Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 24. Apr. 2017 - 8 W 14/17

bei uns veröffentlicht am24.04.2017

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 01.02.2016 wie folgt abgeändert:

Die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf € 8.072,25 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 24.07.2015 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin nach einem Streitwert von € 517,68 auferlegt.

Gründe

I.

1

Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin dagegen, dass das Landgericht Hamburg zugunsten der Antragstellerin Kosten im Zusammenhang mit Zustellungsversuchen und Kopierkosten insgesamt in Höhe von € 517,68 festgesetzt hat.

2

Die Antragstellerin erwirkte durch Beschluss vom 29.01.2015 eine einstweilige Verfügung gegen die im Vereinigten Königreich ansässige Antragsgegnerin. Die einstweilige Verfügung wurde der Antragstellerin am 2.2.2015 zugestellt. Zuvor hatte die Antragsgegnerin bereits eine Schutzschrift gegen einen von ihr erwarteten Verfügungsantrag eingereicht, in der ihre Prozessbevollmächtigten als mögliche Verfahrensbevollmächtigte eines Verfügungsverfahrens benannt sind und die auch Sachanträge enthielt.

3

Mit Schriftsatz vom 4.2.2015 an das Landgericht Hamburg baten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin um die Übersendung der Antragsschrift zu der mittlerweile erlassenen einstweiligen Verfügung. Im Rubrum des Schriftsatzes sind die Prozessbevollmächtigten als solche der Antragsgegnerin genannt. Der Schriftsatz wurde am 6.2.2015 an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin weitergeleitet.

4

Zuvor, nämlich am 5.2.2015, hatten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin versucht, eine Ausfertigung der einstweiligen Verfügung den gegnerischen Prozessbevollmächtigten von Anwalt zu Anwalt zuzustellen. Diese verweigerten jedoch die Entgegennahme unter Berufung auf eine entsprechende Weisung der Antragsgegnerin und schickten die Unterlagen an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zurück. Dort gingen sie am 6.2.2015 ein.

5

Am 11.2.2015 beantragte die Antragstellerin die diplomatische Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Antragsgegnerin; diese wurde am 16.2.2015 bewilligt. Mit Schriftsatz vom 20.02.2015 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (erneut) die Vertretung der Antragsgegnerin an. Mit Schriftsatz vom 27.2.2015 teilte die Antragstellerin mit, dass an der diplomatischen Zustellung festgehalten werde. Diese wurde sodann durchgeführt und erreichte die Antragsgegnerin am 9.4.2015.

6

Am 28.2.2015 beauftragte die Antragstellerin außerdem die für die Antragsgegnerin zuständige Gerichtsvollzieherverteilerstelle in München mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin. Diese erfolgte am 03.03.2015.

7

Am 04.03.2015 beantragte die Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen Versäumung der Vollziehungsfrist. Diesen Antrag wies das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 15.7.2015 zurück, da die Zustellung durch Gerichtsvollzieher an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin wirksam und rechtzeitig gewesen sei.

8

Mit Beschluss vom 01.02.2016 hat das Landgericht die der Antragstellerin im Verfügungsverfahren zu erstattenden Kosten auf € 8.589,93 nebst Zinsen festgesetzt. Das Gericht hat die Auffassung vertreten, dass die Kosten der mehrfachen Zustellversuche der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu erstatten seien.

9

Mit der sofortigen Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass sie lediglich einen Betrag in Höhe von € 8.072,25 nebst Zinsen zu erstatten habe. Nicht festzusetzen seien die Kosten im Zusammenhang mit den untauglichen Zustellungsversuchen, d.h. die Gerichtskosten, Übersetzungskosten sowie Kurierkosten im Zusammenhang mit der diplomatischen Zustellung. Dies stehe im Widerspruch zum Urteil des Landgerichts vom 15.07.2015, da das Gericht festgestellt habe, dass Zustellversuche an die Antragsgegnerin zur Wahrung der Vollziehung untauglich gewesen seien. Auch die Festsetzung von Kurierkosten zur Vorbereitung der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher sei zu Unrecht erfolgt.

10

Weiterhin sei die Festsetzung eines Betrages in Höhe von € 60,40 für Kopierkosten nicht gerechtfertigt. Insbesondere habe die Antragstellerin in ihren Schriftsatz vom 22.01.2016 lediglich eine Festsetzung von € 5:- für Kopierkosten beantragt. Im Übrigen sei aber auch der Betrag von € 5.- nicht nachvollziehbar.

11

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Auch die Antragstellerin hat zu der Beschwerde Stellung genommen.

