Oberlandesgericht Köln Beschluss, 21. Juli 2016 - 9 U 41/16
Tenor
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21.01.2016 - 24 O 36/14 - gem. § 522 II ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin im Beschlusswege gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
4Das Landgericht hat mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung die Klage abgewiesen und weitergehende Entschädigungsansprüche der Klägerin in Höhe von 297.910,- € wegen des Brandes in ihrem versicherten Haus vom 23./24.11.2012 aufgrund der bei der Beklagten abgeschlossenen Wohngebäude- und Hausratversicherungen verneint sowie der Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung bereits erbrachter Entschädigungsleistungen in Höhe von 50.000,- € stattgegeben. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung, das Rechtsmittel ist unbegründet.
5Ergänzend ist folgendes anzumerken:
6Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht in den unterlassenen Angaben der Klägerin zu ihren Verbindlichkeiten gegenüber der S und ihrer insoweit unzutreffend erteilten Auskunft über die Höhe ihrer Schulden, insbesondere gegenüber dem Regulierungsbeauftragten der Beklagten, dem Zeugen N, eine arglistige Täuschung mit entsprechender Täuschungsabsicht gesehen und deswegen eine vollständige Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 26 Nr. 1 VGB 2003 sowie Ziff. 13.1 VHB 2008 angenommen hat.
71.
8Eine bewusste Täuschung der Klägerin bezogen auf die o.g. Verbindlichkeiten fehlt nicht deswegen, weil sie – so ihr Vortrag - ihre bewusst falsche Angabe zur Höhe der Schulden mit 10.000,- € - 15.000,- € vermeintlich plausibel und nachvollziehbar mit ihrer damaligen Angst, auf der Straße zu stehen, und dem Verlust ihres gesamten Hab und Guts erläutert habe. Auch aus Sicht des Senats hat die Klägerin damit gerade ihren für eine Arglist erforderlichen Willen und das Bewusstsein, der Beklagten einen Nachteil zuzufügen, zum Ausdruck gebracht.
9Die vor allem bei Aufklärungs- und Informationsobliegenheiten vorzufindende Arglist des Versicherungsnehmers verlangt über das Wollen der Obliegenheitsverletzung hinaus, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen. Dieser Nachteil muss nicht in einer ungerechtfertigten Zahlung bestehen; auch eine Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn das inkorrekte Verhalten des Versicherungsnehmers Beweisschwierigkeiten überwinden oder wenn der Versicherer davon abgehalten werden soll, an sich gebotene Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruchs anzustellen (Prölls/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. 2015, § 28 VVG Rn. 198 m.w.N.).
10Ihre damalige Angst, bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Fragen nach ihren Schulden auf der Straße zu stehen, d.h. keine Entschädigung zu erhalten, um die Wohn- und Ausstattungssituation nach dem Brand angehen zu können, verdeutlicht die Erkenntnis der Klägerin, dass die Frage nach ihren aktuellen Verbindlichkeiten für die Regulierungsentscheidung der Beklagten von nicht unerheblicher Bedeutung war und die wahrheitsgemäße Beantwortung für sie selbst mit Nachteilen, also mit weiteren Ermittlungen und im schlimmsten Fall mit einer gänzlichen Verweigerung der Entschädigung, verbunden sein könnte. Dass sie in dieser Erkenntnis die Höhe ihrer Verbindlichkeiten bewusst unrichtig angegeben hat, lässt den Rückschluss auf ihren Willen zu, die Beklagte von weiteren Ermittlungen zu diesem Punkt abzuhalten.
112.
12Der Annahme einer arglistigen Täuschung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin den Sinn der Fragen nach ihrer wirtschaftlichen Situation sowie ihren Schulden und deren Zusammenhang mit dem Versicherungsfall nicht verstanden haben will, weil nach ihrer Ansicht die Beklagte im Versicherungsfall unabhängig vom Bestand ihrer Schulden habe leisten müssen.
13Der Versicherer kann verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (§ 31 I S. 1 VVG). Der Zweck dieser Obliegenheit besteht – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - darin, den Versicherer in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen seiner Eintrittspflicht sachgerecht zu prüfen, indem er Ursache und Umfang des Schadens ermittelt. Das schließt die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen ein, aus denen sich – etwa nach § 81 I VVG - die Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer ergeben kann (BGH, Urt. v. 16.11.2005, - IV ZR 307/04 -, VersR 2006, 258 ff. in juris Rn. 13 m.w.N.; Schwintowski in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum VVG, 2. Aufl. 2010, § 31 VVG Rn. 21 m.w.N.). Der Versicherungsnehmer hat daher auf entsprechendes Verlangen auch solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, selbst wenn die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem Versicherer erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen (BGH, Urt. v. 16.11.2005, - IV ZR 307/04 -, VersR 2006, 258 ff. in juris Rn. 14). Es ist grundsätzlich Sache des Versicherers, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können BGH, Urt. v. 16.11.2005, - IV ZR 307/04 -, VersR 2006, 258 ff. in juris Rn. 14). Dazu können auch Fragen nach den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers, insbesondere nach der Abgabe eidesstattlicher Versicherungen, nach dem Vorliegen rechtskräftiger Schuldtitel und der Höhe der Verbindlichkeiten gehören, weil sich daraus für den Versicherer Anhaltspunkte ergeben können, der Eintritt des Versicherungsfalles und die damit verbundene Entschädigungsleistung entspreche der finanziellen Interessenlage des Versicherungsnehmers (BGH, Urt. v. 16.11.2005, - IV ZR 307/04 -, VersR 2006, 258 ff. in juris Rn. 14; Römer/Langheit/Rixecker, VVG, 3. Aufl. 2012, § 31 Rn. 8).
14Demnach ist unerheblich, ob die Klägerin den Sinn der Fragen des Zeugen N nach ihrer wirtschaftlichen Situation, insbesondere ihren Verbindlichkeiten, verstanden hat. Die Stellung dieser Fragen war von dem berechtigten Ermittlungsinteresse der Beklagten gedeckt und die Klägerin war verpflichtet, sie vollständig zu beantworten. Dies ist nach ihren eigenen Angaben anlässlich ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2015 nicht geschehen, weil die Klägerin im ersten Ortstermin vom 27.11.2012 die Höhe ihrer Verbindlichkeiten mit „irgendwas von 10.000,- € oder 15.000,- €“ angegeben hat, in Kenntnis der Unrichtigkeit dieser Auskunft. Der Hinweis der Klägerin auf eine „irreführende Belehrung“ in der Verhandlungsniederschrift vom 27.11.2012 ist angesichts dessen nicht nachvollziehbar.
153.
16Nicht zu folgen vermag der Senat auch ihrem Einwand, eine etwaige arglistige Täuschung ihrerseits sei jedenfalls folgenlos geblieben, weil ihre Angaben zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, zu welchem Zahlungen durch die Beklagte als eintrittspflichtiger Versicherer noch nicht im Raum gestanden hätten, weil diese am 27.11.2012 noch am Beginn ihrer ohnehin beabsichtigten vollumfänglichen Ermittlungen zum Versicherungsfall gestanden habe. Soweit die Klägerin sich damit auf die Berichtigung ihrer am 27.11.2012 erteilten Auskünfte über ihre Verbindlichkeiten berufen will, führt dies nicht zu einem Wegfall der Leistungsfreiheit der Beklagten nach den o.g. Vorschriften.
17Nach der Rechtsprechung erfüllen falsche Angaben den objektiven Tatbestand dann nicht, wenn sie so schnell berichtigt werden, dass die korrigierte Information dem Versicherer in dem Zeitpunkt vorliegt, in dem er sich erstmals mit dem Vorgang befasst. Durch die Berichtigung falscher Angaben kann die Vorsatzvermutung ferner widerlegt werden, wenn das Gesamtverhalten des Versicherungsnehmers nach Überzeugung des Tatrichters darauf schließen lässt, dass die Falschangabe auf einem Irrtum beruht. Ist die Vorsatzvermutung nicht widerlegt, ist dem Versicherer die Berufung auf die Leistungsfreiheit gleichwohl nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt, wenn der Zweck der Aufklärungsobliegenheit durch die Berichtigung der falschen Angaben letztlich doch erreicht ist. Das wirtschaftliche Interesse des Versicherers an richtigen Angaben besteht allerdings fort, solange ihm durch die falschen Angaben noch kein Nachteil, etwa durch Verlust von Aufklärungsmöglichkeiten, entstanden und ihm die Unrichtigkeit noch nicht aufgefallen ist (BGH, Urt. v. 05.12.2001, - IV ZR 225/00 -, VersR 2002, 173 ff. in juris Rn. 18-20 m.w.N.).
