Oberlandesgericht Köln Urteil, 07. Nov. 2014 - 20 U 130/14


Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Juni 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O465/13 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.519,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 65% und die Beklagte zu 35% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2000 ab. Mit Anwaltsschreiben vom 27. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte bestätigte die Kündigung zum 1. April 2013 und kehrte an den Kläger einen Rückkaufswert von 18.808,- € aus, Bis zur Vertragsbeendigung leistete der Kläger Beiträge in Höhe von 18.917,36 €.
4Mit der Klage beansprucht der Kläger in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der Beiträge unter Anrechnung des ausgekehrten Betrags.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Widerspruchsbelehrung sei formal und inhaltlich fehlerhaft. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden. Er habe deshalb noch im Jahr 2013 widersprechen können mit der Folge, dass die Beklagte die Rückerstattung der Prämien zuzüglich Zinsen schulde. Die Beklagte sei zudem wegen fehlerhafter Beratung bei Vertragsabschluss schadensersatzpflichtig.
Zur hilfsweise erhobenen Stufenklage hat der Kläger vorgetragen, die Klauseln über die Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren sowie zum Stornoabzug seien materiell-rechtlich unwirksam. Ihm stehe daher jedenfalls der Mindestrückkaufswert zu.
5Der Kläger hat beantragt,
61. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.042,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2013 u zahlen;
72. die Beklagte zu verurteilen an ihn den nicht anrechenbaren Teil vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 782,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
8hilfsweise
93. die Beklagte zu verurteilen, in nachprüfbarer Form anhand von schriftlichen Nachweisen Auskunft zu erteilen über die Höhe des sich aus dem Vertrag zu der Versicherungsnummer 3xx62xxx 0xx zum Zeitpunkt der Kündigung am 1. April 2013 ergebenden Rückkaufswerts ohne Abzug von Stornokosten, Vertragsschlussgebühren und weiteren Vertragskosten im Sinne des § 176 VVG ergebenden Betrages;
104. die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskünfte an Eides Statt zu versichern und
115. die Beklagte zu verurteilen, auf den bereits ausgezahlten Rückkaufswert den weiteren Betrag (Mindestrückkaufswert) nach Auskunftserteilung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2013 an ihn zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf Verwirkung berufen. Zudem sei die Widerspruchsbelehrung ordnungsgemäß. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit weiterhin anwendbar. Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Zu den Hilfsanträgen hat sie ausgeführt, der Kläger habe als Rückkaufswert mehr als die Hälfte der Beiträge erhalten. Ein Stornoabzug sei nicht erhoben worden, da die Versicherung erst nach Ablauf von 12 Jahren gekündigt worden sei (§ 7 Abs. 3 der AVB).
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Juni 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der Kläger dem Vertrag nicht fristgerecht widersprochen habe. Die Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß. Der Kläger habe auch alle erforderlichen Vertragsunterlagen erhalten; sein Bestreiten mit Nichtwissen sei unzulässig. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Beratung über die Verwendung von Abschluss- und Verwaltungskosten und wegen Nichtaufklärung über die Leistung von „Kick-backs“ bestehe nicht. Die hilfsweise erhobene Stufenklage könne keinen Erfolg haben, weil die Beklagte mehr als den Mindestrückkaufswert ausgekehrt habe. Einen Stornoabzug sähen die Bedingungen nach einer Vertragslaufzeit von mehr als 12 Jahren nicht vor.
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft, so dass er, der Kläger, noch 2013 zum Widerspruch berechtigt gewesen sei. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei europarechtswidrig und daher nicht anwendbar. Auch das Policenmodell als solches sei europarechtswidrig. Die ihm zustehenden Ansprüche seien nicht verwirkt.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Jedenfalls stehe dem Kläger ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht in der geltend gemachten Höhe zu. Von den Prämienzahlungen seien die Risikobeiträge sowie die Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Ratenzahlungszuschläge in Abzug zu bringen. Zu den Nutzungen trägt die Beklagte vor, die Fondsperformance sei positiv gewesen. In Bezug auf etwaige bis 31. Dezember 2009 entstandene Ansprüche hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
21Der Senat weist vorab klarstellend darauf hin, dass die erstinstanzliche Ent-scheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen war, weil vor dem Landgericht Anwaltszwang herrscht (vgl. § 232 Satz 2 ZPO).
