Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 22. Okt. 2015 - 5 W 92/15
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Münster vom 13.07.2015 der Streitwert auf 32.200,80 € festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
Gründe:
2I.
3Die am 18.08.19## geborene Klägerin hat die Beklagte – ihre Tochter – auf Bewilligung und Eintragung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsrechts an der im Erdgeschoß des Hauses X # in T gelegenen Wohnung im Grundbuch in Anspruch genommen. Die Parteien haben den Jahreswert übereinstimmend mit 6.440,16 € (12 x 536,68 €) angegeben.
4Das Landgericht hat den Streitwert bis zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigung am 13.07.2015 auf 70.841,76 € festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der sie eine niedrigere Festsetzung des Streitwerts verfolgt. Nach ihrer Ansicht sei der Jahresmietzins nicht mit einer statistischen Lebenserwartung von noch 11 Jahren, sondern unter Zugrundelegung der als Anlage 9 zum Bewertungsgesetz herangezogenen „Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/1988, Gebietsstand seit dem 03.10.1990“ nur mit dem Faktor 6,261 € zu multiplieren; daraus ergebe sich ein Streitwert von 40.321,84 €.
5Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
6II.
7Auf die Beschwerde der Beklagten war die Festsetzung des Streitwerts herabzusetzen. Dabei war der Senat nicht an den Antrag der Beklagten gebunden, sondern konnte die Festsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ändern.
8Bei einem Streit über die Bestellung und Eintragung eines dinglichen unentgeltlichen Wohnrechts bestimmt sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Ist die Klage – wie im vorliegenden Fall – auf die Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechts gerichtet, bietet die Vorschrift des § 52 GNotKG einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Ermessensausübung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12.06.2006 – 2 W 49/06 –, Rn. 6, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.10.2007 – 8 W 81/07 –, Rn. 2, juris, m.w.N.). Bei der Bewertung ist damit zunächst von dem Wert des Wohnrechts auszugehen, welches hier unstreitig mit 536,68 € pro Monat bemessen werden kann. Zur Ermittlung des Gesamtwertes eines auf die Lebensdauer der Person beschränkten Rechtes ist sein Jahreswert nicht mit der statistischen Lebenserwartung, sondern mit einem Faktor zu vervielfältigen, der aus einer entsprechenden Anwendung der Tabelle in § 52 Abs. 4 GNotKG zu entnehmen ist. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage über 70 Jahre alt, weshalb nach der genannten Tabelle für den Gesamtwert der auf die ersten fünf Jahre entfallende Wert in Ansatz zu bringen ist. Hieraus errechnet sich der Wert des unentgeltlichen lebenslangen Wohnrechts mit 32.200,80 € (6.440,16 € x 5).
9Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die Regelung des § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.
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Referenzen - Gesetze
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Der Wert einer Dienstbarkeit, einer Reallast oder eines sonstigen Rechts oder Anspruchs auf wiederkehrende oder dauernde Nutzungen oder Leistungen einschließlich des Unterlassens oder Duldens bestimmt sich nach dem Wert, den das Recht für den Berechtigten oder für das herrschende Grundstück hat.
(2) Ist das Recht auf eine bestimmte Zeit beschränkt, ist der auf die Dauer des Rechts entfallende Wert maßgebend. Der Wert ist jedoch durch den auf die ersten 20 Jahre entfallenden Wert des Rechts beschränkt. Ist die Dauer des Rechts außerdem auf die Lebensdauer einer Person beschränkt, darf der nach Absatz 4 bemessene Wert nicht überschritten werden.
(3) Der Wert eines Rechts von unbeschränkter Dauer ist der auf die ersten 20 Jahre entfallende Wert. Der Wert eines Rechts von unbestimmter Dauer ist der auf die ersten zehn Jahre entfallende Wert, soweit sich aus Absatz 4 nichts anderes ergibt.
(4) Ist das Recht auf die Lebensdauer einer Person beschränkt, ist sein Wert
bei einem Lebensalter von … | der auf die ersten … Jahre |
---|---|
bis zu 30 Jahren | 20 |
über 30 Jahren bis zu 50 Jahren | 15 |
über 50 Jahren bis zu 70 Jahren | 10 |
über 70 Jahren | 5 |
entfallende Wert. Hängt die Dauer des Rechts von der Lebensdauer mehrerer Personen ab, ist maßgebend,
- 1.
wenn das Recht mit dem Tod des zuletzt Sterbenden erlischt, das Lebensalter der jüngsten Person, - 2.
wenn das Recht mit dem Tod des zuerst Sterbenden erlischt, das Lebensalter der ältesten Person.
(5) Der Jahreswert wird mit 5 Prozent des Werts des betroffenen Gegenstands oder Teils des betroffenen Gegenstands angenommen, sofern nicht ein anderer Wert festgestellt werden kann.
(6) Für die Berechnung des Werts ist der Beginn des Rechts maßgebend. Bildet das Recht später den Gegenstand eines gebührenpflichtigen Geschäfts, so ist der spätere Zeitpunkt maßgebend. Ist der nach den vorstehenden Absätzen bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, weil im Zeitpunkt des Geschäfts der Beginn des Rechts noch nicht feststeht oder das Recht in anderer Weise bedingt ist, ist ein niedrigerer Wert anzunehmen. Der Wert eines durch Zeitablauf oder durch den Tod des Berechtigten erloschenen Rechts beträgt 0 Euro.
(7) Preisklauseln werden nicht berücksichtigt.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.