18Davon, dass die Falschangabe der Klägerin bezogen auf die Höhe ihrer Verbindlichkeiten auf einem Irrtum beruht, kann nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung am 04.05.2015 eingeräumt, sie habe gewusst, dass ihre Angabe zu Verbindlichkeiten von 10.000,- € oder 15.000,- € nicht stimmte (Bl. 191 R unten d.A.). Sie war sich demnach der Unrichtigkeit ihrer Auskunft bewusst.
19Für eine zum Wegfall der Leistungsfreiheit der Beklagten führende Berichtigung fehlt es nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil auch an einer zeitnahen Berichtigung seitens der Klägerin, bevor die Beklagte bzw. ihre zuständigen Mitarbeiter sich mit dem Vorgang erstmals befasst hatten und bevor sie von der Unrichtigkeit der Auskunft über die Höhe der Verbindlichkeiten der Klägerin von Seiten der Polizei Kenntnis erlangt hatten. Ebenso wie das Landgericht geht auch der Senat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon aus, dass die Beklagte am 14.12.2012 zumindest von Schulden der Klägerin bei der GEW in Höhe von ca. 50.000,- € Kenntnis erlangt hat, die diese bei ihrer Befragung durch den Zeugen N beim ersten Ortstermin am 27.11.2012 nicht angegeben hatte. Ferner steht fest, dass es eine Berichtigung dieser Falschangabe mit Blick auf die Verbindlichkeiten bei der S seitens der Klägerin vor Kenntniserlangung durch die Beklagte, also vor dem 14.12.2012, nicht gegeben hat. Dass die Klägerin unmittelbar nach dem ersten Ortstermin vom 27.11.2012 dem Zeugen N zusammen mit dem Grundbuchauszug auch Unterlagen über ihre Verbindlichkeiten bei der S zur Verfügung gestellt hat, hat der Zeuge N nicht bestätigt. Er hat vielmehr bekundet, er habe außer dem Grundbuchauszug keine weiteren Unterlagen von der Klägerin erhalten. Auch nicht erwiesen hat sich nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 03.06.2015 (Bl. 240 d.A.), ihr früherer Rechtsanwalt, der Zeuge N2, habe Anfang Januar 2013 per E-Mail die Beklagte auf die bestehenden Verbindlichkeiten der Klägerin bei der S hingewiesen. Dies hat der Zeuge N2 bei seiner Vernehmung am 07.09.2015 nicht bestätigt (Bl. 277 R f.).
20Aber auch wenn die Klägerin – so ihr Vortrag – der Beklagten Anfang Januar 2013 aussagekräftige Unterlagen über ihre Verbindlichkeiten bei der S über ihren damaligen Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt haben sollte und die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch mit ihren Ermittlungen befasst war, also weder in Regulierungsverhandlungen eingetreten war noch Zahlungen an die Klägerin geleistet hat und die arglistige Täuschung für die Beklagte in finanzieller Hinsicht keine Nachteile hatte, ist dies wegen der zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Kenntnis der Beklagten von der Unrichtigkeit der klägerischen Angaben nach den dargelegten Grundsätzen unerheblich.
21Aus dem gleichen Gund kann sich die Klägerin auch nicht damit entlasten, das Informations- und Aufklärungsbedürfnis der Beklagten sei deswegen nicht gefährdet gewesen, weil diese seit dem 19.12.2012 – nur 3 Wochen nach der Verhandlungsniederschrift – und damit während ihrer noch länger andauernden Ermittlungen die klägerischen Verbindlichkeiten bei der S von über 50.000,- € einschließlich des Termins der beabsichtigten Stromsperre gekannt habe. Denn diese Kenntnis wurde der Beklagten nicht von der Klägerin selbst, sondern im Rahmen ihrer eigenen Ermittlungen von der Polizei vermittelt.
22Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte – so die Ansicht der Klägerin – aufgrund der klägerischen Angaben zu ihrer im Jahr 2010 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sowie der gerichtlichen Geltendmachung der Hausratsversicherungsprämie im Mahnverfahren und aufgrund ihrer regelmäßigen Zahlungsverzögerungen infolge ihrer unregelmäßigen Einnahmen aus dem betriebenen Schaustellergewerbe von Anfang an über ihre schwache wirtschaftliche Situation im Bilde gewesen sei. Zum einen kann der Verhandlungsniederschrift vom 27.11.2012 (Bl. 284 d.A.) schon nicht entnommen werden, dass die Klägerin gegenüber dem Zeugen N derartige Angaben gemacht hat. Diese Umstände sind dem Zeugen N von der Polizei bzw. dem von dieser beauftragten Sachverständigen X mitgeteilt worden. Zum anderen konnte die Beklagte allein daraus keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die finanzielle Situation der Klägerin im Zeitpunkt des Brandes am 23./24.11.2012 ziehen, insbesondere ergab sich daraus nicht die Höhe der aktuell in diesem Zeitpunkt noch offenen Verbindlichkeiten der Klägerin.
234.
24Der Beklagten ist die Berufung auf die Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung gemäß § 26 Nr. 1 VGB 2003 bzw. Ziff. 13.1 VHB 2008 auch nicht aus Billigkeitsgründen verwehrt. Abgesehen davon, dass das Gesetz - anders als in den Fällen der groben Fahrlässigkeit - keine Abstufung der Leistungsfreiheit nach dem Ausmaß der Arglist vorsieht und existenzgefährdeten Versicherungsnehmern das Lügen nicht leichter gemacht werden sollte als anderen, beschränkt sich die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Berufung des Versicherers auf volle Leistungsfreiheit im Falle der Arglist auf Ausnahmefälle. Die Rechtsprechung hat bisweilen aus Billigkeitsgründen eine bloß teilweise Leistungsfreiheit angenommen, bspw. wenn die Täuschung nur einen geringeren Teil des versicherten Schadens betrifft und aber die Versagung des gesamten Anspruchs den Versicherungsnehmers in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht (Prölls/Martin/Armbrüster, a.a.O. § 28 VVG Rn. 203 m.w.N.). Eine solche Fallkonstellation ist vorliegend nicht gegeben.
25Dass die Beklagte dies anders gesehen und ihren Einwand der vollen Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung selbst als rechtsmissbräuchlich angesehen hat, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin weder aus der Aufnahme von Regulierungsverhandlungen mit ihr ab September 2013 noch aus der von der Beklagten am 23.09.2013 in Kenntnis der die arglistige Täuschung begründenden Umstände geleisteten Abschlagszahlung von 50.000,- € noch aus dem am 29.11.2013 unterbreiteten Abfindungsangebot der Beklagten über 107.147,- €.
26Dagegen spricht zunächst, dass die Beklagte die Abschlagszahlung ausweislich ihrer Ankündigung im Schreiben vom 23.09.2012 (Anl. K 15 Anlagenheft) ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet hat. Außerdem hat sie in ihrem nachfolgenden Schreiben vom 29.11.2013 darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich des arglistigen Verschweigens der Forderungen der S in Höhe von 52.124,57 € an ihrer bisherigen Auffassung festhalte und überdies die von der Klägerin eingereichte Schadenaufstellung nicht mit den Feststellungen des Sachverständigen in Einklang zu bringen sei, weswegen eine Täuschung gemäß Ziff. 13.1 VHB 2008 und Ziff. 14.1 VGB 2003 – gemeint dürfte § 26 Nr. 1 VGB 2003 sein – vorliege (Anl. K 16 Anlagenheft.). Soweit die Beklagte gleichwohl einen Abfindungsvergleich mit einer anteiligen Erstattung des Schadens in Höhe von 50 % angeboten hat, kann dies nur dahingehend verstanden werden, dass sie damit eine kostenträchtige und auch für sie mit Prozessrisiken verbundene gerichtliche Geltendmachung der Versicherungsleistungen durch die Klägerin vermeiden wollte. Keinesfalls lässt sich daraus aber ein Verzicht der Beklagten auf ihren im vorliegenden Rechtsstreit aufrechterhaltenen Einwand der Leistungsfreiheit oder ihr Zugeständnis entnehmen, sie selbst halte die Berufung auf diesen Einwand für treuwidrig.