II.

12

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

13

1. Die Antragsgegnerin hat die von der Antragstellerin aufgewendeten Kosten für die Zustellung der einstweiligen Verfügung im Ausland nicht zu erstatten. Bei diesen Kosten handelt es sich entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht um Kosten, die im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin notwendig waren.

14

Notwendig sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 25.02.2016 - III ZB 66/15, Rn.8; zit. nach juris). Vorliegend war die diplomatische Zustellung der einstweiligen Verfügung objektiv weder erforderlich noch geeignet zur Rechtsverfolgung.

15

Geeignet war sie nicht, da die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin sich bereits durch die Einreichung der Schutzschrift vom 16.12.2014 für die Antragsgegnerin hinreichend legitimiert hatten. Soweit die Prozessbevollmächtigten im Rubrum der Schutzschrift als „mögliche Verfahrensbevollmächtigte“ bezeichnet sind, bezieht sich dieses Attribut ersichtlich nicht auf die Bestellung zu Prozessbevollmächtigten, sondern auf die Möglichkeit eines Verfügungsverfahrens. Denn auch die Parteien sind als „mögliche Antragstellerin“ bzw. „mögliche Antragsgegnerin“ bezeichnet und die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin als „mögliche Verfahrensbevollmächtigte“. Für eine hinreichende Legitimation sprechen auch die in der Schutzschrift enthaltenen Sachanträge für das Verfügungsverfahren. Die Schutzschrift war den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin auch zur Kenntnis gelangt.

16

Ferner hatten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 04.02.15 um Übersendung der Antragsschrift sowie etwaiger weiterer Korrespondenz gebeten und sich hierbei selbst als Prozessbevollmächtigte benannt. Auch dieser Schriftsatz muss der Antragstellerin unter Zugrundelegung normaler Postlaufzeiten vorgelegen haben, bevor sie am 11.2.2015 den Antrag auf diplomatische Zustellung stellte bzw. die hier streitigen Kurier- und Übersetzungskosten vom 10./11.2.2015 auslöste. Die einstweilige Verfügung konnte gemäß § 172 ZPO nur wirksam an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt werden; die Zustellung an die Antragsgegnerin persönlich war unwirksam, wie auch das Landgericht in seinem Urteil vom 15.7.2015 überzeugend ausgeführt hat.

17

Zudem war die Zustellung an die Antragsgegnerin selbst aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei auch objektiv nicht erforderlich. Eine wirksame Zustellung im Inland konnte per Gerichtsvollzieher bewirkt werden. In diesen Fällen steht einer Wirksamkeit der Zustellung auch eine etwaige Annahmeverweigerung nicht entgegen. Die Zustellung durch Gerichtsvollzieher hätte die Antragstellerin zuerst versuchen und abwarten müssen. Diese Zustellung ist gegenüber einer Zustellung im Ausland erheblich kostengünstiger. Eine solche Zustellung im Inland, die die Antragstellerin nach Misslingen der Zustellung von Anwalt zu Anwalt, also schon ab dem 6.2.2015 hätte in Auftrag geben können, bot der Antragstellerin auch eine hinreichende Sicherheit für eine alsbaldige, fristgerechte Zustellung. Die Vollziehungsfrist lief erst am 2.3.2015 ab. Selbst wenn die Zustellung durch Gerichtsvollzieher misslungen wäre, hätte auch noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, die diplomatische Zustellung fristwahrend zu beantragen.

18

Eine Erforderlichkeit der Auslandszustellung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vorher die Annahme im Rahmen einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO verweigert hatten. Aus der Annahmeverweigerung folgte nicht, dass die Antragsgegnervertreter ihre Stellung als Prozessbevollmächtigte verloren hatten. Denn die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin hatten den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 05.02.15 lediglich mitgeteilt, dass eine Annahme deshalb nicht stattgefunden habe, weil ihre Mandantin sie hierzu ausdrücklich angewiesen habe; eine Mitteilung, dass die Prozessbevollmächtigten nicht mehr legitimiert seien, enthält das Schreiben nicht. Im Gegenteil wird die Antragsgegnerin auch weiterhin als Mandantin bezeichnet. Die Prozessbevollmächtigten waren auch berufsrechtlich nicht dazu verpflichtet, an einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitzuwirken (BGH, Beschluss vom 26.10.2015, NJW 2015, 3672). Diese höchstrichterliche Klärung erfolgte zwar erst nach den hier fraglichen Zeitpunkten, doch war die Frage jedenfalls streitig und obergerichtlich bereits in diesem Sinne am 7.11.2014 durch den Anwaltsgerichtshof Hamm entschieden ( Anlage B 3 ). Die anwaltlich vertretene Antragstellerin musste daher damit rechnen, dass im Verfügungsverfahren eine Zustellung nach § 195 ZPO scheitern konnte.

