Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 18. Aug. 2016 - 32 SA 38/16
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht E.
1
Gründe:
3I.
4Der Antragsteller beantragte im Januar 2016 beim Amtsgericht N die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zu diesem Zeitpunkt saß er in der JVA N ein, unter deren Anschrift er den Antrag stellte. Das Amtsgericht N forderte ihn auf, seinen „Wohnort (vor Inhaftierung)“ mitzuteilen. Hierauf teilte der Antragsteller vormalige Anschriften mit, und zwar einen „letzten Wohnort“ in I-Bad-N und einen „vorletzten Wohnort“ in M-M1.
5Das Amtsgericht N hat sodann darauf hingewiesen, dass es Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit habe, da sich der Wohnsitz des Antragstellers in I-Bad-N befinde. Maßgeblich sei der letzte Wohnort vor Inhaftierung, da der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt keinen Wohnort begründet habe. Daraufhin bat der Antragsteller um Verweisung an das Amtsgericht E. Mit Beschluss vom 20.02.2016 erklärte sich das Amtsgericht N für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht E. Dieses erklärte sich mit Beschluss vom 23.05.2016 ebenfalls für örtlich unzuständig und lehnte die Übernahme ab. Der Antragsteller habe gerade nicht angegeben, seinen Wohnort bei Antragstellung im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts E als Insolvenzgericht gehabt zu haben, sondern habe ausdrücklich seinen letzten Wohnsitz dort benannt. Abzustellen sei gem. § 16 ZPO auf den Aufenthaltsort, der sich bei Antragstellung in N befunden habe. Mit Beschluss vom 13.06.2016 hat das Amtsgericht N die Sache dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es bleibt bei seiner Auffassung, dass der Antragsteller bei Antragstellung seinen Wohnsitz in I-Bad-N gehabt habe. Durch den Antritt der Strafhaft habe er diesen nicht aufgegeben, weshalb er nicht wohnsitzlos sei und deshalb § 16 ZPO nicht einschlägig sei.
6Im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er derzeit wohnungslos sei und in der JVA C-T gemeldet sei. Nach der Haft wolle er wieder nach M oder I-Bad-N ziehen, weshalb er bitte, dass das Amtsgericht E zuständig werde. Nach einer von ihm vorgelegten Haftbescheinigung sitzt er seit dem 04.03.2015 ein, als voraussichtlicher Haftaustritt wird der 16.03.2017 benannt. Ferner legt er eine Melderegisterauskunft vom 09.08.2016 vor, die eine aktuelle Wohnung („seit: 27.04.2016“) in E und eine weitere Wohnung ohne Anschrift „seit 09.03.2015“ sowie frühere Wohnungen in I-Bad-N (15.09.2014-09.03.2015) und M („-15.09.2014“) ausweist.
7II.
8Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 4 InsO i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Verschiedene Gerichte, die Amtsgerichte N und E, haben sich jeweils für unzuständig erklärt. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 4 InsO i.V.m. § 36 Abs. 1 ZPO als das im Verhältnis zu beiden Amtsgerichten zunächst höhere Gericht zur Entscheidung berufen.
9Zuständig ist das Amtsgericht E.
10Dies folgt bereits aus dem bindenden Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts N. Umstände, die ausnahmsweise die Bindungswirkung dieses Beschlusses entfallen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Bindungswirkung gemäß § 4 InsO i.V.m. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO wird nicht schon durch die bloße Unrichtigkeit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage infolge eines einfachen Rechtsirrtums des verweisenden Gerichts in Frage gestellt. Unbeachtlich ist ein solcher Beschluss nur dann, wenn er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder schwere offensichtliche Rechtsmängel aufweist oder gar jeder Rechtsgrundlage entbehrt und aus diesen Gründen objektiv willkürlich ist (zur Bindungswirkung von Verweisungen in Insolvenzsachen vgl. nur: OLG Naumburg, Beschl. v. 28.03.2001 – 5 AR 1/01 – zitiert nach juris, dort Tz. 6; Uhlenbruck/Pape, 14. Aufl. 2015, § 4 InsO Rn. 15). Ein solcher Ausnahmefall, wie er zum Beispiel bei der Verweisung durch ein nach damaligem Erkenntnisstand zuständiges Gericht unter Übergehung eines eindeutigen Zuständigkeitsvorschrift vorliegt, ist hier nicht zu erkennen (vgl. zum Umfang der Bindungswirkung nur: Zöller/Greger, 31. Auflage, 2016, § 281 ZPO Rn. 17 m.w.N.).