275.
28Auf den Einwand des Wegfalles der Bereicherung gemäß § 818 III BGB kann sich die Klägerin hinsichtlich der erhaltenen Abschlagszahlung von 50.000,- € nicht mit Erfolg berufen, weil es an der dafür erforderlichen Entreicherung fehlt. Durch die Anschaffung eines Wohnwagens für sich und ihre Familie in annehmbarer Größe als Ersatzunterkunft mit Hilfe dieses Betrages hat die Klägerin dafür einen entsprechenden Gegenwert verlangt, der sich auch derzeit noch in ihrem Vermögen befindet.
29Ist das Erlangte – hier der erhaltene Abschlagsbetrag von 50.000,- € - verbraucht worden, besteht eine Bereicherung, d.h. der Wertersatzanspruch gemäß § 818 II BGB, fort, soweit die Bereicherungsschuldnerin in kausalem Zusammenhang mit dem rechtsgrundlosen Erwerb sich noch vorhandene Vermögensvorteile geschaffen oder erworben, z.B. Ersparnisse oder Anschaffungen getätigt bzw. eigene Schulden getilgt hat (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl. 2016, § 818 Rn. 40 m.w.N.; BGH NJW 2000, 740).
30II.
31Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen (Eingang bei Gericht). Auf die kostenrechtliche Privilegierung einer Berufungsrücknahme – statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 II GKG) – wird hingewiesen.
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Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin wird auf die Widerklage hin verurteilt, 50.000,- € an die Beklagte nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2015 zu zahlen.
3.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin der Beklagten für eine Hausratversicherung und für eine Gebäudeversicherung für den Versicherungsort V-Straße in Köln.
3Zunächst bestand ein Hausratversicherungsvertrag mit einer geringeren Versicherungssumme, zuletzt von 102.000 EUR mit Versicherungsbeginn 28.02.2011 und Geltung der VHB 2008. Der Versicherungsschein ist als Anlage BLD 1 (AH), die VHB sind als Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 6.3.2014 (Blatt 26 ff. GA) zur Akte gelangt. Die Versicherungsprämien wurden mehrfach angemahnt. Die Klägerin beantragte am 17.11.2012 den Abschluss eines neuen Hausratsversicherungsvertrages mit einer Versicherungssumme von 200.000 EUR. Hieraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2012 zunächst mit, dass der Vorvertrag sich im gerichtlichen Mahnverfahren befände und ohne Ausgleich der offenen Posten keine Neuordnung stattfände, woraufhin der Versicherungsvermittler, der Zeuge F, handschriftlich der Beklagten hierauf mitteilte, dass die Prämie am 16.12.2012 in bar gezahlt und von ihm per Scheck auf den Weg zur Beklagten gebracht worden sei. Daraufhin erteilte die Beklagte den Versicherungsschein mit Versicherungsbeginn 17.11.2012 (Anlage K 11, AH) und Geltung der VHB 2008. Die Prämie hierfür mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2013 an.
4Zugleich besteht zwischen den Parteien eine Gebäudeversicherung für das Gebäude in der V-Straße in Köln. Ausweislich des Versicherungsscheins (Anlage K 8, AH) gelten die VGB 2003, die als Anlage K 10 (AH) zur Akte gereicht wurden.
5Das Gebäude in der V-Straße in Köln nebst Grundstück erlangte die Klägerin im Wege der Erbfolge; dort war sie auch bei Eintritt des Versicherungsfalles wohnhaft. Für die Befriedigung von Nachlassansprüchen anderer Angehöriger nahm sie ein Darlehen bei der Sparkasse A auf, für welches eine Grundschuld an dem Grundstück bestellt ist. Die Grundschuldgläubigerin hat sich ausweislich eines Schreibens vom 06.03.2014 zum Zwecke des Neubaus des Objektes damit einverstanden erklärt, dass „die Versicherungssumme“ der Wohngebäudeversicherung an die Klägerin ausgezahlt wird (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 19.3.2014, Bl. 25 GA).
6Am 23.11.2012 kam es zu einem Brand des Gebäudes, bei dem ein erheblicher Wohngebäude- und Hausratschaden entstand.
7Die Polizei kam im Rahmen ihrer Ermittlungen zu dem Brand zu dem Ergebnis, dass die wahrscheinlichste Brandursache eine versehentlich eingeschaltet gebliebene Herdplatte sei. Der beklagtenseits hinzugezogene Sachverständige Z kam zu dem Ergebnis, dass eine eingeschaltete Herdplatte als Brandauslöser in Betracht käme, dies jedoch nicht zwingend nachzuweisen sei. Auf den entsprechenden Ermittlungsbericht, den Aktenvermerk und das Gutachten vom 26.02.2013 (Bl. 21 ff., 43 ff. und 79 ff. der EA) wird Bezug genommen. Nachfolgend wurde gegen die Klägerin und ihren Ehemann wegen fahrlässiger Brandstiftung ermittelt. Die Klägerin gab an, dass der Herd bei Verlassen des Hauses ausgeschaltet gewesen sei (Bl. 45 ff. der EA). Schlussendlich erfolgte eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO.
8Am 27.11.2012 fand ein Ortstermin mit dem Schadensregulierer der Beklagten, dem Zeugen O, statt, der sowohl die Wohngebäude- wie auch die Hausratversicherung betraf. In diesem Ortstermin gab die Klägerin an (Verhandlungsniederschrift, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 13.3.2014, Bl. 22 f GA), dass sie 2010 die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, wobei es um Schulden in Höhe von unter 10.000 EUR gegangen sei, die sie auch ausgeglichen habe. Weiter heißt es: „Finanziell haben wir keine Probleme, an Schulden nur die Hypothek, die zur Auszahlung des Erbteils meiner Mutter und meines Onkels verwendet wurde.“
9Zum Zeitpunkt des Ortstermins hatte die Klägerin bei der X AG Schulden in Höhe von über 50.000,- €. Dem liegt der nachfolgend tabellarisch aufgelistete Ablauf zugrunde:
1013.04.2011: Die X erhebt wegen Nichtzahlung von Strom- und Wasserlieferungen Klage über eine Hauptforderung in Höhe von 52.124,57 €.
1113.12.2011: Die Klägerin wird entsprechend verurteilt (29 O 79/11 LG Köln).
12Danach kommt eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der X zustande. Es sollen am 10.04., 20.06. und 01.11.2012 und in den drei Folgejahren zu den entsprechenden Zeitpunkten jeweils 5.000,- € gezahlt werden; ferner sollte die Klägerin monatliche Abschläge in Höhe von 895,- € zahlen.
1324.04.2012: Die X teilt der Klägerin mit, die Ratenzahlungsvereinbarung sei aufgrund der nicht vollständigen Zahlung des ersten Abschlags (Fälligkeit: 17.04.2012) nicht zustande gekommen. Es hätten 5.895,- € gezahlt werden sollen, es wurden jedoch nur 5.000,- € gezahlt.
1426.04.2012: Anruf der Klägerin bei der X: Sie habe doch die erste Rate bezahlt.
1518.06.2012: Anruf der Klägerin bei der X: Sie könne die 2. Rate bis zu deren Fälligkeit am 20.06.2012 nicht aufbringen; ihr wird Fristverlängerung bis zum 30.06.2012 gewährt.
1620.06.2012: Die Zahlung der 2. Raten bleibt komplett aus.
1724.07.2012: Die X beauftragt die Gerichtsvollzieherin mit der Beitreibung der Forderung und dem Abklemmen der Stromversorgung. Am 19.09.2012 soll vollstreckt werden.
1831.08.2012: Anruf der Klägerin nach Eingang des Schreibens der Gerichtsvollzieherin. Sie kündigt an, die 2. Rate bis zum 01.10.2012 zu zahlen. Verschiebung der Zwangsvollstreckung auf den 05.10.2012 mit der Maßgabe, dass die Klägerin dann auch am 01.11.2012 die dann fällige Rate zahlt.