19

Somit sind die Kosten der Zustellung im Ausland - Gerichtskosten in Höhe von € 55.-, Übersetzungskosten von € 285.- und Kurierkosten vom 10. und 11.2.2015 in Höhe von € 9,90 und € 33,92 - nicht erstattungsfähig.

20

2. Auch die Kurierkosten in Höhe von € 73,46 für die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher sind nicht erstattungsfähig. Denn wie unter Ziff.1 ausgeführt wurde, hätte diese Zustellung wesentlich vor dem 28.2.2015 , nämlich nach der Zurückweisung der Zustellung von Anwalt zu Anwalt, in Auftrag gegeben werden können, so dass Kurierkosten nicht angefallen wären.

21

3. Auch die Festsetzung der Kopierkosten in Höhe von € 60,40 kann keinen Bestand haben. Soweit ein über € 5.- hinausgehender Betrag festgesetzt worden ist, folgt dies schon daraus, dass das Landgericht der Antragstellerin mehr zugesprochen hat, als sie beantragt hat. Die Antragstellerin hatte mit Schriftsatz vom 22.01.2016 lediglich in Höhe von € 5.- die Festsetzung von Kopierkosten beantragt, was sie in ihrem Schriftsatz vom 17.03.2017 nochmals ausdrücklich klargestellt hat.

22

Aber auch die beantragten € 5.- sind nicht hinreichend dargelegt. Die mit Schriftsatz vom 24.3.2017 eingereichte Tabelle ist nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin gemäß Schriftsatz vom 22.1.16 nicht korrekt, ohne dass vorgetragen wird, welche Kosten der Tabelle sich auf dieses Verfahren beziehen und die gemäß Ziff.7000 Nr.1 b) VV RVG selbst zu tragenden 100 Seiten überschreiten. Auch bleibt unklar, ob die beantragten € 5.- für Schwarzweiß- oder für Farbkopien begehrt werden.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 247 Basiszinssatz


#BJNR001950896BJNE024003377 (1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gef

Zivilprozessordnung - ZPO | § 172 Zustellung an Prozessbevollmächtigte


(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des

Zivilprozessordnung - ZPO | § 195 Zustellung von Anwalt zu Anwalt


(1) Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschrifte

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2016 - III ZB 66/15

bei uns veröffentlicht am 25.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 66/15 vom 25. Februar 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1, RVG-VV Nr. 3200 a) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für

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(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 66/15
vom
25. Februar 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche
Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet
zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt
einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen,
wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachen
Handlung abzustellen ist und es auf die - auch unverschuldete - Unkenntnis der
Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt
(Bestätigung und Fortführung des Senatsbeschlusses vom 26. Januar
2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117).

b) Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme
entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig,
wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen
musste (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB
39/06, NJW-RR 2007, 1575).
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 66/15 - OLG München
LG Landshut
ECLI:DE:BGH:2016:250216BIIIZB66.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch den Vorsitzender Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Februar 2015 - 11 W 302/15 - aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Landshut vom 20. Januar 2015 - 74 O 1092/14 - aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 20. November 2014 zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens jeweils zu ¼ zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 905 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten für das Berufungsverfahren trotz Rücknahme des Rechtsmittels der Klägerin vor Stellung des Berufungszurückweisungsantrags die Erstattung der vollen anwaltlichen Verfahrens- gebühr nach Nr. 3200 der Anlage 1 des RVG (RVG VV) nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV verlangen können.
2
Die Klägerin legte gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Landgerichts Berufung ein und begründete diese. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 wies das Oberlandesgericht die Klägerin auf die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels hin, kündigte dessen Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO an und setzte den Parteien Frist zur Stellungnahme bis zum 14. November 2014. Die Klägerin nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 12. November 2014, der am selben Tag beim Oberlandesgericht einging und am 20. November 2014 den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigen der Beklagten zugestellt wurde, ihre Berufung zurück. Mit Beschluss vom 13. November 2014 sprach das Oberlandesgericht aus, dass die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung verlustig sei und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 14. November 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
3
Auf Antrag der Beklagten hat das Landgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr (Nr. 3200 RVG VV), einer Erhöhungsgebühr von 0,9 (Nr. 1008 RVG VV) und einer Auslagenpauschale von 20 € (Nr. 7002 RVG VV) auf 905 € nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags der Beklagten.