11Gem. § 3 S. 1 InsO ist für die Entscheidung über den Insolvenzantrag das Gericht zuständig, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich der Insolvenzschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, wobei auf den Zeitpunkt der Anbringung des Insolvenzantrags abzustellen ist (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 28.03.2001 - 5 AR 1/01 – zitiert nach juris, dort Tz. 9).
12Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person wird grundsätzlich gem. § 13 ZPO durch ihren Wohnsitz bestimmt. Gem. § 7 BGB wird der Wohnsitz dadurch begründet, dass die Person sich an einem Ort mit dem Willen niederlässt, den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen (Palandt/ Ellenberger, 75. Aufl. 2016, § 7 BGB Rn. 6). Der Wohnsitz des Antragsstellers befand sich vor dem Antritt der Strafhaft unstreitig in I-Bad-N und zuvor in M, beides gelegen im Bezirk des Amtsgerichts E.
13Das Amtsgericht N ging in seinem Verweisungsbeschluss davon aus, dass sich der Wohnsitz des Antragstellers weiterhin dort befinde, da dieser – so das Amtsgericht N in seinem Hinweis vom 03.02.2016 - in der Justizvollzugsanstalt, in der er bei Antragstellung einsaß, keinen neuen Wohnsitz begründet habe. Dass durch den Antritt der Strafhaft grundsätzlich kein Wohnsitz in der Justizvollzugsanstalt begründet wird, ist höchstrichterlich geklärt (BGH, Beschl. v.- 19.06.1996 – XII ARZ 5/96 – zitiert nach juris) und wird auch vom Amtsgericht E nicht in Abrede gestellt. Der Vorwurf des Amtsgerichts E geht vielmehr dahin, dass das Amtsgericht N einfach auf den „letzten Wohnsitz“ abgestellt habe. Richtig ist, dass dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts N nicht zu entnehmen ist, dass dieses geprüft hat, ob der bisherige Wohnsitz des Antragstellers in I-Bad-N im Zuge des Antritts der Strafhaft aufgehoben wurde. Dies stellt aber keinen groben Rechtsfehler dar, der den Vorwurf der Willkür begründen und damit die Bindungswirkung der Verweisung hindern könnte.
14Die Aufhebung des Wohnsitzes setzt voraus, dass die Niederlassung tatsächlich mit dem Willen aufgegeben wird, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnort zu belassen. Dieser Wille muss zwar nicht ausdrücklich erklärt werden, aber für einen objektiven Beobachter erkennbar sein. Hierzu genügen die polizeiliche Abmeldung und die Aufgabe der bisherigen Wohnung nicht, wenn die Beziehungen zum bisherigen Wohnort aufrecht erhalten bleiben, weshalb auch der Antritt zur Strafhaft grundsätzlich nicht zur Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes führt, da ein freier Aufgabewille fehlt (zum Ganzen: Palandt/Ellenberger, 75. Aufl. 2016, § 7 BGB Rn. 12 m.w.N.).
15Bei dieser Rechtslage ist es nicht als willkürlich einzuordnen, dass sich das Amtsgericht N mit der Erklärung des Antragstellers vom 29.01.2016, in der dieser die Anschrift in I-Bad-N als seinen „letzten Wohnort“ bezeichnet hat, begnügt und nicht näher ermittelt hat, ob der Antragsteller in diesem konkreten Einzelfall bei Antritt der Strafhaft seinen bisherigen Wohnsitz im Sinne von § 7 Abs. 3 BGB aufgehoben hat. Dass die Angaben des Antragstellers im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Senat auch eine andere Einschätzung der Frage der Aufrechterhaltung des bisherigen Wohnsitzes zulassen, könnte den Vorwurf einer fehlerhaften, nicht aber den einer willkürlichen Verweisung begründen.
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Der allgemeine Gerichtsstand einer Person, die keinen Wohnsitz hat, wird durch den Aufenthaltsort im Inland und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.
(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.
(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.
(1) Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt.
(2) Hat der Schuldner in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung Instrumente gemäß § 29 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes in Anspruch genommen, ist auch das Gericht örtlich zuständig, das als Restrukturierungsgericht für die Maßnahmen zuständig war.
(3) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus.
Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.