1901.10.2012: Zahlung der Rate Juni 2012
2009.11.2012: Die Novemberrate wurde nicht gezahlt
2115.11.2012: Die Gerichtsvollzieherin soll die Zwangsvollstreckung durchführen.
2215.11.2012: Die Klägerin und ihr Ehemann erscheinen im Kundenzentrum der X, um eine neuerliche Ratenzahlungsvereinbarung zu erreichen. Dies wird von der X abgelehnt.
23Die Gerichtsvollzieherin benachrichtigt die Klägerin, dass die Zwangsvollstreckung und die Abstellung des Stroms am 10.12.2012 erfolgen solle.
24Die Polizei ermittelte am 12.12.2012 die Einzelheiten der Verbindlichkeiten der Klägerin bei der X. Auf den entsprechenden Aktenvermerk und die zugehörige E-Mail der X wird Bezug genommen (Bl. 67 ff der EA).
25Vor dem 12.12.2012 hat kein Mitarbeiter der Beklagten, auch nicht der von ihr beauftragte Sachverständige Z, von den Schulden der Klägerin bei der X gewusst.
26Die Beklagte ließ den Schadensfall, was die Höhe des Hausratschadens angeht, von dem Sachverständigen C begutachten. Auf der Grundlage der klägerseits erstellten Schadensaufstellung (ohne Belege) kam dieser, soweit für ihn nachvollziehbar, zu einem Schaden von 187.789 EUR betreffend den Hausrat (Anlage K 13, AH). Am 23.09.2013 zahlte die Beklagte wegen des Brandes auf den Hausratschaden einen Abschlag von 50.000 EUR unter dem Vorbehalt der Rückforderung und ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht (Anlage BLD 4 k, AH).
27Die Klägerin bestreitet, den Versicherungsfall grob fahrlässig oder gar vorsätzlich herbeigeführt zu haben, so dass auch keine Leistungskürzung in Betracht käme. Sie verweist darauf, dass in dem Gutachten des beklagtenseits hinzugezogenen Sachverständigen Z ohnehin nur denktheoretisch vermutet werde, dass eine eingeschaltete Herdplatte schadensursächlich geworden sein könnte. Im Übrigen hätten weder sie, noch ihr Ehemann, noch irgendein Familienmitglied am Tag des Brandes versehentlich eine Herdplatte angelassen.
28Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe die Beklagte vollständig und richtig über den Schadensfall informiert. Weder seien ihrerseits arglistige Falschangaben betreffend ihre finanziellen Verhältnisse erfolgt, noch habe sie betreffend die Höhe der verbrannten Gegenstände unrichtige Angaben gemacht:
29Sie habe in dem Ortstermin mit dem Schadensregulierer ihre Vermögensverhältnisse richtig angegeben und lediglich versehentlich aufgrund ihrer psychischen Konstitution vergessen, ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Stromlieferanten anzugeben. Ebenso habe sie allerdings vergessen, ihr Grundvermögen mit einem Wert von über 1 Million EUR aufzuführen, und sei hiernach auch nicht gefragt worden. Aufgrund ihres Grundvermögens übersteige ihr Vermögen ohnehin um ein Vielfaches ihre Verbindlichkeiten, so dass sie keine falschen Angaben getätigt habe.
30Zudem, so behauptet die Klägerin, habe sie die Angaben betreffend ihre bei der X bestehenden Verbindlichkeiten selbst bzw. über den zunächst von ihr mandatierten Rechtsanwalt, den Zeugen N, der Beklagten gegenüber offen gelegt, so dass - so die Auffassung der Klägerin - jedenfalls eine rechtzeitige Berichtigung gegeben sei.
31Die Klägerin behauptet, sie habe das von ihr in der Schadensaufstellung aufgeführte Meißener Porzellan für 700 EUR verkaufen müssen, um wenigstens einige notwendige Dinge anschaffen zu können, wie etwa Kleidung. Der Zeuge C habe ihr ja nach Beendigung seiner Tätigkeit auch gesagt, sie könne jetzt ins Haus und die Gegenstände herausholen, die noch zu retten seien. Den Verkauf des Porzellans habe sie dann auch der Beklagten mitgeteilt. Betreffend die in der Schadensaufstellung aufgeführten Orientteppiche sei sie von der Echtheit ausgegangen, weil dies ihre Großmutter ihr stets gesagt habe und sie es nicht habe anders beurteilen können. Rechnungen von den Einrichtungsgegenständen könne sie ohnehin nicht vorlegen, weil diese allesamt verbrannt sein.
32Die Klägerin ist der Ansicht, im Rahmen der Wohngebäudeversicherung einen Anspruch auf insgesamt 160.121,00 € wegen des Brandes als Zeitwertschaden zu haben. Dabei trägt die Klägerin zu den einzelnen Positionen in der Klageschrift näher vor (Bl. 59 f GA); die einzelnen Positionen werden teils in identischer Höhe, wie von dem vorgerichtlich für die Beklagte tätigen Sachverständigen R ermittelt, geltend gemacht, dessen Gutachten als Anlage K 9 (AH) zur Akte gelangt ist.
33Schadensposition von der Klägerin macht geltend SV R
34Zeitwertschaden 103.715,00 € 103.715,00 €
35Abbruch- und Aufräumarbeiten 30.336,00 € 22.790,00 €
36Schadensminderungskosten 805,00 € 805,00 €
37Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen 6.065,00 € 6.065,00 €
38Nutzungsausfall 24 Monate x 800,00 € 19.200,00 € 9.600,00 €
39Die Klägerin ist der Auffassung, im Rahmen der Hausratversicherung einen Anspruch auf insgesamt 187.789,00 € und damit abzüglich des diesbezüglich gezahlten beklagtenseitigen Vorschusses von 50.000,00 € noch von 137.789,00 € zu haben.
40Die Klägerin beantragt,
41die Beklagte zu verurteilen, an sie 297.910 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 24.11.2012 aus 160.121 EUR und aus weiteren 137.789 EUR seit dem 25.12.2012 zu zahlen.
42Die Beklagte beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Mit ihrer der Klägerin am 19.3.2015 zugestellten Widerklage beantragt die Beklagte,
45die Klägerin zu verurteilen, an sie 50.000 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
46Die Klägerin beantragt,
47die Widerklage abzuweisen.
48Die Beklagte rügt die angeblich fehlende Aktivlegitimation der Klägerin und verweist auf die im Grundbuch eingetragenen Grundschuld- und Zwangssicherungshypothekengläubiger, sowie dass eine unbeschränkte Freigabeerklärung nicht und die Löschungsbewilligung nur im Entwurf vorliege.
49Die Beklagte geht davon aus, die Klägerin habe den Versicherungsfall grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich herbeigeführt; dies rechtfertige eine Kürzung von zumindest 6/10.
50Die Beklagte ist der Ansicht, leistungsfrei zu sein, weil die Klägerin versucht habe, sie arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für Grund oder Höhe der Entschädigung von Bedeutung seien:
51Zum Einen habe sie bewusst Falschangaben gemacht, was ihre Verbindlichkeiten angehe. Um bei der Beklagten von vornherein nicht den Verdacht des Versicherungsbetruges aufkommen zu lassen, habe sie bewusst die sie drückenden Schulden bei der X im Ortstermin vom 27.11.2012 verschwiegen und statt dessen - für sich genommen unstreitig - angegeben, zwar die grundbuchlich gesicherten Darlehensverbindlichkeiten angegeben, aber weiter erklärt zu haben, finanziell keine Probleme zu haben. Eine diesbezügliche Berichtigung sei weder durch die Klägerin selbst noch durch den Zeugen N erfolgt, bevor die Beklagte ihrerseits - für sich genommen unstreitig - am 14.12.2012 über den von ihr beauftragten Brandursachenermittler Z die diesbezüglich von der Polizei am 12.12.2012 gewonnenen Erkenntnisse erfahren habe.