II.


4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 RVG VV (nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) zu Unrecht bejaht.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, mit Einreichung des Schriftsatzes vom 14. November 2014 sei für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 RVG VV ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Diese Voraussetzungen erfülle der Schriftsatz der Beklagten vom 14. November 2014. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erwachsene 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass die Klägerin ihre Berufung bereits am 12. November 2014 - vor Erstellung des den Berufungszurückweisungsantrag enthaltenden Schriftsatzes - zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Denn von der Rücknahme des Rechtsmittels hätten die Beklagten erst durch Zustellung des diesbezüglichen Schriftsatzes am 20. November 2014 Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Für den vergleichbaren Fall von in Unkenntnis einer zwischenzeitlichen Rücknahme einer Klage oder eines Verfügungsantrags eingereichten Schriftsätzen gelte nichts anderes. Die Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs (Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575), wonach die durch Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten auch bei unverschuldeter Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme nicht erstattungsfähig seien, könne nicht ohne Weiteres auf die Fälle der Klageerwiderung oder der Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Rücknahme der Klage oder Berufung übertragen werden. Die Beklagten hätten auch nicht den Ablauf der vom Oberlandesgericht für eine Rücknahme der Berufung gesetzten Frist oder gar eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 522 ZPO abwarten müssen.
6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
a) Die vom Landgericht antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG VV gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der Berufungszurückweisungsantrag erst nach Rücknahme des Rechtsmittels gestellt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Einreichung der Berufungserwiderung am 14. November 2014 - wie das Beschwerdegericht meint - eine volle Verfahrensgebühr gegenüber den Beklagten angefallen ist. Denn die Entstehung der Verfahrensgebühr ist von ihrer Erstattungsfähigkeit streng zu unterscheiden (Maué in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nr. 3200-3205 VV Rn. 6).
8
aa) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 – 6 W 70/08, juris Rn. 14; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 2; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak /Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8). Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 aaO; s. auch BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, NJW 2012, 1370 Rn. 12; vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, NJW 2012, 2734 Rn. 9 und vom 23. Oktober 2013 - V ZB 143/12, NJW-RR 2014, 185 Rn. 10; jew. mwN).
9
bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. Nach der unter anderem vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung sind die Kosten des Rechtsmittelgegners in diesen Fällen dann erstattungsfähig, wenn weder der Partei noch ihrem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der Einreichung der Berufungserwiderung bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Rücknahme des Rechtsmittels bereits erfolgt war (s. auch OLG München, BeckRS 2010, 27585; OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2010 - 2 W 69/10, juris Rn. 4 [Erstattungsfähigkeit der Kosten einer nach Klagerücknahme eingereichten Klageerwiderung]; Maué aaO Rn. 8; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3201 VV Rn. 9, 88, Anhang XIII Rn. 46 ff mwN zum Streitstand). Nach anderer Auffassung sind die Kosten eines Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Berufungszurückweisungsantrags die Berufung bereits zurückgenommen war. Auf die (unverschuldete) Unkenntnis des Berufungsbeklagten von der Rücknahme des Rechtsmittels komme es nicht an (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 - 6 W 70/08, juris Rn. 15; s. auch BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 17 [keine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten bei Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 426 Rn. 4 [keine Erstattung von Anwaltskosten bei Klageerwiderung nach Klagerücknahme]; Hk-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 91 Rn. 13; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn. 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 48).
10
cc) Der Senat folgt der Auffassung, nach der die Einreichung einer Berufungserwiderung (mit Berufungszurückweisungsantrag und/oder Sachvortrag) nach Rücknahme des Rechtsmittels keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zugunsten des Rechtsmittelgegners auslöst. Nach dem unter aa) dargestellten Maßstab stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO objektiv erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO). Die Gegenmeinung lässt dabei außer Betracht, dass im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten die objektive Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei maßgeblich ist, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick hat (Senatsbeschluss vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn. 20). Danach ist die Stellung eines Zurückweisungsantrags nach Rücknahme der Berufung keine zur Rechtsverteidigung objektiv erforderliche Maßnahme. Die Frage, ob dem Rechtsmittelgegner ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, bleibt davon unberührt. In den Fällen, in denen das Berufungsgericht dem Rechtsmittelkläger eine Frist zur Erklärung über die Rechtsmittelrücknahme gesetzt hat, kann der Rechtsmittelbeklagte, der eine Erwiderung zum Fristende erwägt, außerdem eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen ist, durch eine (gegebenenfalls telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos klären.
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Es kommt hinzu, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Kostenfestsetzungsverfahren , das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten ist, eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Vor diesem Hintergrund wäre es wenig sinnvoll, das Verfahren durch eine übermäßige Differenzierung der Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit und insbesondere durch die - unter Umständen aufwändige - Prüfung subjektiver Kriterien ("unverschuldete Unkenntnis" der Partei und des Prozessbevollmächtigten) zu belasten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2006 aaO mwN; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25. August 2009 aaO Rn. 15).
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Soweit das Beschwerdegericht meint, die vorgenannten Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten seien vom Bundesgerichtshof (Beschluss vom 23. November 2006 aaO) lediglich für den Sonderfall der Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entwickelt worden und auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Bei diesen Grundsätzen handelt es sich vielmehr um den allgemeinen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung des Umfangs der Kostenerstattungspflicht im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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b) Die Beklagten können auch nicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 516 Abs. 3 ZPO die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV (i.V.m. einer 0,9-fachen Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG VV) verlangen.
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Wenn - wie hier - der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht worden ist, kommt die Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners auf Grund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft im Sinne von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG VV betrieben hat und damit jedenfalls die ermäßigte 1,1-fache Verfahrensgebühr angefallen ist. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen. (BGH, Beschluss vom 23. November 2006 - I ZB 39/06, NJW-RR 2007, 1575 Rn. 18 f). Daran fehlt es hier. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind die Prozessbevollmächtigten der Beklagten erstmals nach der Rücknahme der Berufung tätig geworden, indem sie am 14. November 2014 die Zurückweisung der Berufung mit kurzer Begründung beantragt haben. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO) zu keinem Zeitpunkt vorgetragen haben, ihre Prozessbevollmächtigten hätten im Berufungsverfahren das Geschäft in Erfüllung eines entsprechenden Auftrags vor der Rücknahme des Rechtsmittels in irgendeiner Weise betrieben. Vielmehr ist das Vorbringen der Klägerin, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien erst nach Beendigung des Berufungsverfahrens tätig geworden, unwidersprochen geblieben. Die Beklagten haben lediglich den unzutreffenden Rechtsstandpunkt eingenommen, die Verfahrensgebühr sei allein durch die Einreichung der Berufungserwiderung nach Rechtsmittelrücknahme entstanden. Es fehlt somit an den Voraussetzungen für die Entstehung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG VV.
Herrmann Tombrink Remmert
Reiter Liebert
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 04.09.2014 - 74 O 1092/14 -
OLG München, Entscheidung vom 27.02.2015 - 11 W 302/15 -