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des Prämienanteils, der auf den Risikoschutz entfallen ist; ihm stehen ferner die tatsächlich während der Vertragsdauer gezogenen Nutzungen zu. In Abzug zu bringen ist der ausgekehrte Rückkaufswert.
231.
24Der Kläger konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 27. Januar 2013 bzw. vom 18. Februar 2013 widersprechen.
25Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
26Vorliegend ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein vom 2. November 2000 (GA 37) fehlerhaft.
27Die Belehrung lautet:
28„Sie können dem Versicherungsvertrag ab Stellung des Antrags bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
29Die Belehrung ist inhaltlich fehlerhaft, weil der zwingend notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben ist, fehlt (vgl. BGH, VersR 2004, 497). Dieser Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil in Satz 2 der Belehrung von der „Absendung“ des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein schriftlich verfasster Widerspruch wirksam ist. Satz 2 bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Schriftform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht.
302.
31Der Kläger war noch im Jahr 2013 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerruf ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - (VersR 2014, 817; bestätigt mit Urt. v. 30. Juli 2014 - IV ZR 85/12 -) im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - (VersR 2014, 225) entschieden. Der Senat folgt dieser Entscheidung. Er hat zwar bislang die Auffassung vertreten, eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die dazu führt, § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebensversicherung nicht anzuwenden, sei nicht möglich. Der Senat hält die jetzt vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung allerdings für - auch verfassungsrechtlich - vertretbar, so dass keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nunmehr auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 zu entscheiden.
32Das Widerspruchsrecht ist nicht verwirkt. Mit der Ausübung des Widerspruchs im Jahr 2013 hat der Kläger auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren (vgl. BGH, aaO, Rz. 38-40). Das gilt auch dann, wenn – wie hier – die Belehrung nicht insgesamt fehlt, sondern nur in einem Detail fehlerhaft ist (a.A. Heyers, NJW 2014, 2619 unter III., letzter Absatz). Auch dann ist der Versicherer seiner Pflicht zur Belehrung nicht in vollem Umfang nachgekommen, und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass gerade wegen des Fehlers in der Belehrung der Widerspruch unterblieben ist. Nach der Auffassung von Heyers (aaO) soll eine Verwirkung auch lediglich dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Belehrung „nur unerheblich unrichtig oder defizitär“ bzw. „marginal fehlerhaft“ ist; wann eine nur unerhebliche Unrichtigkeit vorliegt, wird indes nicht hinreichend abgrenzbar sein. Insoweit erscheint der Versicherer auch nicht schutzbedürftig, weil er es in der Hand hatte, den Versicherungsnehmer dem Gesetz entsprechend zu belehren.
333.
34Der Kläger kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
35Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings nicht uneingeschränkt alle Prämien, die der Kläger an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO).
36Ausgehend hiervon muss sich der Kläger unter Zugrundelegung der von der Beklagten mitgeteilten Zahlenwerte bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den auf die gezahlten Prämien entfallenden Risikoanteil für die Lebensversicherung in Höhe von 465,06 € anrechnen lassen. Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger diese Angabe hinreichend bestritten hat. Dass grundsätzlich ein Teil der Beiträge auf die Risikoabsicherung entfällt, ist nicht bestreitbar. Die Höhe dieses Anteils kann der Senat gemäß § 287 Abs. 2 ZPO schätzen. Nach dieser Bestimmung kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über die Höhe einer Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entschieden werden, wenn die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung der Forderung in keinem Verhältnis steht. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wäre mit erheblichen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zu der Gesamtforderung des Klägers stehen würden. Der Senat hat keinen durchgreifenden Anhalt dafür, dass der von der Beklagten angegebene Wert angesichts des gewährten Versicherungsschutzes (Mindesttodesfallleistung bei Vertragsbeginn 46.017,- €; GA 36) für die Risikoabsicherung fehlerhaft ermittelt worden ist und übernimmt ihn daher in Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO.
37Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt allerdings eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, nicht in Betracht. Sie kann - insbesondere in Bezug auf in den Abschlusskosten enthaltene Provisionsansprüche der Versicherungsvermittler - insoweit vor allem nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 folgt nicht, dass zugunsten des Versicherers sämtliche Kosten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Gewährung von Versicherungsschutz während der Dauer der Prämienzahlung zusammen hängen, mindernd zu berücksichtigen sind. Bei der vom Bundesgerichtshof verlangten gerechten Risikoverteilung darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Versicherer durch ein ihm zuzurechnendes Fehlverhalten (hier eine unzureichende Widerspruchsbelehrung) wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Vertrag im Zustand schwebender Unwirksamkeit verblieben ist und nicht wirksam werden konnte. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht angemessen, den Versicherungsnehmer mit den Kosten für den (letztlich nicht wirksam zustande gekommenen) Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung zu belasten. Das steht im Einklang mit allgemeinen bereicherungsrechtlichen Erwägungen. Ob ein Bereicherungsschuldner Aufwendungen, die er vorgenommen hat, bereicherungsmindernd geltend machen kann, hängt maßgeblich davon ab, welcher der Parteien des Bereicherungsverhältnisses das Risiko des Entstehens dieser Aufwendungen zuzurechnen ist (BGHZ 109, 139; BGHZ 116, 251; NJW 2014, 854, Rz. 36). Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 109, 139) entschieden, dass einem Leasinggeber bei Rückabwicklung aufgrund berechtigter Wandlung des Kaufvertrags gegen den Leasingnehmer kein Anspruch auf die Vertragskosten (Kaufpreis und sonstige mit dem Abschluss des Leasingvertrags in Zusammenhang stehende Kosten) zusteht, weil der Leasingnehmer keine mangelfreie Leistung erhalten hat. Diese Wertung greift auch in der vorliegenden Konstellation. Dass es nicht zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen ist und dem Zustandekommen des Lebensversicherungsvertrags deshalb auch nach Jahren noch widersprochen werden kann, beruht hier maßgebend darauf, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat. Das Risiko, dass er deswegen seine Vertragskosten (in Gestalt der Abschluss- und Verwaltungskosten) unnötig aufgewandt hat, muss beim Versicherer bleiben.
38Danach ergibt sich folgende Berechnung: Der Kläger hat unstreitig Prämien in einer Gesamthöhe von 18.917,36 € gezahlt. Davon ist der Risikoanteil in Höhe von 465,06 € abzuziehen. Das ergibt einen Betrag von 18.452,30 €.
394.
40Nutzungen stehen dem Kläger in Höhe von 3.875,23 € zu. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen dem Rückkaufswert (= Fondsguthaben) in Höhe von 18.808,- € und dem nach Angabe der Beklagten in die Fonds investierten Sparanteil der Prämien in Höhe von 14.932,77 € (S. 10 der Berufungserwiderung; GA 349).
41Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2012 – IV ZR 134/11 – m.w.N.). Hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Grundsätzlich bedarf es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrags des Versicherungsnehmers (BGH, aaO). Erstinstanzlich hat der Kläger lediglich vorgetragen, ihm ständen Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu (GA 3); er hat sich ferner darauf berufen, dass die Beklagte „als Finanzinstitut“ (GA 145) erfahrungsgemäß die Beiträge zinsbringend anlege. Schließlich hat der Kläger auf den Zinssatz bei der Vergabe von Policendarlehen hingewiesen (GA 280). Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, es sei zu vermuten, dass die Beklagte mit den eingezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt habe, wäre diesem Ansatz bei der hier streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung nicht zu folgen.
42Von vornherein fehlt einer solchen Vermutung die Basis für denjenigen Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfällt. Dieser Teil der Prämie wird bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden kann, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen.
43Eine solche Vermutung gilt bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, denn dieser wird vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt; dem Versicherungsnehmer steht als eine tatsächlich gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn, der sich hauptsächlich in der Differenz zwischen der Summe der Sparanteile der Prämien und dem Fondsguthaben bei Vertragsbeendigung widerspiegelt, zu.
44Dieser ist hier – wie dargelegt – konkret mit einem Betrag von 3.875,23 € angegeben. Das bloße Bestreiten der Richtigkeit durch den Kläger reicht nicht. Er ist in Bezug auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen beweisbelastet, müsste also konkret widerlegen, dass die Angaben der Beklagten zutreffend sind. Ein entsprechender Beweisantritt fehlt.