52Die Beklagte behauptet, in der nach Angaben der Klägerin gefertigten Schadensaufstellung betreffend den Hausrat (Anlagenkonvolut BLD 4c, AH) habe diese bewusst falsche Angaben zu den verbrannten Gegenständen getätigt, so beispielsweise zu einer Einbauküche im Wert von angeblich 25.000 EUR, eines Meißener Porzellanservices für zwölf Personen, Wert 7.700 EUR, und betreffend zahlreiche Orientteppiche in einem Gesamtwert von 12.000 EUR. Die Beklagte habe von dem Verkauf des Meissner Porzellans erst seitens der Klägerin erfahren, als der Sachverständige C der Klägerin vorgehalten habe, seine Brandschuttuntersuchung habe ergeben, dass sich im Bereich des Wohnzimmerschranks, in dem sich das Porzellan nach den Angaben der Klägerin befunden haben sollte, keinerlei Porzellanreste befunden hätten. Die im Wohnzimmerbereich sichergestellten Teppichreste hätten ergeben, dass es sich um billige maschinengewebte Teppiche gehandelt habe. Dies habe auch die Klägerin gewusst und deshalb, als ihr dies eröffnet worden sei, nunmehr angegeben, die Teppiche hätten sich im Schlafzimmer befunden. Dort sei allerdings keinerlei Teppichrest festgestellt worden.
53Die Kammer hat die Klägerin persönlich gemäß § 141 ZPO angehört. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. T, O, M, N und KHK P. Wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 04.05.2015 (Bl. 191 ff GA), 07.09.2015 (Bl. 277 ff GA) und 07.12.2015 (Bl. 305 ff GA). Ferner wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen Dr. T vom 17.03.2015 (Bl. 149 GA) Bezug genommen.
54Die Akten 292 M 1773/10 und 292 M 1916/10 Amtsgericht Köln, die Akten 92 Js 163/13 (im Urteil zitiert als EA), 88 Js 1026/12 und 88 Js 1509/11 StA Köln und 29 O 79/11 LG Köln sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
55Entscheidungsgründe:
56Die Klage ist unbegründet; die Widerklage hat Erfolg.
57Die Beklagte ist sowohl was den Wohngebäude- als auch was den Hausratschaden angeht, leistungsfrei geworden nach § 26 VGB 2003, Ziffer 13.1 VHB 2008, § 28 VVG.
58Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Klägerin versucht hat, die Beklagte über ihre zum Zeitpunkt des Brandes bestehende finanzielle Notlage zu täuschen, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, sie habe ein Motiv für eine Eigen- oder Auftragsbrandstiftung gehabt.
59Die Erklärung der Klägerin im Ortstermin vom 27.11.2012: „finanziell haben wir keine Probleme“, war objektiv falsch. Es bestanden ganz erhebliche finanzielle Probleme. Die X AG hatte in einem nicht angefochtenen Urteil vom 13.12.2011 allein eine Hauptforderung in Höhe von 47.391,51 € tituliert erhalten und mehrfach Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angedroht, da die Klägerin sich nicht in der Lage sah, der nach der Titulierung erfolgten Ratenzahlungsvereinbarung hinreichend Folge zu leisten. Die Strom- und Wasserabschaltung stand vor dem Brand ein weiteres Mal unmittelbar bevor. Auch wenn der Wert des Hausgrundstücks die grundbuchlich abgesicherten Forderungen Dritter überstiegen haben mögen, zeigen doch die verzweifelten und im Ergebnis erfolglosen Versuche der Klägerin, mit der X kurzfristig ins Reine zu kommen, dass der Klägerin wirtschaftlich gesehen gleichsam das Wasser bis zum Halse stand.
60Es bestand auch ein Aufklärungsbedürfnis der Beklagten betreffend die finanziellen Verhältnisse der Klägerin und auch ihres Ehemannes, da eine Versicherung ein anerkanntes Bedürfnis hat, durch entsprechende Ermittlungen der Frage nachzugehen, ob sich aus einer bedrängten wirtschaftlichen Lage ggf. ein Indiz für eine Eigen- oder Auftragsbrandstiftung ergibt.
61Unstreitig ist auch, dass die Beklagte am 27.11.2012 mitnichten bereits Kenntnisse der Verbindlichkeiten der Klägerin bei der X gehabt hätte, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt das Ausklärungsbedürfnis der Beklagten nicht in Frage gestellt werden kann. Auch wenn sich nicht mehr feststellen ließ, welche Veranlassung die Polizei gehabt hat, ihrerseits bei der X zu ermitteln, so lief die Information betreffend die Schulden doch jedenfalls - so auch der Zeuge KHK P - von der Polizei zur Beklagten und nicht umgekehrt, was im Übrigen auch unstreitig ist.
62Die Klägerin handelte auch arglistig. Sie wusste, dass ihre Aussage, finanziell bestünden keine Probleme, unrichtig war. Sie machte die Falschangabe deshalb, um der Beklagten kein Indiz für weitere Ermittlungen im Hinblick auf eine etwaige vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles zu liefern: Eine andere Erklärung für die Falschangabe ist auch nicht ersichtlich. Dass bereits die bewusst unlautere Einwirkung des Versicherungsnehmers auf den Versicherer mit der Zielrichtung, die weitere Regulierung durch Falschangaben zu vereinfachen, ausreicht, um eine arglistige Aufklärungsobliegenheitsverletzung annehmen zu können, ist anerkannt (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 07.02.2012 - 9 U 61/11 -, zu recherchieren über juris).
63Zunächst hat die Klägerin - in der Klageschrift sowie im Schriftsatz vom 13.04.2015, Bl. 58, 164 GA) - als Erklärung lediglich angegeben, aufgrund ihrer desolaten psychischen Konstellation habe sie vergessen, ihre bei der X bestehenden Schulden anzugeben
64Für einen psychisch bedingten Ausfall hat sich jedoch nichts Konkretes ergeben. Der sachverständige Zeuge Dr. T hat hierzu weder in seiner schriftlichen Aussage vom 17.03.2015 (Bl. 149 GA), noch in seiner Aussage in der Sitzung vom 04.05.2012 (Bl. 196 GA) irgendetwas bekundet, was auf eine geistig-seelische Einschränkung, die für ein Vergessen sprechen könnte, schließen lassen könnte. Die Erklärungen der Klägerin persönlich in der Sitzung vom 04.05.2015 (Bl. 192, 194R, 195R GA) haben keinen konkreten Anhalt für die Richtigkeit ihrer entgegenstehenden Behauptung ergeben. Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung erstmals die Einnahme weiterer „Pillen“, die sie von einem „Ali“ bekommen haben will, in den Raum gestellt hat, ist dies nicht glaubhaft und nur als Reaktion darauf verständlich, dass bereits die schriftliche Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. T erkennen ließ, der behandelnde Arzt werde auf der Grundlage seiner Medikamentation und Beobachtungen einen geistig-seelischen Ausfall der Klägerin nicht bestätigen. Dem Zeugen O ist laut seiner Aussage vom 04.05.2015 (Bl. 194R GA) nicht aufgefallen, dass die Klägerin beim Ortstermin vom 27.11.2012 psychisch oder geistig beeinträchtigt gewesen sein könnte. Die Verhandlungsniederschrift vom 27.11.2012 zeigt im Übrigen, dass die Klägerin im Übrigen sehr detailliert anderweitige Angaben gemacht hat. Weshalb der angebliche „blackout“ nun gerade punktuell nur die Schulden bei der X betroffen haben soll, ist unerfindlich. Für die Einholung eines weitergehenden Sachverständigengutachtens von Amts wegen bestand danach keine Veranlassung; einen entsprechenden Beweisantrag hat die Klägerin auch nicht gestellt.
65Auch für ein „normales“ Vergessen besteht keinerlei Anhaltspunkt: Die Beeinträchtigung durch den Brand als solchen lässt nicht nachvollziehen, weshalb die Klägerin die bis zuletzt drückenden Verbindlichkeiten bei der X, um deren Regelung sie sich selbst mehrfach persönlich in den Monaten vor dem Brand gekümmert hatte, vergessen haben sollte. Die Klägerin selbst hat im Termin vom 04.05.2015 erklärt (Bl. 191R GA): „Der Zeuge O hatte mich gefragt, wie hoch die Schulden seien. Ich habe irgendetwas von 10.000,- € oder 15.000,- € gesagt, wusste aber, dass das so nicht stimmt. Ich hatte Angst, dass wir auf der Straße stehen. Was die Schulden bei der X anbelangt, hatte ich ja nach und nach versucht, eine Regelung herbeizuführen.“ Das ist eindeutig: es liegt eine bewusste Falschangabe vor, und zwar in dem Bewusstsein, es könnte doch irgendwie für die Regulierung von Bedeutung sein, wobei das Unrechtsbewusstsein durch Eigensuggestion - eher erst im Nachhinein - abgemildert aber nicht aufgehoben worden sein mag, sie habe ja auch nach und nach versucht, eine Regelung mit der X herbeizuführen und - wie die Klägerin im selben Termin auch erklärt hat -, es mag der Klägerin auch nicht ganz klar gewesen sein, was die Frage nach Schulden mit dem Versicherungsfall zu tun hat („Im Übrigen hatte ich mir gedacht, was diese Frage überhaupt mit dem Versicherungsfall zu tun haben sollte.“): Sie hat die Frage aber eben im Kern richtig verstanden und bewusst etwas Falsches gesagt, in der Ahnung, dass eine wahrheitsgemäße Beantwortung dazu führen könnte, auf der Straße zu stehen, also: keine Entschädigung zu erhalten, um die Wohn- und Ausstattungssituation nach dem Brand angehen zu können.
66Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 13.04.2015 (Bl. 165 f GA) noch hatte vorgetragen lassen, die Frage nach bestehenden Schulden sei „völlig zutreffend“ beantwortet worden, da sie doch vor dem Brand - im Hinblick auf das Hausgrundstück - erhebliches Vermögen besessen habe, hat die Klägerin selbst sich bezeichnenderweise bei ihrer Anhörung hierauf nicht berufen. Der anwaltliche Vortrag ist zudem auch lebensfremd: Dass die Schulden bei der X ungeachtet des Grundbesitzes drückend waren, ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin vor dem Brand gerade nicht eine Lösung darin gesehen hat, das Hausgrundstück zu veräußern - sie wohnte dort immerhin auch und hoch belastet war es zudem ebenfalls - , um die Schulden bei der X begleichen zu können.
67Die Behauptung der Klägerin, sie habe zutreffende Angaben gegenüber der Beklagten betreffend die Verbindlichkeiten bei der X gemacht, bevor diese ihrerseits von Dritten hiervon erfahren habe, ist widerlegt:
68Zunächst ist davon auszugehen, dass die Beklagte am 14.12.2012 von den Verbindlichkeiten der Klägerin bei der X erfahren hat. Der Zeuge O hat am 07.12.2015 (Bl. 306R GA) glaubhaft unter Bezugnahme auf Ausdrucke aus der elektronischen Akte bekundet, dass der seitens der Beklagten beauftragte Sachverständige Z ihn nach dessen vorhergegangenem Telefonat mit der Polizei telefonisch darüber unterrichtet hat, dass die Klägerin Schulden in Höhe von ca. 50.000,- € „bei der GEW“ habe. Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Aussage des Zeugen KHK P (Bl. 305R, 306 GA), der - ohne hierzu eine konkrete Erinnerung zu haben, es für nachvollziehbar hielt, bei dem Ortstermin vom 14.12.2012 gegenüber dem Zeugen Z über seine am 12.12.2012 erlangten Kenntnisse betreffend die Schulden bei der X berichtet zu haben. Die Beklagte hat demnach bereits vor dem Telefonat der für die Beklagte tätigen Zeugin M vom 09.01.2013 von den diesbezüglichen Schulden der Klägerin erfahren.
69Erstmals im Termin vom 04.05.2015 hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe doch gegenüber der Beklagten später zutreffende Angaben betreffend die Verbindlichkeiten bei der X gemacht (Bl. 192 GA): Zu einem datumsmäßig nicht näher angegebenen Zeitpunkt habe sie doch auf die Aufforderung des Zeugen O, alles zu belegen (demnach: jedenfalls nach dem 1. Ortstermin), auch deutlich gemacht, „wo wir Schulden hatten“. Sie habe den Beleg, aus dem sich Verbindlichkeiten gegenüber der X ergeben hätten, zeitgleich mit anderen Unterlagen, wie auch einem Grundbuchauszug, der Beklagten zur Verfügung gestellt.
70Der Zeuge O hat hierzu am 04.05.2015 bekundet (Bl. 194R GA): Von weiteren Schulden außer der Hypothek sei beim Ortstermin keine Rede gewesen (was ja auch unstreitig ist). Er habe die Klägerin gebeten, einen aktuellen Grundbuchauszug für die Beklagte zur Verfügung zu stellen; das habe sie dann auch gemacht. Er selbst habe keine weiteren Unterlagen seitens der Klägerin erhalten, aus denen sich ergeben hätte, dass sie noch weitere Schulden gehabt hätte; er sei aber auch irgendwann nicht mehr für die weitere Bearbeitung zuständig gewesen.
71Die Beklagte hat am 10.06.2015 vorgetragen (Bl. 253 GA), die Klägerin habe nie irgendwelche Unterlagen zur Verschuldenssituation, Stromsperre pp. übermittelt. Hiervon habe die Beklagte erst durch Einsicht in die Ermittlungsakte sowie durch ein vorangegangenes Telefonat mit der Polizei erfahren. Den Grundbuchauszug habe die Klägerin ohne Anschreiben dem Zeugen O am 12.12.2012 übermittelt und zuvor am 10.12.2012 - unvollständig - in eingescannter Form (s. auch den Schriftsatz vom 08.07.2015 nebst den zugehörigen Anlagen, Bl. 262, 265 ff GA).
72Eine weitergehende Mitteilung als den Grundbuchauszug hat die Klägerin nicht vorgelegt. Es spricht auch nichts dafür, dass sie selbst der Beklagten Unterlagen betreffend die Verbindlichkeiten bei der X hätte zukommen lassen.
73Im Schriftsatz vom 03.06.2015 (Bl. 240 GA) hat die Klägerin dann erstmals behauptet, ihr früherer Rechtsanwalt, der Zeuge N, habe Anfang Januar 2013 einen Grundbuchauszug der Beklagten per Mail übersandt und die Beklagte auch per Mail - die allerdings nicht mehr auffindbar sei - auf die bei der X bestehenden Verbindlichkeiten hingewiesen. Vorgelegt hat die Klägerin in diesem Zusammenhang das Bestellungsschreiben des Rechtsanwalts N gegenüber der Beklagten vom 14.01.2013 (Anlage zum vorgenannten Schriftsatz, Bl. 241 GA), das keine Angaben zu Verbindlichkeiten enthält. Dies hat die Kammer dazu veranlasst, am 08.06.2015 darauf hinzuweisen, dass eine Nachricht des Zeugen N an die Beklagte jedenfalls nicht vor dem 14.01.2013 erfolgt ist, da er sich am 14.01. erst für die Klägerin bestellt hatte (Bl. 244R GA); dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten. In der Sitzung vom 07.09.2015 ist der Zeuge N vernommen worden (Bl. 277 f GA). Er hat glaubhaft bekundet, keine E-Mails an die Beklagte versandt zu haben und die Beklagte auch nicht in anderer Weise auf Verbindlichkeiten bei der X hingewiesen zu haben. Zudem hat er bekundet, er könne sich auch nicht daran erinnern, dass die Frage nach Verbindlichkeiten bei der X überhaupt zwischen ihm und der Klägerin vor der Mandatskündigung Thema gewesen sei.
74Bezeichnend ist auch, dass zu der angeblichen Berichtigung erstmals vorgetragen worden ist, als fraglich erschien, ob die „Vergessens-Theorie“ Glauben finden werde.
75Danach steht fest, dass eine Berichtigung der Klägerin betreffend die am 27.11.2012 erfolgte Falschangabe mit Blick auf die Verbindlichkeiten bei der X vor Kenntniserlangung durch die Beklagte nicht vorliegt.
76Auch sind keine Anhaltspunkte dafür aufgeschienen, die in diesem Zusammenhang zumindest gegen die Annahme der Arglist sprechen könnten, etwa eine umgehende Beauftragung des Zeugen N, die Angaben richtig zu stellen.
77Die Arglist der Klägerin betrifft sich sowohl auf die Wohngebäude- wie auch die Hausratversicherung. Die Verhandlungsniederschrift bezieht sich auf beide Versicherungen.
78Es liegen auch keine Billigkeitsgründe vor, die es rechtfertigen könnten, die Leistungsfreiheit zu versagen oder vom Umfang her einzuschränken (zum Ansatzpunkt vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28 Rz 203; zur Fragen im Zusammenhang mit einer Berichtigung s. auch Armbrüster, a.a.O., § 31 VVG Rz 39 ff).