(1) In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Das gilt auch für die Prozesshandlungen, die das Verfahren vor diesem Gericht infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils dieses Gerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens, einer Rüge nach § 321a oder eines neuen Vorbringens in dem Verfahren der Zwangsvollstreckung betreffen. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gehört zum ersten Rechtszug.

(2) Ein Schriftsatz, durch den ein Rechtsmittel eingelegt wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Rechtszuges zuzustellen, dessen Entscheidung angefochten wird. Wenn bereits ein Prozessbevollmächtigter für den höheren Rechtszug bestellt ist, ist der Schriftsatz diesem zuzustellen. Der Partei ist selbst zuzustellen, wenn sie einen Prozessbevollmächtigten nicht bestellt hat.

(1) Sind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann ein Dokument auch dadurch zugestellt werden, dass der zustellende Anwalt das Dokument dem anderen Anwalt übermittelt (Zustellung von Anwalt zu Anwalt). Auch Schriftsätze, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes vom Amts wegen zugestellt werden, können stattdessen von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden, wenn nicht gleichzeitig dem Gegner eine gerichtliche Anordnung mitzuteilen ist. In dem Schriftsatz soll die Erklärung enthalten sein, dass von Anwalt zu Anwalt zugestellt werde. Die Zustellung ist dem Gericht, sofern dies für die zu treffende Entscheidung erforderlich ist, nachzuweisen. Für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt gelten § 173 Absatz 1 und § 175 Absatz 2 Satz 1 entsprechend.

(2) Zum Nachweis der Zustellung eines Schriftstücks genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis desjenigen Anwalts, dem zugestellt worden ist. § 175 Absatz 4 gilt entsprechend. Die Zustellung eines elektronischen Dokuments ist durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes nachzuweisen. Der Anwalt, der zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erteilen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.