze sei. Wesentlicher Kern der Regelung sei, dass der Versicherungsnehmer auch dann einen Leistungsanspruch habe, wenn eine in der Vergangenheit angestellte Prognose ergeben hätte, dass er aus damaliger Sicht voraussichtlich mindestens sechs Monate (zu mindestens 50 %) außerstande sein würde, seinen Beruf auszuüben. Das sei vorliegend der Fall. Im Arztbericht gemäß Anlage K 5 sei ausgeführt, dass das Gelenk noch einen Zeitraum von einem halben Jahr benötige, um wieder ausreichend belastungsfähig zu werden. Die Reflexdystrophie habe sich im Oktober 2001 herausgebildet; mit ausreichender Belastungsfähigkeit sei aus ärztlicher Sicht erst wieder Anfang Juli 2002 zu rechnen gewesen. Bei einer fiktiven, im Oktober 2001 oder im Januar 2002 angestellten Prognose hätte sich daher ergeben, dass der Kläger zu mindestens 50 % an der Ausübung seiner letzten Tätigkeit gehindert gewesen sei.
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Der Kläger ist ferner der Auffassung, die Leistungspflicht des Versicherers ende nicht automatisch, sondern erst dann, wenn er dem Versicherungsnehmer die Einstellung der Leistungen unter Hinweis auf seine Rechte mitgeteilt habe. Das gelte nicht nur dann, wenn der Versicherer die Leistungspflicht anerkannt, sondern auch, wenn er sie zu Unrecht nicht anerkannt habe. Mangels Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nach § 4 der Bedingungen bestehe die Leistungspflicht der Beklagten daher fort.
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Hilfsweise stützt der Kläger die geltend gemachten Forderungen auf einen Schadensersatzanspruch. Er trägt vor, er sei in erster Instanz beweisfällig geblieben, weil der Gutachter nicht habe feststellen können, wie lange der Kläger über den 27.02.2002 hinaus zu 50 % berufsunfähig war. Er habe zunächst nicht gewusst, dass er schon dann einen Leistungsanspruch habe, wenn er tatsächlich länger als sechs Monate berufsunfähig im Sinne der Bedingungen gewesen sei. Dies sei darauf zurückzuführen, dass dieser Leistungstatbestand in den Bedingungen nach Anlage K 2 nicht hinreichend deutlich aufgenommen sei; § 2 Ziff. 5, der für Personen über 55 Jahre wie den Kläger gelte, ergebe wegen des Wortes "voraussichtlich" keinen Sinn. Hätte die Bedingungen den diesbezüglichen Versicherungsfall korrekt definiert, hätte der Kläger durch entsprechende Arztgutachten unmittelbar nach Ablauf der sechs Monate das Vorliegen des Versicherungsfalls bestätigen lassen. Deshalb müsse er so gestellt werden, als ob er das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit hätte beweisen können.
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Der Kläger hat die Leistungsanträge in der Berufungsinstanz hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Rente und der zu erstattenden Beiträge an den von der Beklagten vorgetragenen Vertragsstand vom 01.09.2001 angepasst.
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das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
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1. an den Kläger 62.317,98 EUR zuzüglich 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz aus 26.210,31 EUR seit dem 11.02.2004 und im übrigen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
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2. an den Kläger ab dem 01.01.2007 längstens bis zum 01.08.2009 eine Berufsunfähigkeitsrente in der Höhe von 919,66 EUR monatlich zuzüglich Überschussbeteiligung zu bezahlen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Auffassung, die Klage sei weitgehend unschlüssig, da feststehe, dass eine Berufsunfähigkeit allenfalls von Oktober 2001 bis Juni 2002 bestanden habe. Es treffe aber nach dem Sachverständigengutachten auch nicht zu, dass im Oktober 2001 hätte prognostiziert werden können, dass der Kläger voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % berufsunfähig sein werde; der Sachverständige habe unter Hinweis auf den sehr variablen Verlauf der Reflexdystrophie ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, ob die weitgehende Genesung des Klägers im März 2006 oder erst Anfang Juni 2006 eingetreten sei. Der Arztbericht nach Anlage K 5, auf den sich der Kläger beziehe, habe den Zeitraum von einem halben Jahr auf die vollständige Wiederherstellung der Belastbarkeit bezogen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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