79Es liegt auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dem Grunde nach vor, da die Vorschusszahlung der Beklagten ausdrücklich unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt ist.
80Nach alldem steht der Klägerin kein Entschädigungsanspruch zu. Die bereits erhaltenen 50.000,- € hat sie unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuzahlen, § 812 Abs. 1 BGB. Auf die zurück zu zahlenden 50.000,- € sind nach §§ 288 Abs. 1, 291 BGB Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
81Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
82Streitwert: 347.910,- € (auf die Widerklage entfallen 50.000,- €
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 15. April 1999 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, ein Gebrauchtwagenhändler, verlangt von der Beklagten als Kaskoversicherer Ersatz des Wiederbeschaffungswerts inHöhe von 54.200 DM brutto für einen als gestohlen gemeldeten PKW Opel Senator.
Der Kläger hatte das erstmals im Januar 1992 zugelassene Fahrzeug im Februar 1997 von einem Leasingunternehmen für 8.100 DM erworben. Aus der ihm nach dem Kauf übergebenen DATSchätzungsurkunde vom 2. September 1996 geht hervor, daß der Wagen stark verwahrlost und teilweise beschädigt war und der abgelesene Kilometerstand 177.236 km betrug. Nach seiner Darstellung hat der Kläger das Fahrzeug mit einem Aufwand von 54.546,05 DM reparieren und in einen einwandfreien Zustand versetzen lassen. Am 12. September 1997 verkaufte er es zu einem Preis von 59.000 DM. Es sollte am 25. September 1997 ausgeliefert werden. Im Kaufvertrag sind als Gesamtfahrleistung 177.000 km und als Stand des Kilometerzählers circa 85.000 km eingetragen.
Am 19. September 1997 zeigte der Kläger bei der Polizei an, das Fahrzeug sei in der Nacht vom 18. zum 19. September 1997 vom verschlossenen Betriebsgelände gestohlen worden. In der Schadensanzeige vom selben Tage an die Beklagte gab der Kläger auf die Frage nach der Gesamtkilometerleistung "ca. 85.000" an. Die Frage, ob es vorher bereits Schäden am Fahrzeug gegeben habe, verneinte er.
Die Beklagte lehnte die Zahlung ab. Der Diebstahl sei vorgetäuscht , außerdem sei sie wegen falscher Angaben zur Laufleistung und zu Vorschäden von der Verpflichtung zur Leistung frei. Der Kläger meint, die Beklagte könne sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Auf-
klärungsobliegenheit jedenfalls deshalb nicht berufen, weil er seine Angaben nachträglich berichtigt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr unter Abzug der Mehrwertsteuer in Höhe von 47.091,30 DM nebst Zinsen stattgegeben und die Berufung des Klägers im übrigen zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte ist nach § 7 I (2) Satz 3, V (4) AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil dem Kläger eine vorsätzliche Verletzung seiner Aufklärungsobliegenheit anzulasten ist.
1. Der Kläger hat die Aufklärungsobliegenheit objektiv dadurch verletzt, daû er in der Schadensanzeige vom 19. September 1997 falsche Angaben zur Gesamtkilometerleistung und zu den Vorschäden gemacht hat.
a) Hinsichtlich der Laufleistung geht auch das Berufungsgericht davon aus, daû der objektive Tatbestand erfüllt ist. In der Schadensanzeige ist unmiûverständlich nach der Gesamtkilometerleistung und nicht nach dem Stand des Kilometerzählers gefragt. Der Kläger wuûte unstrei-
tig, daû die wirkliche Laufleistung bei 177.236 km und damit mehr als doppelt so hoch lag wie die angegebenen circa 85.000 km.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit objektiv auch dadurch verletzt, daû er die Frage nach Vorschäden verneint hat. Die Frage ist nicht miûverständlich , sondern eindeutig. Sie bezieht sich auf Schäden jeglicher Art, von denen das Fahrzeug in der Vergangenheit betroffen war, ob repariert oder nicht, ob Unfallschaden oder sonstiger Schaden. Der Sinn einer solchen Frage ist dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar. Sie zielt darauf ab zu erfahren, welche Schäden vorher, also vor dem angezeigten Versicherungsfall an dem Fahrzeug aufgetreten waren. Denn frühere Schäden können, wie allgemein bekannt ist, den Marktwert eines Fahrzeugs auch dann beeinflussen, wenn sie repariert sind. Der Kläger wuûte, daû der Wagen beim Kauf im Februar 1997 erhebliche Schäden aufgewiesen und sich insgesamt in einem desolaten Zustand befunden hatte. Angesichts der behaupteten kostenaufwendigen Reparaturen und der Kenntnis der DAT-Schätzungsurkunde liegt dies auf der Hand. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er seine Kenntnis vom Schadensumfang ausdrücklich bestätigt.
2. a) Liegt der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung vor, wird der Vorsatz nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG gesetzlich vermutet. Demgemäû muû der Versicherungsnehmer beweisen, daû die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht (Senatsurteile vom 21. April 1993 - IV ZR 34/92 - VersR 1993, 828 unter 2 c, insoweit in BGHZ 122, 250 nicht abgedruckt, und vom 13. April 1983 - IVa ZR
163/81 - VersR 1983, 674 unter V). Demgegenüber hat das Berufungsgericht der Beklagten die Beweislast auferlegt. Denn es hat zu Unrecht darauf abgestellt, die Beklagte habe nicht nachgewiesen, daû der Kläger in Täuschungsabsicht bewuût falsche Angaben gemacht habe, um zu Unrecht einen höheren Entschädigungsanspruch durchzusetzen.
b) Der Kläger hat die Vorsatzvermutung - bezogen auf die Schadensanzeige ohne Berücksichtigung seiner nachträglichen Angaben gegenüber der Beklagten - schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht widerlegt.
aa) Zur falschen Laufleistung hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht gesagt, er habe diese aus dem Gedächtnis heraus angegeben. Schriftsätzlich hat er dazu vorgetragen, er habe die Frage nach der Gesamtkilometerleistung so verstehen können, daû es sich dabei um die Tachoangabe handele. Beides entlastet ihn nicht. Eine Woche vorher hat er beim Ausfüllen des Kaufvertrages noch sehr klar zwischen der Gesamtfahrleistung (177.000 km) und dem Stand des Kilometerzählers (ca. 85.000 km) unterschieden. Daû ihm die hohe Gesamtlaufleistung beim Ausfüllen der Schadensanzeige nicht mehr bewuût gewesen sei, hat der Kläger nicht behauptet, es könnte ihm auch nicht abgenommen werden. Das als gestohlen gemeldete Fahrzeug war damals das einzige dieser Art in seinem Bestand. Er hat auch nicht vorgetragen , die Frage nach der Gesamtkilometerleistung tatsächlich so verstanden zu haben, daû sie sich auf den Stand des Kilometerzählers beziehe.
bb) Zu den Vorschäden hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht gesagt, er habe die Frage verneint, weil das Fahrzeug im Zeitpunkt des Verkaufs nach der ganz aufwendigen Restaurierung keinerlei Schäden gehabt habe. Er hat aber nicht behauptet, die Frage so verstanden zu haben, daû sie sich nur auf im Zeitpunkt des Diebstahls noch vorhandene Schäden beziehe. Ein solches Verständnis wäre insbesondere bei einem Gebrauchtwagenhändler und gelernten Autokonstrukteur sehr fernliegend.
3. Auch die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung des Senats stehen der Leistungsfreiheit nicht entgegen. Falsche Angaben zur Laufleistung und zu Vorschäden sind generell geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers in ernster Weise zu gefährden (vgl. zu Vorschäden Senatsurteil vom 7. Dezember 1983 - IVa ZR 231/81 - VersR 1984, 228 f.). Sie können dazu führen, daû eine den Wert des Fahrzeugs übersteigende Entschädigung gezahlt wird. Bei einer so erheblichen Abweichung zwischen den Angaben des Versicherungsnehmers und der Wirklichkeit wie im vorliegenden Fall liegt auch ein erhebliches Verschulden auf der Hand.