45Gemäß den vorstehenden Ausführungen ergibt sich: Zu dem von der Beklagten grundsätzlich zurückzuerstattenden Prämienanteil in Höhe von 18.452,30 € sind die von der Beklagten zugestandenen Erträge in Höhe von 3.875,23 € hinzuzurechnen = 22.327,53 €. Davon ist der Rückkaufswert in Höhe von 18.808,- € abzuziehen; es verbleiben 3.519,53 €. Dieser Betrag ist ab 1. Oktober 2013 zu verzinsen (Mahnung vom 3. September 2013 [GA 85] mit Fristsetzung bis zum 30. September 2013).
465.
47Die Forderungen des Klägers sind nicht teilweise verjährt. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden (so in etwas anderem, aber vergleichbaren Zusammenhang: BGH, VersR 2013, 899, Rz. 16). Die gegenteilige Auffassung von Armbrüster (VersR 2012, 513, 522 f.) überzeugt nicht. Danach soll der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch bereits mit der Zahlung der jeweiligen Versicherungsprämie entstehen, weil der Vertrag schwebend unwirksam sei. Hierzu hat sich Armbrüster auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1976, 104, 105) bezogen, der jedoch eine abweichende Fallkonstellation zugrunde lag. Vorliegend ist maßgebend, dass der Vertrag erst nach der Entscheidung des Versicherungsnehmers, den Widerspruch zu erklären, endgültig unwirksam geworden ist, während er zuvor von beiden Parteien wie ein wirksamer Vertrag durchgeführt wurde. Erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts steht fest, dass der Vertrag rückabzuwickeln ist, so dass der Bereicherungsanspruch des Versicherungsnehmers auch erst zu diesem Zeitpunkt entsteht. Unabhängig davon wäre auch fraglich, ob schon mit der Zahlung der Prämie eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherungsnehmers von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB angenommen werden könnte. Das wird wegen der Schwierigkeit der Rechtslage kaum anzunehmen sein (so auch Jacob, juris-PR-VersR 8/2014, Anm. 2).
486.
49Schadensersatzansprüche verfolgt der Kläger in der Berufung nicht weiter. Jedenfalls fehlt insoweit jegliche Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils, so dass die Berufung insoweit unzulässig wäre.
507.
51Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu.
52Hergeleitet wird der Erstattungsanspruch alleine aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, hier allgemein aus einer Falschberatung (GA 21 ff.: nicht anlagegerechte Beratung, keine Auskunft über Stornoabzüge, keine Aufklärung über Rückvergütungen). Damit hat sich das Landgericht eingehend im angefochtenen Urteil beschäftigt, ohne dass der Kläger dies – wie bereits vorstehend unter Ziff. 6. ausgeführt - mit der Berufung angegriffen hat. Die Berufung ist daher auch in Bezug auf die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten wegen Fehlens einer Berufungsbegründung unzulässig
538.
54In Bezug auf die Hilfsanträge, zu denen es im Übrigen ebenfalls an einer Berufungsbegründung fehlt, geht der Senat davon aus, dass über diese nicht zu entscheiden ist. Sie werden ersichtlich nur für den Fall verfolgt, dass der Widerspruch nicht wirksam ist und der Vertrag deshalb bis zur Vertragsbeendigung infolge der Kündigung fortbestanden hat. Nur dann wäre auch Raum für weitere vertragliche Ansprüche. Diese Bedingung ist hier nicht eingetreten, weil der Senat den Kläger für berechtigt gehalten hat, den Widerspruch noch auszuüben. Unabhängig davon treffen in der Sache die Ausführungen des Landgerichts zu.
559.
56Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
57Der Senat lässt die Revision zu, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags, dem wirksam widersprochen worden ist, erfolgt, ist bislang in den Einzelheiten nicht geklärt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, stellen sich keine Grundsatzfragen, so dass kein Anlass zu einer Revisionszulassung besteht.
58Berufungsstreitwert: 10.042,14 €

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Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.
Jede anfechtbare gerichtliche Entscheidung hat eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist, über den Sitz des Gerichts und über die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Dies gilt nicht in Verfahren, in denen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, es sei denn, es ist über einen Einspruch oder Widerspruch zu belehren oder die Belehrung ist an einen Zeugen oder Sachverständigen zu richten. Über die Möglichkeit der Sprungrevision muss nicht belehrt werden.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.