Oberlandesgericht Köln Beschluss, 06. Nov. 2013 - 16 U 144/13
Tenor
1.
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
2.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.06.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 18 O 301/12 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin hat gegen das ihr am 08.07.2013 zugestellte Urteil des Landgerichts Köln vom 26.06.2013, mit dem ihre Zahlungsklage über 5.684,92 € mit Ausnahme eines zuerkannten Betrags in Höhe von 10,59 € zuzüglich Zinsen abgewiesen worden ist, unter dem 07.08.2013 Berufung eingelegt. Eine Begründung der Berufung ist bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, die am 09.09.2013 endete, nicht bei Gericht eingegangen. Nachdem die Klägerin mit der ihr am 24.09.2013 zugegangenen Verfügung des Vorsitzenden vom 20.09.2013 auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden war, hat sie mit am 04.10.2013 eingegangenen Schriftsatz die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt.
4Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin Folgendes ausgeführt:
5Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führe in seiner Kanzlei einen elektronischen Fristenkalender über das E-Mail- und Kalenderverwaltungsprogramm Microsoft P 2007. Hierbei sei ein eigener Unterkalender nur für die Rechtsmittelfristen installiert. Dieser Kalender werde mit zwei weiteren Rechnern in der Kanzlei ständig synchronisiert. Die Kalenderdatei werde jeden Abend durch das Programm P Backup Assistent gesichert, wobei die Sicherungskopie an einem anderen Ort des Servers abgelegt werde. Weitere Synchronisierungen des E-Mail-Kalenders erfolgten u.a. mit dem Handykalender des Smartphones I X des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die Synchronisation erfolge hier über das Programm I Sync. Manager. Dieses sei, was anwaltlich versichert werde, so eingestellt, dass Kalenderereignisse auf das Smartphone vom P-Kalender ab dem vorangegangenen Monat übertragen werden. Bei Konflikten zwischen Kalendereinträgen des I und des PC bestehe die Einstellung, dass die Daten des PC in diesem Fall beibehalten werden.
6Im vorliegenden Fall seien der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 09.09.2013 und eine entsprechende Vorfrist auf den 02.09.2013 vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin persönlich in den elektronisch geführten Fristenkalender eingetragen worden. Nach Rückkehr des Prozessbevollmächtigten aus einem längeren Urlaub am Sonntag, dem 01.09.2013, habe ihm sein I Smartphone signalisiert, dass eine Aktualisierung für das Betriebssystem zur Verfügung stehe, die von ihm auch auf das Smartphone aufgespielt worden sei. Am Montag, dem 02.09.2013, sei das Smartphone zum Zwecke der Synchronisation mit dem PC in der Kanzlei an diesen angeschlossen worden. Erst am 24.09.2013 sei aufgefallen, dass der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und die dazugehörige Vorfrist in dieser Sache sowie mehrere weitere Fristen und Termine im P-Kalender und im Handykalender fehlten.
7II.
8Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) begründet worden ist. Die Berufungsbegründung ging erst am 04.10.2013 und damit nach Ablauf der am 09.09.2013 endenden Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht ein.
9Der Klägerin ist auf ihren fristgerecht gestellten Antrag vom 04.10.2013 auch nicht gemäß §§ 233, 236 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, weil sie an der Einhaltung der am 09.09.2013 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist nicht ohne Verschulden gehindert gewesen ist.
10Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verschulden sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, hat im vorliegenden Fall nicht hinreichend Sorge dafür getragen, dass die Berufungsbegründungsfrist gewahrt wurde. Die Verwendung eines im E-Mail-Programm P geführten Fristenkalenders genügte im vorliegenden Fall nicht den an eine ordnungsgemäße Büroorganisation zu stellenden Anforderungen. Verwendet der Rechtsanwalt einen EDV-gestützten Fristenkalender, muss er durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass versehentlich gelöschte Fristen erkennbar werden (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2006, 261). Die elektronische Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (vgl. BGH NJW 2000, 1957; OLG Zweibrücken NJW-RR 2006, 261 m.w.N.). Diese Anforderung ist durch die Verwendung eines im E-Mail-Programm P geführten Fristenkalenders im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil die Löschung von Fristen im Kalender nicht ersichtlich war und auch keine Vorkehrungen getroffen worden waren, dass Löschungen von Fristen im Nachhinein nachvollzogen werden konnten. Die Verwendung des P-Kalenders zur Führung des Fristenkalenders bot keine ausreichende Gewähr dagegen, dass darin eingetragene Rechtsmittelfristen nicht durch ein Versehen oder wie im vorliegenden Fall infolge eines aufgespielten Updates des Synchronisationsprogramms gelöscht wurden, ohne dass dies im Programm selbst kenntlich und nachvollziehbar gemacht wurde. Die Verwendung eines solchen Fristenkalenders begründet daher bereits ein Organisationsverschulden des Rechtsanwalts, welches sich die von diesem vertretene Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
11Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat es darüber hinaus fahrlässig versäumt, nach Aufspielen des Updates für das Betriebssystems seines Smartphones am 01.09.2013 entweder vor der anschließend beabsichtigten Synchronisation mit den Kalendereinträgen des P-Programms sicherzustellen, dass die ursprüngliche Einstellung, wonach die Computerdaten gegenüber den Handy-Daten Vorrang haben sollten, weiterhin Bestand hatte, oder jedenfalls zeitnah nach der Synchronisation durch einen Vergleich mit den täglich gespeicherten Backup-Daten zu überprüfen, ob die Synchronisation nach Aufspielen des Updates ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte sich dagegen nicht ohne jede weitere Überprüfung darauf verlassen, dass infolge des Updates die ursprünglichen Einstellungen für die Synchronisation der Kalenderdaten unverändert bleiben würden.
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
13Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.674,33 € festgesetzt.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)