Das erhebliche Verschulden, für dessen Fehlen der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist (Senatsurteil vom 7. Dezember 1983 aaO), ist durch das Verhalten des Versicherungsagenten R. bei der Entgegennahme der Schadensanzeige nicht ausgeräumt. Dieser hatte dem Kläger gesagt, die Beklagte werde von ihm noch weitere Unterlagen abfordern und es werde noch einen weiteren Fragebogen geben. Selbst wenn dieser Hinweis vor dem Ausfüllen der Schadensanzeige gemacht
worden wäre, konnte der Kläger ihn redlicherweise nur dahin verstehen, daû unterbliebene Antworten nachgeholt und unvollständige ergänzt werden können und von ihm voraussichtlich weitere Auskünfte und Unterlagen angefordert werden. Keinesfalls konnte er einen solchen Hinweis als Freibrief dafür ansehen, in der Schadensanzeige zunächst einmal eklatant falsche Angaben machen zu dürfen. Der Kläger hat auch nicht behauptet, den Hinweis des Agenten so verstanden zu haben.
4. Das Verhalten des Klägers nach Einreichen der Schadensanzeige , das das Berufungsgericht als Berichtigung seiner falschen Angaben angesehen hat, hindert die Beklagte nicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen.
a) aa) Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch nachträgliches Verhalten des Versicherungsnehmers wegfällt, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich und nicht immer klar beantwortet (vgl. dazu Römer in Römer/Langheid, VVG § 6 Rdn. 16, BK/Schwintowski, § 6 VVG Rdn. 43, Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 7 AKB Rdn. 40, Rixecker, ZfS 2000, 395, jeweils m.w.N.). Diese Frage, die Anlaû für die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht war, läût sich nicht generell, sondern nur anhand der jeweiligen Fallgestaltung beantworten. Dabei wird unter anderem zu unterscheiden sein zwischen dem Nachholen fehlender Angaben zu gestellten Fragen, der Ergänzung unvollständiger Angaben, dem Nachreichen von Unterlagen und der Berichtigung falscher Angaben. Für die Berichtigung falscher Angaben, um die es hier geht, gilt folgendes:
bb) Falsche Angaben erfüllen schon den objektiven Tatbestand dann nicht, wenn sie so schnell berichtigt werden, daû die korrigierte Information dem Versicherer bereits in dem Zeitpunkt vorliegt, in dem er sich erstmals mit dem Vorgang befaût (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. November 1967 - II ZR 13/65 - VersR 1968, 137 unter II; OLG Hamm VersR 2000, 577 unter 1).
cc) Die Berichtigung falscher Angaben kann auch geeignet sein, die Vorsatzvermutung zu widerlegen. Das kommt dann in Betracht, wenn das Gesamtverhalten des Versicherungsnehmers nach Überzeugung des Tatrichters darauf schlieûen läût, daû die Falschangabe auf einem Ir rtum beruht (vgl. OLG Hamm VersR 1985, 535 f.).
dd) Ist auch die Vorsatzvermutung nicht widerlegt, kann sich der Versicherer gleichwohl nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn der Zweck der Aufklärungsobliegenheit durch die Berichtigung der falschen Angaben letztlich doch erreicht ist. Die Bestimmungen über die Aufklärungsobliegenheiten tragen dem Gedanken Rechnung, daû der Versicherer, um sachgemäûe Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen muû, daû der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht und daû der drohende Verlust seines Anspruchs geeignet ist, ihn zu wahrheitsgemäûen und vollständigen Angaben anzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982, 182 f.; Römer, aaO § 6 Rdn. 38). Diesem Zweck der Aufklärungsobliegenheit entspricht es nicht, wenn es dem Versicherungsnehmer von
vornherein abgeschnitten wäre, die Sanktion der Leistungsfreiheit durch eine Korrektur seiner Angaben zu vermeiden. Das wirtschaftliche Interesse des Versicherers an richtigen Angaben besteht fort, solange ihm durch die falschen Angaben noch kein Nachteil, etwa durch Verlust von Aufklärungsmöglichkeiten, entstanden und ihm die Unrichtigkeit noch nicht aufgefallen ist. Der Versicherungsnehmer, der die Vermögensinteressen des Versicherers durch falsche Angaben bereits gefährdet hat, kann dem drohenden Anspruchsverlust aber nur dann entgehen, wenn er dem Versicherer den wahren Sachverhalt aus eigenem Antrieb vollständig und unmiûverständlich offenbart und nichts verschleiert oder zurückhält. Daû dies geschehen ist, hat er darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1984 - IVa ZR 203/81 - VersR 1984, 453 unter I 4). Kann nicht ausgeschlossen werden, daû die falschen Angaben bereits zu einem Nachteil für den Versicherer geführt haben oder nicht freiwillig berichtigt worden sind, bleibt es bei der Leistungsfreiheit (vgl. das vorstehend zitierte Senatsurteil sowie die Senatsurteile vom 28. Mai 1975 - IV ZR 112/73 - VersR 1975, 752 unter III und vom 12. Mai 1993 - IV ZR 120/92 - VersR 1993, 1351 unter II 3 b).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze steht das nachträgliche Verhalten des Klägers der Leistungsfreiheit der Beklagten nicht entgegen.
aa) Der Kläger hat die falschen Angaben in der Schadensanzeige erst berichtigt, nachdem die Beklagte mit der Bearbeitung des Falles begonnen und ihm mit Schreiben vom 1. Oktober 1997 einen Fragebogen zur Beantwortung übersandt und ihn mit Schreiben vom 21. Oktober 1997 an die Erledigung erinnert hatte. Deshalb bleibt es dabei, daû mit
den falschen Angaben in der Schadensanzeige der objektive Tatbestand der Obliegenheitsverletzung erfüllt war.
bb) Auch die Vorsatzvermutung ist nicht widerlegt. In dem ersten Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 1997 und dem beigefügten ausgefüllten Fragebogen sowie den weiteren Schreiben an die Beklagte ist nichts dafür angeführt, was auch nur andeutungsweise dafür spricht, daû die falschen Angaben in der Schadensanzeige auf einem Irrtum beruhen. Der Kläger hat nicht einmal erwähnt, daû diese Angaben falsch sind.
cc) Der Kläger hat den wahren Sachverhalt auch nicht aus eigenem Antrieb vollständig und unmiûverständlich offenbart. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts beruht darauf, wie die Revision mit Recht rügt, daû es wesentlichen Prozeûstoff und Beweisantritte der Beklagten übergangen und im übrigen auch die Beweislast nicht richtig gesehen hat.
Der Kläger hat im Fragebogen vom 22. Oktober 1997 wiederum falsche, zumindest miûverständliche und unvollständige Angaben gemacht. Bei Frage 17 "Hatte das Fahrzeug Vor-/Unfallschäden" hat er eingetragen "nicht bekannt siehe DAT". Wie bereits ausgeführt, waren dem Kläger die früheren Schäden sehr wohl bekannt. Der Hinweis "siehe DAT" hätte nur dann einen Informationswert gehabt, wenn die Schätzungsurkunde vom 2. September 1996 beigefügt gewesen wäre. Das hat der Kläger selbst nicht behauptet. In seinem Schreiben vom 22. Oktober 1997 ist diese Urkunde nicht genannt. Aus seinem Schreiben vom 1. Dezember 1997 ergibt sich vielmehr, daû er sie der Beklagten erst zu
diesem Zeitpunkt übersandt hat. So hat es das Berufungsgericht auch festgestellt. Schon deshalb bleibt es bei der Leistungsfreiheit.
Im übrigen hatte die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, dem Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 1997 und dem Fragebogen seien keinerlei Belege beigefügt gewesen. Sie habe die Belege deshalb mit Schreiben vom 28. Oktober sowie vom 12. und 21. November 1997 erneut angefordert und erst mit dem Schreiben vom 1. Dezember 1997 erhalten. Wenn das zutrifft, kann keine Rede davon sein, daû der Kläger die Unterlagen, mit denen sich die falschen Angaben in der Schadensanzeige widerlegen lassen, der Beklagten freiwillig übersandt hat. Das Berufungsgericht hätte demgemäû auch von seinem Standpunkt zur Beweislast aus den von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis erheben müssen. Da aber der Kläger die Beweislast trägt und keinen Beweis angetreten hat, waren der Entscheidung die Behauptungen der Beklagten zugrunde zu legen.
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf
(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.
(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.
(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.