Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 30. Sept. 2016 - 32 SA 60/16

Gericht
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Dortmund bestimmt.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin hat zunächst Anfang 2014 gegen den Beklagten zu 1 Klage erhoben, um feststellen zu lassen, dass näher bezeichnete sie betreffende Entscheidungen der Disziplinarkommission und des Großen Schiedsgerichts des Beklagten zu 1 nichtig seien und diesem eine wegen der Schiedsgerichtssache gegenüber der Klägerin beanspruchte Kostenforderung nicht zustehe. Später hat sie die Klage gegen den Beklagten zu 1 um einen Zahlungsanspruch über gut 12.000 € erweitert. Zur Begründung ihrer Klage hat sie unter anderem Folgendes vorgetragen:
4Die Klägerin sei Springreiterin und durch die Entscheidungen, deren Nichtigkeit festgestellt werden solle, für sieben Monate von der Teilnahme an Leistungsprüfungen ausgeschlossen worden. Zuvor sei in einem nach einem Turnier gewonnenen Urinat ihres Pferdes eine verbotene Substanz festgestellt worden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Entscheidungen über ihren Ausschluss unwirksam seien: Die Besetzung der Entscheidungsgremien sei rechtswidrig, das dortige Verfahren unter verschiedenen Aspekten fehlerhaft gewesen. Die einschlägigen Normen des Beklagten zu 1 würden für sie schon mangels Mitgliedschaft beim Beklagten zu 1 nicht gelten; auch sei keine wirksame Einbeziehung als AGB erfolgt. Schließlich sei das Urinat unter mehreren Aspekten vorschriftswidrig gewonnen worden.
5Im Juli 2015 hat die Klägerin die Klage erweitert und den Beklagten zu 2, der als Turniertierarzt die streitgegenständliche Medikationskontrolle vorgenommen habe, als Gesamtschuldner des Beklagten zu 1 in Höhe von 666,66 € in Anspruch genommen. Der Beklagte zu 2 habe die Medikationsprobe unter wiederholter Verletzung der sportrechtlichen Regeln des Beklagten zu 1 vorgenommen. Die Höhe der Forderung entspreche dem Imageverlust, den die Klägerin mindestens durch die Publikation des streitgegenständlichen Vorgangs erlitten habe.
6Eine weitere Klageerweiterung, gegen die Beklagte zu 3, der die Organisation, technische Durchführung und Überwachung der Medikationskontrolle oblegen habe, ist im November 2015 erfolgt. Die Beklagte zu 3 wird als Gesamtschuldnerin der Beklagten zu 1 und 2 wegen der Forderung über 666,66 € in Anspruch genommen. Sie hafte, da sie fehlerhaft (manipulativ) gehandelt habe; insbesondere habe sie gewusst, dass der Beklagte zu 2 das Pferd im Rahmen der Probenentnahme nicht identifiziert habe.
7Nachdem die Beklagten zu 2 und 3 die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund gerügt hatten, hat die Klägerin beantragt, das Landgericht Dortmund als das für die Entscheidung des Rechtsstreits gegenüber allen drei Beklagten zuständige Gericht zu bestimmen. Dies entspreche ökonomischer und prozessualer Sinnhaftigkeit, da der Schwerpunkt des Verfahrens in der Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 liege. Die Beklagten zu 1 und 2 haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen, da keine beachtlichen Gründe für eine Bestimmung des Landgerichts Dortmund vorlägen. Der Beklagte zu 2 ist der Auffassung, dass das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle, da bereits streitig sei, ob die Klägerin Berufsreiterin sei. Zudem sei die gegen ihn gerichtete Klage offensichtlich unschlüssig. Einziges Ziel des Antrags sei, die Zeugenstellung des Turniertierarztes zu vermeiden. Die Beklagte zu 3 hat im Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung keine Stellungnahme abgegeben.
8II.
9Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung im Bestimmungsverfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen, da schon im Verhältnis zwischen dem derzeit mit der Sache befassten Landgericht Dortmund und den Landgerichten Gießen und Limburg als den Landgerichten des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten zu 2 und 3 der Bundesgerichtshof das nächst höhere Gericht ist und bisher nur im hiesigen Bezirk befindliche Gerichte mit der Sache befasst waren.
10Nach der ständiger Rechtsprechung kann eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch noch nach Klageerhebung beantragt werden, zumindest soweit noch keine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht (vgl. nur Senat, Beschl. v. 30.08.2012 - 32 SA 76/12 - zitiert nach juris, dort Tz. 15 m.w.N). Zwar stammt die Klage aus Januar 2014, jedoch hat vor dem Landgericht Dortmund erst ein Verhandlungstermin (am 06.05.2015) stattgefunden, in dem keine Beweisaufnahme erfolgt ist. Ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und (ggf.) Beweisaufnahme wurde zwar zeitnah terminiert, in der Folge aber mehrfach aus unterschiedlichsten Gründen verlegt, zuletzt wegen des hiesigen Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens auf den 25.01.2017.
11Die Beklagten sind, soweit sie wegen einer Forderung über 666,66 € als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, nach dem zugrunde zu legenden Vortrag der Klägerin zumindest einfache Streitgenossen gemäß § 60 ZPO. Die Beklagten haben keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand. Es ist auch kein anderweitiger gemeinsamer Gerichtsstand für das Klagebegehren zuverlässig zu bestimmen.
12So ist das Landgericht Dortmund nach § 1 Nr. 2 der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte und über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz vom 30. August 2011 sicher für die gegen den Beklagten zu 1 gerichtete Klage ausschließlich zuständig: Es handelt sich insoweit um eine Rechtsstreitigkeit, für die nach § 87 GWB die Landgerichte ausschließlich zuständig sind, und zwar – gäbe es die in der Verordnung angeordnete Konzentration nicht – mit Blick auf den Sitz des Beklagten zu 1 mit dem Landgericht Münster ein Landgericht des Bezirks des Oberlandesgerichts Hamm. Die ausschließliche Zuständigkeit besteht gem. § 87 S. 2 GWB auch dann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung abhängt, die nach dem GWB zu treffen ist, hier für den Schadensersatz über 666,66 € die Frage nach der Wirksamkeit des Turnierausschlusses. Die §§ 87 ff. GWB zielen unter anderem darauf ab, die zivilprozessualen Kartellrechtssachen bei fachkundigen Spruchkörpern zu konzentrieren. § 87 Abs. 2 GWB, der die ausschließliche Kompetenz dieser Gerichte für kartellrechtliche Vorfragen sichert, ist an die Stelle des nach früherer Rechtslage erforderlichen Aussetzungsverfahrens getreten (vgl. Immenga/Mestmäcker/Schmidt, 5. Aufl. 2014, Vorbemerkung vor § 87 GWB Rn. 6). Ob vor diesem Hintergrund ggf. nach den §§ 87, 88 GWB auch eine Zuständigkeit der Kartellgerichte für die gegen die Beklagten zu 2 und 3 gerichteten Klagen begründet werden könnte, bedarf keiner abschließenden Klärung, da das Landgericht in seinem Beschluss vom 08.06.2016 erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hat. In einer solchen Situation ist die Bestimmung durch den Senat gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO schon aus prozessökonomischen Gründen geboten (vgl. Zöller/Vollkommer, 31. Aufl. 2016, § 36 ZPO Rn. 15).
13Fragen der Zulässigkeit, Schlüssigkeit und Begründetheit der gegen die Beklagten zu 2 und 3 gerichteten Klagen sind nicht Gegenstand des Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung (vgl. nur Zöller/Vollkommer, 31. Aufl. 2016, § 36 ZPO Rn. 18). Nach der Zivilprozessordnung wird bei Vorliegen der vorstehend bejahten Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein zuständiges Gericht bestimmt, ohne dass weitere "beachtliche Gründe" für eine solche Zuständigkeitsbestimmung vorliegen müssten. Insbesondere muss nicht zusätzlich ein "öffentliches Interesse an der Gerichtsstandsbestimmung" festzustellen sein, wie es wohl der Beklagte zu 2 in seinem an das Landgericht Dortmund gerichteten Schriftsatz vom 20.07.2016 fordert. Soweit ferner die Vermutung geäußert wird, die Klageerweiterungen seien erfolgt, um eine Vernehmung der nunmehrigen Beklagten als Zeugen zu verhindern, wird das Prozessgericht den Sachverhalt zu würdigen wissen.
14Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Dortmund bestimmt.
15Wegen seiner ausschließlichen Zuständigkeit für die gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage kann das Landgericht Dortmund, obwohl keiner der Beklagten dort seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, als das für die Entscheidung über alle drei Klagen zuständiges Gericht bestimmt werden (vgl. hierzu nur Zöller/Vollkommer, 31. Aufl. 2016, § 36 ZPO Rn. 18).
16Die Bestimmung des zuständigen Gerichts folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf der Grundlage von Erwägungen der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit. Für die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund spricht, dass dieses – wie ausgeführt – für die Entscheidung über die Klage, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1 richtet, ohnehin zuständig ist. Die Klage gegen den Beklagten zu 1 stellt aber den Schwerpunkt des gesamten Rechtsstreits und des Klagevorwurfs dar. Die Beklagten zu 2 und 3 werden in Anspruch genommen, weil sie das nach der Auffassung der Klägerin rechtswidrige Verhalten des Beklagten zu 1 durch ihre Handlungen unterstützt haben sollen. Schließlich ist auch mit Blick auf die Entfernung zwischen H bzw. M und E nicht erkennbar, dass den Beklagten zu 2 und 3 eine Prozessführung vor dem Landgericht Dortmund nicht zuzumuten wäre, zumal ihre Einbeziehung in den Rechtsstreit allein darauf beruht, dass sie im Rahmen der streitgegenständlichen Medikationskontrolle für den Beklagten zu 1 tätig wurden.

moreResultsText
Annotations
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.
Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung von Vorschriften des Teils 1, des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen, sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Landgerichte ausschließlich zuständig. Satz 1 gilt auch, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach diesem Gesetz zu treffen ist, oder von der Anwendbarkeit des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abhängt.
Mit der Klage nach § 87 kann die Klage wegen eines anderen Anspruchs verbunden werden, wenn dieser im rechtlichen oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Anspruch steht, der bei dem nach § 87 zuständigen Gericht geltend zu machen ist; dies gilt auch dann, wenn für die Klage wegen des anderen Anspruchs eine ausschließliche Zuständigkeit gegeben ist.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.